JudikaturJustiz12Os60/04

12Os60/04 – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. Januar 2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Jänner 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber, Dr. Philipp, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Petö als Schriftführer, in der Strafsache gegen Alexander E***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall und Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft sowie über die Berufung des Angeklagten Alexander E***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Jugendschöffengericht vom 23. Juni 2003, GZ 33 Hv 83/03h-89, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Mag. Knibbe, der Angeklagten Alexander E***** und Dominik R***** sowie deren Verteidiger Dr. Lechenauer und Mag. Pogensberger, sowie des Verteidigers der abwesenden Angeklagten Stefanie V*****, Dr. Goja A) zu Recht erkannt:

Spruch

I. Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch (einschließlich des gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO gefassten Beschlusses unter Ausklammerung der Vorhaftanrechnung) betreffend den Angeklagten Dominik R***** aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Dominik R***** wird nach §§ 28 Abs 1, 36 StGB, § 28 Abs 4 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 3 ½ (dreieinhalb) Jahren verurteilt.

II. Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird teilweise dahin Folge gegeben, dass

a) die dem Angeklagten Alexander E***** gewährte teilbedingte Strafnachsicht ausgeschaltet und

b) von der über Stefanie V***** verhängten Freiheitsstrafe von 2 Jahren unter Ausschaltung der gänzlichen bedingten Strafnachsicht nach § 43 Abs 1 StGB gemäß § 43a Abs 3 StGB ein Strafteil von 18 (achtzehn) Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wird.

III. Den Berufungen der Staatsanwaltschaft im Übrigen und des Angeklagten Alexander E***** wird nicht Folge gegeben.

IV. Den Angeklagten E*****, R***** und V***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

B) den Beschluss:

gefasst:

Gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO wird vom Widerruf der dem Dominik R***** zu AZ 41 Vr 24/99 des Landesgerichtes Salzburg gewährten bedingten Strafnachsicht sowie zu AZ 42 BE 1009/01 desselben Gerichtes gewährten bedingten Entlassung abgesehen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Alexander E*****, Dominik R***** und Stefanie V***** des Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall und Abs 4 Z 3 SMG, Dominik R***** darüber hinaus auch der Vergehen nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG und Alexander E***** des Vergehens nach § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Demnach haben

A. den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG), die das zumindest 25-fache der Grenzmenge ausmachte, in der Absicht in Verkehr gesetzt, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen und zwar

„I. Alexander E***** durch wiederholte Weitergabe an nachstehende Personen, nämlich

1. von Mai 2000 bis März 2001 an Stefanie V***** insgesamt zumindest 20 - 25 Kilogramm Cannabisharz, 1.500 Ecstasy-Tabletten und 18 Gramm Kokain sowie drei Gramm Speed;

2. von Mai 2000 bis März 2001 an Christian B***** insgesamt 10 - 12 Kilogramm Cannabisharz, 1.300 Ecstasy-Tabletten, 50 Gramm Kokain, 40 Gramm psylocibinhältige Pilze;

3. von August 2000 bis Jänner 2001 an Gregor P***** insgesamt zwei Kilogramm Cannabisharz;

4. von August 2000 bis März 2001 an Sebastian F***** insgesamt ca zehn Kilogramm Cannabisharz und drei Gramm Kokain;

4.800 bis 5.000 Ecstasy-Tabletten und 45 bis 50 Kilogramm Cannabisharz;

2. von Herbst 2000 bis März 2001 an Christian F***** insgesamt 3,8 Kilogramm Cannabisharz;

III. Stefanie V***** durch wiederholte Weitergabe an nachstehende Personen

1. von März/April 2000 bis März 2001 an Manfred S***** 10 Kilogramm Cannabisharz, 1.500 Ecstasy-Tabletten und 30 bis 40 Gramm Speed;

2. von März 2000 bis Juni 2001 an Günther H***** 10 Kilogramm Cannabisharz, 700 Ecstasy-Tabletten und zwei Gramm Kokain;

3. von Herbst 2000 bis Frühjahr 2001 300 Ecstasy-Tabletten an Alexander E*****;

4. von Herbst 2000 bis Frühjahr 2001 an Zoran J***** insgesamt 2,5 Kilogramm Cannabisharz und 200 Ecstasy-Tabletten;

5. in der Zeit von Herbst 2000 bis Frühjahr 2001 an Martin G***** 500 Gramm Cannabisharz und 100 Ecstasy-Tabletten;

6. von Herbst 2000 bis Frühjahr 2001 an Patrick F***** insgesamt ein Kilogramm Cannabisharz und 100 Ecstasy-Tabletten;

7. von Dezember 2000 bis Februar 2001 an Anita Q***** insgesamt 350 Gramm Cannabisharz und 150 Ecstasy-Tabletten;

8. von August 2000 bis März 2001 an unbekannte Personen im Cave-Club insgesamt 3,5 Kilogramm Cannabisharz und 1.700 Ecstasy-Tabletten;"

B. Dominik R***** ab Ende 2001 den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift, nämlich einige Gramm Cannabisharz erworben und bis zum jeweiligen Eigenkonsum, zuletzt am 9. Jänner 2002, besessen;

C. Alexander E***** am 16. Februar 2003 in Salzburg Stefanie V***** dadurch vorsätzlich am Körper verletzt, dass er sie mit einem Kindersitz gegen den Kopf schlug, wodurch sie eine Nasenprellung, einen Bluterguss im Bereich der linken Augenhöhle und eine Rissquetschwunde in der linken Augenbraue erlitt.

Alexander E***** wurde nach §§ 28 (Abs 1), 36 StGB, 28 Abs 4 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten verurteilt. „Gemäß § 43a Abs 3 StGB" wurde ein Teil der über ihn verhängten Freiheitsstrafe von 24 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Dominik R***** wurde nach §§ 28 (Abs 1), 36 StGB, 28 Abs 4 SMG sowie „gemäß §§ 31, 40 StGB" unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 8. Jänner 2002 zu AZ 40 Hv 1064/01x, zu einer zusätzlichen Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. „Gemäß § 43a Abs 3 StGB" wurde ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe von 26 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Stefanie V***** wurde nach §§ 36 StGB, 28 Abs 4 SMG sowie gemäß §§ 31, 40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 19. November 2001 zu AZ 33 Hv 1067/01h zu einer zusätzlichen Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Gemäß § 43 Abs 1 StGB wurde die verhängte Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Dieses Urteil bekämpfen die Staatsanwaltschaft mit aus dem Grund der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobener Nichtigkeitsbeschwerde hinsichtlich des Angeklagten Dominik R***** und mit Berufung hinsichtlich der Angeklagten Alexander E*****, Stefanie V***** und der Sache nach Dominik R***** sowie der Angeklagte Alexander E***** mit Berufung.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Zutreffend zeigt die Anklagebehörde auf, dass das Erstgericht zu Unrecht eine Zusatzstrafe verhängt hat. § 31 Abs 1 (erster Satz) StGB setzt voraus, dass sämtliche der nachträglichen Verurteilung zu Grunde liegende Taten - ein Dauerdelikt zur Gänze - vor dem Vor-Urteil I. Instanz begangen wurden, somit eine gemeinsame Verfahrensführung in erster Instanz möglich gewesen wäre (Ratz in WK2 § 31 Rz 2 f mwN).

Da die dem Schuldspruch B zu Grunde liegende Tat bis zum 9. Jänner 2002 verübt wurde, war auf das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 8. Jänner 2002 (GZ 40 Hv 1064/0lx-10) sohin nicht Bedacht zu nehmen.

Der bekämpfte Strafausspruch ist aber auch deshalb nach § 281 Abs 1 Z 11 StPO nichtig, weil bei der Verhängung einer zwei Jahre übersteigenden Freiheitsstrafe (hier drei Jahre) bedingte Nachsicht nach § 43a Abs 3 StGB nur im Fall von Jugendstraftaten (§ 5 Z 9 JGG), nicht aber bei strafbaren Handlungen von „jungen Erwachsenen" (Jesionek Jugendgerichtsgesetz³ Anm 1 zu § 5) in Betracht kommt. In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher mit der Kassation des den Angeklagten R***** betreffenden Strafausspruchs vorzugehen.

Bei der dadurch notwendig gewordenen Strafneubemessung waren fünf einschlägige Vorverurteilungen, die Tatsache, dass die übergroße Suchtgiftmenge weit überschritten wurde, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen und die Verleitung des Mitangeklagten E***** zum Suchtgiftverbrechen erschwerend, mildernd hingegen das reumütige Geständnis.

Aufgrund der beträchtlichen Menge des gewerbsmäßig in Verkehr gesetzten Suchtgiftes und der Wirkungslosigkeit bisheriger Strafvollzüge war auch bei Berücksichtigung der längeren Verfahrensdauer und Beachtung des durch § 36 StGB geänderten Strafrahmens, insbesonders aus spezial- aber auch generalpräventiven Überlegungen im Sinn der Berufungsargumentation der Staatsanwaltschaft auf die im Spruch ersichtliche unbedingte Freiheitsstrafe zu erkennen.

Zu den übrigen Berufungen:

Vorweg ist festzuhalten, dass der Oberste Gerichtshof bei der Korrektur der Strafen jeweils die für die Angeklagten belastende lange Verfahrensdauer berücksichtigt hat.

Bei der Bemessung der Freiheitsstrafe des Alexander E***** wertete das Schöffengericht den langen Tatzeitraum, die mehrfache Überschreitung der übergroßen Suchtgiftmenge, eine einschlägige Vorverurteilung und das Zusammentreffen eines Verbrechens und eines Vergehens als erschwerend, mildernd berücksichtigte es hingegen das wesentlich zur Wahrheitsfindung beitragende Geständnis und das Alter unter 21 Jahren.

Von den gegen diesen Strafausspruch gerichteten Berufungen ist allein jene der Staatsanwaltschaft teilweise berechtigt:

Angesichts des gravierenden Unrechtsgehalts des dem Angeklagten E***** zur Last liegenden Suchtgiftverbrechens durch gewerbsmäßiges In-Verkehr-setzen übergroßer Mengen verschiedener Suchtgifte über einen längeren Zeitraum selbst bei zusätzlich als mildernd zu berücksichtigender Verleitung zum Suchtgiftverbrechen durch den Mitangeklagten R***** sah sich der Oberste Gerichtshof weder zur Anhebung noch zur Herabsetzung der Freiheitsstrafe bestimmt. Denn der Umstand der eigenen Drogenabhängigkeit tritt schon im Hinblick auf die übergroßen Mengen des in Verkehr gesetzten Suchtgiftes bedeutungsmäßig in den Hintergrund. Die Berücksichtigung der vielfachen Überschreitung der übergroßen Menge als Erschwerungsgrund verstößt nicht gegen das Doppelverwertungsverbot.

Die Voraussetzungen für die bedingte Nachsicht eines Teils der Freiheitsstrafe nach § 43a Abs 4 StGB liegen im Hinblick auf insbesondere generalpräventive Erfordernisse nicht vor. Hinsichtlich der Angeklagten Stefanie V***** kann aufgrund der großen in Verkehr gesetzten Suchtgiftmengen von 27,8 kg Cannabisharz (mit mindestens sechs Prozent THC-Gehalt) und über 4.700 (MDMA- bzw MDE-hältigen) Ecstasy-Tabletten im Hinblick auf spezial- und generalpräventive Überlegungen nicht mehr mit einer gänzlich bedingt nachgesehenen Strafe das Auslangen gefunden werden. Die der Höhe nach angemessene Freiheitsstrafe war daher bloß in dem im Spruch ersichtlichen Ausmaß gemäß § 43a Abs 3 StGB teilbedingt nachzusehen.

Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.