JudikaturJustiz12Os57/15x

12Os57/15x – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Mai 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Mai 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kampitsch als Schriftführer in der Strafsache gegen Sulim D***** und andere wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen, AZ 11 Hv 37/14y des Landesgerichts für Strafsachen Graz, über die Grundrechtsbeschwerde des Arben T***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 15. April 2015, AZ 10 Bs 128/15x (ON 713b), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Arben T***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Graz der Beschwerde des Arben T***** gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 31. März 2015, GZ 11 Hv 37/14y 710, mit dem die über den Genannten am 23. November 2013 verhängte Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht und Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 1 und 2 Z 1 und Z 3 lit a und b StPO erneut fortgesetzt worden war, dahingehend Folge, dass die Untersuchungshaft (bloß) „aus dem Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 StPO fortgesetzt wird, welche jedoch gegen die Leistung einer Sicherheit nach § 180 StPO von 50.000 Euro sowie nach Bekanntgabe des zukünftigen Aufenthaltsortes des Angeklagten und Ablegung des Gelöbnisses, bis zur rechtskräftigen Beendigung des Strafverfahrens weder zu fliehen noch sich verborgen zu halten noch sich ohne Genehmigung des Gerichts von seinem Aufenthaltsort zu entfernen und auch jederzeit über den Verteidiger erreichbar zu bleiben, aufzuheben ist“.

Das Oberlandesgericht verwies zum dringenden Tatverdacht auf das wegen der Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Satz, 15 Abs 1 StGB, der schweren Erpressung nach §§ 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1, Abs 2 Z 1 und 2, 15 Abs 1 StGB und der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1, 15 Abs 1 StGB gegen den Angeklagten ergangene zufolge Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde durch diesen nicht rechtskräftige Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 3. Oktober 2014, mit welchem Arben T***** unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach dem zweiten Strafsatz des § 148 StGB zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden war.

Demnach hat der Angeklagte „mit Sanel K*****, Dominique Ta*****, Ilir N*****, Johannes L***** und weiteren bislang nicht identifizierten Personen

B./ […] mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von teils schweren Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, nachstehende Personen durch Täuschung über Tatsachen zu folgenden Handlungen teils verleitet, teils zu verleiten versucht, die diese im teils 3.000 Euro, teils 50.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen teils schädigten, teils schädigen sollten, und zwar

I./ im Zeitraum von August 2012 bis April 2013 in L*****, K*****, W***** und anderen Orten des Bundesgebietes ..., Verfügungsberechtigte des asiatischen Online-Wettanbieters S***** sowie weiterer bislang unbekannter Wettanbieter einerseits durch die konkludente wahrheitswidrige Vorgabe, als Wettteilnehmer bei Abschluss des Wettvertrages, Wetten auf Fußballspiele mit scheinbar ungewissem und unbeeinflusstem Ausgang zu platzieren, wobei es sich jedoch tatsächlich um manipulierte Spiele nach zuvor getroffener Manipulationsabsprache handelte, und andererseits durch die wahrheitswidrige Vorgabe der jeweiligen Fußballspieler, mit vollem Einsatz, ordnungsgemäß und regelkonform zu spielen, wobei sie jedoch tatsächlich so unauffällig wie möglich auf das konkret zuvor vereinbarte Spielergebnis hinwirkten, somit durch Täuschung über Tatsachen, zu Handlungen, und zwar zur Annahme der Wetten und Auszahlung der betrügerisch erlangten Wettgewinne teils verleitet, teils zu verleiten versucht, die die jeweiligen Wettanbieter in einem bislang unbekannten, pro Spiel 3.000 Euro und insgesamt 50.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen teils geschädigt haben sollen, teils schädigen sollten, und zwar betreffend im angefochtenen erstgerichtlichen Beschluss näher bezeichnete drei Fußballspiele (31. August 2012, 15. Dezember 2012 und 20. April 2013) durch Mitwirkung an der Organisation der Wettabsprache und durch das Organisieren der Geldmittel unter Setzen der Wette;

C./ nachstehende Personen mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz und gesellschaftlichen Stellung ... zu Handlungen genötigt, die diese am Vermögen teils schädigten, teils schädigen sollten, wobei es teilweise aufgrund des Ausbleibens weiterer Zahlungen beim Versuch blieb und sie jeweils mit dem Vorsatz handelten, durch das Verhalten des Genötigten sich unrechtmäßig zu bereichern sowie in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und die Erpressung gegen dieselbe Person längere Zeit hindurch fortsetzten, und zwar

2./ Ilir N***** im Zeitraum von Anfang 2012 bis Oktober 2013 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Arben T*****, in K*****, Ka*****, G***** und anderen Orten des Bundesgebietes,

a./ Johannes L***** durch die Ankündigung, dass sie wüssten, wo er mit seiner Familie wohne, Ilir N***** genügend Leute aus Italien mit Waffen kenne, die er dorthin schicken werde und für die ein Menschenleben für 5.000 Euro nichts wert sei, sowie durch die von Ilir N***** und Arben T***** getätigte Ankündigung, dass seine Beteiligung an Spielmanipulationen an die Öffentlichkeit gebracht werden würde und dass ihm etwas passieren würde, wenn er nicht bezahlen würde, zur mehrfachen Zahlung von Geldbeträgen in nicht näher bekannter Gesamthöhe;

b./ Dominique Ta***** durch die Ankündigung, dass seine Beteiligung an Spielmanipulationen an die Öffentlichkeit gebracht und seine Karriere ruiniert werden würde, zur mehrfachen Zahlung von Geldbeträgen in nicht näher bekannter Gesamthöhe;

D./ nachstehende Personen durch die zu Punkt C./ geschilderten Tathandlungen in den dort genannten Zeiträumen an dort genannten Orten teils mit Gewalt, teils durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper (teilweise von Sympathiepersonen), oder der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz und gesellschaftlichen Stellung, zu Handlungen teils genötigt, teils zu nötigen versucht, und zwar

2./ Ilir N***** und Arben T***** Johannes L***** durch die unter Punkt C./2./a./ geschilderten Tathandlungen und Dominique Ta***** durch die unter Punkt C./2./b./ geschilderten Tathandlungen jeweils zur Vornahme weiterer Spielmanipulationen“.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts erhobenen Grundrechtsbeschwerde kommt in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur keine Berechtigung zu.

Der Oberste Gerichtshof überprüft im Rahmen des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens die rechtliche Annahme einer der in § 173 Abs 2 StPO genannten Gefahren vorbehaltlich der in § 173 Abs 3 StPO angeführten Umstände, die unter den dort genannten Voraussetzungen jedenfalls in Rechnung zu stellen sind (nur) dahin, ob sie aus den vom Oberlandesgericht in Anschlag gebrachten bestimmten Tatsachen (vgl § 174 Abs 3 Z 4 StPO) abgeleitet werden durfte, ohne dass die darin liegende Ermessensentscheidung als willkürlich (mit anderen Worten als nicht oder nur offenbar unzureichend begründet) angesehen werden müsste (RIS Justiz RS0117806).

Indem die Beschwerde den vom Beschwerdegericht zur Begründung der Fluchtgefahr herangezogenen Argumenten (albanische Staatsangehörigkeit, Tätigkeit als Steuerberater in Albanien vor der Verhaftung, soziale Integration in Albanien und Kontakte zu Österreich „nur im Zusammenhang mit der vorliegenden Strafsache“; BS 4) entgegenhält, „eine Unterscheidung zwischen der Straferwartung, der Bedeutung der Strafsache und dem Weiterbestehen des Haftgrundes“ wäre unterblieben, zeigt sie keine willkürlich begründete Prognoseentscheidung auf. Dass das Oberlandesgericht mit den zitierten Gründen keine bestimmten Tatsachen angeführt hätte, welche die Fortdauer der Fluchtgefahr, gemessen an der bereits verbüßten und noch zu verbüßenden Haft, rechtfertigen könnten, wird ohne nachvollziehbare Argumentation - lediglich behauptet.

Der Angeklagte weist zwar im Ergebnis zutreffend darauf hin, dass bei Vorliegen eines Urteils erster Instanz bei der Beurteilung der Gewichtigkeit des Haftgrundes der Fluchtgefahr die im Urteil verhängte Strafe heranzuziehen ist ( Kirchbacher/Rami , WK-StPO § 173 Rz 33), weshalb es nicht dem Gesetz entspricht, die Fluchtgefahr aus der „Ungewissheit des Ausgangs des Strafverfahrens“ in Hinblick auf die von der Staatsanwaltschaft erhobene Berufung abzuleiten (vgl BS 4). Dennoch hat das Oberlandesgericht in Hinblick auf die oben wiedergegebenen bestimmten Tatsachen den Haftgrund nicht willkürlich angenommen. Das Beschwerdegericht hat in der Möglichkeit der Erhöhung der verhängten Freiheitsstrafe nämlich erkennbar keine Bedingung für die Annahme der Fluchtgefahr gesehen.

Entgegen dem weiteren Vorbringen der Grundrechtsbeschwerde bildet die Möglichkeit einer bedingten Entlassung ebensowenig den Gegenstand der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 173 Abs 1 letzter Satz StPO wie jene einer bedingten Strafnachsicht (RIS Justiz RS0118876).

Die Höhe einer Kaution ist unter dem Aspekt des Grundrechtsschutzes nur insoweit relevant, als sie nicht unverhältnismäßig in Relation sowohl zu den persönlichen Verhältnissen einschließlich der finanziellen Lage des Angeklagten als auch zum Gewicht der Straftat(en) und ihren Folgen, im Fall eines Urteils erster Instanz auch zum noch zu verbüßenden Strafrest sein darf, mit anderen Worten ihre Festsetzung nicht willkürlich erfolgt ist (RIS Justiz RS0126238). Die diesbezügliche Beschwerdeargumentation geht ins Leere, weil sie allein auf das angebliche monatliche Einkommen des Angeklagten Bezug nimmt, ohne wie es das Oberlandesgericht zutreffend tat auf das Gewicht der Straftaten sowie die gesamten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten Bedacht zu nehmen. Eine Unverhältnismäßigkeit der Höhe der Sicherheitsleistung im Sinn von Willkür liegt nicht vor.

Die Grundrechtsbeschwerde war daher ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.