JudikaturJustiz12Os36/05v

12Os36/05v – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Juni 2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Juni 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber, Dr. Philipp, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krammer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Herbert B***** wegen der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Schöffengericht vom 17. Jänner 2005, GZ 20 Hv 38/04i-36, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Eisenmenger, des Angeklagten sowie seines Verteidigers Dr. Reif zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch der bedingten Nachsicht der nach § 21 Abs 2 StGB angeordneten (US 3 iVm US 8) Unterbringung des Angeklagten in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher sowie der (gleichzeitig) nach §§ 50, 51 StGB gefasste Beschluss ersatzlos aufgehoben.

Der Berufung wird Folge gegeben und die auf § 43a Abs 3 StGB gegründete bedingte Nachsicht eines Strafteils von zehn Monaten aus dem Strafausspruch ausgeschaltet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch enthaltenden Urteil wurde der Angeklagte Herbert B***** der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 erster Fall StGB (I./l. und 2.) und (richtig:) der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (II.) schuldig erkannt.

Darnach hat er in St. Georgen ob Judenburg

I. außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an einer unmündigen Person, nämlich seiner am 28. September 1991 geborenen Enkeltochter Delia S***** vorgenommen, indem er

l. am 26. August 2004 ihre Brüste betastete;

2. am 28. August 2004 ihre Brüste betastete, streichelte, küsste und leckte sowie ihre Scheide betastete und streichelte;

II. durch die unter I./1. und 2. bezeichneten Taten mit einer mit ihm in absteigender Linie verwandten minderjährigen Person geschlechtliche Handlungen vorgenommen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach §§ 28 Abs 1, 207 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe von 15 Monaten, wobei ihm gemäß § 43a Abs 3 StGB ein Strafteil von zehn Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Gemäß § 21 Abs 2 StGB ordnete es seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher an, sah diese Maßnahme jedoch gemäß § 45 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer fünfjährigen Probezeit bedingt nach. Mit dem zugleich gefassten Beschluss erteilte es dem Angeklagten die Weisung, eine Männerberatungsstelle aufzusuchen, sich in Abständen von 14 Tagen einer nervenfachärztlichen Behandlung zu unterziehen und dies monatlich nachzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die bedingte Nachsicht der vorbeugenden Maßnahme gerichteten, aus Z 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft kommt Berechtigung zu. Gemäß § 45 Abs 1 zweiter Satz StGB darf die Unterbringung nach § 21 Abs 2 StGB nur zugleich mit der Strafe bedingt nachgesehen werden. Schon aus dem Gesetzeswortlaut („zugleich mit der Strafe") ergibt sich, dass eine bedingte Nachsicht der Unterbringung nur zugleich mit gänzlich bedingter Strafnachsicht in Betracht kommt (Ratz in WK2 § 45 Rz l; EvBl 1999/214). Auf Grund der eindeutigen Anordnung des Gesetzgebers ist es - entgegen der in der Gegenausführung des Angeklagten vertretenen Auffassung - den Gerichten verwehrt, fallbezogen „ausnahmsweise" die Maßnahme nach § 21 Abs 2 StGB bedingt nachzusehen.

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde waren das angefochtene Urteil in seinem Ausspruch, die Maßnahme nach § 21 Abs 2 StGB gemäß § 45 Abs 1 StGB bedingt nachzusehen, sowie der zugleich nach §§ 50, 51 StGB gefasste Beschluss ersatzlos aufzuheben.

Bei der Bemessung der oben bezeichneten teilbedingt nachgesehen Freiheitsstrafe wertete das Schöffengericht das Zusammentreffen von zwei Verbrechen und zwei Vergehen erschwerend; mildernd berücksichtigte es hingegen das „umfassende" Geständnis und die Enthemmung durch Alkohol.

Die Berufung der Staatsanwaltschaft, die sich ausschließlich gegen die bedingte Nachsicht des Strafteils von zehn Monaten richtet, ist gleichfalls berechtigt.

Zutreffend weist die Berufungswerberin darauf hin, dass das Vorleben des Angeklagten durch eine Vielzahl (wenngleich verjährter) sexueller Missbrauchsaktivitäten zum Nachteil seiner Tochter Ingrid und seiner Stieftochter Gudrun jeweils über einen längeren Zeitraum schwer getrübt ist, die seine Gefährlichkeit massiv indizieren. Berücksichtigt man ferner, dass er „überhaupt keinen kritischen Zugang" (Gutachten des Sachverständigen Univ. Prof. Dr. H***** S 301) zu seiner psychosexuellen Störung hat, so wird deutlich, dass der bedingten Nachsicht eines Strafteils sinnfällig insbesondere spezial-, aber auch generalpräventive Hindernisses entgegenstehen. Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.