JudikaturJustiz12Os33/22b

12Os33/22b – OGH Entscheidung

Entscheidung
02. Juni 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. Juni 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Marko, BA, BA, in der Strafsache gegen * T* und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des genannten Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Jugendschöffengericht vom 24. Jänner 2022, GZ 161 Hv 56/21t 87, sowie über dessen Beschwerde gegen einen zugleich gefassten Beschluss auf Anordnung von Bewährungshilfe und Erteilung einer Weisung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde werden in Ansehung des Angeklagten * R* das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen III./, demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie die Beschlüsse auf Anordnung von Bewährungshilfe und Erteilung einer Weisung aufgehoben und die Sache in Ansehung der kassierten Schuldsprüche III./ mit dem Auftrag, insoweit gemäß § 37 SMG vorzugehen und im Übrigen zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

* T* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil, das auch rechtskräftige Schuldsprüche Mitangeklagter enthält, wurde * T* des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB (I./2./) und des Vergehens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 1, 15 StGB (II./1./ und 2./A./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in W*

I./2./ am 10. November 2021 in einverständlichem Zusammenwirken mit * R* und * Ri* mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) * M* und * Ra* unter Verwendung einer Waffe, nämlich eines Messers, Bargeld wegzunehmen versucht, indem sie die Opfer aufforderten ihre Geldbörsen vorzuzeigen, wobei * R* den Opfern ein Messer vorhielt und sie aufforderte, ihnen Bargeld zu übergeben;

II./ am 12. November 2021 in einverständlichem Zusammenwirken mit * R* mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz unbekannten Gewahrsamsträgern fremde bewegliche Sachen

1./ weggenommen, und zwar ein (unversperrtes) Fahrrad;

2./A./ ein Fahrrad durch Aufbrechen einer Sperrvorrichtung wegzunehmen versucht.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen aus Z 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten T* schlägt fehl.

[4] Die gegen den Schuldspruch I./2./ gerichtete Mängelrüge (Z 5) erschöpft sich in einem unzulässigen Angriff auf die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung, indem sie die Konstatierungen, wonach dieser den Einsatz des Messers durch * Ri* wahrgenommen und gebilligt habe (US 10 f, 14), unter Hinweis auf Verfahrensergebnisse zur passiven Rolle des Angeklagten bei Ausführung des Raubes in Zweifel zieht.

[5] Gleiches gilt für die Kritik an den (nur flankierend angestellten) Urteilserwägungen, die subjektive Tatseite des Angeklagten lasse sich auch daraus ableiten, dass der Beschwerdeführer bereits Tage zuvor einen von * Ri* verübten Raub wahrgenommen hatte und auch zugegen war, als dieser die Tatwaffe kaufte (US 14).

[6] Entgegen der weiteren Beschwerde (Z 5 zweiter Fall) musste sich das Schöffengericht – dem Gebot zur gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe folgend (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) – nicht mit sämtlichen Details der leugnenden Einlassung des Angeklagten in Bezug auf den Einsatz des Messers auseinandersetzen.

[7] Der pauschale Vorwurf, dass Zeugen und die beiden anderen Angeklagten den Nichtigkeitswerber in der Hauptverhandlung am 24. Jänner 2022 nicht be lasteten, geht schon deshalb ins Leere, weil solcherart neutrale Verfahrensergebnisse den Feststellungen zu den entscheidenden Tatsachen nicht entgegen stehen und damit keiner Erörterung im Urteil bedurften. Im Übrigen hat das Schöffengericht die den Beschwerdeführer ent lastende Aussage des Mitangeklagten Ri* ohnedies berücksichtigt (US 14).

[8] Die Tatsachenrüge (Z 5a) vernachlässigt zunächst, dass die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 StPO voneinander wesensmäßig verschieden und daher gesondert auszuführen sind (RIS Justiz RS0100183, RS0115902). Mit dem bloßen Verweis auf die Ausführungen zur Mängelrüge erweckt die Beschwerde ebensowenig erhebliche Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen den Ausspruch über entscheidende Tatsachen wie mit ihren eigenständig beweiswürdigenden Überlegungen zu angeblich den Beschwerdeführer entlastenden Angaben der Mitangeklagten und zweier Zeugen.

[9] Die zu den Schuldspruchfakten II./1./ und 2./A./ erhobene Mängelrüge (Z 5) bekämpft abermals unzulässig die Beweiswürdigung der Tatrichter, indem sie auf die Glaubhaftigkeit der – vom Schöffengericht mit zureichender Begründung verworfenen (US 15) – leugnenden Einlassung der Angeklagten T* und R* betreffend deren Bereicherungsvorsatz hinweist.

[10] Die Rüge (der Sache nach Z 9 lit a, nominell auch Z 5) moniert das Fehlen von Feststellungen, ob die Fahrräder eine fremde Sache darstellten. Sie geht dabei aber prozessordnungswidrig (RIS Justiz RS0099810) an den dazu getroffenen Konstatierungen (vgl US 11: unbekannt gebliebener Fahrradeigentümer) vorbei.

[11] Welche über die getroffenen Feststellungen hinaus dazu erforderlich gewesen sein sollen, dass ein Fahrrad eine bewegliche Sache sein soll, gibt das Rechtsmittel, das sich insoweit einer sachbezogenen Erwiderung entzieht, nicht bekannt.

[12] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die (implizite) Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

[13] Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch – ebenfalls im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – von nicht geltend gemachter Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 10a StPO) in Bezug auf die Schuldsprüche III./ (§ 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG) des Angeklagten * R* (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

[14] Nach den Urteilsfeststellungen hat * R* (mit entsprechender subjektiver Tatseite von einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt bis zum 7. Juli 2021 in W* Delta 9 THC und THCA hältiges Cannabiskraut für den Eigenkonsum erworben und besessen (US 4, 11), weshalb das Erstgericht zutreffend von Privilegierung iSd § 27 Abs 2 SMG ausging. Wird aber durch die Tat(en) § 27 Abs 1 und 2 SMG verwirklicht, ist Diversion – bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen und Bedingungen (§ 35 Abs 3 bis 7 SMG) – stets geboten. Lehnt das Gericht diversionelles Vorgehen dennoch ab, hat es gemäß § 270 Abs 2 Z 5 StPO die insoweit als erwiesen oder nicht erwiesen angenommenen, entscheidungswesentlichen Tatsachen in den Entscheidungsgründen in gedrängter Darstellung anzuführen (vgl Danek/Mann , WK StPO § 270 Rz 31), somit Feststellungen zu treffen, aus denen sich die Nichtanwendung der Diversionsvorschriften ableiten lässt (RIS Justiz RS0119091 [T7, T9]).

[15] Der bloße Hinweis auf eine Fortsetzung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft (§ 38 Abs 1a SMG), weil * R* zu einer Begutachtung nicht erschienen sei (US 12 iVm ON 1.4,1 und ON 5,1 , jeweils in ON 60), vermag die Nichtanwendung der Diversion nicht zu tragen (vgl Tomasits in Hinterhofer , SMG 2 § 38 Rz 24). Ebensowenig schadet der Umstand, dass dieser Angeklagte weiterer, mit dem Suchtmittelgesetz in keinem Zusammenhang stehender Verbrechen oder Vergehen schuldig erkannt wurde (vgl RIS Justiz RS0113621; Schroll/Kert , WK StPO § 203 Rz 33/1).

[16] Indem das Erstgericht, obwohl es nicht nach § 37 SMG vorgegangen ist, im Urteil keine Feststellungen zu diversionshindernden Umständen traf, liegt ein Rechtsfehler mangels Feststellungen vor, der die (implizite) Annahme der Beseitigung eines nach dem Urteilssachverhalt vorliegenden Ausnahmesatzes (Diversion) unschlüssig macht (vgl RIS Justiz RS0122332 [T12]).

[17] Insoweit war daher mit Urteilskassation wie im Spruch ersichtlich vorzugehen (§ 285e StPO).

[18] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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