JudikaturJustiz12Os25/12m

12Os25/12m – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. April 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. April 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Christina Wohlmuth als Schriftführerin in der Strafsache gegen Paul S***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Jugendschöffengericht vom 5. Oktober 2011, GZ 41 Hv 68/10x 79a, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Paul S***** des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB idF BGBl I 2004/15 (1./) sowie der Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB (2./), der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (3./a./) und der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (3./b./) schuldig erkannt.

Danach hat er (soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung)

1./ in der Nacht zum 7. April 2009 in Salzburg die schlafende Nadine A*****, sohin eine wehrlose Person, unter Ausnützung dieses Zustands durch Vornahme einer geschlechtlichen Handlung missbraucht, indem er einen Finger in ihre Vagina einführte.

Rechtliche Beurteilung

Die ausschließlich gegen diesen Schuldspruch gerichtete und auf die Z 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider verfiel der Antrag auf Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens hinsichtlich Nadine A***** zu Recht der Abweisung, weil nicht dargelegt wurde, warum anzunehmen sei, dass sich die Zeugin zur Befundaufnahme bereit finden werde (RIS Justiz RS0118956, RS0108614; Ratz , WK StPO § 281 Rz 350). Lediglich der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass Hilfestellung durch einen Sachverständigen bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit von Zeugen nur in Ausnahmefällen, etwa bei Entwicklungsstörungen oder geistigen Defekten unmündiger oder jugendlicher Zeugen, in Betracht kommt (RIS Justiz RS0120634; Ratz , WK StPO § 281 Rz 350). Derartige vergleichbare besondere Umstände wurden aber bei der Antragstellung (ON 69 S 3) weder mit erfolgter Bezugnahme auf einen von der Zeugin selbst dargestellten in ihrer Kindheit erfolgten Missbrauch (vgl US 12) noch mit dem Vorbringen dargetan, die Aufarbeitung sei noch nicht abgeschlossen.

Das den Beweisantrag ergänzende Vorbringen hat aufgrund des im Nichtigkeitsbeschwerdeverfahren bestehenden Neuerungsverbots auf sich zu beruhen (RIS Justiz RS0099618, RS0099117).

Entgegen der letztlich bloß die Glaubwürdigkeit der Zeugin anzweifelnden Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) blieb die von Nadine A***** im Zusammenhang mit dem Missbrauch behauptete Pilzinfektion in den Entscheidungsgründen nicht unberücksichtigt. Vielmehr gingen die Tatrichter ohnedies davon aus, dass eine derartige Erkrankung als Tatfolge nicht objektiviert ist (US 13). Soweit der Beschwerdeführer einwendet, es sei naheliegend, dass die Zeugin die angebliche Infektion erfunden habe, um ihren Angaben mehr Nachdruck zu verleihen, verkennt er den von einer Schuldberufung verschiedenen Anfechtungsrahmen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass der zeitgleich mit dem Urteil verkündete und ausgefertigte Beschluss, soweit er den dem Angeklagten unter Auflage von Weisungen gemäß § 6 Abs 1 Z 2 lit a StVG iVm § 52 JGG gewährten Strafaufschub in der Dauer von einem Jahr betrifft, keine Rechtswirkungen entfaltet. Für eine derartige vor Rechtskraft der Entscheidung erfolgte Beschlussfassung besteht auch wegen der mit der Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde ex lege verbundenen aufschiebenden Wirkung (§§ 284 Abs 3 erster Satz StPO) kein denklogischer Raum. Der Strafvollzug dürfte nämlich bei Ergreifung einer Nichtigkeitsbeschwerde selbst mit Zustimmung des Angeklagten nicht eingeleitet werden (vgl Fabrizy , StPO 11 § 284 Rz 6).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.