JudikaturJustiz12Os19/06w

12Os19/06w – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. April 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. April 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. Solé als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Westermayer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Nordine G***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster und zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Jamal A*****, die Berufung des Angeklagten Hasan B***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Angeklagten Jamal A*****, Ali B***** und Hasan B***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 20. Oktober 2005, GZ 12 Hv 178/05b-195, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten Jamal A***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Teilfreisprüche der Angeklagten Nordine G*****, Ali B*****, Hasan B***** und Nikita M***** vom Vorwurf der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1 StGB enthält - rechtsrichtig wäre der weitere Vorwurf einer in Idealkonkurrenz mit den jeweiligen Suchtmitteldelikten begangenen strafbaren Handlung, sohin einer weiteren rechtlichen Kategorie bloß in den Schuldspruch nicht aufzunehmen gewesen (Ratz WK2 Vorbem zu §§ 28 bis 31 Rz 20) - wurden Nordine G*****, Jamal A***** und Nikita M***** des Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall (hinsichtlich Jamal A***** auch zweiter Fall) und Abs 4 Z 3 SMG, Ali B***** und Hasan B***** der Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG, sämtliche Angeklagte der Vergehen nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG sowie Jamal A***** überdies des Vergehens der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Darnach hat Jamal A***** - soweit für das Nichtigkeitsverfahren von Bedeutung - in Graz zwischen Mitte 2004 und Anfang 2005

A. 2. den bestehenden Vorschriften zuwider, gewerbsmäßig und teilweise als Mitglied einer kriminellen Vereinigung ein Suchtgift, dessen Menge zumindest das 25-fache der Grenzmenge (§ 28 Abs 6 SMG) ausmacht, nämlich insgesamt 12.250 Gramm Haschisch und 150 Gramm Marihuana durch Verkauf zum Teil an die im Urteilsspruch bezeichneten und zum Teil an überwiegend unbekannt gebliebene Abnehmer in Verkehr gesetzt;

C. sich zwischen Mitte 2004 und Februar 2005 durch die zu A. 2. geschilderten Tathandlungen an einer kriminellen Vereinigung, nämlich einem auf längere Zeit angelegten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, dem neben Jamal A***** die abgesondert verfolgten Said M***** und Adnane T***** angehörten und der darauf ausgerichtet war, dass von einem oder mehreren Mitgliedern dieser Vereinigung Verbrechen nach dem Suchtmittelgesetz, nämlich der gewerbsmäßige und organisierte gewinnbringende Verkauf von Suchtgift in übergroßen Mengen, begangen werde, als Mitglied beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die inhaltlich nur gegen den Schuldspruch A. 2., ausschließlich auf die Z 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Dem Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der vom Angeklagten in Verkehr gesetzten, das 25-fache der Grenzmenge von 20 Gramm THC übersteigenden Suchtgiftmenge zuwider haben die Tatrichter diese Feststellung (US 20) nicht bloß auf (gerichtsnotorische) Erfahrungswerte, sondern auch auf das Ergebnis des in der Hauptverhandlung einverständlich verlesenen (S 101/V) kriminaltechnischen Untersuchungsberichtes des Bundeskriminalamtes (S 193 bis 199/III) gestützt. Danach hatten die bei Thomas W***** sichergestellten 1.592,4 Gramm Cannabisharz, die laut der vom Erstgericht als überzeugend eingestuften Verantwortung des Mitangeklagten G***** vom Angeklagten A***** stammten (US 34; vgl auch S 17, 23/V), einen THC-Gehalt von mehr als 11 % (zwischen 11,3 % und 13,2 %; S 193, 197/III).

Die ersichtlich aus der hohen Wirkstoffkonzentration der sichergestellten Substanzen gezogene Schlussfolgerung des Schöffengerichtes, wonach die gesamte tatverfangene Suchtgiftmenge die in der Suchtgift-Grenzmengenverordnung festgesetzte Grenzmenge von 20 Gramm THC jedenfalls um das 25-fache übersteigt (US 20 und 33 f), widerspricht weder den Gesetzen der Logik noch allgemeinen Erfahrungssätzen über Kausalverläufe (11 Os 65/05a). In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass das sichergestellte Suchtgift immerhin rund 13 % des vom Nichtigkeitswerber insgesamt in Verkehr gesetzten Cannabisharzes bildete.

Schließlich ist diese Urteilsannahme auch deshalb unbedenklich, weil nach bisheriger Judikatur bei Cannabisharz ein durchschnittlicher THC-Gehalt von rund 4 % ohne weiteres als gerichtsnotorisch angesehen werden kann (12 Os 49/04, 11 Os 65/05a, 12 Os 68/05z), die dem Angeklagten fallbezogen zur Last gelegte Menge von 12.250 Gramm Haschisch (ohne Berücksichtigung der weiteren 150 Gramm Marihuana) bereits bei einer - immer noch als „durchschnittlich" zu bezeichnenden - Wirkstoffkonzentration von bloß 4,1 % eine das 25-fache der Grenzmenge übersteigende Gesamtmenge aufweisen würde und die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklageschrift (infolge des Anklagevortrags in der Hauptverhandlung [S 7/V] für den Beschwerdeführer auch nicht überraschend; vgl 12 Os 49/04, 11 Os 55/04 ua) sogar von einem - noch innerhalb der Bandbreite der im Schrifttum als „gewöhnlich" bezeichneten Werte von etwa 1 % bis 12 % (siehe Foregger/Litzka/Matzka SMG VII S 528) liegenden - „durchschnittlichen und häufig vorkommenden Reinheitsgehalt" von „9 % bei Haschisch" ausgegangen ist.

Soweit der Rechtsmittelantrag über die inhaltliche Anfechtung der zu Punkt A. 2. angenommenen Qualifikation nach § 28 Abs 4 Z 3 SMG hinausgehend die Aufhebung des Ersturteils begehrt, unterlässt die Nichtigkeitsbeschwerde die gebotene deutliche und bestimmte Bezeichnung von Nichtigkeitsgründen, weshalb auf sie in diesem Umfang keine Rücksicht zu nehmen ist (§ 285 Abs 1 zweiter Satz, § 285a Z 2 StPO).

Anzumerken bleibt, dass der Schuldspruch wegen § 278 Abs 1 zweiter Fall StGB keinen Anlass zu einem Vorgehen nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO bietet. Denn die der Verurteilung des Jamal A***** wegen des Vergehens der kriminellen Vereinigung zugrunde liegenden Feststellungen, wonach sich der Genannte mit den abgesondert Verfolgten Said M***** und Adnane T***** im Rahmen einer auf längere Dauer angelegten kriminellen Vereinigung zum Zwecke der „erwerbsmäßigen" Inverkehrsetzung jeweils großer Suchtgiftmengen zusammengeschlossen (US 19) und sich an der Vereinigung „durch die zu A. 2. geschilderten Tathandlungen" beteiligt hat (US 9), wobei die Vereinigung darauf ausgerichtet war, auf längere Zeit Suchtgift in übergroßen Mengen nach Graz zu schmuggeln und dort gewerbsmäßig in Verkehr zu setzen (US 33), lassen mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, dass sich die Beteiligung des Angeklagten an der Vereinigung nicht bloß auf die vom Schuldspruch zu A. 2. umfassten Suchtgiftgeschäfte beschränkte, sondern überdies darauf abzielte, dass im Rahmen des Zusammenschlusses über einen nicht von vornherein bestimmten Zeitraum durch zumindest ein Mitglied der Vereinigung auch weiterhin große Suchtgiftmengen nach Graz verschafft, dort in Verkehr gesetzt und auf diese Weise auch weitere, wenngleich noch nicht hinreichend konkretisierte Verbrechen nach dem Suchtmittelgesetz begangen werden sollten. Damit ist aber - im Sinne der jüngsten Judikatur des Obersten Gerichtshofes (12 Os 7/05d = EvBl 2005/128, 583, 11 Os 87/05m, 11 Os 98/05d, vgl auch 13 Os 86/05d) - der Unrechtsgehalt durch die Bestrafung wegen des infolge Begehung als Mitglied einer kriminellen Vereinigung nach § 28 Abs 3 zweiter Fall SMG qualifizierten Suchtgiftdelikts allein noch nicht zur Gänze abgegolten, sodass im vorliegenden Fall zu Recht echte Idealkonkurrenz zum Vergehen der kriminellen Organisation angenommen wurde.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufungen kommt somit dem Gerichtshof zweiter Instanz zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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  • RS0119763OGH Rechtssatz

    22. Oktober 2021·3 Entscheidungen

    Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen im Sinne des § 278 Abs 3 StGB begangene Straftaten in echter Idealkonkurrenz zu dem gleichzeitig begangenen Vereinigungsdelikt stehen. Die Auffassung unumschränkter echter Konkurrenz lässt jene Delikte außer acht, die durch die Begehung als Mitglied einer kriminellen Vereinigung qualifiziert sind. Wenn gleichzeitig alle Tatbestandsmerkmale der „Beteiligung" an einer kriminellen Vereinigung lediglich durch die Begehung einer strafbaren Handlung im Rahmen der Vereinigung erfüllt sind, so hat die Strafbarkeit nach § 278 Abs 1 (Abs 3 erster Fall) StGB hinter jener der spezielleren und jeweils höher bestraften Qualifikationsdelikte zurückzutreten, schließt dieser Deliktstypus den anderen doch begriffsnotwendig in sich ein (Spezialität). Nur in den Fällen, in denen es sich um einen Zusammenschluss zur Begehung anderer - noch nicht hinreichend konkretisierter - Verbrechen oder in § 278 StGB aufgezählten Vergehen durch zumindest ein Mitglied der Vereinigung oder die (aktive) Beteiligung an sonstigen Aktivitäten sowie Vorbereitungen der Vereinigung handelt, sofern dies im Wissen (§ 5 Abs 3 StGB) geschieht, dass dadurch die Vereinigung oder durch sie zu begehende Straftaten gefördert werden (§ 278 Abs 3 zweiter und dritter Fall StGB), wäre der Unrechtsgehalt durch die Bestrafung wegen eines tatsächlich ausgeführten, wenn auch durch die Begehung als Vereinigungsmitglied qualifizierten Delikts allein noch nicht abgegolten, sondern in einem solchen Fall vielmehr echte Konkurrenz gegeben.