JudikaturJustiz12Os173/08w

12Os173/08w – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. Dezember 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Dezember 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. T. Solé als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Eilenberger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Gilbert W***** wegen Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG aF und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 8 Hv 38/06m des Landesgerichts für Strafsachen Graz, über die von der Generalprokuratur gegen das Vorgehen des genannten Gerichtshofs nach Ablauf des gemäß § 39 SMG gewährten Strafaufschubs erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Gegenwart des Vertreters der Generalprokuratur, Erster Generalanwalt Dr. Fabrizy, und der Verteidigerin Dr. Stuefer zu Recht erkannt:

Spruch

Im Verfahren AZ 8 Hv 38/06m des Landesgerichts für Strafsachen Graz verletzt der Vorgang, dass der Vorsitzende ohne beschlussmäßige Entscheidung über die Gewährung einer bedingten Strafnachsicht den Vollzug der verhängten Freiheitsstrafe anordnete, das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 40 Abs 1 SMG, 35 Abs 2 StPO.

Dem Vorsitzenden des Landesgerichts für Strafsachen Graz wird aufgetragen, über die Gewährung einer bedingten Strafnachsicht durch Beschluss zu entscheiden.

Text

Gründe:

Mit (rechtskräftigem) Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 10. Mai 2006, GZ 8 Hv 38/06m-35, wurde Gilbert W***** der Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG aF, der Vergehen nach § 27 Abs 1 sechster Fall, Abs 2 Z 2 erster Fall SMG aF und der Vergehen nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG aF schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten verurteilt.

Gemäß § 39 SMG iVm § 6 StVG wurden dem Verurteilten in der Folge mehrfach Strafaufschübe gewährt, um sich der (weiteren) notwendigen ärztlichen und therapeutischen Behandlung seiner festgestellten Suchtgiftergebenheit zu unterziehen (ON 41, 47, 62 und 70). Nachdem der letzte Strafaufschub am 30. Juni 2008 abgelaufen war, holte der Vorsitzende einen Abschlussbericht des den Verurteilten betreuenden Vereins B.***** Gesellschaft für Suchtfragen ein. Nach diesem Bericht wurden die Vereinbarungen des Therapievertrags sowie die Termine verlässlich eingehalten und eine umfassende Stabilisierung erreicht (ON 73).

In der Folge bestellte der Vorsitzende den Psychologen Mag. Dr. Roland B***** zum Sachverständigen und beauftragte ihn, ein Gutachten im Sinne des § 40 SMG zu erstatten. Nach dessen Stellungnahme leidet der Verurteilte ohne Verbesserung nach wie vor an seiner Suchterkrankung in Form eines Abhängigkeits- und Entzugssyndroms vom morphinhältigen Medikament Compensan, welches er legal im Rahmen eines Substitutionsprogramms erhält. Die bisherigen gesundheitsbezogenen Maßnahmen seien - abgesehen von der positiven beruflichen Integration - nicht erfolgreich gewesen (ON 75). Hierauf vermerkte der Vorsitzende am 25. August 2008 im Akt, dass die Therapie nicht erfolgreich gewesen sei, die Zweijahresfrist (des Strafaufschubes) abgelaufen sei und keine weiteren Anträge im Sinne des § 39 SMG vorlägen, und verfügte die Erlassung der Strafvollzugsanordnung sowie die Aufforderung an den Verurteilten zum Strafantritt (ON 77).

Gegen die Aufforderung zum Strafantritt erhob der Verurteilte Beschwerde, die vom Oberlandesgericht Graz mit Beschluss vom 2. Oktober 2008, AZ 9 Bs 387/08t, als unzulässig zurückgewiesen wurde (ON 82). Über den am 10. September 2008 eingebrachten Antrag des Verurteilten auf Gewährung der bedingten Strafnachsicht gemäß § 40 Abs 1 SMG (ON 79) wurde bisher nicht entschieden.

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, steht das Vorgehen des Landesgerichts für Strafsachen Graz mit dem Gesetz nicht im Einklang. Hat sich ein an ein Suchtmittel gewöhnter Verurteilter mit Erfolg einer gesundheitsbezogenen Maßnahme unterzogen, so hat das Gericht, das in erster Instanz erkannt hat, die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von mindestens einem und höchstens drei Jahren bedingt nachzusehen (§ 40 Abs 1 erster Satz SMG). Gegen den Beschluss nach § 40 Abs 1 SMG steht dem Verurteilten und der Staatsanwaltschaft die binnen 14 Tagen einzubringende Beschwerde an das übergeordnete Gericht zu (§ 40 Abs 2 SMG).

Aus dem Gesetzeswortlaut des § 40 Abs 2 SMG geht klar hervor, dass die Entscheidung über die bedingte Strafnachsicht - sohin auch die Ablehnung einer solchen Rechtswohltat - in Beschlussform zu ergehen hat (vgl RIS-Justiz RS0122912). Andernfalls käme der Verurteilte auch gar nicht in die Lage, das ihm gemäß § 40 Abs 2 SMG zustehende Beschwerderecht auszuüben.

Abgesehen davon kennt § 35 StPO idF des Strafprozessreformgesetzes nur drei Arten von gerichtlichen Entscheidungen, nämlich Urteile, Beschlüsse und Verfügungen. Während die Voraussetzungen für Urteile und Verfügungen im Gesetz definiert sind, bleibt - nach Art einer Generalklausel - die Beschlussform den übrigen Entscheidungen vorbehalten. Da vorliegend die gesetzlichen Bedingungen weder für ein Urteil noch für eine Verfügung erfüllt sind, kommt gemäß § 35 StPO alleine ein Beschluss in Betracht.

Der Vorsitzende hätte daher - auch ohne einen Antrag des Verurteilten (vgl Kodek/Fabrizy Anm 3.1, Foregger/Litzka/Matzka Anm I, je zu § 40 SMG) - in Beschlussform über die Gewährung einer bedingten Strafnachsicht gemäß § 40 Abs 1 SMG entscheiden müssen. Da sich diese Gesetzesverletzung zum Nachteil des Verurteilten ausgewirkt hat, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, seinem Erkenntnis konkrete Wirkung zuzuerkennen und dem Vorsitzenden aufzutragen, über die Gewährung einer bedingten Strafnachsicht durch Beschluss zu entscheiden.