JudikaturJustiz12Os15/01

12Os15/01 – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. Februar 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Februar 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schmidt als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Mehmed D***** und eine andere Angeklagte wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Mehmed D***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 18. Juli 2000, GZ 23 Vr 3525/99-68, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die bisherigen Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mehmed D***** wurde des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (I.), des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (II.), des Vergehens der (richtig:) teils vollendeten, teils versuchten (US 27) Nötigung nach §§ 105 Abs 1 und 15 StGB (IV.) und des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 StGB (V.) schuldig erkannt.

Demnach hat er in Graz zum Teil im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit der rechtskräftig mitverurteilten Senka D***** als Mittäterin

I. "am 22. oder 23. 11. 1999 in Graz eine Urkunde, über die er nicht verfügen durfte, nämlich den Reisepass der Marijana J***** dadurch, dass er diesen an sich brachte, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass dieser von der Berechtigten zum Beweise der sich daraus ergebenden Rechte oder Tatsachen im Rechtsverkehr gebraucht werde,

II. am 29. 11. 1999 Marijana J***** durch das Versetzen von

zahlreichen Schlägen mit der Faust und der flachen Hand gegen den

Kopf, sodass diese zu Boden stürzte, Hochzerren ihres Körpers durch

Erfassen an den Haaren, Einführen des Daumens in ihren Mund bzw

Rachenraum, sodass sie kaum atmen konnte, mithin mit schwerer, gegen

sie gerichteter Gewalt sowie auch durch Entziehung der persönlichen

Freiheit von 1,30 bis 3,30 Uhr, durch Verriegelung der Außentür und

Versperren der inneren Tür mit einem Zweitschlüssel und durch Drohung

mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben, indem er ihr befahl,

nicht zu schreien, da er sie ansonsten umbringen werde, zur Vornahme

und Duldung des Beischlafes .... genötigt,

IV. .... Marijana J***** durch gefährliche Drohung teils mit

Verletzungen am Körper, teils mit einer Verletzung an der Ehre zu nachstehend angeführten Handlungen bzw Unterlassungen genötigt, und zwar:

1. am 22. oder 23. 11. 1999 durch die Äußerung, wenn sie weggehen würde, würde er sie überall auf der Welt finden und ihr etwas antun können, wenn er dies nicht selbst tun würde, würde er ihr jedenfalls jemanden schicken, er werde nicht nur ihr, sondern auch ihrem Verlobten und ihren Verwandten etwas antun, zur Unterlassung der Rückkehr in ihre Heimat nach Kroatien,

2. am 29. 11. 1999 unmittelbar nach der oben unter Punkt II. geschilderten Tathandlung durch die Äußerung, wenn sie davonlaufe, würde er sich an ihr rächen und er hätte nunmehr Beweise, dass er mit ihr geschlafen hätte, und er würde die von Senka D***** im Zuge der oben unter (richtig:) Punkt II. geschilderten Tathandlung von ihr angefertigten Nacktfotos auch ihrem Verlobten und auch sonst überall herumzeigen, zum Verbleiben in Graz und zur Weiterarbeit in seinem Lokal ""Flash"" als Kellnerin, und

V. am 23. 5. 2000 ..... durch die in der Hauptverhandlung vor dem Landesgericht für Strafsachen Graz aufgestellte Behauptung, die Polizeibeamten K***** und F***** hätten ihn anlässlich seiner polizeilichen Einvernahme geschlagen und das Protokoll aus eigenem selbst verfasst, wohingegen er als Verdächtiger keine Angaben gemacht habe, sie mithin von Amts wegen zu verfolgender strafbarer Handlungen, nämlich des Missbrauchs der Amtsgewalt und des Vergehens der Körperverletzung unter Ausnützung einer Amtsstellung zumindest in der Form des Versuches falsch verdächtigt, wobei er wusste, dass diese Verdächtigungen falsch waren".

Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 9 lit a und 10 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Dem Beschwerdestandpunkt (Z 4) zuwider bedeutete zunächst die Abweisung des in der Hauptverhandlung am 23. Mai 2000 gestellten Antrages "auf Wiederholung der kontradiktorischen Einvernahme der Zeugin" (zu ergänzen: Marijana J*****) "unter dem Aspekt, dass die beiden Angeklagten zu diesem Zeitpunkt nicht anwaltlich vertreten waren, die Tonbildqualität der Aufnahme äußerst schlecht war, da insbesondere der Erstangeklagte der Aussage der Zeugin J***** nicht folgen konnte und diesbezüglich keine Möglichkeit gehabt hat, entsprechend definierte Fragen an die Zeugin J*****, die zu seiner Verteidigung unabdingbar notwendig gewesen wären, zu stellen und würde bei Aufnahme des beantragten Beweises nunmehr die Möglichkeit gegeben sein, an die Zeugin J***** zielführende Fragen zu stellen, dies insbesondere unter dem Aspekt des fair trial in Art 6 MRK" (457/I) keine Hintansetzung wesentlicher Verteidigungsinteressen.

Denn im Hinblick darauf, dass eine kontradiktorische Vernehmung eines Zeugen nach § 162a StPO unter den dort angeführten Prämissen nur vom Untersuchungsrichter im Vorverfahren, spätestens aber im Zwischenverfahren (LSK 1995/177) durchführbar ist, scheidet ihre "Wiederholung" schon im Hinblick darauf, dass die Zeugin J***** bereits vor Stellung des in Rede stehenden Antrages nach § 152 Abs 1 Z 2a StPO - auf Grund der nachangeführten Erwägungen berechtigt - die Aussage verweigert hatte, vorweg aus. Der Umstand, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt der Durchführung dieser Beweisaufnahme noch nicht anwaltlich vertreten war, vermag die behauptete Nichtigkeit nicht zu begründen (14 Os 95/95; 14 Os 58/97; 11 Os 108/97). Gleiches gilt für den Einwand, wonach der Angeklagte der Einvernahme der Zeugin auf Grund der schlechten Tonqualität nur bedingt folgen konnte und an der Stellung - in der Beschwerde unsubstantiiert gebliebener - "entsprechend definierter und für ihn entlastender Fragen" gehindert war. Denn abgesehen davon, dass die Qualität der Tonaufnahme nur vom Angeklagten und seiner mitangeklagten Ehefrau - jeweils auf Frage des Verteidigers des Beschwerdeführers - als "nicht gut" und schwer verständlich bzw als "nicht sehr gut" bezeichnet wurde (453/I), weshalb es der Beschwerdebehauptung, sie sei "äußerst schlecht" gewesen, an der gebotenen aktenmäßigen Fundierung mangelt, finden sich im ausführlichen, diese Zeugenaussage betreffenden Protokoll vom 30. November 1999 zwar zielgerichtete Fragen und Vorhalte des Angeklagten und seiner Ehefrau an die Zeugin (177 ff/I), hingegen - wie auch im Protokoll über die Haftverhandlung am 10. Jänner 2000 - ON 34 - nicht der geringste Hinweis darauf, dass ihnen eine Beteiligung an der Vernehmung nur beschränkt möglich gewesen sein sollte.

Die Verfahrensrüge geht daher zur Gänze ins Leere.

Auch die Mängelrüge (Z 5) ist nicht fundiert.

Die sie einleitenden Einwände verfehlen zum einen die einzelne, deutliche und bestimmte Darstellung der tatsächlichen Gegebenheiten, aus denen der Nichtigkeitsgrund resultieren soll (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO), wie auch die Relevanzkriterien und sind zum andern (teilweise darüber hinaus) partiell denklogisch nicht nachvollziehbar.

Dies gilt für die - unsubstantiiert - reklamierte Feststellung, wonach "die Zweitangeklagte Senka D***** bei der Rückkehr der Zeugin J***** keinerlei Verletzungen an ihr gesehen hat", ferner - im Hinblick auf die Urteilsannahme, dass der Beschwerdeführer die Zeugin J***** bereits am 22. oder 23. November 1999 mit der flachen Hand und mit der Faust Schläge ins Gesicht versetzte - für die angestrebte Konstatierung, "dass .... bei der Zeugin J***** mit Sicherheit auch Verletzungsfolgen von anderen Personen wahrgenommen werden hätten müssen", sowie für die vermisste Feststellung, dass "auf Grund der Aussage der Zweitangeklagten Senka D***** die der Zeugin J***** nie die Herausgabe des Reisepasses verwehrt hat bzw dass sich der Reisepass in ihrer Handtasche befunden hat", in welchem Fall das Erstgericht "sohin zum Schluss gekommen wäre, dass der Erstangeklagte zwangsläufig schon nicht das Vergehen der Urkundenunterdrückung gemäß § 229 Abs 1 StGB begehen hätte können", und schließlich für die aus der Aussage des Zeugen K***** (wonach es möglich sei, dass einer der vernehmenden Polizeibeamten dem Beschwerdeführer auf die Schulter geklopft und ihn aufgefordert habe, sich ausführlich zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen) abgeleitete Forderung, "dass eine diesbezügliche Feststellung des Erstgerichtes unabdingbar getroffen hätte werden müssen, dass der Erstangeklagte im Zuge der polizeilichen Einvernahme von den Polizeibeamten tätlich angegriffen wurde".

Ob die Beurteilung der Intensität der Belastung des Beschwerdeführers durch Senka D***** im Sinn der erstgerichtlichen Annahme als "massiv" zutrifft oder nicht, kann als sinnfällig nicht entscheidungsrelevant vorweg auf sich beruhen.

Der unter dem Gesichtspunkt unzureichender Urteilsbegründung erhobene Vorwurf schließlich, die Tatrichter hätten bei Würdigung der Angaben des Tatopfers zu der vom Beschwerdeführer gegen sie eingesetzten Gewalt "die völlige Unglaubwürdigkeit der Zeugin J***** zu rechtfertigen versucht", richtet sich der Sache nach nicht gegen ein Begründungsdefizit in der Bedeutung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes, sondern erschöpft sich im - in der Diktion unangemessenen - Versuch der Bekämpfung der Beweiswürdigung des Erstgerichtes nach Art einer hier unzulässigen Schuldberufung.

Gleiches gilt für das weitgehend die Argumentation der Mängelrüge wiederholende, und darüber hinaus weitwendig auf Überlegungen zu den "glaubwürdigen" Verantwortungen des Angeklagten und seiner Komplizin sowie zu den als "unglaubwürdig" abgelehnten Angaben der Zeugin J***** abstellende Vorbringen der Tatsachenrüge (Z 5a), das Bedenken in der Qualität des dazu relevierten Nichtigkeitsgrundes nicht zu erwecken vermag.

Die hinsichtlich des Schuldspruchfaktums V. (Verbrechen der Verleumdung) zur inneren Tatseite erhobene Reklamation eines (die darüber hinaus von den Tatrichtern angenommene weitere Tatkomponente nicht berührenden) angeblichen Irrtums des Angeklagten betreffend einen tätlichen, gegen ihn gerichteten Angriff der Polizeibeamten (Z 9 lit a) setzt sich über die gegenteiligen subjektiven Tatsachenfeststellungen des Schöffensenates hinweg.

Die zum Schuldspruchfaktum II. (Vergewaltigung) eine Tatbeurteilung nach § 201 Abs 2 StGB anstrebende Subsumtionsrüge (Z 10) schließlich vergleicht nicht die erstgerichtlichen Feststellungen zum objektiven Tatbestandserfordernis des Einsatzes schwerer Gewalt sondern dessen fallbezogen konsumierten Folgen (SSt 46/66) mit dem Gesetz.

Beide Rechtsrügen verfehlen daher eine prozessordnungsgemäße Darstellung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demgemäß als teils unbegründet, teils nicht gesetzmäßig ausgeführt, schon in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285a, 285d StPO).

Daraus resultiert die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.