JudikaturJustiz12Os148/98

12Os148/98 – OGH Entscheidung

Entscheidung
03. Dezember 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Dezember 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. E. Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Cihlar als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Milad G***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall und 15 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft beim Jugendgerichtshof Wien gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 11. November 1997, GZ 6 Vr 595/96-137, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Staatsanwältin Mag. Fuchs, der Angeklagten Milad G*****, Olek J*****, Roni B***** und Akin Ö*****, der gesetzlichen Vertreter Marcel Michele G*****, Boris J*****, Jemali B***** und Fatma Ö*****, sowie der Verteidiger Dr. Michalek, Dr. Werner, Dr. Wanka, Dr. Freund und Dr. Pressl, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten Alfred F*****, zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Beurteilung der zu Punkt B des Urteilssatzes beschriebenen Tat als teilweise gemäß § 15 StGB nur versuchtes Vergehen der Amtsanmaßung nach § 314 StGB, demgemäß auch im Strafausspruch (mit Ausnahme der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und im Umfang der Aufhebung gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Milad G*****, Olek J*****, Roni B*****, Akin Ö***** und Alfred F***** haben dadurch, daß sie sich am 28. August 1996 in Wien mit dem gesondert verfolgten Dejan J***** gegenüber Edwin S***** und Rainald D***** als Kriminalbeamte ausgaben, einen einer Kokarde ähnlichen Gegenstand vorzeigten, eine Personsdurchsuchung vornahmen und sich solcherart die Ausübung eines öffentlichen Amtes anmaßten, daß Vergehen der Amtsanmaßung nach § 314 StGB begangen.

Hiefür sowie für die den Angeklagten nach den unberührt gebliebenen Teilen des Schuldspruchs (Punkte A/I und II, C-F) zur Last liegenden Verbrechen und Vergehen werden sie unter Anwendung der §§ 5 Z 4 JGG, 28 Abs 1 StGB verurteilt wie folgt:

Nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB

Milad G***** zu 2 (zwei) Jahren und Roni B***** zu 15 (fünfzehn) Monaten Freiheitsstrafe;

nach § 142 Abs 1 StGB

Olek J***** zu 15 (fünfzehn) Monaten sowie Akin Ö***** und Alfred F***** zu jeweils 8 (acht) Monaten Freiheitsstrafe.

Gemäß § 43 Abs 1 StGB werden die Freiheitsstrafen jeweils unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf die Strafneubemessung verwiesen.

Gemäß § 390a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch rechtskräftige Freisprüche enthält, wurden Milad G***** und Roni B***** (zu A/I und II) des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Raubes nach §§ 142, 143 zweiter Fall und 15 StGB, Olek J***** (US 4 iVm US 16), Akin Ö***** und Alfred F***** (zu A/I) des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB, Olek J***** überdies (zu A/II) des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB; Milad G*****, Olek J*****, Roni B*****, Akin Ö***** und Alfred F***** (zu B) des Vergehens der teils versuchten, teils vollendeten Amtsanmaßung nach §§ 314 und 15 StGB, Roni B***** (zu C) des Vergehens nach § 36 Abs 1 (richtig:) Z 2 WaffG, Milad G***** (zu D) des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB, Milad G***** und Roni B***** (zu E/I) des Vergehens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und 15 StGB, Milad G***** der Vergehen (zu E/II) der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB und (zu E/III) der Hehlerei nach § 164 Abs 1 Z 2 StGB sowie Alfred F***** (zu F) des Vergehens der unerlaubten Abwesenheit nach § 8 zweiter Fall MilStG schuldig erkannt.

Darnach haben in Wien

A/ durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, teilweise unter Verwendung einer Waffe, anderen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung

I. weggenommen, und zwar Milad G*****, Olek J*****, Roni B*****, Akin Ö***** und Alfred F***** mit dem gesondert verfolgten Dejan J***** am 28. August 1996 dem Edwin S***** 150 S und ein Handy im Wert von 3.500 S sowie dem Rainald D***** 400 S, indem sie die beiden mit drohender Haltung umstellten und sie zur Herausgabe ihres Geldes und des Handys aufforderten, wobei Milad G***** und Roni B***** dem Edwin S***** im gemeinsamen Zusammenwirken ein Springmesser an die Brust hielten;

II. Milad G*****, Olek J***** und Roni B***** am 29. August 1996 Jörg W***** Bargeld wegzunehmen versucht, indem sie ihn unter Anhalten eines Springmessers am Hals zur Herausgabe seiner Barschaft aufforderten;

B/ Milad G*****, Olek J*****, Roni B*****, Akin Ö*****, Alfred F***** und der gesondert verfolgte Dejan J***** am 28. August 1996 dadurch, daß sie sich gegenüber Edwin S***** und Rainald D***** als Kriminalbeamte ausgaben, "einen Gegenstand als Kokarde vorzeigten" und eine Personsdurchsuchung vornahmen, "wobei eines der Opfer von Anfang an nicht an die Beamteneigenschaft der Täter glaubte, sich die Ausübung eines öffentlichen Amtes angemaßt bzw sich anzumaßen versucht" (US 5 und 7 iVm ON 145);

C/ Roni B***** am 28. und 29. August 1996 ein Springmesser, somit eine verbotene Waffe unbefugt besessen;

D/ Milad G***** am 13. Juni 1996 Yücel M***** durch Versetzen eines Faustschlages gegen die Brust und eines Fußtrittes gegen den rechten Unterarm (US 14) am Körper verletzt, wobei die Tat eine an sich schwere Körperverletzung, nämlich eine Wachstumsfugenlockerung der rechten Speiche zur Folge hatte;

E/I Milad G***** und Roni B***** als Mittäter mit dem gesondert verfolgten Hanoka M***** am 18. und 19. März 1996 mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung in insgesamt 12 Angriffen Angestellte der im Urteilsspruch bezeichneten Unternehmen durch Vorlage der widerrechtlich erlangten Kreditkarte des Otabek A***** und Unterfertigung des Kreditkartenbeleges mit falschem Namen, sohin durch Täuschung über Tatsachen unter Benützung einer falschen Urkunde, zur Ausfolgung von Waren und Erbringung von Dienstleistungen im Wert von 8.408,80 S verleitet und von 8.500 S zu verleiten versucht;

Milad G*****

E/II am 2. März 1996 eine Urkunde, über die er nicht verfügen durfte, nämlich die Visakarte des Otabek A***** mit Gebrauchsverhinderungsvorsatz unterdrückt;

E/III nach dem 2. März 1996 eine Sache, der ein anderer durch eine mit Strafe bedrohte Handlung gegen fremdes Vermögen erlangt hat, nämlich eine von Hanoka M***** mittels der zu E/II bezeichneten Bankomatkarte aus einem Bankomaten gestohlenen Geldbetrag von 1.000 S an sich gebracht sowie

F/ Alfred F***** vom 29. Mai bis 9. Juni 1997 als Präsenzdiener sich durch unerlaubte Abwesenheit von seiner Truppe dem Dienst bei der Stabskompanie des Kommandobataillons entzogen.

Nur die Schuldsprüche laut Punkt B und C des Urteilssatzes bekämpft die Staatsanwaltschaft aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a und 10 StPO mit Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Berechtigt ist sie nur insoweit, als sie gegen die rechtliche Beurteilung der zu B bezeichneten Tat als teilweise nur versuchtes Vergehen der Amtsanmaßung nach §§ 314 und 15 StGB ins Treffen führt (Z 10), das Erstgericht habe mit dem Hinweis darauf, daß eines der Opfer von Anfang an nicht an die Beamteneigenschaft der Täter glaubte (ON 145), auf eine im gegebenen Zusammenhang rechtlich irrelevante Prämisse abgestellt. Maßgeblich für die Tatbildlichkeit eines Verhaltens nach § 314 StGB ist nämlich ungeachtet einer tatsächlichen Täuschung des Betroffenen (14 Os 19/90) allein, ob der Täter durch die Vornahme einer scheinbaren Amtshandlung als Träger amtlicher Befugnisse auftritt (Leukauf/Steininger Komm3 § 314 RN 4). Diese für die Deliktsvollendung allein geforderte Voraussetzung ist nach dem Urteilssachverhalt erfüllt (US 12).

Die verfehlte teilweise Versuchsqualifikation war daher unter Mitaufhebung des Strafausspruchs aus dem Urteil spruchgemäß zu eliminieren.

Soweit die Beschwerde darüberhinaus die Rechtsrichtigkeit der Verurteilung wegen § 36 Abs 1 Z 2 WaffG (Punkt C des Urteilssatzes) mit der Begründung bestreitet (Z 9 lit a), daß die zur Tatzeit nach dem Gesetz noch aufrechte Strafbarkeit des Besitzes eines Springmessers infolge geänderter Rechtslage durch das im Urteilszeitpunkt bereits in Geltung gestandene Waffengesetz 1996 entfallen sei, ist sie unberechtigt, weil die Übergangsregelung (§ 62 Abs 2 WaffG 1996) die Anwendung des Waffengesetzes 1986 auf vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes verwirklichte Straftatbestände ausdrücklich anordnet.

In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher zu verwerfen.

Bei der durch Teilkassierung des Schuldspruchs (zu B) notwendig gewordenen - infolge Berufung der Staatsanwaltschaft durch das Verschlimmerungsverbot (§ 290 Abs 2 StPO) nicht begrenzten - Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof bei allen Angeklagten das Zusammentreffen von strafbaren Handlungen verschiedener Art, bei Milad G***** und Roni B***** (zu A, E/I) sowie Olek J***** (zu A) überdies die Wiederholung der Straftaten als erschwerend. Demgegenüber fielen bei allen Angeklagten die fallbezogen unverhältnismäßig lange Verfahrensdauer (§ 34 Abs 2 StGB) und - mit Ausnahme von Alfred F***** - ihr bisheriger Lebenswandel als mildernd ins Gewicht. Gleichfalls mildernd war bei Milad G***** und Alfred F***** das volle Geständis, bei Olek J***** die teilweise geständige Verantwortung (zu A/II) und schließlich bei den Angeklagten G*****, J***** und B***** auch der Umstand, daß die Straftaten teilweise (A/II, E/I/2) beim Versuch geblieben sind. Darüberhinaus war Roni B***** die teilweise Schadensgutmachung (zu A/I) und diesem Angeklagten sowie Milad G***** und Alfred F***** eine vernachlässigte Erziehung mildernd zugute zu halten.

Ausgehend von diesen Strafzumessungsgründen entsprechen die verhängten Freiheitsstrafen auf der Basis der jeweils maßgeblichen Strafrahmen dem Schuld- und Unrechtsgehalt der teilweise (A) schwerkriminellen Taten.

Im einzelnen wurde dabei erwogen:

Das festgestellte Verhalten des Milad G***** entspricht - namentlich in Ansehung der grundlos provozierten Gewaltattacke gegen den wesentlich jüngeren Schüler Yüsel M***** (ON 3/I) - einer brutalen und insgesamt asozialen Grundeinstellung. Letztere findet ihren sinnfälligen Ausdruck in einer geradezu jede Gelegenheit wahrnehmenden breitgestreuten Delinquenz, welche noch dazu durch eine im zeitlichen Nahebereich des Erwachsenenalters in besorgniserregender Weise, zumal unbeeindruckt von polizeilicher Verwahrungshaft (513/I), stetig steigende kriminelle Dimension gekennzeichnet ist, die ihn wenige Monate später mit einer Mindeststrafdrohung von fünf Jahren konfrontiert hätte.

Unter Bedachtnahme darauf trägt die vom Erstgericht verhängte Freiheitsstrafe von nur zehn Monaten den hier nachdrücklich in den Vordergrund rückenden spezialpräventiven Straferfordernissen in keiner Weise Rechnung. Die Strafe war daher deutlich anzuheben, wobei von der nach Lage des Falles an sich gebotenen Anwendung des § 43a Abs 3 StGB lediglich deshalb abgesehen wurde, um den Angeklagten vor den nachteiligen Folgen der nicht von ihm zu vertretenden fallbezogen ungerechtfertigt langen Verfahrensdauer zu bewahren.

Insgesamt dieselben Straferwägungen gelten auch für den in seiner Persönlichkeitsstruktur und Zukunftsprognose ähnlich negativ zu beurteilenden Angeklagten Roni B*****, wobei dessen gegenüber Milad G***** wesentlich geringeres Alter und der etwas zurückbleibende Umfang der von ihn zu verantwortenden Straftaten gebührende Berücksichtigung fanden. Die (nur) von diesem Angeklagten vorgenommene teilweise Schadensgutmachung (zu A/I) ist durch seine führende Rolle beim Waffeneinsatz (zu A) kompensiert.

Im Interesse einer ausgewogenen Strafenrelation war bei Olek J***** der Umstand einer wesentlich geringeren Anzahl der - im Gegensatz zu Milad G***** und Roni B***** überdies nur in einem Fall (A/II) nach § 143 StGB qualifizierten - Straftaten entsprechend zu würdigen.

In weiterer Abstimmung dazu fiel schließlich bei den Angklagten F***** und Ö***** ihre umfänglich und qualitativ wesentlich geringere Delinquenz ins Gewicht. Alfred F***** kommt zwar aufgrund seiner (vom Erstgericht ignorierten) Vorstrafe nach dem Waffengesetz (213/I) - die ihm nunmehr angelastete Tat steht dazu keinesfalls in einem auffallenden Widerspruch - der Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 2 StGB nicht zugute, doch wird dies durch die in seinem Fall besonders negative familiäre Situation (335, 337/I) ausgeglichen.

Mit ihrer (an sich berechtigten) Berufung war die Anklagebehörde auf diese Strafneubemessung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.