JudikaturJustiz12Os139/04

12Os139/04 – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. April 2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. April 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber, Dr. Philipp, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krammer als Schriftführerin, in der Entschädigungssache des Josef Z*****, AZ 8 Ur 230/02y des Landesgerichtes Wels, über die Beschwerde des Josef Z***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz vom 16. September 2004, AZ 7 Bs 159/04, Ns 29/04 (ON 121 der Ur-Akten) und dessen Antrag vom 22. November 2004 auf Feststellung der in § 2 Abs 1 lit a und Abs 3 StEG idF vor BGBl I 2004/125 bezeichneten Anspruchsvoraussetzungen nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Solé sowie des Anspruchswerbers den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Für die von Josef Z***** in der Zeit vom 22. August 2002 bis zum 24. September 2002 im Verfahren AZ 8 Ur 230/02y des Landesgerichtes Wels erlittene strafgerichtliche Anhaltung liegen die Voraussetzungen eines Ersatzanspruchs nach § 2 Abs 1 lit a und Abs 3 StEG idF vor BGBl I 2004/125 nicht vor.

Zur Entscheidung über den diesen Zeitraum betreffenden Antrag auf Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen nach § 2 Abs 1 lit b (iVm § 3 lit a, b und c) StEG idF vor BGBl I 2004/125 ist das Landesgericht Wels zuständig.

Text

Gründe:

Der Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Steyr verhängte über den am 24. Juli 2002, um 17:20 Uhr, festgenommenen (S 151/I) Josef Z***** über Antrag der Staatsanwaltschaft Steyr vom selben Tag (S 3b/I) am 25. Juli 2002 wegen des dringenden Verdachts des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB die Untersuchungshaft aus den Gründen der Tatbegehungs- sowie der Tatausführungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit b und lit d StPO (ON 33 iVm S 39b/I).

Am 7. August 2002 wurde die Untersuchungshaft nach Durchführung einer Haftverhandlung (ON 42) aus den genannten Haftgründen fortgesetzt (ON 43).

Mit Beschluss vom 22. August 2002, AZ 7 Bs 269, 270/02 (ON 63 der Ur-Akten), wies das Oberlandesgericht Linz die Beschwerde des Josef Z***** (ON 47) gegen die Beschlüsse auf Einleitung (ON 33) und Fortsetzung (ON 43) der Untersuchungshaft ab, erklärte die Haftverhängung als gesetzmäßig und ordnete - bezugnehmend auf das psychiatrisch-neurologische Gutachten des Sachverständigen Dr. Kurt Sindermann vom 12. August 2002 (ON 52) - die vorläufige Anhaltung nach § 429 Abs 4 iVm § 180 Abs 2 Z 3 lit a und lit d StPO bis längstens 22. Oktober 2002 an (ON 63).

Über Antrag des Josef Z***** vom 20. September 2002 (ON 76) hob das Landesgericht Steyr die Anhaltung nach Durchführung einer weiteren Haftverhandlung und Erteilung der Weisung, sich einer ambulanten psychiatrischen Therapie zu unterziehen (§ 429 Abs 4 iVm § 180 Abs 5 Z 4a StPO), am 24. September 2002 auf (ON 79). Die Enthaftung erfolgte am selben Tag um 12 Uhr (ON 80).

Nachdem die Staatsanwaltschaft Wels (das Verfahren war mittlerweile delegiert worden - ON 84a) am 26. September 2003 erklärt hatte, keinen Grund zur weiteren gerichtlichen Verfolgung des Josef Z***** zu finden, stellte das Landesgericht Wels das Verfahren am 30. September 2003 gemäß § 109 Abs 1 StPO ein (S 3s/I). Mit Schriftsatz vom 20. November 2003 (ON 111) begehrte Josef Z***** für die Dauer seiner gerichtlichen Anhaltung die Feststellung des Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen des § 2 Abs 1 lit b StEG aF. Am 13. Mai 2004 erklärte das Landesgericht Wels für die Zeit vom 24. Juli 2002, 17:20 Uhr, bis zum 21. August 2002, 24 Uhr, die Anspruchsvoraussetzungen für nicht gegeben und legte unter einem die Akten zur Entscheidung über das auf den Zeitraum vom 22. August 2002, 0 Uhr, bis zum 24. September 2002, 12 Uhr, gerichtete Entschädigungsbegehren dem Oberlandesgericht Linz vor (ON 113). Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss (ON 121) gab das Oberlandesgericht Linz der dagegen erhobenen Beschwerde (ON 114) nicht Folge und erklärte, zur Entscheidung über die auf die Zeit vom 22. August 2002, 0 Uhr, bis zum 24. September 2002, 12 Uhr, bezogenen Anspruchsvoraussetzungen nicht zuständig zu sein.

Rechtliche Beurteilung

Die hiegegen erhobene - mit dem Antrag, für den Zeitraum vom 22. August 2002, 0 Uhr, bis zum 24. September 2002, 12 Uhr, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs 1 lit a StEG aF festzustellen, verbundene - Beschwerde des Josef Z***** geht fehl. Der Beschwerdeführer (und Anspruchswerber) stützte sein Begehren zunächst ausschließlich auf die Bestimmungen des § 2 Abs 1 lit b StEG aF (s ON 111, 114). Das Oberlandesgericht Linz verneinte daher - wenngleich inhaltlich verfehlt auf § 2 Abs 1 lit a StEG aF bezugnehmend - im Ergebnis zutreffend seine diesbezügliche Entscheidungskompetenz, weil über das Bestehen (ua) der in § 2 Abs 1 lit b StEG aF bezeichneten Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 6 Abs 2 StEG - unabhängig davon, welches Gericht die Anhaltung ausgesprochen hat - stets das Gericht zu entscheiden hat, das den Betreffenden freispricht oder (wie hier) sonst außer Verfolgung setzt. Über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs 1 lit b (iVm § 3 lit a, b und c) StEG aF ist daher auch hinsichtlich des Zeitraums vom 22. August 2002 bis zum 24. September 2002 - entgegen der im Beschluss vom 13. Mai 2004 (ON 113) geäußerten Rechtsansicht - die Ratskammer des Landesgerichtes Wels zuständig, was zur Klarstellung auch spruchmäßig festzuhalten war.

Aufgrund des nunmehr geänderten Feststellungsbegehrens hatte der Oberste Gerichtshof - in strenger Wahrung der Vermutung der Unschuld des Anspruchswerbers (Art 6 Abs 2 EMRK) - die Frage zu prüfen, ob die Anhaltung mit dem Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz vom 22. August 2002 (ON 63) gesetzwidrig verlängert worden war (§ 2 Abs 1 lit a StEG aF).

Die reklamierten Anspruchsvoraussetzungen liegen nicht vor. Bei der Beurteilung der Gesetzmäßigkeit der Anhaltung(-sverlängerung) ist nach ständiger Judikatur (zuletzt 15 Os 56/04) auf den Erhebungsstand im Zeitpunkt der diesbezüglichen Beschlussfassung abzustellen; nachträglich hervorgekommene, gegen einen hinreichenden Tatverdacht oder die Annahme von Haftgründen sprechende Umstände müssen hiebei außer Betracht bleiben.

Nach dem Aktenvermerk des Bürgermeisters der Gemeinde Kremsmünster vom 16. Juli 2002 (S 177/I) soll Josef Z***** den Vorsteher des Bezirksgerichtes Kremsmünster, Mag. Reinhold Kögler, mit den Worten "wenn ich den Prozess verliere, dann wird der Richter Kögler einer der ersten sein, den ich niederkrache" bedroht haben. Zumal keine Verfahrensergebnisse auf die Unrichtigkeit dieses Aktenvermerks hindeuteten, nach der Aktenlage vielmehr sogar Josef Z***** selbst (zwar den Wortlaut der wiedergegebenen Äußerung bestritt, aber) angab, geäußert zu haben, "für normal müsste ich mir eine Schrotflinte kaufen und dem Kögler sein Patzerl Hirn hintaußieblasen" (S 39h/I), ging das Oberlandesgericht Linz zutreffend von einer iSd § 180 Abs 1 StPO qualifizierten Verdachtslage aus.

Da nach dem psychiatrisch-neurologischen Sachverständigengutachten vom 12. August 2002 (ON 52) zu befürchten war, Josef Z***** würde aufgrund einer krankhaft eingeengten Realitätssicht im Fall eines für ihn ungünstigen Ausgangs von Mag. Kögler geleiteter Prozesse "Verzweiflungstaten" setzen (S 359 f/I), und nach dem Akteninhalt mehrere Zeugen angegeben hatten, heftige Verbalattacken des Josef Z***** gegen Mag. Kögler wahrgenommen zu haben (ON 18, 19, 23, 25), bestand im Entscheidungszeitpunkt jedenfalls die Gefahr, Josef Z***** werde auf freiem Fuße die ihm angelastete angedrohte Tat ausführen (§ 180 Abs 2 Z 3 lit d StPO), weshalb sich das Eingehen auf den Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit a StPO erübrigt.

Auch die Umwandlung der Untersuchungshaft in eine vorläufige Anhaltung nach § 429 Abs 4 StPO erfolgte zu Recht, weil nach dem Gutachten ON 52 im präsumtiven Drohungszeitpunkt sowohl die Voraussetzungen des § 11 StGB als auch jene des § 21 Abs 1 StGB gegeben waren (S 361/I).

Mit Blick auf die Massivität der Tatvorwürfe stand bei einer (im Entscheidungszeitpunkt gegebenen) Haftdauer von weniger als einem Monat der (weiteren) Anhaltung auch der - auch im Maßnahmenverfahren anzuwendende (Medigovic, WK-StPO § 429 Rz 18) - Verhältnismäßigkeitsgrundsatz des § 180 Abs 1 StPO nicht entgegen. Die Voraussetzungen eines Ersatzanspruches nach § 2 Abs 1 lit a und Abs 3 StEG liegen somit nicht vor.