JudikaturJustiz12Os133/19d

12Os133/19d – OGH Entscheidung

Entscheidung
05. Dezember 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. Dezember 2019 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Dr. Brenner und Dr. Setz Hummel in Gegenwart der Schriftführerin Kontr Fleischhacker in der Rechtshilfesache betreffend Mihael K***** wegen Beschlagnahme einer Liegenschaft durch gerichtliches Verbot der Veräußerung und Belastung, AZ 8 HR 35/12d des Landesgerichts Klagenfurt, über den Antrag des Genannten auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 15. Februar 2012, GZ 8 HR 35/12d 4, wurde Mihael K***** in dem aufgrund eines Rechtshilfeersuchens des US Department of Justice vom 26. Jänner 2012 geführten Verfahren über Antrag der Staatsanwaltschaft Klagenfurt verboten, die ihm gehörige Liegenschaft EZ ***** GB ***** zu veräußern und/oder zu belasten. Diese Maßnahme wurde vorerst bis 15. Februar 2015 befristet und in der Folge bis 15. Februar 2016 verlängert (ON 14).

Dem vorliegenden Rechtshilfeersuchen liegt eine in den Vereinigten Staaten von Amerika erhobene Anklage wegen der – in einem Tatzeitraum von etwa 2000 bis zumindest 2008 – begangenen Verschwörung zur Geldwäsche, der Verschwörung zum Vertrieb anaboler Steroide und der Verschwörung zum Import von anabolen Steroiden in die Vereinigten Staaten und eine einstweilige Verfügung des Bezirksgerichts der Vereinigten Staaten für den Bezirk des Bundesstaats Massachusetts vom 27. Oktober 2010 zugrunde, der zufolge die Erhaltung der Verfügbarkeit des genannten Grundstücks des Mihael K***** gesichert werden soll, um im Fall einer Verurteilung samt erklärter Einziehung jeglichen Eigentums, das aus Erlösen der Straftaten stammt, die Vollstreckung zu ermöglichen (vgl im Einzelnen ON 4 S 2 bis 9).

Mit Beschluss vom 8. Februar 2016 (ON 20) hat das Rechtshilfegericht Mihael K***** gemäß § 115 Abs 4 (§ 109 Abs 2 lit b) iVm Abs 1 Z 3 StPO unter sinngemäßer Anwendung des § 379 EO weiterhin verboten, die in Rede stehende Liegenschaft zu veräußern und/oder zu belasten. Die Wirksamkeit dieser Maßnahme wurde – beruhend auf den Grundsätzen des § 58 ARHG (vgl ON 20 S 3) – bis 15. Februar 2017 befristet.

Der dagegen gerichteten Beschwerde des Mihael K***** gab das Oberlandesgericht Graz mit Beschluss vom 14. Juli 2016, AZ 9 Bs 82/16a (ON 29), nicht Folge. Deren Vorbringen, wonach aus dem Akt AZ 8 HR 35/12d des Landesgerichts Klagenfurt kein Ersuchen der US Behörden gemäß § 58 ARHG um Verlängerung der Maßnahme ersichtlich sei, habe zwar insofern zugetroffen als sich ein solches nicht im Akt befunden habe. Aus einem vom Rechtsmittelgericht beigeschafften E Mail des Justizministeriums der USA, Kriminalabteilung, Büro für internationale Angelegenheiten, vom 13. November 2015 an das Bundesministerium für Justiz in Österreich, Abteilung für internationale Strafsachen, ergebe sich jedoch eindeutig und ausreichend, dass die um Rechtshilfe ersuchende Behörde eine Verlängerung der Maßnahme bewirken wollte. Da im ARHG besondere Formvorschriften in Bezug auf die Erwirkung der Verlängerung einer ursprünglich formgerecht beantragten und bewilligten Rechtshilfemaßnahme nicht bestünden, sei auch dessen Form nicht zu beanstanden (BS 3).

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluss richtet sich der – nicht auf ein Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) gestützte – (rechtzeitige) Antrag des Mihael K*****, der eine Verletzung der Art 3 und 6 MRK „bzw Art 48 GRC“ geltend macht.

Am 13. Juli 2017 fasste der Oberste Gerichtshof im vorliegenden Verfahren den Beschluss, die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über den vom Obersten Gerichtshof am 23. Jänner 2017 zu 13 Os 49/16d gestellten Antrag auf

Vorabentscheidung abzuwarten. In diesem Ersuchen war die Rechtsfrage gestellt worden, ob das Unionsrecht dahin auszulegen sei, dass es den Obersten Gerichtshof verpflichtet, über Antrag eines Betroffenen die Überprüfung einer rechtskräftigen Entscheidung eines Strafgerichts hinsichtlich behaupteter Verletzung von Unionsrecht vorzunehmen, wenn das nationale Recht (§ 363a StPO) eine solche Überprüfung nur hinsichtlich behaupteter Verletzung der EMRK oder eines ihrer Zusatzprotokolle vorsieht. Eine solche Verpflichtung hat der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 24. Oktober 2018 verneint (EuGH 24. 10. 2018, C-234/17, XC ua).

Mit Entscheidung des verstärkten Senats vom 30. November 2018, AZ 13 Os 49/16d, hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass ein Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens auch im von der Rechtsprechung (13 Os 135/06m, SSt 2007/53; RIS-Justiz RS0122228) erweiterten Anwendungsbereich des § 363a StPO – dessen Wortlaut folgend – nur wegen einer Verletzung der MRK oder eines ihrer Zusatzprotokolle gestellt werden kann.

Der Erneuerungsantrag ist daher in Ansehung der Relevierung einer Verletzung des Art 48 GRC schon aus diesem Grund unzulässig (vgl RIS Justiz RS0132365).

Der Erneuerungswerber erblickt einen Verstoß gegen das Grundrecht auf ein faires Verfahren darin, dass der Staatsanwaltschaft Klagenfurt die gesetzliche Antragsberechtigung auf Verlängerung der Beschlagnahme gefehlt habe, weil die Korrespondenz zwischen dem US Department of Justice und dem Bundesministerium für Justiz vom 13. November 2015 (vgl ON 27) kein rechtsgültiges Ansuchen der amerikanischen Behörde darstellen könne, verkennt jedoch grundsätzlich, dass Rechtshilfeersuchen – sofern nicht besondere, hier nicht ersichtliche Umstände vorliegen – nicht in den Anwendungsbereich des damit geltend gemachten Art 6 MRK fallen ( Meyer-Ladewig/Harrendorf/König in Meyer-Ladewig/et al EMRK 4 Art 6 Rz 32 ; vgl auch Grabenwarter/Pabel , Europäische Menschenrechtskonvention 6 § 24 Rz 28).

Im Übrigen strebt der Antrag unter eigenständiger Interpretation des Aufbaus des E Mails der zuständigen Sachbearbeiterin des Justizministeriums der USA in Gestalt diverser Nachfragen und der überwiegenden Thematisierung einer die Einziehung der Liegenschaft betreffenden weiteren Gerichtsentscheidung bloß eine andere, für seinen Standpunkt günstigere Auslegung des Schriftwechsels an. Damit vermag er jedoch weder einen formalen Darstellungs oder Begründungsmangel (§ 281 Abs 1 Z 5 StPO) aufzuzeigen, noch erhebliche Bedenken iSd § 281 Abs 1 Z 5a StPO gegen die Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts zu erwecken und verfehlt solcherart den Bezugspunkt des geltend gemachten Rechtsbehelfs (RIS Justiz RS0125393 [T1]; vgl auch RS0110146 zu § 10 GRBG).

Schließlich findet auch die Rechtsbehauptung des Erneuerungswerbers, wonach für ein Ansuchen auf Verlängerung der Dauer einer bereits bewilligten Rechtshilfemaßnahme die selben inhaltlichen und formellen Erfordernisse zu gelten hätten wie für das ursprüngliche Ersuchen in § 58 ARHG keine Deckung, zumal diese Bestimmung bloß eine Benachrichtigungspflicht gegenüber der ersuchenden Behörde durch den Vollstreckungsstaat vorsieht, um dieser die Möglichkeit zu eröffnen, unter Angabe der Gründe erforderliche Fristverlängerungen zu erwirken (BGBl 1996/762, 33 der Beilagen 20. GP S 71).

Soweit der Antragsteller vermeint, es könne ihm ein Eingriff in sein Eigentumsrecht über Jahre „bis in alle Ewigkeit“ nicht zugemutet werden, ohne dass eine strafrechtliche Entscheidung ergehe, und in diesem Zusammenhang auf seiner Ansicht nach bestehende Versäumnisse der US amerikanischen Justizbehörden (insbesondere die Unterlassung eines Ersuchens um Strafverfolgung an seinen Heimatstaat Slowenien [wohin er sich nach Bewilligung der Auslieferung durch Österreich begeben hat; vgl BS 4]) „verweist“, legt er nicht dar, weshalb der Grundrechtsschutz diesfalls in Österreich zu reklamieren sei (vgl 11 Os 119/09y).

Der offenbar als Replik auf die Erwägung des Beschwerdegerichts, Mihael K***** könne eine Beendigung des gegen ihn anhängigen Strafverfahrens in den Vereinigten Staaten von Amerika erreichen, indem er sich diesem stelle, erhobene Vorwurf einer absolut „disproportional hohen Strafe“ (Art 3 MRK) ist im vorliegenden Verfahren nicht von Relevanz. Im Übrigen ist der Erneuerungswerber auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu AZ 14 Os 41/12d über seinen Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO per analogiam in der gegen ihn geführten Auslieferungssache AZ 8 HR 255/11f des Landesgerichts Klagenfurt zu verweisen, in welcher diesem auch dort erhobenen Einwand Berechtigung nicht zuerkannt wurde (zur Reichweite des Art 3 MRK [im Verhältnis zu den USA] vgl im Übrigen auch jüngst 14 Os 142/18s mwN).

Der Erneuerungsantrag war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung als offenbar unbegründet zurückzuweisen (§ 363b Abs 2 Z 3 StPO).