JudikaturJustiz12Os125/06h

12Os125/06h – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Januar 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Jänner 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Hinterleitner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Saulius P***** wegen der Verbrechen des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels nach § 217 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 14. März 2006, GZ 042 Hv 6/06t-271, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Saulius P***** der Verbrechen des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels nach § 217 Abs 1 letzter Satz StGB, teilweise als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall StGB, schuldig erkannt.

Danach hat er im Dezember 2001 in Wien und anderen Orten gewerbsmäßig I. eine Person, „mag sie auch bereits der gewerbsmäßigen Unzucht ergeben sein, dieser Unzucht in einem anderen Staat", als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt und in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, zugeführt, indem er die litauische Staatsangehörige Zita Z***** gegen Bezahlung von 2.000 USD dem Wolfgang Sch***** zur Ausübung der Prostitution in Österreich übergab, wobei dieser mit Zita Z***** nach Wien flog und sie schließlich in der Gürtelbar „V*****" als Prostituierte unterbrachte; II. dazu beigetragen, eine Person, „mag sie auch bereits der gewerbsmäßigen Unzucht ergeben sein, dieser Unzucht in einem anderen Staat", als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt und in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, zuzuführen und hiefür anzuwerben, indem er Wolfgang Sch***** an Normantas C***** vermittelte, welcher gemeinsam mit den unbekannten Tätern „R*****" und „Va*****" die litauische Staatsangehörige Sandra Val***** nach Hannover brachte, wo Wolfgang Sch***** sie gegen Bezahlung von 2.000 USD übernahm, nach Wien brachte und schließlich in der Gürtelbar „V*****" als Prostituierte unterbrachte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen gerichtete, auf § 281 Abs 1 Z 3, 5, 5a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht. Wenn der Beschwerdeführer unter dem erstangeführten Nichtigkeitsgrund (Z 3) eine Verletzung des § 252 (gemeint offensichtlich: Abs 1 Z 1) StPO moniert, so trifft es zwar zu, dass vom Gericht die Aussage der Zeugin Sandra Val***** vor der Polizei und vor dem Untersuchungsrichter ohne Zustimmung des Angeklagten oder seines Verteidigers in der Hauptverhandlung verlesen wurde, obwohl nicht einmal der Versuch unternommen worden war, die Zeugin trotz ihrer im Vorverfahren erklärten Bereitschaft, in der Hauptverhandlung auszusagen (ON 45), zu dieser zu laden. Diese Gesetzesverletzung vermochte aber auf die Entscheidung keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluss zu üben (§ 281 Abs 3 StPO). Denn das Schöffengericht hat in den Entscheidungsgründen ausdrücklich angeführt, dass aus den Angaben der Zeugin Sandra Val***** „für die Rolle des Angeklagten Saulius P***** nichts zu gewinnen" sei (US 11). Mit ihrer Aussage wurde lediglich begründet, dass sie vom abgesondert verfolgten Wolfgang Sch***** „in Wien als Prostituierte untergebracht und von diesem in ihrer Lebensführung so eingeengt wurde, dass sie keine andere Wahl hatte, als diesen Job weiter auszuüben". Dies wurde aber vom Nichtigkeitswerber nie bestritten.

Entgegen der Beschwerde wurden die Angaben des Zeugen Wolfgang Sch***** vor der Polizei und in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung im vorliegenden Verfahren berechtigt verlesen, weil er bei seiner Vernehmung als Zeuge immer wieder von seinen früheren Angaben abwich und, wie er bereits eingangs seiner Vernehmung erklärte, sich nicht erinnern konnte. Dies findet bereits in den zahlreichen und wiederholten Vorhalten während der Vernehmung seinen Niederschlag (vgl S 275 ff/VII).

Eine Verletzung des § 260 StPO behauptet der Rechtsmittelwerber, weil zwischen dem Spruch des Urteils zum Faktum I und den diesbezüglichen Gründen ein Widerspruch hinsichtlich der Übergabe von 2.000 USD vorliege. Während im Tenor die Bezahlung dieses Geldbetrages gegen „Übergabe der litauischen Staatsangehörigen Zita Z***** zur Ausübung der Prostitution in Österreich" festgestellt sei, ergebe sich aus den Entscheidungsgründen, dass der Geldbetrag zunächst für die Anbahnung von Automatengeschäften übergeben wurde. Erst als diese Geschäfte nicht zustande kamen, habe der Angeklagte erklärt, dass das Geld für seine Bemühungen „und auch die Zita Z***** in diesem Betrag inbegriffen sei." Damit zeigt er aber keine Umstände auf, welche eine Verletzung der allein mit Nichtigkeit bedrohten Bestimmungen des § 260 Abs 1 Z 1 bis 3 StPO darstellen würden (Ratz WK-StPO § 281 Rz 276).

Auch der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5 dritter Fall StPO liegt nicht vor, weil der Widerspruch keine entscheidende Tatsache betrifft. Für die Verwirklichung des Tatbestandes des § 217 Abs 1 StGB ist Entgeltlichkeit nicht erforderlich; für die gewerbsmäßige Begehung macht es keinen Unterschied, ob die Bezahlung des Betrages in unmittelbarem Zusammenhang mit der Übergabe der Frau erfolgte oder ob sich der Angeklagte die Rückzahlung eines Geldbetrages ersparte und dadurch einen wirtschaftlichen Vorteil erlangte (Jerabek in WK² § 70 Rz 10).

Abgesehen davon, dass es sich bei der Anführung des Betrages von „3.000 USD" in der rechtlichen Begründung des Urteils (US 15) um einen offensichtlichen Schreib- oder Diktatfehler handelt, zumal die Entscheidung sonst immer von „2.000 USD" spricht, betrifft auch dieser Widerspruch keine entscheidende Tatsache.

Die Feststellungen über die Vermittlung von Sandra Val***** nach Österreich stützte das Erstgericht auf die Angaben des Wolfgang Sch***** vor der Polizei und in seiner eigenen Hauptverhandlung (US 9 sowie 10 f). Welcher Aussage dieses Zeugen (vor der Polizei, in der eigenen Hauptverhandlung oder der Zeugenaussage im vorliegenden Verfahren) das Gericht aufgrund des gewonnenen persönlichen Eindrucks Glauben schenkt, unterliegt seiner freien Beweiswürdigung. Ob der Angeklagte Sandra Val***** überhaupt kannte, stellt für seine Beitragshandlung keinen entscheidungswesentlichen Umstand dar, denn die zu unterstützende Tat muss dem Beitragstäter lediglich ihrer Art nach und in groben Umrissen, jedoch nicht in allen Details bekannt sein (Fabrizy in WK² § 12 Rz 93).

Die Absicht des Täters, sich „durch wiederkehrende Geschäfte dieser Art eine laufende Zusatzeinnahmequelle zu erschließen" (US 8), gründeten die Tatrichter nicht nur auf den Umstand, dass der Angeklagte im konkreten Fall zwei Frauen an Wolfgang Sch***** vermittelt hat, sondern insbesondere auch darauf, dass weitere „Geschäfte" geplant waren. Aus dieser, sich aus den Telefonüberwachungsprotkollen ergebenden, vorgesehenen wiederholten Vermittlung schlossen sie auch auf die Absicht, ein fortlaufendes Einkommen über einen längeren Zeitraum zu erzielen (US 14 f). Diese Begründung widerspricht weder den Denkgesetzen noch allgemeinen Erfahrungswerten und ist daher mängelfrei. Wenn die Beschwerde aus der leugnenden Verantwortung des Angeklagten und der Aussage des Zeugen Sch***** andere Schlüsse ableitet, bekämpft sie nur unzulässig das Beweiswürdigungsermessen des Erstgerichtes.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) wiederholt im Wesentlichen die Argumente der Mängelrüge und versucht durch andere Würdigung der Beweisergebnisse zu für den Angeklagten günstigeren Ergebnissen zu gelangen. Damit zeigt sie aber keine Umstände aus den Akten auf, welche erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen ergeben könnten. Wenn der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art 6 MRK behauptet, weil sich die Verurteilung auf „keinen einzigen unmittelbaren vom Gericht aufgenommenen Beweis", sondern nur auf frühere Aussagen vor der Polizei und die Telefonüberwachungsprotokolle stützt, so übersieht er, dass alle Beweise in der Hauptverhandlung vorgekommen sind und dass er sowie sein Verteidiger jederzeit die Gelegenheit hatten, diese zu hinterfragen, ihnen eigene Argumente entgegenzuhalten und entsprechende Anträge zu stellen. Dass sie daran in irgendeiner Weise gehindert waren, wird nicht einmal behauptet. Die Subsumtionsrüge (Z 10), welche die Qualifikation des § 217 Abs 1 letzter Satz StPO bestreitet, übergeht bei ihrer Argumentation die bereits zitierten Feststellungen des Erstgerichtes zur Gewerbsmäßigkeit (US 8), wonach die Erzielung eines fortlaufenden Einkommens und nicht - wie die Beschwerde behauptet - eine einmalige Begleichung einer Schuld beabsichtigt war. Da sie somit nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgeht und diesen mit dem darauf angewendeten Gesetz vergleicht, ist sie nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt, dass zur Entscheidung über die Berufung der Gerichtshof zweiter Instanz zuständig ist (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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