JudikaturJustiz12Os123/22p

12Os123/22p – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. Dezember 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Dezember 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Kastner in der Strafsache gegen * G* und * S* wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 2 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Genannten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Jugendschöffengericht vom 13. Mai 2022, GZ 34 Hv 8/22x-93, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden * G* und * S* jeweils des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 2 erster Fall StGB (1./), der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (2./) sowie der Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB (3./) schuldig erkannt.

[2] Danach haben sie am 3. November 2021 in K* in einverständlichem Zusammenwirken

1./ mit Gewalt gegen eine Person, indem sie * B* würgten, ihn traten und schlugen, fremde bewegliche Sachen, nämlich eine Rolex-Uhr im Wert von 12.000 bis 13.000 Euro, eine Geldbörse mit etwa 150 bis 200 Euro Bargeld und ein Mobiltelefon mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, wobei B* durch die ausgeübte Gewalt schwer in Form kleinfleckiger Schürfungen und Prellungen, eine mehrere Zentimeter lange Hautschnittverletzung am rechten Handrücken übergehend auf die Handrückenseite des Handgelenks und einen Längsbruch des linken Zeigefingergrundgliedes mit Fingergelenksbeteiligung sowie eine Schwellung des Kehlkopfs mit Schluckbeschwerden und Stimmveränderungen verletzt wurde;

2./ anlässlich der zu 1./ beschriebenen Tat Urkunden, nämlich den Personalausweis, die Sozialversicherungskarte und das Regioticket des * B*, über die sie nicht verfügen durften, unterdrückt, (zu ergänzen [vgl US 7]), wobei sie mit dem Vorsatz handelten, zu verhindern, dass diese im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden;

3./ anlässlich der zu 1./ beschriebenen Tat unbare Zahlungsmittel, über die sie nicht verfügen durften, nämlich eine Debit- und Kreditkarte des B*, mit dem Vorsatz unterdrückt, deren Verwendung im Rechtsverkehr zu verhindern.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richten sich Nichtigkeitsbeschwerden, die der Angeklagte G* auf Z 5a, 10 sowie 10a und der Angeklagte S* auf Z 10 und 10a, jeweils des § 281 Abs 1 StPO, stützen. Sie schlagen fehl.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten G*:

[4] Mit der Behauptung (Z 5a), das Schöffengericht habe die Glaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers aufgrund eines in Wahrheit nicht vorliegenden Widerspruchs zwischen dessen Depositionen und jenen des Zeugen St* (zur Frage, ob dieser den Angeklagten G* nach der Tat angetroffen habe) verneint, weckt die Tatsachenrüge (Z 5a) keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen. Denn das Erstgericht hat die Konstatierungen betreffend die Täterschaft des Angeklagten entscheidend auf die Angaben des Opfers (US 12) und nicht auf die vom Beschwerdeführer angesprochenen – bloß illustrativ erwähnten – Nebenumstände (US 10) gestützt.

[5] Entsprechendes gilt für den – bloß nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung – vorgetragenen Einwand, die Zeitspanne zwischen der (bei der körperlichen Auseinandersetzung mit dem Opfer erlittenen) Verletzung des Beschwerdeführers und dessen ärztlicher Untersuchung hätte „im Zweifel“ (vgl dazu RIS-Justiz RS0102162) nicht zu seinem Nachteil gewürdigt werden dürfen.

[6] Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810).

[7] An diesen Anfechtungsvoraussetzungen geht die mit dem Ziel eines Schuldspruchs wegen „Körperverletzung“ erhobene Subsumtionsrüge (Z 10) vorbei, indem sie – im Wesentlichen unter Wiederholung der Argumentation zur Tatsachenrüge – auf angeblich unberücksichtigte Verfahrensergebnisse hinweist, die nach Ansicht des Beschwerdeführers Zweifel an den Feststellungen zur Täterschaft in Richtung des Verbrechens des Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 2 erster Fall StGB erwecken.

[8] Gleiches gilt für die Diversionsrüge (Z 10a), die urteilsfremd (vgl aber RIS-Justiz RS0124801) das Vorliegen einer „Körperverletzung“ behauptet und davon ausgehend das Unterbleiben diversioneller Erledigung kritisiert.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S*:

[9] Indem der Beschwerdeführer sowohl in der Subsumtions- (Z 10), als auch in der Diversionsrüge (Z 10a) inhaltsgleich argumentiert wie der Angeklagte G*, kann auf die Erledigung der diesbezüglichen Einwände verwiesen werden.

[10] Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).

[11] Bleibt anzumerken, dass Raub in der Begehungsform der „Gewalt gegen eine Person“ eine „strafbare Handlung gegen Leib und Leben“ im Sinn der durch das GewaltschutzG 2019 (BGBl I 2019/105) geschaffenen Bestimmung des § 19 Abs 4 Z 1 JGG darstellt, in dessen Anwendungsbereich § 19 Abs 1 JGG nicht zum Tragen kommt. In dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber nämlich den Katalog der erfassten strafbaren Handlungen – anders als bei § 33 Abs 2 StGB und auch im Gegensatz zu § 19 Abs 4 Z 3 JGG – gerade nicht in ausdrückliche Beziehung zu bestimmten Abschnitten des Besonderen Teils des StGB gesetzt, womit eine rechtsgutsbezogene Betrachtung anzustellen ist (RIS-Justiz RS0134129; jüngst ebenso 11 Os 90/22b; im Ergebnis anders 15 Os 122/21m). Ausgehend davon war die Anwendung des § 19 Abs 1 JGG beim Angeklagten G* verfehlt (§ 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO).

[12] Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last (§ 390a Abs 1 StPO).