JudikaturJustiz12Os120/19t

12Os120/19t – OGH Entscheidung

Entscheidung
05. Dezember 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. Dezember 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Dr. Brenner und Dr. Setz Hummel in Gegenwart der Schriftführerin Kontr Fleischhacker in der Strafsache gegen Vedran M***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 8. Juli 2019, GZ 37 Hv 6/19f 128, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthält, wurde Vedran M***** je eines Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB (A./) und des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB (B./) schuldig erkannt.

Danach hat er in K***** und an anderen Orten

A./ in jeweils mehreren Angriffen zu nicht näher feststellbaren Zeitpunkten Güter in einem 300.000 Euro übersteigenden Wert, die ihm anvertraut worden waren, sich oder einem Dritten mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz zugeeignet, indem er teils die ihm zum Zweck des Fahrzeugankaufs und gewinnbringenden Weiterverkaufs anvertrauten Gelder zweckwidrig verwendete und sie trotz Rückzahlungsaufforderung „für sich einbehielt“, teils es unterließ, ihm überlassene Fahrzeuge vereinbarungsgemäß herauszugeben, und zwar

1./ nach dem Frühjahr 2016 hinsichtlich Daniel Ma***** einen Geldbetrag von 31.500 Euro;

2./ nach Mai 2016 hinsichtlich Dragan B***** einen Geldbetrag von 20.000 Euro;

3./ nach Dezember 2016 hinsichtlich Stefan Mu***** einen Geldbetrag von 93.500 Euro;

4./ nach dem 30. Mai 2017 hinsichtlich Johann Z***** (US 9:) drei Fahrzeuge im Wert von 234.700 Euro;

5./ nach Mai 2017 hinsichtlich Thomas G***** einen Geldbetrag von 15.000 Euro;

6./ am 23. Dezember 2017 hinsichtlich Philipp K***** durch Verkauf eines Fahrzeugs, unrepariert im Wert von 8.580 Euro, an Alexander P*****;

7./ nach dem 28. Oktober 2017 hinsichtlich Hassan Ka***** einen Geldbetrag von 5.500 Euro;

B./ mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, sowie in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von schwerem Betrug längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen (§ 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB), im Urteil näher bezeichnete Personen durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, die diese in einem insgesamt 300.000 Euro übersteigenden Betrag, nämlich (US 11:) von insgesamt 937.695,16 Euro, am Vermögen schädigten, und zwar

von 29. März 2016 bis Ende Dezember 2017 in sechzehn im Urteil näher beschriebenen Angriffen durch Vortäuschung der Ausfolgung von Personenkraftwagen und Fahrzeugzubehör sowie der Durchführung von Reparaturen zur Bezahlung des jeweiligen Kaufpreises sowie zur Leistung von Anzahlungen (1./a./ und b./, 3./, 4./b./, 7./a./, 8./b./, c./ und d./, 9./a./, 10./, 14./a./ und b./, 17./, 18./, 19./a./, 20./);

von Winter 2016 bis 6. März 2018 in neun im Urteil näher beschriebenen Angriffen durch Vortäuschung seiner Rückzahlungsfähigkeit und -willigkeit zur Gewährung von Darlehen (2./, 4./c./, 5./, 6./, 9./b./, 15./ 16./a./ und b./, 19./b./);

von April 2017 bis 23. November 2017 in sechs im Urteil näher beschriebenen Angriffen, teils durch Vortäuschung, Personenkraftwagen zu verkaufen und den Erlös zu übergeben, teils durch Vorgabe, ein zahlungsfähiger und -williger Kunde zu sein, zur Ausfolgung von Personenkraftwagen (4./a./ und d./, 7./b./ und c./, 8./a./, 13./);

11./ am 6. Juli 2017 Verfügungsberechtigte der A***** GmbH durch Vortäuschung, ein zahlungsfähiger und -williger Kunde zu sein, zur Herausgabe eines Personenkraftwagens Audi S6 im Wert von 67.000 Euro;

12./ (US 9:) zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt nach Anfang des Jahres 2016 Verfügungsberechtigte des Unternehmens H***** durch Vortäuschung, ein zahlungsfähiger und -williger Kunde zu sein, zur Umzäunung des Firmenareals samt Schiebetor sowie zur Lieferung eines Hallentors im Wert von 29.795,16 Euro.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die (nominell) auf Z 3, 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

Eine aus Z 3 beachtliche Verletzung des § 260 Abs 1 Z 1 StPO liegt vor, wenn das Referat der (in den Entscheidungsgründen als erwiesen angenommenen) entscheidenden (somit für die Subsumtion [§ 260 Abs 1 Z 2 StPO] maßgeblichen) Tatsachen die Tat mangels hinreichender Individualisierung nicht von anderen (strafbarkeitsrelevanten) historischen Sachverhalten abgrenzt (RIS Justiz RS0120334 [T2]; Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 9.82 mwN).

Soweit die Verfahrensrüge (Z 3) zu A./4./ moniert, dass der Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 1 StPO „im Hinblick auf die Zeitpunkte, die Anzahl der Angriffe und der betroffenen Fahrzeuge samt deren weiterer Spezifizierung sowie ihren jeweiligen Wert“ unbestimmt geblieben sei, macht sie nicht deutlich, weshalb der vermissten Konkretisierung der Tatzeitpunkte ausnahmsweise Subsumtionsrelevanz zukommen (vgl Ratz, WK StPO § 281 Rz 290; Lendl, WK-StPO § 260 Rz 14) und der Zeit und Ort der Taten, den Täter, die Tatmodalitäten, den Wert der Sachen (§ 29 StGB) und die namentliche Bezeichnung des Opfers enthaltende Urteilsspruch (vgl US 1 f: „Vedran M***** hat in K***** und an anderen Orten zu nicht näher bestimmbaren Zeitpunkten nach dem 30. Mai 2017 hinsichtlich Johann Z***** in mehreren Angriffen ihm anvertraute Fahrzeuge im Wert von 234.700 Euro mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz vereinbarungswidrig verwendet“) zur Individualisierung der Taten nicht ausreichen sollte (vgl RIS Justiz RS0117498, RS0116587 [T5]; Ratz , WK StPO § 281 Rz 285; Lendl, WK StPO § 260 Rz 6 ff [10, 13, 16]).

Im Übrigen geht aus den zur Verdeutlichung heranzuziehenden Entscheidungsgründen (RIS Justiz RS0116587) klar hervor, dass es sich um drei Fahrzeuge des Johann Z***** handelte, die der Beschwerdeführer vereinbarungswidrig an Dritte verkaufte, wobei er den Verkaufserlös einbehielt (vgl US 9).

Die eine Unvollständigkeit relevierende Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) spricht mit ihrem Vorbringen zu A./6./ , das Erstgericht habe mit Stillschweigen jene Verfahrensergebnisse übergangen, wonach es zu keiner Übergabe des Fahrzeugs an den Käufer P***** gekommen, sondern eine Rückstellung an die „Vorbehaltseigentümerin S*****“ erfolgt sei, weshalb nur Versuch vorliege, keinen erheblichen Umstand (vgl RIS Justiz RS0118316), sondern bloß einen Strafzumessungsaspekt an (§ 34 Abs 1 Z 13 StGB; RIS Justiz RS0122137 [T6, T7]; Lendl , WK StPO § 260 Rz 18).

Entgegen der Behauptung unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) stützte das Erstgericht die zu A./4./ festgestellte Schadenshöhe (US 9) – logisch und empirisch mängelfrei – auf die Aussage des Zeugen Johann Z***** und den Inhalt der jeweiligen Kaufverträge (US 13; ON 69 S 303 ff, 343 ff, 351 ff; ON 116 S 27 ff).

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, dass sich der Wert der drei Fahrzeuge zu A./4./ „nicht aus Proformabeträgen in Proformaverträgen“ ableiten lasse, weil diese „nicht verkauft“ werden, sondern als „Sicherstellung für Darlehensaufnahmen“ dienen sollten, bekämpft er nur in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung des Schöffensenats nach Art einer Schuldberufung.

Der Einwand zu B./12./ , aufgrund des „realisierten Eigentumsvorbehalts“ sei von einem niedrigeren Schadensbetrag, nämlich von 10.800 Euro auszugehen (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 10), spricht keine entscheidende Tatsache (zum Begriff Hinterhofer/Oshidari , Strafverfahren Rz 9.113 f) an, weil Gegenstand der Subsumtionsrüge bei – hier vorliegender – Zusammenrechnung von Schadensbeträgen nach § 29 StGB allein die Subsumtionseinheit ist (RIS-Justiz RS0120980).

Ein Feststellungsmangel wird geltend gemacht, indem unter Hinweis auf einen nicht durch Feststellungen geklärten, jedoch indizierten Sachverhalt eine vom Erstgericht nicht gezogene rechtliche Konsequenz angestrebt wird, weil dieses ein Tatbestandsmerkmal, einen Ausnahmesatz (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a bis c StPO) oder eine andere rechtliche Unterstellung bei der rechtlichen Beurteilung nicht in Anschlag gebracht hat (RIS-Justiz RS0118580).

Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu B./11./ einen Feststellungsmangel daraus ableitet, dass „in der Hauptverhandlung (ua Protokoll vom 26. 4. 2019, S 7 letzter Absatz, S 8 1. und 2. Absatz) hervorgekommen“ sei, dass durch „Rückstellung des einen Marktwert von 67.000 Euro aufweisenden Fahrzeugs an die Geschädigte“ kein Schaden „bzw ein geringerer Schaden unter der Qualifikationsgrenze“ (der Sache nach Z 10) entstanden sei und darüber spekuliert, dass „Eigentumsvorbehalte im Fahrzeughandel ein übliches Sicherungsmittel“ seien, argumentiert sie ohne Bezugnahme auf konkrete (sein Vorbringen tangierende) Ergebnisse der Hauptverhandlung und orientiert sich damit nicht an obgenannten Kriterien.

Im Übrigen muss der beim Betrug bewirkte Schaden kein dauernder sein (vgl RIS Justiz RS0094383) und schließen Eigentumsvorbehalte eine Vermögensschädigung nicht von vornherein aus. Sie können bei der Schadensberechnung nur dann kompensierend berücksichtigt werden, wenn sie realisierbar sind (vgl Leukauf/Steininger/Flora , StGB 4 § 146 Rz 46).

Die bloße Forderung des Beschwerdeführers, zu B./11./ „noch weitere dahingehende Verfahrensergebnisse zu schöpfen“, spricht die geltend gemachten Nichtigkeitsgründe nicht an (RIS-Justiz RS0099435).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts für die Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.