JudikaturJustiz12Os114/05i

12Os114/05i – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. November 2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. November 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber, Dr. Philipp, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Besenböck als Schriftführer, in der Strafsache gegen Philipp M***** wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB, AZ 11 U 65/05z des Bezirksgerichtes Leibnitz, über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Leibnitz vom 20. April 2005, ON 6, und des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Beschwerdegericht vom 31. Mai 2005, AZ 1 Bl 37/05b, ON 10 der U-Akten, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Eisenmenger, sowie der Verteidigerin Mag. Ullrich-Pansi zu Recht erkannt:

Spruch

Die im Verfahren AZ 11 U 65/05z des Bezirksgerichtes Leibnitz ergangenen Beschlüsse dieses Gerichtes vom 20. April 2005, ON 6, und des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Beschwerdegericht vom 31. Mai 2005, AZ 1 Bl 37/05b (ON 10 der U-Akten), verletzen das Gesetz in den Bestimmungen des § 7 Abs 1 JGG und des § 90a Abs 2 Z 3 StPO.

Text

Gründe:

Dem zum Tatzeitpunkt 15-jährigen Philipp M***** wurde mit Antrag auf Bestrafung der Bezirksanwältin beim Bezirksgericht Leibnitz vom 1. März 2005, AZ 88 BAZ 331/05f, das Vergehen der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB zur Last gelegt, weil er am 22. Jänner 2005 in Großklein als Lenker eines Kleinkraftrades die vor ihm befindliche Radfahrerin Maria L***** übersehen, niedergestoßen und getötet hatte. Mit Beschluss vom 20. April 2005, GZ 11 U 65/05z-6, stellte das Bezirksgericht Leibnitz das Verfahren nach Zahlung eines Geldbetrages gemäß §§ 90b, 90c Abs 5 StPO, § 7 Abs 1 JGG ein. Der dagegen erhobenen Beschwerde der Staatsanwaltschaft gab das Landesgericht für Strafsachen Graz mit Beschluss vom 31. Mai 2005, AZ 1 Bl 3705b (ON 10 der U-Akten), keine Folge. Erst- und Rechtsmittelgericht waren der Auffassung, dass die Diversionsgrenze der Todesfolge bei Jugendstraftaten nicht gelte (S 51, 67).

Die zitierten Beschlüsse verletzen das Gesetz - zum Vorteil des Beschuldigten - in den Bestimmungen des § 7 Abs 1 JGG und des § 90a Abs 2 Z 3 StPO.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 7 Abs 1 letzter Satz JGG ist das Gericht bei Anordnung der im Hauptstück IXa der StPO vorgesehenen Diversionsmaßnahme zwar weder durch Strafdrohungen noch durch Zuständigkeitsbestimmungen beschränkt. Ein Diversionsverbot besteht hingegen in jenen Fällen, in denen die Tat den Tod eines Menschen zur Folge hatte (13 Os 111/00, SSt 63/107; Schroll, WK-StPO § 90a Rz 45 mwN).

Dies ergibt sich - wie das Klammerzitat des § 90b StPO zeigt - ferner aus dem letzten Satz des § 7 Abs 1 JGG, der bestimmt, dass das Gericht (wie hier) bei Einstellung des Verfahrens in jedem Fall die für den Staatsanwalt geltenden Bestimmungen des Hauptstückes IXa der Strafprozessordnung, somit ua § 90a Abs 2 Z 3 StPO zu beachten hat.

§ 6 JGG hingegen muss für die darin autonom geregelte schlichte (dh nicht intervenierende) Diversion deren Ausschluss bei Tötung eines Menschen - mangels eines durch Verweisung positiv anzuwendenden anderen Gesetzes - ausdrücklich anordnen.

Der Strafausschließungsgrund des § 4 Abs 2 Z 2 JGG kann im Gegensatz dazu - lege non distinguente - selbst bei einer Tat mit Todesfolge angewendet werden (15 Os 68/03, EvBl 2003/174, 809). Die zu § 9 JGG (idF vor BGBl I 1999/55) teilweise vertretene Ansicht, diese Diversionsbestimmung sei auch auf Taten mit Todesfolge anwendbar, steht der dargelegten Interpretation nicht entgegen, fand doch das Recht der Diversion mit der StPO-Novelle 1999 eine völlige Neuordnung.

Der vom Generalprokurator erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher spruchgemäß Folge zu geben.