JudikaturJustiz12Os111/20w

12Os111/20w – OGH Entscheidung

Entscheidung
01. Oktober 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. Oktober 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Oshidari und Dr. Haslwanter in Gegenwart der Schriftführerin FI Ponath in der Strafsache gegen Suat Ö***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 28 HR 66/20k des Landesgerichts Feldkirch, über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Beschwerdegericht vom 26. August 2020, AZ 7 Bs 211/20t, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Grundrechtsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit Beschluss vom 26. Juni 2020 verhängte das Landesgericht Feldkirch über den Beschuldigten die Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr gemäß § 173 Abs 2 Z 2 und 3 lit a, b und c StPO (ON 17 und 18) und setzte sie mit weiterem Beschluss vom 10. Juli 2020 aus diesen Haftgründen fort (ON 22 und 23). In weiterer Folge wies das Landesgericht Feldkirch mit Beschluss vom 6. August 2020 die in der Haftverhandlung gestellten Anträge des Beschuldigten auf „Einholung eines Glaubwürdigkeitsgutachtens und die persönliche Vernehmung des Thomas H***** durch den Haft- und Rechtsschutzrichter“ zurück, den Enthaftungsantrag des Beschuldigten ab und beschloss die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus den bisherigen Haftgründen (ON 31 und 32).

Mit der angefochtenen Entscheidung gab das Oberlandesgericht Innsbruck der Beschwerde des Beschuldigten gegen diesen Beschluss des Landesgerichts Feldkirch nicht Folge und ordnete die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr gemäß § 173 Abs 2 Z 3 lit a, b und c StPO an (ON 35 S 5 ff).

Dabei erachtete es den Beschuldigten als dringend verdächtig, er habe im Großraum V***** und (zu III./ auch teilweise) in der Schweiz vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge

I./ anderen in einer das 25-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge überlassen, und zwar

1./ zwischen Frühjahr/Sommer 2018 und 2019 dem abgesondert verfolgten Thomas H***** in zahlreichen Verkäufen insgesamt 1 kg Kokain (beinhaltend zumindest 594,1 g reines Cocain);

2./ zu einem nicht exakt feststellbaren Zeitpunkt im Winter 2018 durch den Verkauf von 5 kg Marihuana (beinhaltend zumindest 490 g THCA) an den abgesondert verfolgten Thomas H*****;

3./ am 4. März 2020 durch den Verkauf von 5 kg Marihuana (beinhaltend zumindest 490 g THCA) an den abgesondert verfolgten Adem A*****;

4./ am 30. März 2020 durch Verkauf von 4 kg Marihuana (beinhaltend zumindest 392 g THCA) an den abgesondert verfolgten Adem A*****;

5./ im Frühjahr 2020 durch den wiederholten Verkauf von nicht mehr feststellbaren Mengen Marihuana und Kokain an Unbekannte;

II./ einem anderen angeboten, und zwar am 23. Mai 2020 dem abgesondert verfolgten Adem A***** 6 kg Marihuana (beinhaltend zumindest 588 g THCA);

III./ zu einem nicht exakt feststellbaren Zeitpunkt zwischen 2018 und 2019 aus- und eingeführt, und zwar 3 kg Marihuana (beinhaltend zumindest 294 g THCA), das er unmittelbar zuvor bei Ilir K***** in der Schweiz gekauft hatte und mit dem PKW von der Schweiz nach Österreich verbrachte.

In rechtlicher Hinsicht qualifizierte das Oberlandesgericht dieses Verhalten als (jeweils) das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 (I./), nach § 28a Abs 1 vierter Fall SMG (II./) und nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall SMG (III./).

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck richtet sich die fristgerecht erhobene Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten (ON 39), die den gesetzlichen Bezugspunkt verfehlt.

Im Grundrechtsbeschwerdeverfahren kann die Begründung des dringenden Tatverdachts in sinngemäßer Anwendung des § 281 Abs 1 Z 5 und Z 5a StPO bekämpft werden (RIS-Justiz RS0110146 ). Analoge Heranziehung des Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs 1 Z 4 StPO kommt dagegen nicht in Betracht, womit infolge Subsidiarität zur Verfahrensrüge (Z 4) auch eine Aufklärungsrüge analog der Z 5a ausscheidet (RIS-Justiz RS0122321).

Indem die Beschwerde den Tatsachenannahmen des Beschwerdegerichts (ohne Auseinandersetzung mit dessen Argumentation in ihrer Gesamtheit [BS 6 ff]) nur eigene Erwägungen zur Glaubwürdigkeit des Thomas H***** entgegenhält (RIS-Justiz RS0112012) sowie das Unterbleiben seiner Vernehmung im Rahmen der Haftverhandlung und der Einholung eines „Glaubwürdigkeitsgutachtens“ kritisiert, verlässt sie diesen Anfechtungsrahmen.

Die erstmalige (zur Notwendigkeit der Ausschöpfung des Instanzenzugs siehe sogleich) Behauptung eines Beweisverwertungsverbots in Ansehung einer (soweit nachvollziehbar) in einer anderen Strafsache getätigten (den Beschuldigten nicht belastenden) Zeugenaussage in Abwesenheit des Verteidigers des Beschuldigten (zur Handhabung von Beweisverwertungsverboten im Rahmen der Z 5 und Z 5a vgl Ratz , WK-StPO § 281 Rz 65 ff) ist mangels substantiierten Vorbringens zur Grundlage eines solchen Verbots einer sachbezogenen Erwiderung nicht zugänglich.

Soweit das Vorliegen des vom Rechtsmittelgericht herangezogenen Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr gemäß § 173 Abs 2 Z 3 lit a, b und c StPO bestritten wird, scheitert die Beschwerde schon am Fehlen der Erschöpfung des Instanzenzugs. Denn nach Maßgabe der durch § 1 Abs 1 GRBG verlangten, nicht bloß formalen (durch Anrufung des Rechtsmittelgerichts), vielmehr auch inhaltlichen Ausschöpfung des Instanzenzugs sind im Verfahren über eine Grundrechtsbeschwerde nämlich nur jene – nicht allein die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts betreffenden – Argumente iSd § 3 Abs 1 GRBG beachtlich, die der Beschwerdeführer bereits in einer zulässigen Beschwerde gegenüber dem Rechtsmittelgericht geltend gemacht hatte (RIS-Justiz RS0114487 ; Kier in WK² GRBG § 1 Rz 41). Da sich die Haftbeschwerde des Beschuldigten nur gegen die Annahme des dringenden Tatverdachts in Ansehung des Überlassens von Suchtgift an Thomas H***** richtete, ist diese Voraussetzung nicht erfüllt.

Die Grundrechtsbeschwerde war daher ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) als unzulässig zurückzuweisen.

Zur Erklärung, die Beschwerde „subsidiär“ als „Erneuerungsantrag“ zu erheben, genügt der Hinweis, dass der Schutz des Grundrechts auf persönliche Freiheit im Strafverfahren durch das Grundrechtsbeschwerdegesetz abschließend geregelt ist, womit insoweit kein Anwendungsbereich für den (einen subsidiären Rechtsbehelf darstellenden) Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens bleibt (RIS-Justiz RS0122737 [T26] und RS0123350; zum eingeschränkten Anwendungsbereich des

Art 6 MRK im Haftprüfungsverfahren vgl RIS-Justiz RS0120049; Kier in WK² GRBG § 2 Rz 40).

Rechtssätze
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