JudikaturJustiz11Os9/97

11Os9/97 – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Mai 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27.Mai 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ebner, Dr.Schmucker, Dr.Habl und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Marte als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Siegfried Sch***** wegen des zum Teil in der Phase des Versuches gebliebenen Verbrechens nach § 12 Abs 1 zweiter, dritter und vierter sowie Abs 2 erster Fall SGG, § 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 28.Juni 1996, GZ 28 Vr 1.023/96-24, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Siegfried Sch***** des zum Teil in der Phase des Versuches verbliebenen Verbrechens nach § 12 Abs 1 zweiter, dritter und vierter sowie Abs 2 erster Fall SGG, § 15 StGB schuldig erkannt und zu einer zum Teil bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt. Darüber hinaus wurden Geld- und Wertersatzstrafen verhängt, das sichergestellte Suchtgift eingezogen und der zur Beförderung des Suchtgiftes verwendete PKW für verfallen erklärt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs liegt dem Angeklagten zur Last, gewerbsmäßig den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge, nämlich

1) am 18.Februar 1996 beim Grenzübergang Wullowitz

4467 Gramm Cannabisharz (mindestes 352,6 Gramm

Reinsubstanz) von Tschechien nach Österreich einzuführen versucht und

2) in Eferding durch Verkauf an Andreas M*****

a) im Spätherbst 1995 ca ein kg Cannabiskraut,

b) im Dezember 1995 ca ein kg Cannabiskraut und

c) Mitte April 1996 ca zwei kg Cannabiskraut

in Verkehr gesetzt zu haben.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Schuldspruch richtet sich die auf die Z 3 und 4 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der auch den Strafausspruch aus § 281 Abs 1 Z 11 StPO mit Nichtigkeitsbeschwerde, im übrigen aber mit Berufung bekämpft.

Nicht im Recht ist der Angeklagte mit seiner gegen die in der Hauptverhandlung erfolgte Verlesung des Gutachtens der Kriminaltechnischen Zentralstelle sowie der Protokolle der im Vorverfahren vernommenen Zeugen M***** und Se***** vorgebrachten Rüge (Z 5).

Der Untersuchungsbericht des kriminaltechnischen Dienstes der Bundespolizeidirektion Linz vom 29.Februar 1996 (S 17-21) ist zunächst, der Auffassung des Beschwerdeführers zuwider, kein Sachverständigengutachten, für dessen Verlesung in der Hauptverhandlung die Vorschriften des § 252 Abs 1 StPO zu beachten wären (vgl Mayerhofer StPO4 § 252 E 21). Ein solches läge, wie auch in der Beschwerde zutreffend ausgeführt wird, nur dann vor, wenn es sich um das Gutachten eines gerichtlich bestellten und vereidigten Sachverständigen handelte, der aufgrund seiner Bestellung in einem bestimmten Verfahren die Aufgabe hat, unter Kontrolle des Gerichtes jene prozessual erheblichen Umstände und Erfahrungstatsachen wahrheitsgemäß zu bekunden und hierüber ein Gutachten zu erstatten, die ihm kraft seines besonderen Fachwissens bekannt sind (SSt 30/83). Der in Rede stehende Untersuchungsbericht hingegen, der diesen Voraussetzungen nicht genügt, fällt unter die in § 252 Abs 2 StPO genannten Befundaufnahmen bzw Urkunden und Schriften anderer Art, die für die Untersuchung von Bedeutung sind, und die darnach vorgelesen werden müssen, sofern nicht beide Teile darauf verzichten.

Die trotz Verwahrung des Beschwerdeführers teils durch Verlesung, teils durch Vorhalte, teils durch Bezugnahme des Zeugen selbst in der Hauptverhandlung eingebrachte Aussage des Alfred M***** vor der Polizei stellt den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund nicht her. Abgesehen davon nämlich, daß selbst bei Bejahung einer Gesetzesverletzung diese nicht durchschlagen würde, weil der Zeuge in der Hauptverhandlung auch nach Ansicht des Beschwerdeführers in keinem wesentlichen Punkt von seiner früheren Aussage abwich (S 330) und somit unzweifelhaft erkennbar ist, daß die behauptete Formverletzung auf die Entscheidung keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluß üben konnte (§ 281 Abs 3 StPO), liegt ein solcher Gesetzesverstoß gar nicht vor. Denn nur eine als Ersatz für die grundsätzlich persönlich und unmittelbar durch das Gericht in der Hauptverhandlung vorzunehmende Vernehmung von Zeugen vorgenommene Verlesung von außerhalb der Hauptverhandlung aufgenommenen Protokollen ist Gegenstand der Regelung des § 252 Abs 1 StPO, die eine solche Verlesung nur unter den dort angeführten Bedingungen ausnahmsweise zuläßt. Beruft sich ein Zeuge jedoch bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung, ohne die Aussage oder die Beantwortung von Fragen zu verweigern, auf früher deponierte Aussagen oder werden ihm diese im Zuge der Vernehmung vorgehalten, dann unterliegt deren Wiedergabe auch dann, wenn sie faktisch in einer Verlesung der darüber aufgenommenen Protokolle besteht, nicht der mit Nichtigkeit bewehrten Ausnahmeregelung des § 252 Abs 1 StPO, weil es den Parteien unbenommen bleibt, die Zeugen zu befragen und deren Glaubwürdigkeit in Frage zu stellen. Daher werden durch eine solche Vorgangsweise weder das in der Verfassung (Art 90 B-VG) verankerte, in § 258 Abs 1 StPO konkretisierte und durch § 252 Abs 1 StPO geschützte Prinzip der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme noch die sich aus den Grundsätzen des Art 6 Abs 1 und Abs 3 lit d EMRK ergebenden Verteidigungsrechte des Angeklagten beeinträchtigt (11 Os 197/96).

Schließlich geht auch der die Verlesung des über die Vernehmung der Zeugin Karin Se***** vor dem Untersuchungsrichter errichteten Protokolls betreffende Beschwerdeeinwand fehl. Zwar ist dem Hauptverhandlungsprotokoll nicht zu entnehmen, auf welche gesetzliche Grundlage die Verlesung des Protokolls dieser Zeugin, die vor dem Untersuchungsrichter von ihrem Entschlagungsrecht als Lebensgefährtin des Angeklagten keinen Gebrauch gemacht hatte, in der Hauptverhandlung aber nicht vernommen worden ist, gestützt wurde. Diese Frage kann indes auf sich beruhen, weil die Tatrichter die Angaben Se*****s ihrer Entscheidung nicht zugrundelegten. Soweit der Beschwerdeführer die Auffassung vertritt, die Angaben Se*****s seien zumindest erschließbar bei der Beurteilung seiner Glaubwürdigkeit herangezogen worden und als Nachweis dafür jene Urteilspassage zitiert (US 11), in der seine den Zollwachbeamten gegenüber abgegebene Erklärung, beim aufgefundenen Suchtgift handle es sich um das Gewürz Oregano, als bewußt wahrheitswidrig bezeichnet wurde, läßt er sein diesbezügliches Eingeständnis in der Hauptverhandlung (S 323) unbeachtet, das dieser Konstatierung ersichtlich zugrundeliegt. Damit kann aber dahingestellt bleiben, ob die gerügte Verlesung des Zeugenprotokolls die Vorschriften des § 252 Abs 1 StPO verletzte, erwuchs daraus doch dem Angeklagten zweifelsfrei erkennbar keinerlei Nachteil (erneut § 281 Abs 3 StPO).

Zur Geltendmachung der Verfahrensrüge (Z 4) hinwieder, mit der sich der Beschwerdeführer gegen die Abweisung von Anträgen durch den Vorsitzenden wendet, ist er nicht legitimiert. Denn mit diesem Nichtigkeitsgrund können nur Zwischenerkenntnisse des Senates, nicht aber prozeßleitende Verfügungen des Vorsitzenden angefochten werden. Es wäre Sache des Verteidigers gewesen, eine Beschlußfassung des Schöffensenates zu begehren. Der bloße Hinweis darauf, daß eine Beschlußfassung durch den Senat nicht vorliege, ersetzt den erforderlichen Antrag nicht. Die Abweisung durch den Vorsitzenden allein berechtigt daher zur Erhebung der Nichtigkeitsbeschwerde nicht, zumal darin, was der Beschwerdeführer verkennt, keineswegs eine (einer abweisenden Entscheidung des Senates gleichzuhaltende) Nichtentscheidung des Schöffengerichtes gelegen ist.

Auch die Strafzumessungsrüge (Z 11) versagt. Mit ihr wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Unterlassung der Anführung der für die Strafbemessung entscheidenden Tatsachen, die demzufolge einer Überprüfung nicht zugänglich seien. Damit gelangt indes der relevierte Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzesgemäßen Darstellung. Denn nur wenn festgestellte, für die Strafzumessung rechtlich irrelevante Umstände herangezogen wurden oder aber wenn die nach dem Gesetz gebotene Verwertung festgestellter Tatsachen rechtsirrtümlich unterblieben ist, liegt Nichtigkeit vor. Die mangelhafte Benennung von Strafzumessungstatsachen hingegen ist einer Anfechtung im Nichtigkeitsverfahren grundsätzlich entzogen (vgl Mayerhofer StPO4 § 281 Z 11 E 4b).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war somit teils als offenbar unbegründet, teils als nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Linz zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285 i StPO).

Die Kostenentscheidung ist in § 390 a StPO begründet.

Rechtssätze
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