JudikaturJustiz11Os9/04

11Os9/04 – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. März 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. März 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Loewe als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Reinhard K***** wegen der Finanzvergehen der vorsätzlichen gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit b, 38 Abs 1 lit a FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Schöffengericht vom 17. November 2003, GZ 12 Hv 170/03s-80, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Mag. Knibbe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, welches im Übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch über die Geldstrafe aufgehoben und über den Angeklagten nach § 38 Abs 1 iVm § 37 Abs 2 FinStrG eine Geldstrafe in der Höhe von 1,800.000 (iW: eine Million achthundertausend) EUR und für den Fall deren Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von sechs Monaten und vierzehn Tagen verhängt.

Mit seiner Berufung gegen die Höhe der Geldstrafe wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Der Berufung wird im Übrigen insoweit Folge gegeben, als die (anteilsmäßigen) Wertersatzstrafen hinsichtlich 83.620 Stangen Zigaretten gem § 19 Abs 1 lit a, Abs 3, Abs 4 und Abs 6 iVm §§ 17 Abs 2 lit a, 37 Abs 2 letzter Satz und 38 Abs 1 letzter Satz FinStrG mit 160.000 (iW: einhundertsechzigtausend) EUR (im Uneinbringlichkeitsfall ein Monat Ersatzfreiheitsstrafe) und für die Sattelzugfahrzeuge der Marke Iveco und Scani sowie den Sattelanhänger der Marke Kögel gem § 19 Abs 1 lit b und Abs 4 iVm §§ 17 Abs 2 lit c Z 3, 37 Abs 2 letzter Satz und 38 Abs 1 letzter Satz FinStrG mit

3.300 (iW: dreitausenddreihundert) EUR (im Uneinbringlichkeitsfall eine Woche Ersatzfreiheitsstrafe) festgesetzt werden. Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Reinhard K***** "des Finanzvergehens" (richtig: der in fünf Angriffen begangenen Finanzvergehen) der vorsätzlichen gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit b, 38 Abs 1 lit a FinStrG schuldig erkannt. Danach hat er, zusammengefasst wiedergegeben, in Deutschland und Großbritannien vorsätzlich gewerbsmäßig den gesondert verfolgten Peter H***** und weitere bisher unbekannte Täter, welche in wiederholten Angriffen vorsätzlich vorschriftswidrig eingangsabgabepflichtige Waren, nämlich insgesamt 21,476.000 Stück (=

107.380 Stangen) Zigaretten der Marken Superkings und Benson Hedges von Ungarn nach Österreich in das Zollgebiet (der Europäischen Gemeinschaft) verbracht und hiedurch die Verkürzung an Eingangsabgaben in der Höhe von 3,637.160,30 EUR bewirkt hatten, nach der Tat dabei unterstützt, um diese Zigaretten, somit Sachen, hinsichtlich welcher ein Schmuggel begangen wurde, zu verheimlichen oder zu verhandeln, indem er nach erfolgter Durchfuhr durch Österreich zu den im Spruch angeführten Zeiten (Pkt 1 - 4 des Urteilstenors) mit einem Lastkraftwagen insgesamt 83.620 Stangen Zigaretten von Deutschland nach Großbritannien zu den bisher unbekannten Käufern führte und (Pkt 5) 23.760 Stangen in Deutschland transportierte, wobei der beabsichtigte Weitertransport nach Großbritannien durch Eingreifen von Einsatzkräften des Zollfahndungsamtes Köln unterbunden wurde.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 38 Abs 1 iVm § 37 Abs 2 FinStrG eine Geldstrafe in der Höhe von 2,180.000 EUR, für den Fall der Uneinbringlichkeit sieben Monate Ersatzfreiheitsstrafe, weiters gemäß § 19 Abs 1 lit a (iVm §§ 17 Abs 2 lit a und 38 Abs 1 letzter Satz) FinStrG eine Wertersatzstrafe in der Höhe von 360.000 EUR, für den Fall der Uneinbringlichkeit einen Monat Ersatzfreiheitsstrafe, sowie gemäß § 19 Abs 1 lit b (iVm §§ 17 Abs 2 lit c Z 3 und 38 Abs 1 letzter Satz) FinStrG eine (weitere) Wertersatzstrafe in der Höhe von 7.500 EUR, für den Fall der Uneinbringlichkeit einen Monat Ersatzfreiheitsstrafe. Gegen den Strafausspruch richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Rechtliche Beurteilung

Zwar ist die Beschwerde, soweit sie in der erschwerenden Wertung der "Tatwiederholung" und des "langen Deliktszeitraumes" im Hinblick auf die Qualifikation der Gewerbsmäßigkeit nach § 38 Abs 1 lit a FinStrG einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot behauptet, nicht im Recht, weil jene Umstände nicht zu den begrifflichen Voraussetzungen der Qualifikation des § 38 Abs 1 lit a FinStrG gehören (vgl 15 Os 61/96 mwN; Dorazil/Harbich FinStrG § 23 E 21). Begründet ist hingegen der Einwand, der Schöffensenat habe zu Unrecht bei Bemessung der Geldstrafe den "hohen Schaden" ausdrücklich als erschwerend gewertet. Denn die Heranziehung dieses Erschwerungsgrundes verstößt gegen das in § 32 Abs 2 StGB (§ 23 Abs 2 FinStrG) normierte Doppelverwertungsverbot (§ 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO), weil im Finanzstrafverfahren die Höhe des Verkürzungsbetrages schon die gesetzliche Strafdrohung bestimmt, sodass sie nicht überdies noch bei Ausmessung der Strafe innerhalb des Strafrahmens (zusätzlich) als erschwerend gewertet werden darf (vgl 13 Os 163/02 mwN; Dorazil/Harbich aaO § 23 E 18 f).

Der Nichtigkeitsbeschwerde war daher stattzugeben, das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hat, im Ausspruch über die Geldstrafe aufzuheben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung die Geldstrafe neu zu bemessen.

Bei der gemäß § 38 Abs 1 FinStrG innerhalb eines bis zum Dreifachen des strafbestimmenden Wertbetrages reichenden Strafrahmens festzusetzenden Geldstrafe waren als erschwerend die Tatwiederholungen, als mildernd hingegen das umfassende und reumütige Geständnis und eine teilweise Schadensgutmachung zu werten. Bei weiterer Berücksichtigung der prekären wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten ist eine Strafe in der Höhe von 1,800.000 EUR tat- und tätergerecht. Die für den Fall der Uneinbringlichkeit zu verbüßende Ersatzfreiheitsstrafe war demgemäß mit sechs Monaten und vierzehn Tagen zu bestimmen.

Soweit sich die Berufung gegen die Höhe der verhängten Geldstrafe richtet, ist der Berufungswerber auf diese Neubemessung zu verweisen. Im Übrigen kommt der Berufung, die auf ein Absehen von der Verhängung von Wertersatzstrafen abzielt, in dem im Folgenden aufgezeigten Umfang (teilweise) Berechtigung zu:

Das Schöffengericht setzte anstelle des nach dem Gesetz grundsätzlich vorgesehenen, aber unvollziehbaren Verfalls von 83.620 Stangen Zigaretten der Marke Superkings im Gesamtwert von 2,780.840,53 EUR "gemäß § 19 Abs 1 lit a FinstrG iVm § 17 Abs 2 lit a und § 38 Abs 1 letzter Satz FinStrG unter Bedachtnahme auf § 19 Abs 4 FinStrG" eine Wertersatzstrafe von 360.000 EUR, für den Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von einem Monat, und anstelle des Verfalls der Sattelzugfahrzeuge und des Sattelanhängers im Gesamtwert von

57.500 EUR "gemäß § 19 Abs 1 lit b iVm § 17 Abs 2 lit c Z 3 und § 38 Abs 1 letzter Satz FinStrG unter Bedachtnahme auf § 19 Abs 4 FinStrG" eine Wertersatzstrafe von 7.500 EUR, für den Fall deren Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von ebenfalls einem Monat, fest.

Nach der für das Finanzvergehen der Abgabenhehlerei maßgeblichen Strafnorm des § 37 FinStrG ist (auch) auf Verfall nach Maßgabe des § 17 FinStrG zu erkennen (§ 37 Abs 2 letzter Satz FinStrG), welchem jene Sachen unterliegen, hinsichtlich deren das Finanzvergehen begangen wurde (§ 17 Abs 2 lit a FinStrG). Weil jene 83.620 Stangen Zigaretten, die bereits verbracht worden waren, damit jedoch nicht sichergestellt und dem Verfall nicht unterworfen werden konnten, wandte das Erstgericht zutreffend die für diesen Fall heranzuziehende Bestimmung des § 19 Abs 1 lit a FinStrG an und erkannte statt auf Verfall auf die Strafe des Wertersatzes.

Gemäß § 19 Abs 3 FinStrG hat deren Höhe zunächst dem gemeinen Wert zu entsprechen, welche die dem Verfall unterliegenden Gegenstände im Zeitpunkt der Tatbegehung hatten, vorliegend somit dem Betrag von 2,780.840,53 EUR (US 11).

Nach § 19 Abs 4 FinStrG ist der solcherart feststehende Wertersatz allen Personen, die als Täter (iSd § 11 FinStrG) oder Hehler an der Tat beteiligt waren, anteilsmäßig aufzuerlegen. In diesem Fall sind bei der Bestimmung des den Einzelnen treffenden Anteiles die Grundsätze der Strafbemessung (§ 23 FinStrG) anzuwenden (§ 19 Abs 6 FinStrG).

Nur dann, wenn der Wertersatz (Abs 3) oder der Wertersatzanteil (Abs 4) zur Bedeutung der Tat oder zu dem den Täter treffenden Vorwurf außer Verhältnis stünde, ist von seiner Auferlegung ganz oder teilweise abzusehen (§ 19 Abs 5 FinStrG).

Bei Mehrtätern (einschließlich Hehlern) wie hier ist somit zunächst - unter Einbeziehung der Strafbemessungsgrundsätze - der auf den Angeklagten entfallende Wertersatzanteil zu bestimmen und sodann - erneut unter Bedachtnahme auf die Grundsätze der Strafbemessung (arg: "... den Täter treffenden Vorwurf" in Abs 5) - zu prüfen, ob und bejahendenfalls in welchem Ausmaß die Missverhältnisregel anzuwenden ist.

Bei Aufteilung des Wertersatzes ist nur auf bekannte Tatbeteiligte Rücksicht zu nehmen, sofern damit gerechnet werden kann, dass sie in absehbarer Zeit in Österreich vor Gericht gestellt und zum Wertersatz verurteilt werden können. Damit kann die spekulative Annahme des Berufungswerbers von zumindest 30, angesichts der sich über mehrere Länder erstreckenden Tatbegehung ersichtlich auch im Ausland wohnhaften Tatbeteiligten nicht zielführend sein. Zu berücksichtigen ist hingegen, dass nach Mitteilung des Vertreters des Hauptzollamtes wegen der verfahrensaktuellen Taten gegen 17 Personen gesonderte Strafverfahren anhängig, wenn auch noch nicht abgeschlossen sind, sodass von dem dadurch abgesteckten Täterkreis auszugehen ist. Unter Heranziehung der Strafbemessungsgrundsätze der §§ 32 ff StGB (§ 23 Abs 2 FinStrG) sind nicht nur die oben angeführten mildernden Umstände, sondern auch der an der Höhe des strafbestimmenden Wertbetrages (von 3,637.160,30 EUR) orientierte (erhebliche) Tatunwert und der vorliegend ebenfalls keinesfalls gering zu wertende, durch die wissentliche, absichtliche und gewerbsmäßige Begehungsweise besonders akzentuierte Handlungsunwert zu berücksichtigen, wobei der Berufungsansicht zuwider dem Angeklagten keinesfalls eine bloß untergeordnete, sondern im Gegenteil eine für die tatplangemäße Durchführung des Schmuggels wesentliche Rolle zugekommen ist. Unter Abwägung dieser Umstände ist auch mit Rücksicht darauf, dass den Nutzen aus den strafbaren Handlungen in erster Linie andere Tatbeteiligte gezogen haben, ein Wertersatzanteil von rund 1/17tel des Wertes der Konterbande angemessen.

Aus den zuletzt angeführten Gründen kann auch keine Rede davon sein, dass dieser Anteil zur Bedeutung der Tat oder zu dem den Berufungswerber treffenden Vorwurf außer Verhältnis stehen würde, sodass ein auch nur teilweises Absehen von der Auferlegung der (anteilsmäßigen) Wertersatzstrafe nicht in Betracht kommt. Der gegen die Festsetzung der Wertersatzstrafe für die nicht sichergestellten geschmuggelten Zigaretten erhobenen Berufung war daher (nur) im dargelegten Umfang Folge zu geben, wobei die für den Fall der Uneinbringlichkeit der Wertersatzstrafe zu verbüßende Ersatzfreiheitsstrafe gegenüber dem Ersturteil unverändert mit einem Monat zu bestimmen war.

Gleiches gilt für die anstelle des Verfalls der für die Begehung der Finanzvergehen verwendeten Beförderungsmittel ausgesprochenen Wertersatzstrafe, welche demgemäß ebenfalls mit rund 1/17tel von

57.500 EUR festzusetzen war. Hier hielt allerdings der Oberste Gerichtshof eine Ersatzfreiheitsstrafe von (nur) einer Woche für angemessen, sodass der Berufung auch insoweit ein (teilweiser) Erfolg beschieden war.

Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.

Rechtssätze
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