JudikaturJustiz11Os80/03

11Os80/03 – OGH Entscheidung

Entscheidung
05. August 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. August 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Schwab als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Weber als Schriftführer, in der Strafsache gegen Herbert K***** wegen der Verbrechen der teils vollendeten, teils versuchten Vergewaltigung nach §§ 201 Abs 2, 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über dessen Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 28. Jänner 2003, GZ 12 Hv 206/02m-39, nach Anhörung des Generalprokuraturs in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Herbert K***** wegen des Verbrechens der "teils" vollendeten, "teils versuchten" Vergewaltigung (US 7, vgl Schick in WK2 § 201 Rz 60) nach §§ 201 Abs 2, 15 StGB (I), des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (II), des Vergehens des Missbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (III), des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (IV), des Verbrechens (richtig: der Verbrechen) der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (V) und des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1, Abs 2 StGB (VI) schuldig erkannt. Danach hat er in Klagenfurt

I) Ende Februar/Anfang März 2002 seine Tochter Katrin K***** mit

Gewalt, nämlich dadurch, dass er sie unter Anwendung von Körperkraft gegen eine Duschkabinenwand drückte und deren Hände an den Handgelenken oberhalb des Kopfes festhielt, zur Duldung einer manuellen Penetration deren Scheide genötigt und zur Duldung einer analen digitalen Penetration und eines Analverkehrs zu nötigen versucht;

II) im Jänner 2002 außer den Fällen des § 201 StGB seine Tochter Katrin K***** mit Gewalt, nämlich dadurch, dass er sie auf das Bett warf und sich anschließend mit seinem Körper auf sie legte, zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung, nämlich einer sexualbezogenen Berührung im Brust- und Genitalbereich genötigt;

III) in der Zeit von Jänner bis April 2002 seine minderjährige Tochter, nämlich die am 23. Februar 1986 geborene Katrin K***** durch die zu I) und II) beschriebenen Tathandlungen sowie dadurch, dass er sich Ende März 2002 zu ihr ins Bett legte und sie im Scheiden- und Brustbereich ausgriff, zur Unzucht missbraucht;

IV) Anfang April 2002 seine Tochter Katrin K***** mit einem Schlag gegen den Bauch, durch den diese ein Hämatom im Nabelbereich erlitt, vorsätzlich am Körper verletzt;

V) Christine K***** durch nachangeführte Drohungen mit dem Tode dazu

zu nötigen versucht, sich außergerichtlich mit ihm über die bestehenden Unterhaltsansprüche der Kinder zu einigen, und zwar

a) am 27. September 2002 durch die telephonische Drohung, dass er sie umbringen werde;

b) am 4. Oktober 2002 durch die teils telephonisch, teils persönlich bei einem Treffen gemachten Äußerungen, er werde sie umbringen, ... könne sofort drei "Jugos" ins Haus schicken, die sie "heimdrehen" würden, weil er jetzt in der "Unterwelt" verkehre, ... sie müsse aufpassen, dass nicht eines der Kinder irgendwo liegen werde und dann tot sei;

VI) in der Zeit von Juni 2002 bis 4. Oktober 2002 zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt seine Tochter Katrin K***** durch die Äußerung, dass sie immer auf ihr Kind aufpassen müsse, dass es nicht weg sei, somit mit einer Entführung deren Kindes bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 2, 3, 4, 5 und 5a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht. Unter Bezug auf Z 3 iVm § 152 Abs 1 Z 2 StPO rügt der Rechtsmittelwerber eine unzulängliche Belehrung (§ 152 Abs 5 StPO) der Zeugen Katrin und Gerd K***** im Vorverfahren und behauptet darauf gestützt das Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 252 Abs 1 Z 2a StPO.

Katrin K***** wurde indes bei der ersten gerichtlichen Zeugenvernehmung nach § 152 Abs 1 Z 2 StPO belehrt (S 221) und bekundete ihre Aussagebereitschaft ausdrücklich. Eine Wiederholung dieses Vorganges bei den Folgevernehmungen (ON 23) war mangels Änderung der dafür erheblichen Umstände nicht geboten (14 Os 27, 28/90 = EvBl 1990/139).

Auch Gerd K***** wurde - den Ausführungen der Verteidigung entgegen und anders als im Fall 15 Os 200, 201/96 = EvBl 1997/42 - nichtigkeitsfrei gemäß § 152 Abs 1 Z 2 StPO belehrt (S 299a verso), sagte bewusst - damit unter Verzicht auf sein Entschlagungsrecht - aus und stand den Parteien für Fragen zur Verfügung, sodass keine Verletzung von §§ 152, 252 StPO stattfand.

Das Entschlagungsrecht nach § 152 Abs 1 Z 1 StPO wiederum bezieht sich - der Meinung des Beschwerdeführers zuwider - nicht auf Aussagedelikte (hier: § 297 Abs 1 StGB; vgl Foregger/Fabrizy StPO8 § 152 Rz 5 mwN) weshalb eine entsprechende Belehrung entbehrlich war; die Unterlassung des Vorhaltes von § 153 Abs 1 StPO ist aus Z 3 nicht bekämpfbar (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 193, 366; Foregger/Fabrizy aaO § 153 Rz 4).

Der Sache nach (weil die Urteilsbegründung ansprechend, Foregger/Fabrizy aaO § 258 Rz 2) aus Z 5 kritisiert der Angeklagte die mangelnde Verlesung der Protokolle über die kontradiktorischen Vernehmungen der Zeugen Katrin und Gerd K***** (ON 23, 24). Er verkennt dabei, dass dies wegen des Vorführens der technischen Aufzeichnungen darüber (§ 162a Abs 1 letzter Satz StPO) in der Hauptverhandlung (S 407) überflüssig war.

Zum Aufgreifen der bisher behandelten Themenkreise unter dem Gesichtspunkt der Z 2 fehlt es neben der erforderlichen Nichtigkeit des Vorverfahrensaktes auch an der vom Gesetz geforderten unmittelbaren Verwahrung des Nichtigkeitswerbers gegen die Einführung der in Rede stehenden Beweismittel.

Die Verfahrensrüge (Z 4) greift die Abweisung (S 410) in der Hauptverhandlung gestellter Beweisanträge (S 407 - 409) an, vermag damit allerdings Beeinträchtigungen von Grund- und Verteidigungsrechten des Angeklagten nicht aufzuzeigen. Der Erstellung eines psychologischen Gutachtens mit näher bezeichneten Themen (S 407, 408) hinsichtlich Katrin K***** steht deren unmissverständliche Erklärung (Beilage ./II zum Hauptverhandlungsprotokoll ON 38) entgegen, sich nicht mehr von einem Sachverständigen explorieren lassen zu wollen.

Der Antrag auf Vernehmung der Zeugin Irene (S 263: Regina) N***** zum Beweise für das Nichtvorliegen der zu um Schuldspruchfaktum IV festgestellten Verletzungen ist angesichts der Angaben von Katrin K*****, dieser Mitschülerin seien die blauen Flecken im Bauchbereich aufgefallen (S 263), auf reine Erkundung gerichtet (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 EGr 88).

Die Ausforschung des behandelnden Frauenarztes der Katrin K***** zum Beweise dafür, dass sie bei Schuldspruchfaktum I nicht verletzt wurde, konnte schon deshalb unterbleiben, weil die Tatrichter ausdrücklich im Zweifel eine derartige Verletzung nicht feststellten (US 8, 16).

Weder aus Z 4 noch Z 5a kann der Nichtigkeitswerber die Unterlassung der Vernehmung des Gerd K***** vor dem Schöffengericht prozessordnungsgemäß relevieren, weil er in der Hauptverhandlung keinen darauf abzielenden Antrag stellte und dieser Zeuge im Übrigen deponierte, von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch zu machen (Beilage I zum Hauptverhandlungsprotokoll ON 38).

Angesichts der überaus eingehenden, umfassenden Beweiswürdigung des Erstgerichtes (US 12 bis 24) versagen Mängel- und Tatsachenrüge (Z 5, 5a), da sie sich bloß - im Nichtigkeitsverfahren aber unzulässig und sohin unbeachtlich - auf eine Bekämpfung der tatrichterlichen Lösung der Schuldfrage an sich beschränken und dazu weder formale Begründungsmängel noch erhebliche Bedenken aus den Akten aufzeigen können, wurden doch sämtliche im Rechtsmittel thematisierten Widersprüche von Beweisergebnissen im Ersturteil zureichend behandelt (zum "Telefonterror" US 21 f; zur Zeugin Pederiva US 24). Der Verweis auf "Punkt 2 der Nichtigkeitsberufung" (der die Verfahrensrüge enthält) zum "Themenkomplex Wahrnehmungen durch den mj Gerd K***** hinsichtlich sexueller Handlungen" lässt eine deutliche und bestimmte Bezeichnung des angezogenen Nichtigkeitsgrundes vermissen. Teils wegen der gerade genannten prozessordnungswidrigen Darstellung (§§ 285a Z 2, 285d Abs 1 Z 1 StPO), im Übrigen aber als offenbar unbegründet (§ 285d Abs 1 Z 2 StPO) war die Nichtigkeitsbeschwerde bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen, woraus die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Erledigung der unter einem erhobenen Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.

Rechtssätze
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