JudikaturJustiz11Os76/12d

11Os76/12d – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. August 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. August 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Temper als Schriftführerin, in der Maßnahmenvollzugssache des Dariusz U***** wegen vorläufigen Absehens vom Strafvollzug wegen Aufenthaltsverbots nach § 133a StVG, AZ 23 BE 59/12w des Landesgerichts Krems an der Donau, über die Anträge des Untergebrachten auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a Abs 1 StPO sowie Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens wird zurückgewiesen.

Der Antrag auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Mit Beschluss vom 12. April 2012, GZ 23 BE 59/12w 7, lehnte das Landesgericht Krems an der Donau als Vollzugsgericht den Antrag des nach elektronischem Registerstand aktuell gemäß § 21 Abs 2 StGB angehaltenen Dariusz U***** auf vorläufiges Absehen vom Strafvollzug wegen Aufenthaltsverbots gemäß § 133a StVG ab. Einer dagegen erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Wien mit Beschluss vom 22. Mai 2012, AZ 22 Bs 203/12g, nicht Folge.

Dagegen wendet sich das handschriftliche (schwer lesbare), direkt an den Obersten Gerichtshof gerichtete, als „Antrag gemäß § 363a StPO mit Disziplinaranzeige“ bezeichnete und einen „Antrag auf umfassende VH zur Einreichung eines auf § 363a StPO basierten Antrags auf Erneuerung“ enthaltende Anbringen des Dariusz U*****.

Rechtliche Beurteilung

Die Eingabe ist entgegen der zwingenden gesetzlichen Anordnung des § 363b Abs 2 Z 1 StPO nicht von einem Verteidiger (im Sinne des § 48 Abs 1 Z 4 StPO) unterschrieben, weshalb der Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens ohne meritorische Prüfung zurückzuweisen war.

Zu dem (erkennbar gestellten) Antrag auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers ist von folgenden Erwägungen auszugehen:

Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung ist die Anrufung des Obersten Gerichtshofs mit einem auf § 363a StPO gestützten Antrag auch ohne vorheriges Erkenntnis des EGMR zulässig. Demnach ist die Erneuerung des Strafverfahrens dann möglich, wenn der Oberste Gerichtshof selbst eine Grundrechtsverletzung durch eine Entscheidung oder Verfügung eines untergeordneten Strafgerichts feststellt (vgl RIS Justiz RS0122229).

Dabei handelt es sich aber um einen subsidiären Rechtsbehelf (RIS Justiz RS0122737), weshalb in Bezug auf das Grundrecht auf Freiheit ausschließlich die Bestimmungen des GRBG zur Anwendung gelangen, das insoweit den Rechtszug an den Obersten Gerichtshof abschließend regelt.

Nach § 1 Abs 1 GRBG steht wegen Verletzung des Grundrechts auf persönliche Freiheit durch eine strafgerichtliche Entscheidung oder Verfügung dem Betroffenen nach Erschöpfung des Instanzenzugs Grundrechtsbeschwerde an den Obersten Gerichtshof zu. Dies gilt nach der ausdrücklichen Regelung des § 1 Abs 2 GRBG nicht für die Verhängung und den Vollzug von Freiheitsstrafen und vorbeugenden Maßnahmen wegen gerichtlich strafbarer Handlungen, weshalb in diesen Fällen eine Grundrechtsbeschwerde nach § 1 Abs 2 GRBG ebenso ausgeschlossen ist wie der subsidiäre Erneuerungsantrag (RIS Justiz RS0123350).

Ein solcher stünde dem Einschreiter, der in diesem Zusammenhang soweit nachvollziehbar ausschließlich Verletzungen des Rechts auf Freiheit und Sicherheit (Art 5 MRK) im Rahmen des Maßnahmenvollzugs behauptet, somit bereits aus formellen Gründen nicht offen.

Da Verfahrenshilfe nur für formell beachtliche Erneuerungsanträge, nicht aber für von vornherein (somit offenkundig) aussichtslose und daher ohne meritorische Prüfungsmöglichkeit zurückzuweisende Rechtsbehelfe dieser Art zu gewähren ist (RIS Justiz RS0127077), war der darauf gerichtete Antrag abzuweisen.

Zur Behandlung der „Disziplinaranzeige“ gegen die mit dem Verfahren AZ 22 Bs 203/12g des Oberlandesgerichts Wien befasst gewesenen Richter ist der Oberste Gerichtshof nicht zuständig; sie wurde weitergeleitet.