JudikaturJustiz11Os74/82

11Os74/82 – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. September 1982

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. September 1982

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Krausam als Schriftführer in der Strafsache gegen Josef A wegen des Vergehens des Geldwuchers nach dem § 154 Abs 1 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 2. November 1981, GZ 27 Vr 2.004/80-24, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Tews und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur Generalanwalt Dr. Presslauer zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Geldstrafe gemäß dem § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von 3 (drei) Jahren bedingt nachgesehen. Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 15. Oktober 1946 geborene Josef A in Ansehung eines Faktums des Vergehens des Geldwuchers nach dem § 154 Abs 1 StGB schuldig erkannt, während bezüglich weiterer ihm als Geldwucher angelasteter Fälle ein in Rechtskraft erwachsener Freispruch gemäß § 259 Z 3 StPO erging.

Nach den für den Schuldspruch maßgebenden Feststellungen des Erstgerichtes gewährte der Angeklagte Josef A am 28. März 1978 in Linz dem Josef B ein Darlehen von S 1.000; dabei wurde vereinbart, daß der Geldbetrag samt Zinsen in der Höhe von S 250 schon am 9. April 1978

zurückzuzahlen war. Zur Sicherung des Rückzahlungsanspruches verpfändete Josef B einen Staubsauger im Wert von S 6.000 und einen goldenen Ehering. Josef A wußte, daß der Darlehensnehmer arbeitslos war und sich in einer finanziellen Notlage befand.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte im Schuldspruch mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und der Z 9

lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und im Strafausspruch mit Berufung.

Den erstgenannten Nichtigkeitsgrund erblickt der Beschwerdeführer im Unterbleiben einer Begründung für die Annahme des Erstgerichtes, daß der vom Angeklagten als Pfand entgegengenommene Staubsauger einen Wert von S 6.000

gehabt habe. Im sachlichen Zusammenhang mit diesem Einwand macht er im Rahmen der Rechtsrüge geltend, daß der Wert der Pfandgegenstände nicht in auffallendem Mißverhältnis zur Darlehenshöhe gestanden sei. Im übrigen habe der Angeklagte ein so großes Geschäftsrisiko auf sich genommen, daß auch aus der Höhe der vereinbarten Zinsen ein Mißverhältnis zum Wert der eigenen Leistung nicht abgeleitet werden könne.

Diesem Vorbringen kommt jedoch keine Berechtigung zu, weil der Wert der Pfandgegenstände keine entscheidende Tatsache darstellt, sondern die tatbestandsmäßige Diskrepanz von Leistung und Gegenleistung sich unbeschadet der zweifelhaften Bonität des Darlehensnehmers schon aus der Höhe der vereinbarten Verzinsung ergibt.

Das Vergehen des Geldwuchers nach dem § 154 Abs 1

StGB begeht unter anderem, wer die Zwangslage eines anderen dadurch ausbeutet, daß er sich für die Gewährung eines Darlehens einen Vermögensvorteil versprechen läßt, der im auffallenden Mißverhältnis zum Wert der eigenen Leistung steht. Eine Pfandbestellung durch den Darlehensschuldner sichert die Forderung des Darlehensgebers, stellt aber nicht das Entgelt für die in der Darlehensgewährung gelegene Leistung dar, sodaß in der Hingabe eines Pfandes allein - ohne den Schuldner belastende Nebenabreden (zum Beispiel mit dem im § 1371 ABGB bezeichneten Inhalt) - noch kein Vermögensvorteil im Sinn des § 154 Abs 1 StGB erblickt werden kann. Der Verpfändung einer Sache kommt bei Beurteilung des Geschäftes unter dem Gesichtspunkt des Geldwuchers im Rahmen des Wertvergleiches nur insofern Bedeutung zu, als die Angemessenheit der Gegenleistung für eine Darlehenshingabe auch von allfälligen besonderen Sicherheiten der Rückforderung abhängen kann. Hingegen kann sich allein aus einem Mißverhältnis zwischen der Höhe der Schuld und einem deren Höhe übersteigenden Wert des Pfandes noch kein Wuchertatbestand ergeben, weil eine derartige Sicherung des Gläubigers durch 'überdeckung' der Forderung kein aus der Darlehenshingabe gezogener Gewinn ist. Darum gehen auch die Beschwerdeausführungen, mit denen ein Mißverhältnis zwischen Pfandwert und Darlehenshöhe in Abrede gestellt wird, ins Leere. Für den Geldwucher ist nicht die Relation der Geldleistung zu der für ihre Zurückzahlung eingeräumten Pfandsicherheit, sondern jene zu der dem Gläubiger als Vermögensvorteil zugeflossenen oder versprochenen Gegenleistung entscheidend. Der Angeklagte ließ sich für die Gewährung eines schon nach 12 Tagen zurückzuzahlenden Darlehens von S 1.000 einen Vermögensvorteil in Form eines Geldbetrages von S 250 versprechen, sodaß er für diesen kurzen Zeitraum eine Verzinsung im Ausmaß von 25

%

des Kapitals beanspruchte. Diese ihm zugesagte Gegenleistung übersteigt aber die bei solchen Geschäften im redlichen Verkehr üblichen Aufwendungen (vgl § 2 AusbeutungsV) in einem als besonders kraß ins Auge springenden Ausmaß. Das auffällige Mißverhältnis ergibt sich daher schon aus der Gegenüberstellung der Geldleistung des Angeklagten mit der vom Darlehensnehmer versprochenen Gegenleistung; es könnte durch Berücksichtigung der vom Schuldner zusätzlich eingeräumten Pfandsicherheiten nur noch vertieft werden, doch ist für die Beurteilung der Tat eine nähere Klärung dieses Faktors der wirtschaftlichen Ungleichwertigkeit nicht mehr erforderlich, weil die Zinsenvereinbarung allein schon den Geldwucher begründet.

Der Einwand des Beschwerdeführers, daß er bei der Darlehensgewährung ein hohes Geschäftsrisiko auf sich genommen und aus seiner Tätigkeit als Geldverleiher insgesamt sogar einen Verlust davongetragen habe, weshalb der von ihm angestrebte Gewinn angemessen gewesen sei, ist ebenfalls nicht zielführend.

Bei der Beurteilung, ob Leistung und Gegenleistung in einem auffallendem Mißverhältnis stehen, ist ein objektiver Maßstab anzulegen und grundsätzlich von den wirtschaftlichen Gegebenheiten des konkreten Falles auszugehen, wobei die dem Gläubiger gegebene Sicherheit, das von ihm zu tragende Risiko sowie Dauer und Zweck des Geschäftes maßgebende Bedeutung haben (siehe hiezu Liebscher im WK Rz 14 zu § 154; Leukauf-Steininger, Komm zum StGB2, RN 13 zu § 154). Allerdings gestatten Sinn und Zweck des Wucherverbotes nicht, die (wirtschaftliche Not )Lage des Bewucherten im besonderen zur Begründung der Angemessenheit einer (kraß überhöhten) Gegenleistung heranzuziehen (vgl hiezu auch Gschnitzer in Klang2 IV/1, 206), weil sonst gerade in den sehr schutzwürdigen Fällen beeinträchtigter oder fehlender ökonomischer Leistungsfähigkeit des Schuldners die Strafbestimmung versagen müßte, wenn eine hohe Gefahr mangelnder Einbringlichkeit der Forderung die Annahme eines auffallenden Mißverhältnisses des dem Gläubiger versprochenen Vermögensvorteils zu der von ihm erbrachten Leistung nicht zuließe und damit Personen in extrem schlechter wirtschaftlicher Lage - im Gegensatz zu wirtschaftlich Stärkeren - des strafgesetzlichen Schutzes gegen wucherische Gewinnsucht entbehren würden. Der vom Beschwerdeführer reklamierte Risikocharakter der Darlehenshingabe kann jedoch im vorliegenden Fall schon mit Rücksicht auf die vom Darlehensnehmer gebotenen Sicherheiten (Faustpfand in einem die Darlehenssumme erheblich übersteigenden Wert) bei der rechtlichen Beurteilung unberücksichtigt bleiben. Dies gilt auch für die bei anderen Darlehensgeschäften erlittenen Verluste des Angeklagten, welche der gravierenden überschreitung des im redlichen Geschäftsverkehr üblichen Zinsfußes bei Festsetzung der Darlehenszinsen im speziellen Fall nicht den Charakter eines auffallenden Mißverhältnisses im Sinn des § 154 Abs 1 StGB zu nehmen vermögen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 154 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 37 StGB eine Geldstrafe in der Höhe von 180 Tagessätzen zu je 180 S (für den Fall der Uneinbringlichkeit 90 Tage Ersatzfreiheitsstrafe). Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend nichts, als mildernd das abgelegte Geständnis des Tatsächlichen sowie den Umstand, daß der Angeklagte keine einschlägige Vorstrafe aufweist.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte lediglich die Gewährung

bedingter Strafnachsicht an.

Die Berufung ist berechtigt.

Die vorerwähnten Strafzumessungsgründe bedürfen insoferne einer Korrektur, als der Angeklagte zur Tatzeit noch gerichtlich unbescholten war, weswegen richtigerweise bei der Strafbemessung die Bestimmungen der § 31, 40 StGB (in bezug auf die - vom Erstgericht bloß mit dem Hinweis auf die relative Unbescholtenheit verwertete - Strafverfügung des Bezirksgerichtes Linz vom 25. April 1978, GZ 16 U 408/78-2, mit der wegen des § 83 Abs 1 StGB eine bedingt nachgesehene Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 60 S ausgesprochen wurde) anzuwenden gewesen wären. Dazu kommt, daß es sich um eine einmalige wucherische Tat mit einem absolut sehr geringen erhofften Vermögensvorteil (250 S) handelt, wobei die tatbestandsgemäße Gegenleistung für das vom Angeklagten gewährte Darlehen vom Bewucherten selbst angeboten wurde (S 120 d.A). überdies liegt die Tat schon längere Zeit zurück.

Unter diesen erweiterten Aspekten stehen aber einer Heranziehung des § 43 Abs 1 StGB weder Erwägungen der Spezial- noch (wie das Erstgericht insbesondere meinte) der Generalprävention entgegen. Mithin war insgesamt wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen. Die Kostenentscheidung beruht auf der zitierten Gesetzesstelle.