JudikaturJustiz11Os74/23a

11Os74/23a – OGH Entscheidung

Entscheidung
03. Oktober 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Oktober 2023 durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger als Vorsitzende sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz und Dr. Mann sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Maringer als Schriftführerin in der Strafsache gegen DI * L* und * M* wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 iVm § 161 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten * M* gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 17. April 2023, GZ 12 Hv 49/22b 129, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das sonst unberührt bleibt, im den Angeklagten * M* betreffenden Schuldspruch zu II/A, demzufolge im diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Klagenfurt verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen wird zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe wird der Angeklagte * M* auf die Aufhebung verwiesen.

Das Landesgericht Klagenfurt wird entsprechende Aktenteile dem Oberlandesgericht Graz zur Entscheidung über die Berufung des Genannten gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche zuzumitteln haben.

Dem Angeklagten * M* fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant wurde * M* mit dem angefochtenen Urteil des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1, § 161 Abs 1, § 15 StGB (II/A) und des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB (II/B) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er

II

A) als handelsrechtlicher Geschäftsführer der C* GmbH und damit als deren leitender Angestellter (§ 161 Abs 1 iVm § 74 Abs 3 StGB) eine nicht bestehende Verbindlichkeit der Gesellschaft anerkannt sowie einen Bestandteil ihres Vermögens beiseite geschafft, indem er von ihm auf g rund einer persönlichen Haftung gegenüber der K* AG für – aus der Zeit vor der mit Beschluss vom 14. Mai 2014 erfolgten Bestätigung des Sanierungsplans im Insolvenzverfahren AZ 41 S 28/14m des Landesgerichts Klagenfurt herrührender – Kreditverbindlichkeiten der C* GmbH geleistete Zahlungen als Regressverbindlichkeiten verbuchen ließ (1 und 2) sowie in der Folge darauf gestützt Geldbeträge aus dem Unternehmensvermögen entnahm (3 und 4), und zwar

1) per 31. Dezember 2015 20.162,08 Euro;

2) per 30. September 2016 5.156,34 Euro;

3) im Zeitraum von Oktober bis Dezember 2016 2.000 Euro;

4) im Zeitraum von Jänner bis Dezember 2017 1.000 Euro;

wobei er dadurch die Befriedigung wenigstens eines ihrer Gläubiger im Insolvenzverfahren AZ 41 S 26/19z des Landesgerichts Klagenfurt um 3.000 Euro schmälerte und um weitere 22.318,42 Euro zu schmälern versuchte;

B) im Zeitraum von 1. Oktober 2018 bis 27. März 2019 mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Verfügungsberechtigte der im Urteil genannten Vertragspartner der C* GmbH durch Täuschung über deren Zahlungsfähigkeit zur Lieferung von Waren sowie zur Erbringung von Dienstleistungen und damit zu Handlungen verleitet, die diese in einem Betrag von insgesamt 72.481,69 Euro am Vermögen schädigten.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * M*.

[4] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) reklamiert zum Schuldspruch zu II/A zu Recht das Fehlen von Feststellungen zur Schädigung wenigstens eines Gläubigers in Bezug auf eine im Tatzeitpunkt schon vorhandene Forderung.

[5] Betrügerische Krida nach § 156 Abs 1 StGB begeht, wer – durch demonstrativ aufgezählte Tathandlungen oder sonst (vgl RIS Justiz RS0094886; Kirchbacher in WK 2 StGB § 156 Rz 6) – sein Vermögen wirklich oder zum Schein verringert und dadurch die Befriedigung eines seiner Gläubiger vereitelt oder schmälert.

[6] Geschützt ist das Gläubigerinteresse an der Befriedigung von im Tatzeitpunkt bereits bestehenden Forderungen. Ein Schuldspruch wegen des Verbrechens der (vollendeten) betrügerischen Krida erfordert demnach Konstatierungen dazu, dass (vom Vorsatz umfasst) die Befriedigung zumindest eines der (mehreren) im Tatzeitpunkt bereits vorhandenen Gläubiger vereitelt oder geschmälert wurde (RIS Justiz RS0133786). Soweit es trotz Gelingens einer Vermögensverringerung nicht zur Gläubigerschädigung kommt, kann strafbarer Versuch vorliegen (RIS Justiz RS0115184 [T1, T5 und T8]).

[7] Fallbezogen konstatierte das Erstgericht bloß, dass die C* GmbH in der Zeit von 31. Dezember 2014 bis 27. März 2019 durchgehend Verbindlichkeiten gegenüber zumindest zwei Gläubigern hatte (US 11) und der Angeklagte das Vermögen der Schuldnerin verringerte (US 12).

[8] Feststellungen zu einem Befriedigungsausfall traf das Gericht nicht. Die insoweit getroffenen Konstatierungen zur subjektiven Tatseite, wonach der Angeklagte es ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, dass eine Schädigung zumindest eines Gläubigers der C* GmbH eintreten werde (US 12), erschöpfen sich in einem substanzlosen Gebrauch der verba legalia und bleiben solcherart ohne Sachverhaltsbezug (RIS Justiz RS0119090). Ihnen lässt sich – auch mit Blick auf die Konstatierungen, wonach die Gesellschaft über einen mehrjährigen Zeitraum Schuldnerin mehrerer (allerdings) nicht (durch Feststellungen) konkretisierter Gläubiger war (US 11) – vor allem nicht entnehmen, dass der Schädigungsvorsatz des Angeklagten gerade auf den Ausfall von zu den jeweiligen Tatzeitpunkten bestehenden Gläubigerforderungen gerichtet gewesen wäre (vgl Kirchbacher in WK 2 StGB § 156 Rz 21).

[9] Die Urteilskonstatierungen tragen einen Schuldspruch nach § 156 Abs 1, § 161 Abs 1, § 15 StGB (II/A) demnach nicht.

[10] Der aufgezeigte Rechtsfehler mangels Feststellungen (Z 9 lit a) erfordert – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – die Aufhebung des Schuldspruchs zu II/A sowie des den Angeklagten M* betreffenden Strafausspruchs und die Rückverweisung der Sache in diesem Umfang an das Landesgericht Klagenfurt bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO).

[11] Mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe ist der genannte Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

[12] Ei n Eingehen auf das weitere gegen den Schuldspruch zu II/A gerichtete Beschwerdevorbringen erübrigt sich.

[13] Zum Schuldspruch zu II/B behauptet die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall), das Erstgericht stütze die Urteilsannahmen zum Wissen (auch) des Beschwerdeführers von der Zahlungsunfähigkeit der C* GmbH (jedenfalls) ab 30. September 2018 im Wesentlichen auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. K*, der allerdings bloß von einer Erkennbarkeit der Zahlungsunfähigkeit „für die Geschäftsführung“ spreche (ON 25 S 205).

[14] Sie übergeht, dass das Gericht nicht bloß pauschal auf das Gutachten verwies, sondern seine Konstatierungen mit der „rechnerischen Überschuldung der C* in der Bilanz 2017“ (und demzufolge zu einer Zeit, als der Angeklagte Geschäftsführer dieser Gesellschaft war –US 9 f), dem Nichtvorliegen einer aussagekräftigen Fortbestehensprognose (bereits zu dieser Zeit – ON 25 S 200 f), der massiven Ausweitung der Geschäftstätigkeit im Jahr 2018, dem damit verbundenen erhöhten Vorfinanzierungsbedarf, dem Anwachsen der Bankverbindlichkeiten, der – im Übrigen auch dem Angeklagten bekannten – Häufung an „von öffentlichen Kassen“ eingebrachten Exekutionsanträgen ab August 2018 und der Verantwortung des Angeklagten, wonach er „zum 30. September 2018 vermutete […], dass sich das Ganze möglicherweise nicht mehr ausgehen kann“, begründete (US 20, 26 f; ON 38 S 19 ff). Solcherart orientiert sich die Rüge nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe und verfehlt damit die Ausrichtung am Verfahrensrecht (RIS Justiz RS0119370; Ratz , WK StPO § 281 Rz 394).

[15] Mit den Behauptungen, die buchhalterischen Agenden der C* GmbH seien ab Sommer 2018 „vollinhaltlich in der Hand des Erstangeklagten“ gelegen, er selbst habe auf die Zahlung der Rechnungen keinen Einfluss mehr gehabt und es würde „an Feststellungen dahingehend“ mangeln, dass der Beschwerdeführer „im Sinne seiner Aussage auch nicht darüber entscheiden konnte, auf welches Konto die seinerseits eingeforderten Zahlungen bei 'seinen Baustellen' zu leisten waren“, bekämpft der Beschwerdeführer bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung (US 27, 31) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.

[16] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in diesem Umfang – ebenfalls in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[17] Der Zuspruch an die Privatbeteiligte M* GmbH blieb von der Aufhebung unberührt, sodass das Landesgericht Klagenfurt die erforderlichen Aktenbestandteile dem Oberlandesgericht zur Entscheidung über die dagegen gerichtete Berufung des Angeklagten M* (§ 285i StPO) zu übermitteln haben wird (§ 9 StPO).

[18] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.