JudikaturJustiz11Os69/91

11Os69/91 – OGH Entscheidung

Entscheidung
02. Juli 1991

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 2.Juli 1991 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Felzmann, Dr. Kuch und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Zacek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Anna F***** wegen des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 2 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Beschwerdegericht vom 29.Jänner 1991, AZ 11 Bl 126/90, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Strasser, jedoch in Abwesenheit des Beschuldigten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschluß des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Beschwerdegericht vom 29.Jänner 1991, AZ 11 Bl 126/90, mit dem die Beschwerde der Subsidiaranklägerin Claudia H***** gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Krems an der Donau vom 19. November 1990, GZ 3 U 271/90-3, als unzulässig zurückgewiesen wurde, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 481 StPO.

Text

Gründe:

Nach dem Inhalt der Anzeige des Gendarmeriepostens Krems/Stadt vom 4.September 1990 ist Anna F***** verdächtig, am 30.Juli 1990 in Krems mit Claudia H***** als Folge einer Rauferei zwischen mitgeführten Hunden in eine tätliche Auseinandersetzung geraten zu sein und hiebei ihre Gegnerin durch Schläge an der linken Ohrmuschel und am linken Oberarm leicht verletzt zu haben. Der Bezirksanwalt beim Bezirksgericht Krems an der Donau legte die Anzeige am 13.September 1990 aus dem Grund des § 42 StGB gemäß dem § 90 Abs. 1 (§ 447) StPO zurück. Mit Schriftsatz vom 10. Oktober 1990 beantragte Claudia H***** durch ihren Rechtsvertreter unter der gleichzeitigen Erklärung, sich dem Strafverfahren gegen Anna F***** als Privatbeteiligte anzuschließen, beim Bezirksgericht Krems an der Donau gemäß dem § 449 StPO die Bestrafung der Anna F***** wegen des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 2 StGB. Das Bezirksgericht stellte daraufhin mit Beschluß vom 19.November 1990, GZ 3 U 271/90-3, das Verfahren gemäß dem § 451 Abs. 2 StPO ein, weil seiner Meinung nach die Voraussetzungen mangelnder Strafwürdigkeit (§ 42 StGB) vorlagen. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Kreisgericht Krems an der Donau als Beschwerdegericht mit Beschluß vom 29.Jänner 1991,

AZ 11 Bl 126/90 (ON 6 des Strafaktes), im wesentlichen mit der Begründung als unzulässig zurück, daß dem Subsidiarankläger gemäß dem § 49 Abs. 2 Z 2 StPO, wonach ihm gegen Beschlüsse der Ratskammer außer der Beschwerde gegen die Einstellung der Voruntersuchung kein Rechtsmittel offensteht, im bezirksgerichtlichen Verfahren gegen einen Einstellungsbeschluß nach dem § 451 Abs. 2 StPO keine Rechtsmittelbefugnis zukomme, weil es eine Voruntersuchung nicht gebe (§ 451 Abs. 1 StPO).

Rechtliche Beurteilung

Der Generalprokuratur, die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach dem § 33 Abs. 2 StPO erhob, ist zuzustimmen, wenn sie in der geschilderten Vorgangsweise des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Beschwerdegericht eine Gesetzesverletzung erblickt.

Ausgangspunkt der Überlegungen muß sein, daß gemäß der ausdrücklichen Bestimmung des § 481 StPO gegen die Entscheidungen des Bezirksgerichtes, sofern sie der Berufung nicht unterliegen, den Beteiligten das Rechtsmittel der Beschwerde an den übergeordneten Gerichtshof erster Instanz zukommt. Daraus erhellt zunächst, daß im bezirksgerichtlichen Verfahren im Gegensatz zum Gerichtshofverfahren, in dem Beschwerden nur dort zulässig sind, wo sie das Gesetz ausdrücklich einräumt (SSt 50/60), allen am Strafverfahren Beteiligten, zu denen auch der Privatbeteiligte als Subsidiarankläger zählt, die Beschwerde zusteht, solange sie nicht im Gesetz ausdrücklich ausgeschlossen ist. Die Rechtsprechung ließ daher auch keinen Zweifel aufkommen, daß Einstellungsbeschlüsse nach dem § 451 Abs. 2 StPO, sollen sie nicht in Rechtskraft erwachsen, nur im Wege einer Anfechtung durch Beschwerde abänderbar sind (SSt 54/57).

Das Beschwerdegericht beruft sich allerdings darauf, daß auf Grund der im § 447 Abs. 1 StPO angeordneten subsidiären Geltung der Vorschriften für das Gerichtshofverfahren sich aus § 49 Abs. 2 Z 2 StPO der Rechtsmittelausschluß für den Subsidarankläger ergebe.

Dieser Rechtsansicht vermag sich der Oberste Gerichtshof im Ergebnis im Einklang mit den Ausführungen der Generalprokuratur nicht anzuschließen:

§ 447 Abs. 1 StPO verweist grundsätzlich auf die im XXVI. Hauptstück getroffenen (Sonder )Vorschriften für das Verfahren vor den Bezirksgerichten und ordnet nur für all jene Punkte, worüber in diesem Hauptstück "keine besondere Vorschrift erteilt ist", die subsidiäre Anwendung der Bestimmungen an, die für das Verfahren vor dem Gerichtshof erster Instanz gelten. Gerade für das bezirksgerichtliche Adhäsionsverfahren wird aber - abweichend von den Regelungen des § 48 StPO - im § 449 StPO dem Privatbeteiligten das Recht zugestanden, durch eine formfreie Antragstellung die Strafverfolgung des Beschuldigten in Gang zu setzen, wenn es dort heißt: "Verweigert der zu den Verrichtungen der Staatsanwaltschaft berufene Beamte die Verfolgung, so kann der Privatbeteiligte den Antrag auf gesetzliche Bestrafung stellen (§§ 451 und 457)." Durch das Klammerzitat des gesamten § 451 StPO (ohne Anführung eines Absatzes) ist klargestellt, daß auch in diesem Fall dem Bezirksgericht bei Vorliegen der Voraussetzungen die Einstellung des Verfahrens gemäß dem § 451 Abs. 2 StPO offensteht. Dieser Beschluß kann aber - wie dargestellt - auf Grund der ebenfalls für das bezirksgerichtliche Verfahren im § 481 StPO erlassenen Sondervorschrift von allen Beteiligten, und damit auch von dem als Subsidiarankläger auftretenden Privatbeteiligten mit Beschwerde angefochten werden (vgl auch Foregger-Serini4 Anm II/4 zu § 47 StPO).

Es bleibt sohin bei wortgetreuer (und auch teleologischer) Interpretation dieser für das bezirksgerichtliche Verfahren geltenden Sondervorschriften für eine subsidiäre analoge Anwendung der speziell auf das Vorverfahren vor dem Gerichtshof erster Instanz abstellenden, die Rechtsmittelbefugnis des Subsidiaranklägers einschränkenden Vorschrift des § 49 Abs. 2 Z 2 StPO kein Raum.

Das Beschwerdegericht hätte somit die eingangs erwähnte Beschwerde sachlich erledigen müssen.

Es war daher der von der Generalprokuratur erhobenen Beschwerde nach dem § 33 Abs. 2 StPO spruchgemäß stattzugeben.

Eine Maßnahme nach dem § 292 letzter Satz StPO kam allerdings zum Nachteil der Beschuldigten nicht mehr in Frage.

Rechtssätze
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