JudikaturJustiz11Os5/07f

11Os5/07f – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. März 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. März 2007 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Danek, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. T. Solé als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Hinterleitner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Dr. Peter K***** wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Privatbeteiligten Evelyn E***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 8. Februar 2006, GZ 22 Hv 212/05h-109, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Aicher, des Angeklagten Dr. Peter K***** und seines Verteidigers Dr. Orgler, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung des Angeklagten wird dahin Folge gegeben, dass die Freiheitsstrafe auf dreieinhalb Jahre herabgesetzt wird. Die Berufung der Privatbeteiligten Evelyn E***** wird zurückgewiesen. Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Teilfreispruch enthält, wurde Dr. Peter K***** des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt. Danach hat er in Innsbruck als Geschäftsführer der T***** Immobilienverwaltungs- und Vermittlungs GesmbH eine ihm durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen, nämlich über von Mietern erlegte Kautionen und Rücklagen im einzelnen angeführter Wohnungseigentümergemeinschaften zu verfügen, wissentlich dadurch missbraucht, dass er von nachangeführten Kautions- und Rücklagenkonten verschiedener Wohnungseigentümergemeinschaften Gelder behoben sowie Überweisungen und Zahlungen getätigt, diese somit widmungswidrig verwendet und hiedurch einen 50.000 Euro übersteigenden Schaden herbeigeführt hat, und zwar

I./ im Zeitraum von Jänner 2002 bis Mai 2004 durch Barentnahmen vom Kautionskonto Nr ***** lautend auf „Kautionssparbuch" bei der B*****, wobei der Schaden zumindest 120.000 Euro beträgt;

II./ in der Zeit vom 21. November 2002 bis zum 15. Juni 2004 in vielfachen Zugriffen durch Behebungen und Überweisungen von im Einzelnen angeführten Rücklagenkonten von 45 Wohnungseigentümergemeinschaften insgesamt 787.200,94 Euro.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die - undifferenziert das Vorliegen der Nichtigkeitsgründe nach § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a und 10 StPO behauptende - Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie schlägt fehl.

Mit dem Vorbringen (der Sache nach Z 5 zweiter Fall), die Negativfeststellungen zum Bestehen von Gegenforderungen seien „nicht nachvollziehbar", es hätten Forderungen aus Hausverwalterhonoraren bestanden, diesbezüglich habe sich das Erstgericht nicht mit den Ausführungen des Angeklagten auseinandergesetzt, vermag die Beschwerde keine Unvollständigkeit darzutun, vernachlässigt sie doch die - sehr wohl auf diese Verantwortung eingehenden - beweiswürdigenden Erwägungen der Tatrichter (US 19f). Soweit die Nichtigkeitsbeschwerde zu I. (der Sache nach Z 9 lit a) pauschal behauptet, Kautionen seien als unregelmäßiges Pfand nicht „Fremdgeld", auf einem „Eigenkonto der T***** erliegende Kautionen" könnten daher nicht Gegenstand einer Untreue oder Veruntreuung sein, übersieht sie, dass die Kautionen nach den Urteilsfeststellungen erster Instanz auf einem separaten „Kautionskonto" mit dem Wortlaut „Kautionssparbuch" angelegt waren (US 16 iVm 3), somit keine Vermengung (§ 371 ABGB) mit Geldern der T***** GmbH sondern eine solche mit gleichartigen Pfandsachen verschiedener Pfandeigentümer stattgefunden hat (zum sog Quantitätseigentum s Koch in KBB § 447 Rz 3).

Zur Abrundung wird dazu auch auf den von herrschender Lehre und ständiger Rechtsprechung seit langem vertretenen Standpunkt verwiesen, dass es auch bei Beantwortung der Frage, ob jemand im Sinne des § 153 Abs 1 StGB über fremdes Vermögen disponiert, nicht auf den sachenrechtlichen, sondern (gemäß der dem österreichischen Vermögensstrafrecht seit jeher immanenten wirtschaftlichen Betrachtungsweise) auf den wirtschaftlichen Vermögensbegriff ankommt (vgl Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 146 Rz 62; Leukauf/Steininger Komm3 § 153 RN 10; Kienapfel/Schmoller StudB BT II § 146 Rz 117 ff; Liebscher in WK1 § 153 Rz 13; RIS-Justiz RS0094171; 15 Os 195/96). Demnach stellt selbst eine Geldkaution, die infolge Vermengung mit dem Vermögen des Pfandgläubigers zivilrechtlich in dessen Eigentum übergeht, in strafrechtlicher Sicht ein diesem fremdes Vermögen iSd § 153 StGB dar.

Indem die Rechtsrüge einen absolut untauglichen Versuch reklamiert, geht sie prozessordnungswidrig nicht vom - wegen vollendeter Untreue erfolgten - Schuldspruch des Schöffengerichts aus.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) zu I. behauptet unter Berufung auf 12 Os 115/78, die Verwaltung von Kautionen einschließlich deren zinsbringender Anlegung und Ausfolgung bei Beendigung des Mietverhältnisses unter Abzug ausständiger Betriebskosten, nicht bezahlter Mietzinse und anderer Forderungen gegenüber den Mietern (US 15) begründe Veruntreuung nach § 133 StGB, nicht aber Untreue nach § 153 StGB.

Während der zitierten Entscheidung die beschränkte Dispositionsmöglichkeit eines Inkassomandatars zu Grunde lag, stellt dem zuwider die Befugnis zur Verwaltung von Kautionen „ausschließlich im Rahmen der jeweils abgeschlossenen Mietverhältnisse" (US 16), verbunden mit der Verpflichtung, die Kautionen zinsbringend anzulegen (was durch Anlage auf Sparbüchern und in der Folge auf einem eigenen Kautionskonto bei der B***** geschah - US 16), nach Beendigung des jeweiligen Mietverhältnisses alle noch offenen Forderungen gegenüber dem jeweiligen Mieter von der Kaution in Abzug zu bringen und jenem den Rest wieder auszufolgen (US 15), sehr wohl eine rechtliche Verfügungsmacht über fremdes Vermögen iSd § 153 StGB dar, die auch mit einem - von der neueren Lehre entgegen der bisherigen Rechtsprechung gar nicht als erforderlich angesehenen - (beschränkten) Machthaberermessen verbunden ist (vgl Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 153 Rz 19 ff mwN).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem zweiten Strafsatz des § 153 Abs 2 StGB eine Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren. Es wertete dabei die 18-fache Überschreitung der Wertgrenze, den langen Tatzeitraum, die Tatwiederholung und die große Anzahl der Geschädigten als erschwerend, als mildernd hingegen die Unbescholtenheit und das Geständnis.

Dagegen richtet sich die Berufung des Angeklagten. Dieser kommt soweit Berechtigung zu, als Unrechtsgehalt der Taten und Täterschuld unter Berücksichtigung der - von den Tatrichtern zwar zutreffend dargestellten, aber aus Sicht des Obersten Gerichtshofes zu sehr zu Lasten des Angeklagten gewichteten - Erschwerungs- und Milderungsgründe und der zusätzlich mildernd wirkenden (§ 34 Abs 2 StGB) unverhältnismäßig langen Dauer der Ausfertigung des Ersturteils (mehr als fünf Monate bis zur Zustellung an den Verteidiger; RIS-Justiz RS0120138) eine Strafreduktion auf dreieinhalb Jahre rechtfertigen.

Die Berufung der Privatbeteiligten Evelyn E***** war zurückzuweisen, weil sie nicht innerhalb von drei Tagen nach Urteilsverkündung angemeldet worden ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.