JudikaturJustiz11Os47/21b

11Os47/21b – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. Juni 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Juni 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oberressl als weitere Richter in der Strafsache gegen Bernhard W***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen, AZ 121 Hv 9/18g des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über den Antrag des Verurteilten auf Erneuerung des Verfahrens nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019) den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

[1] Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 8. Mai 2019, GZ 121 Hv 9/18g 877, wurde Bernhard W***** jeweils eines Verbrechens de s gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB, der Untreue nach § 153 Abs 1, Abs 3 zweiter Fall StGB sowie der betrügerischen Krida nach §§ 156 Abs 1, 161 Abs 1 StGB schuldig erkann t und hiefür (in Anwendung des § 28 StGB) nach § 147 Abs 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt.

Rechtliche Beurteilung

[2] Dagegen erhob der Genannte Nichtigkeitsbeschwerde sowie Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe. Erstere wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 16. September 2020, AZ 15 Os 40/20a, zurückgewiesen. Letzterem Rechtsmittel gab das Oberlandesgericht Wien mit Urteil vom 5. Februar 2021, AZ 21 Bs 307/20f, nicht Folge.

[3] Mit dem auf die genannten Entscheidungen bezogenen Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens wendet der Verurteilte Verletzungen des Art 6 Abs 1 MRK und des Art 4 des 7. ZPMRK ein.

[4] Für einen – wie hier – nicht auf ein Urteil des EGMR gestützten Erneuerungsantrag (RIS Justiz RS0122228) gelten die gegenüber jenem Gerichtshof normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und Art 35 MRK sinngemäß (RIS Justiz RS0122737, RS0128394).

[5] Hiervon ausgehend ist ein solcher Antrag in Strafsachen, in denen der Oberste Gerichtshof zur Entscheidung in zweiter Instanz berufen war, insoweit schon deshalb unzulässig (vgl RIS Justiz RS0122737 [T23, T37, T39]; 13 Os 75/15a):

[6] Denn entweder stimmt der Antrag „im Wesentlichen“ mit einer schon zuvor vom Obersten Gerichtshof geprüften „Beschwerde“ überein (Art 35 Abs 2 lit b erster Fall MRK) oder der Instanzenzug wurde – horizontal oder vertikal (RIS Justiz RS0122737 [T13]) – nicht ausgeschöpft (Art 35 Abs 1 MRK).

[7] Soweit der Antrag (mit Bezug auf den Beschluss des Obersten Gerichtshofs) erstmals einen – nicht schon in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Verfahrensvorschriften im Instanzenzug geltend gemachten – Verstoß gegen das Verbot der doppelten Strafverfolgung (Art 4 Abs 1 des 7. ZPMRK) behauptet, weil die vom Schuldspruch umfassten „Vorfälle“ in einem vorangegangenen Verwaltungsstrafverfahren „abgehandelt“ worden seien, steht ihm die horizontale Nichterschöpfung des Rechtswegs entgegen.

[8] Die Sanktionsfrage betreffende Umstände, die nicht Gegenstand einer Sanktionsrüge (§ 281 Abs 1 Z 11 StPO) sind, sondern in den Bereich der Berufung fallen, können mit dem innerstaatlich subsidiären Rechtsbehelf eines Erneuerungsantrags ohne vorherige Anrufung des EGMR nicht geltend gemacht werden (RIS Justiz RS0125371, eingehend 11 Os 106/09m, 108/09f; jüngst 11 Os 78/20k EvBl LS 2021/44).

[9] Genau dies trifft auf den (mit Bezug auf das Berufungsurteil des Oberlandesgerichts erhobenen) Einwand zu, Art 6 Abs 1 MRK sei verletzt, weil weder „die überlange Verfahrensdauer als Strafmilderungsgrund herangezogen“ noch „das lange Zurückliegen der Tat“ „ausreichend in der Strafbemessung berücksichtigt“ worden sei.

[10] Dass ausdrückliche Anerkennung eines – bei unverhältnismäßig langer Verfahrensdauer (§ 34 Abs 2 StGB) nicht eo ipso zu bejahenden (RIS Justiz RS0132858) – Konventionsverstoßes und dessen Ausgleich durch messbare Strafreduktion (RIS-Justiz RS0114926 [T3]) zu Unrecht unterblieben wären, wird übrigens nicht ausdrücklich behauptet. Ebenso wenig, dass – wie zur horizontalen Rechtswegerschöpfung erforderlich – entsprechendes Rechtsmittelvorbringen erstattet worden wäre (dazu im gegebenen Zusammenhang 14 Os 12/12i und Ratz , WK StPO § 281 Rz 724).

[11] Soweit sich das Vorbringen (explizit auch) auf das erstinstanzliche Urteil bezieht, verfehlt der Antrag zufolge Notwendigkeit vertikaler Erschöpfung des Rechtswegs den Anfechtungsgegenstand.

[12] Der Antrag war daher schon nach nichtöffentlicher Beratung als unzulässig zurückzuweisen (§ 363b Abs 1, Abs 2 StPO).

Rechtssätze
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