JudikaturJustiz11Os39/21a

11Os39/21a – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Mai 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Mai 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Pentz als Schriftführer in der Strafvollzugssache des Mario H***** wegen bedingter Entlassung aus einer Freiheitsstrafe, AZ 13 BE 276/20i des Landesgerichts für Strafsachen Graz, über die von der Generalprokuratur gegen Vorgänge erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Oberstaatsanwältin Mag. Ramusch LL.M., und des Verurteilten zu Recht erkannt:

Spruch

Im Verfahren AZ 13 BE 276/20i des Landesgerichts für Strafsachen Graz verletzen

1. die Vorlage der Akten an das Rechtsmittelgericht vor Ablauf der zur Ausführung der gegen den Beschluss vom 3. Dezember 2020 (ON 7 der BE-Akten) angemeldeten Beschwerde offenstehenden Frist und ohne Angabe der zur Beurteilung der Rechtzeitigkeit notwendigen Umstände § 179 Abs 1, Abs 2 Geo,

2. die Beschlussfassung durch das Oberlandesgericht Graz am 17. Dezember 2020 zum AZ 8 Bs 430/20a (ON 10 der BE-Akten) vor Ablauf der Frist zur Ausführung der vom Strafgefangenen gegen die Ablehnung seiner bedingten Entlassung angemeldeten Beschwerde § 152a Abs 3 zweiter Satz StVG, § 7 Abs 1 StPO.

Dieser Beschluss wird aufgehoben und dem Oberlandesgericht Graz aufgetragen, neuerlich über die Beschwerde des Mario H***** gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 3. Dezember 2020, GZ 13 BE 276/20i 7, zu entscheiden.

Text

Gründe:

[1] Mit mündlich verkündetem Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 3. Dezember 2020, GZ 13 BE 276/20i 7, wurde der Antrag des Mario H***** auf bedingte Entlassung gemäß § 46 (Abs 2) StGB nach dessen Anhörung (§ 152a Abs 1 StVG) abgewiesen (ON 6, 7). Dagegen meldete er am 4. Dezember 2020 rechtzeitig Beschwerde an (ON 8). Die Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Beschlusses an Mario H***** wurde bereits am 3. Dezember 2020 abgefertigt (ZV ON 7 S 3).

[2] Am 10. Dezember 2020 legte das Landesgericht für Strafsachen Graz die Akten dem Oberlandesgericht Graz mit dem Vermerk vor, dass der Zustellschein „hg. bis dato noch nicht eingelangt“ ist (ON 9). Am 14. Dezember 2020 wurde der Beschluss an Mario H***** zugestellt (siehe Zustellschein bei ON 8).

[3] Der (angemeldeten) B eschwerde des Mario H***** gab das Oberlandesgericht Graz mit Beschluss vom 17. Dezember 2020, AZ 8 Bs 430/20a, nicht Folge (ON 10).

[4] Am 21. Dezember 2020 brachte Mario H***** die Beschwerdeausführung rechtzeitig bei Gericht ein (ON 11).

Rechtliche Beurteilung

[5] Wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt, wurde im Verfahren AZ 13 BE 276/20i des Landesgerichts für Strafsachen Graz das Gesetz verletzt:

[6] Meldet der Verurteilte binnen drei Tagen nach mündlicher Verkündung der Entscheidung über eine bedingte Entlassung eine Beschwerde an, ist ihm eine Abschrift des Beschlusses zuzustellen. In diesem Fall kann er die Beschwerde binnen vierzehn Tagen nach Zustellung näher ausführen (§ 152a Abs 3 erster und zweiter Satz StVG).

[7] Nach Einlangen sämtlicher Rechtsmittelschriften (und Gegenausführungen) sind die Akten über Sachen, in denen Rechtsmittel ergriffen wurde, ohne Aufschub, sonst nach Ablauf der allen Beteiligten zur Anbringung oder Ausführung von Rechtsmitteln (oder Gegenschriften) offenstehenden Fristen, dem zur Entscheidung berufenen Gericht vorzulegen (§ 179 Abs 1 erster Satz Geo).

[8] Im Vorlagebericht sind – unter anderem – die zur Beurteilung der Rechtzeitigkeit notwendigen Umstände anzugeben (§ 179 Abs 2 Geo).

[9] 1. Indem das Landesgericht für Strafsachen Graz die Akten dem Oberlandesgericht Graz als Rechtsmittelgericht vor Ablauf der Mario H***** zur Ausführung der gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 3. Dezember 2020, GZ 13 BE 276/20i 7, angemeldeten Beschwerde zustehenden Frist vorlegte und die zur Beurteilung der Rechtzeitigkeit notwendigen Umstände im Vorlagebericht nicht angab, verletzte es § 179 Abs 1, Abs 2 Geo (RIS Justiz RS0102164 [T1]).

[10] 2. Dadurch, dass das Oberlandesgericht Graz als Beschwerdegericht am 17. Dezember 2020 über die (angemeldete) Beschwerde des Mario H***** gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 3. Dezember 2020, GZ 13 BE 276/20i 7, vor Ablauf der für die Ausführung des Rechtsmittels offenstehenden Frist entschieden hat, missachtete es die durch § 152a Abs 3 zweiter Satz StPO und § 7 Abs 1 StPO garantierten Verteidigungsrechte.

[11] Die darin liegende Gesetzesverletzung war mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO) und die neuerliche Entscheidung über die Beschwerde aufzutragen .