JudikaturJustiz11Os33/22w

11Os33/22w – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Juli 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Juli 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ristic, BA, als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung des * B* in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 15. Dezember 2021, GZ 34 Hv 46/21z 22, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * B* gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, weil er – verkürzt wiedergegeben – am 5. April 2021 in L* in einer Behandlungskoje der Notaufnahme des M* unter dem Einfluss eines seine Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, nämlich unter dem Einfluss einer paranoiden Schizophrenie,

I./ Personen, die in einem nach dem Gesundheits- und Krankenpflegegesetz bzw Ärztegesetz geregelten Gesundheitsberuf tätig sind, während oder wegen der Ausübung ihrer Tätigkeit am Körper zu verletzen versuchte, und zwar

1./ die Pflegehelferin * K*, indem er zumindest einen gezielten Schlag mit der flachen Hand in Richtung ihres Kopfes ausführte, wobei K * rechtzeitig ausweichen konnte;

2./ die Diplom Krankenschwester * Ba* sowie die Assistenzärztin Dr. * Ka*, indem er kraftvolle Fußtritte in deren Richtung vornahm;

II./ versuchte, andere durch Gewalt, nämlich die zu I./ beschriebenen Angriffe zu einer Handlung oder Unterlassung zu nötigen, und zwar

1./ * K* dazu, ihn „in Ruhe zu lassen“;

2./ * B a* und Dr. * K a* zur Unterlassung seiner weiteren Fixierung,

somit Taten beging, die (je) als Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1, Abs 3 Z 2 StGB sowie (idealkonkurrierend; vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 296; Murschetz , WK StPO § 430 Rz 5; RIS Justiz RS0090390 [T4], RS0131928; vgl allgemein auch Lendl , WK StPO § 259 Rz 1 f) als Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind.

Rechtliche Beurteilung

[2] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 10 StPO gegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen.

[3] Gegenstand von Rechts- und Subsumtionsrüge ist ausschließlich der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts – einschließlich prozessualer Verfolgungsvoraussetzungen – mit dem festgestellten Sachverhalt. Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat daher das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung des Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS Justiz RS0099810).

[4] D ie Behandlung des aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde gestellten Parteiantrags auf Normenkontrolle, „§ 83 Abs. 3 Z 2 StGB, BGBl. 60/1974, idF BGBl. I 105/2019, in eventu die Wortfolge 'in einem gesetzlich geregelten Gesundheitsberuf, in einer anerkannten Rettungsorganisation oder in der Verwaltung im Bereich eines solchen Berufes, insbesondere einer Krankenanstalt, oder' in § 83 Abs. 3 Z 2 StGB, BGBl. 60/1974, idF BGBl. I 105/2019, in eventu die Wortfolge 'in einem gesetzlich geregelten Gesundheitsberuf, […] oder in der Verwaltung im Bereich eines solchen Berufes, insbesondere einer Krankenanstalt […]' in § 83 Abs. 3 Z 2 StGB, BGBl. 60/1974, idF BGBl. I 105/2019“, als verfassungswidrig aufzuheben, hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 18. Juni 2022, GZ G 153/2022 11, abgelehnt . Demgemäß bedarf es keines Eingehens auf die darauf bezogene Argumentation des Beschwerdeführers.

[5] D ie R üge (Z 10, der Sache nach Z 9 lit a; vgl RIS Justiz RS0132762) übergeht die erstgerichtlichen Annahmen, der Betroffene habe die vorgenannten Angehörigen von Gesundheitsberufen vorsätzlich am Körper zu verletzen versucht (US 5, 8 ff) und legt nicht nachvollziehbar dar, aus welchem Grund die Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1, Abs 3 Z 2 StGB die „Voraussetzungen des § 21 Abs 1 StGB nicht erfüllen“ sollten und mangels Eintritts von Verletzungen Scheinkonkurrenz vorläge, und der Betroffene demnach „nur das Vergehen der versuchten Nötigung zu verantworten“ hätte (vgl zur fehlenden Subsumtionsrelevanz der Abgrenzung Versuch/Vollendung RIS Justiz RS0122137; RS0116565).

[6] D ie Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Rechtssätze
4
  • RS0090390OGH Rechtssatz

    29. Februar 2024·3 Entscheidungen

    Liegen dem Betroffenen mehrere Taten zur Last, von denen nur eine den Voraussetzungen des § 21 Abs 1 StGB entspricht, während die anderen zufolge der für sie maßgebenden Strafdrohung nicht einweisungsrelevant sein können, so hat das Gericht den Einweisungsantrag, soweit er auch diese Taten betrifft, abzuweisen; stützt es jedoch (rechtsirrig) sein Einweisungserkenntnis spruchgemäß auch auf diese Taten, dann hat es insoweit seine Einweisungsbefugnis überschritten, womit das Erkenntnis in diesem Punkt nichtig im Sinn der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO ist, uzw unbeschadet dessen, dass dem Betroffenen daneben auch eine einweisungsrelevante Anlasstat zur Last liegt. Denn der im Urteilstenor dekretierte Tatvorwurf kann von der darauf gestützten Sanktion nicht getrennt werden; diese basiert damit aber auch auf Taten, die die Einweisung nicht zu tragen vermögen, wobei die darin gelegene Urteilsnichtigkeit den Betroffenen beschwert, weil nicht gesagt werden kann, dass die nicht einweisungsrelevanten Taten bloß überflüssigerweise und ohne irgendwelche nachteiligen Wirkungen für ihn in den Urteilsspruch aufgenommen worden seien. Daher kann eine Unanfechtbarkeit des Ausspruchs über die Anstaltseinweisung nicht daraus abgeleitet werden, dass die Einweisung ohnedies bereits durch eine andere, diese recte tragende Tat gedeckt ist (Ablehnung der gegenteiligen Auffassung in 10 Os 162/79 = EvBl 1980/203).