JudikaturJustiz11Os18/21p

11Os18/21p – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. April 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. April 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Oberressl als weitere Richter in der Strafsache gegen Uwe L***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 2, 148 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen des Angeklagten, der Staatsanwaltschaft und des Privatbeteiligten Manfred La***** gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 10. September 2020, GZ 605 Hv 4/19x 95, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019) zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft und aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch (zu I./ und II./), demzufolge auch im Strafausspruch, im Zuspruch an den Privatbeteiligten Manfred La***** und im Ausspruch über den Kostenersatz aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an den Einzelrichter des Landesgerichts Korneuburg verwiesen.

Auf diese Entscheidung verwiesen werden der Angeklagte mit seiner den Schuldspruch zu II./ betreffenden Nichtigkeitsbeschwerde sowie mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe und über die privatrechtlichen Ansprüche, ebenso die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Privatbeteiligten Manfred La***** und dessen Berufung wegen Schuld werden zurückgewiesen.

Dem Privatbeteiligten fallen die durch seine Nichtigkeitsbeschwerde verursachten Kosten des Strafverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe:

[1] Mit dem angefochtenen – auch einen rechtskräftigen Freispr u ch des Angeklagten von weiteren Tatvorwürfen und eine diesbezügliche Verweisung des Privatbeteiligten La***** mit weiteren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg enthaltenden – Urteil wurde Uwe L***** des Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB (I./) und des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1, Abs 2 (neunter Fall) StGB (II./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er

I./ am 10. Dezember 2013, „wobei die Täuschung im Wege eines Distanzdelikts auch im Inland begangen wurde bzw der Schaden im Inland eintrat“, mit dem Vorsatz, sich bzw einen anderen durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Manfred La***** durch Täuschung über Tatsachen, und zwar die unrichtige Behauptung, dass das überwiesene Geld für ein Goldminenprojekt in Ghana verwendet wird, sowie über seine Rückzahlungsfähigkeit und willigkeit, zu einer Handlung, nämlich der Überweisung von „unter anderem“ 2.479,75 Euro verleitet, wobei er das überwiesene Geld tatsächlich am 13. Dezember 2013 auf das Konto der S***** GmbH vereinbarungswidrig überwies und dadurch Manfred La***** einen Schaden von 2.479,75 Euro erlitt;

II./ am 19. Februar 2016 in K***** Manfred La***** gefährlich mit einer Verletzung am Vermögen und mit der Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz bedroht, um diesen in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er diesem telefonisch mitteilte, er werde ihn so lange klagen, bis er sein Haus verliere.

Rechtliche Beurteilung

[3] Gegen dieses Urteil richten sich vom Angeklagten auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a sowie 9 lit a, lit b StPO und von der Staatsanwaltschaft – zum Vorteil des Angeklagten – auf § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerden.

[4] Die angemeldete Nichtigkeits beschwerde des Privatbeteiligten Manfred La***** (ON 9 6 ) blieb unausgeführt.

[5] Mit ihren Rechtsrügen wenden die Staatsanwaltschaft (Z 9 lit b) und der Angeklagte selbst (nominell Z 9 lit a) zu Recht ein, dass die Feststellungen mit Blick auf die Bestimmungen über die Verjährung den Schuldspruch zu I./ nicht zu tragen vermögen .

[6] Nach den erstgerichtlichen Konstatierungen, zu deren Verdeutlichung der Urteilsspruch herangezogen werden kann (vgl RIS Justiz RS0114639), beging der Angeklagte die Tat am 10. Dezember 2013 (US 1) oder am 12. Dezember 2013 (US 3, 5). Der Erfolg (§ 58 Abs 1 StGB; vgl Kert , SbgK § 146 Rz 4) trat jedenfalls am 12. Dezember 2013 ein (US 5 f). D ie relevante Verjährungsfrist beträgt ein Jahr (§ 57 Abs 3 letzter Fall StGB).

[7] Machen aber fehlende Feststellungen die (implizite rechtliche) Annahme der Beseitigung eines (nach dem Urteilssachverhalt gegebenen) Ausnahmesatzes (vorliegend Verjährung) unschlüssig, liegt ein Rechtsfehler mangels Feststellungen (hier § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO) vor (vgl RIS Justiz RS0122332 [T1, T6, T11]). Bereits aus diesem Grund ist – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – eine Aufhebung des Schuldspruchs zu I./ geboten. Somit erübrigt sich e in Eingehen auf das weitere den Schuldspruch zu I./ betreffende Beschwerdevorbringen des Angeklagten.

[8] Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof zu dem – gleichfalls im Einklang mit der Generalprokuratur – davon, dass dem Schuldspruch zu II./ eine sich zum Nachteil des Angeklagten auswirkende, jedoch nicht geltend gemachte Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO anhaftet (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

[9] Der Tatbestand der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB verlangt die Ankündigung eines der in § 74 Abs 1 Z 5 StGB angeführten Übel, wobei fallbezogen allein die Drohung mit einer Verletzung am Vermögen in Betracht kommt (vgl auch US 2). Die rechtliche Annahme der Eignung einer Äußerung, dem Opfer die begründete Besorgnis einzuflößen, der Täter sei willens und in der Lage, das angekündigte Übel herbeizuführen ( Jerabek/Ropper in WK 2 StGB § 74 Rz 34; Leukauf/Steininger/Tipold , StGB 4 § 74 Rz 21; RIS Justiz RS0092538), erfordert Feststellungen zu ihrem Bedeutungsinhalt, die durch die bloße Wiedergabe ihres Wortlauts nicht ersetzt werden können. Diese dient allenfalls der Begründung getroffener Konstatierungen (RIS Justiz RS0092437 [T4], RS0092588; Mayerhofer , StGB 6 § 74 E 51; Ratz , WK StPO § 281 Rz 286).

[10] Dem angefochtenen Urteil ist – mangels ausreichender Feststellungen zum Bedeutungsinhalt der dem Schuldspruch zu II./ zugrunde liegenden Äußerung – nicht mit Bestimmtheit zu entnehmen, welches konkrete Übel der Angeklagte dem Opfer mit dem Inaussichtstellen des „Klagens bis zum Verlust seines Hauses“ ankündigte. Zwar kann mit Blick auf die unter dem Aspekt gefährlicher Drohung gebotene weite Auslegung des Vermögensbegriffs grundsätzlich auch eine Drohung mit einer Klage (als eine solche mit einer Verletzung am Vermögen) tatbildlich sein, wenn damit der Eindruck erweckt wird, Kosten für die Abwehr ungerechtfertigter Ansprüche aufbringen zu müssen (RIS Justiz RS0131845; Schwaighofer in WK 2 StGB § 105 Rz 60; Kienapfel/Schroll StudB BT I 4 § 105 Rz 39), diesbezügliche Feststellungen traf das Gericht aber nicht.

[11] Im Übrigen enthält das Urteil auch keine ausreichende Tatsachengrundlage für die Subsumtion unter § 107 Abs 2 neunter Fall StGB. Mit Blick auf die generalklauselartige Formulierung des Qualifikationstatbestands der Bedrohung mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz bedarf es im Einzelfall konkreter Feststellungen zum objektiven Sachverhalt (wirtschaftliche Verhältnisse des Bedrohten und zu befürchtende Höhe des Vermögensschadens) sowie zum darauf bezogenen Vorsatz des Täters (RIS Justiz RS0094007). Die Konstatierung, der Angeklagte hätte Manfred La***** durch die Ankündigung, er werde ihn so lange klagen, bis er sein Haus verliere, mit der Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz (vgl RIS Justiz RS0094015; Schwaighofer in WK 2 StGB § 106 Rz 7) bedroht, bleibt indessen ohne Sachverhaltsbezug (RIS Justiz RS0119090).

[12] Die tatrichterlichen Feststellungen – die keinerlei Anknüpfung für auch bloß mögliche Ansprüche des Angeklagten gegen den Privatbeteiligten enthalten – vermögen demnach einen Schuldspruch nach § 107 Abs 1 und 2 neunter Fall StGB nicht zu tragen. D as den Schuldspruch zu II./ betreffende Beschwerdevorbringen des Angeklagten kann daher dahinstehen.

[13] In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur war das Urteil daher wie aus dem Spruch ersichtlich aufzuheben. Die Aufhebung konnte fallkonkret allerdings bereits bei der nichtöffentlichen Beratung erfolgen (§ 285e StPO). Denn im Hinblick auf die erforderliche Kassation des Schuldspruchs zu II./ und den dadurch jedenfalls erforderlichen zweiten Rechtsgang käme einem – von der Generalprokuratur angeregten – Absehen von der Rückverweisung an das Erstgericht und einer in einem öffentlichen Gerichtstag zu treffenden Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in der Sache (vgl RIS Justiz RS0100239) bloß im Umfang der Aufhebung des Schuldspruchs zu I./ (vgl dazu Ratz , WK StPO § 288 Rz 24; RIS Justiz RS0118545) kein prozessökonomischer Vorteil zu.

[14] Im Umfang der Aufhebung war die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an den Einzelrichter des Landesgerichts Korneuburg (RIS Justiz RS0100271) zu verweisen.

[15] Mit seiner den Schuldspruch zu II./ betreffenden Nichtigkeitsbeschwerde war der Angeklagte, mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.

[16] Die Aufhebung des Schuldspruchs zu I./ zog die Aufhebung des darauf bezogenen Zuspruchs an den Privatbeteiligten La***** nach sich.

[17] Die nach rechtzeitiger Anmeldung (ON 96 ) in Betreff des Freispruchs unausgeführt gebliebene Nichtigkeitsbeschwerde des Privatbeteiligten La***** war mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung des Nichtigkeitsgrundes der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO (vgl § 282 Abs 2 erster Satz StPO) zurückzu weisen (§ 285 Abs 1, § 285a Z 2, § 288 Abs 1 StPO).

[18] Die gegen den Ausspruch über die Schuld angemeldete Berufung des Privatbeteiligten (ON 96 ) war (arg e contrario aus § 283 Abs 1 StPO) zurückzuweisen (RIS Justiz RS0099894 [T1]).

[19] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 zweiter Satz StPO.

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