JudikaturJustiz11Os163/03

11Os163/03 – OGH Entscheidung

Entscheidung
10. Februar 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Februar 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kainz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Renato P***** wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 (vierter Fall), Abs 3 erster Fall, Abs 4 Z 2 SMG und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 11. September 2003, GZ 35 Hv 56/03k-89, nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der im Schuldspruch A beschriebenen Tat auch unter § 28 Abs 4 Z 2 SMG und demgemäß im Strafausspruch aufgehoben und die Sache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung verwiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Renato P***** (zu A) des Verbrechens nach § 28 Abs 2 (ergänze: vierter Fall), Abs 3 erster Fall und Abs 4 Z 2 SMG sowie (zu B) des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Danach hat er

A) am 18. Mai 2000 in Zürich den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in einer großen Menge, nämlich mindestens 70 g Kokain von ausgezeichneter Qualität, durch gewerbsmäßigen Verkauf an den abgesondert verfolgten Peter Paul M***** in Verkehr gesetzt, wobei er die Tat als Mitglied einer Verbindung einer größeren Zahl von Menschen zur Begehung solcher strafbarer Handlungen beging;

B) am 13. November 2002 in Wien Andrea W***** durch Versetzen eines Faustschlages in das Gesicht, der einen verschobenen Nasenbeinbruch und eine leichte Gehirnerschütterung zur Folge hatte, vorsätzlich am Körper verletzt.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 5, Z 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde versagt.

Wiewohl er die Aufhebung des gesamten Urteiles begehrt, lässt er zum Schuldspruchfaktum B jegliches konkrete Vorbringen vermissen, sodass in diesem Umfang auf seine Nichtigkeitsbeschwerde mangels einzelner, deutlicher und bestimmter Bezeichnung der Anfechtungspunkte keine Rücksicht zu nehmen war (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO; vgl E. Steininger Nichtigkeitsgründe3 Allg Best Rz 36).

Der in der Mängelrüge (Z 5) erhobene Vorwurf offenbar unzureichender Begründung für die Feststellung, der Beschwerdeführer habe ab Ende Januar 2000 mit einem anderen als Abnehmer einer von Venezuela aus agierenden Kokainschmugglerbande fungiert und demzufolge im Februar und Mai 2000 jeweils mehrere 100 g Kokain übernommen (US 5), lässt die von den Tatrichtern zu deren Begründung herangezogenen Beweisergebnisse sowohl einzeln als auch in ihrem inneren Zusammenhang außer Acht: Denn wenn das Landgericht Freiburg in seinem Urteil vom 23. März 2001 (S 371 ff/II) in den vom Rechtsmittel korrekt zitierten Passagen von Suchtgiftübergaben entweder an den Angeklagten oder an dessen Komplizen spricht, ist dies im Zusammenhang mit der einleitenden Passage zu lesen, wonach die "Organisation" (der Schmuggler) Ende Jänner 2000 neue Abnehmer in der Person zweier Italiener - einer davon der Angeklagte - als Abnehmer des Kokains gewinnen konnte (S 399/II). Dem Beschwerdevorwurf einer unstatthaften Vermutung zu Lasten des Angeklagten zuwider durfte sich das Erstgericht daher für die Ableitung des Schuldspruches in Befolgung der Denkgesetze gar wohl - mag auch eine andere Lösung dieser Frage denkbar sein - einerseits auf das bezogene Urteil, anderseits auf weitere Ergebnisse des in Deutschland durchgeführten Strafverfahrens stützen (US 5 bis 6 iVm ON 47 und 49 - vgl insbesondere die Identifikation des Rechtsmittelwerbers durch einen Zeugen S 361/II, 85/III).

Der Einwand fehlender Begründung für die Annahme der Mitgliedschaft des Angeklagten in "einer Organisation" (gemeint wohl: einer Verbindung nach § 28 Abs 4 Z 2 SMG) bedarf im Hinblick auf die diesbezüglich fehlenden Feststellungen (vgl unten) keiner Erörterung. "Wie und weshalb der Angeklagte in den Besitz von mindestens 70 g Kokain gekommen sei", stellt für den Tatbestand nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG keine entscheidende Tatsache dar; den Besitz des in Verkehr gesetzten Kokains als solchen begründeten die Tatrichter mängelfrei durch Bezugnahme auf das bereits erwähnte, in der Hauptverhandlung verlesene (S 81/IV) Urteil des Landgerichtes Freiburg.

Das Vorbringen aus Z 10 entzieht sich einer meritorischen Erledigung, weil es zur großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG) die Konstatierungen zum vom Vorsatz des Beschwerdeführers umfassten Reinheitsgehalt des Kokains von ca 70 % (US 10) und zur Mitgliederzahl und Organisation der Verbindung nach § 28 Abs 4 Z 2 SMG die sogar zehn Mitglieder namentlich anführenden Feststellungen US 4 bis 6 iVm 11 übergeht. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils mangels am Gesetz orientierter Darstellung, teils als offenbar unbegründet bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (§§ 285a Z 2, 285d Abs 1 Z 1, Z 2 StPO).

Bei Prüfung der Akten aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde musste sich der Oberste Gerichtshof allerdings davon überzeugen, dass die Subsumtion unter § 28 Abs 4 Z 2 SMG mangels Feststellungen mit Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO belastet ist, welche von der Beschwerde nicht geltend gemacht wurde und daher von Amts wegen aufzugreifen war (§ 290 Abs 1 StPO).

Die Strafbarkeit nach der genannten Norm setzt begrifflich das vorsätzliche Entfalten (spezifisch) deliktischer Tätigkeit als funktionell nicht bloß punktuell in den Aktionsrahmen des arbeitsteilig auf (eine wenngleich begrenzte) Dauer strukturierten (zahlenmäßig qualifizierten) Ganzen eingegliederter Part voraus (11

Os 44, 54/00 = EvBl 2001/54 mwN; vgl auch 15 Os 139, 140/00, 11 Os

62/97 = ÖJZ-LSK1998/110, SSt 58/27).

Dass dies auf den Angeklagten zutrifft, ist den Feststellungen, wonach er "als Abnehmer des [von einer Großbande geschmuggelten] Kokains" fungierte und Kokain in Verkehr setzte (US 5 f) weder objektiv noch subjektiv zureichend zu entnehmen.

Da eine Entscheidung in der Sache durch den Obersten Gerichtshof derzeit noch nicht einzutreten hat und die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, war gemäß §§ 285e, 290 Abs 1 Satz 2 erster Fall StPO vorzugehen.

Die Berufungswerber waren auf die Aufhebung des Strafausspruches zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.