JudikaturJustiz11Os145/03

11Os145/03 – OGH Entscheidung

Entscheidung
10. Februar 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Februar 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kainz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Andrea F***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Andrea F***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Steyr als Schöffengericht vom 23. Mai 2003, GZ 12 Hv 3/03h-35, in nichtöffentlicher Sitzung nach Anhörung der Generalprokuratur zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, welches im Übrigen unberührt bleibt, in seinem schuldigsprechenden Teil, zu Punkt II jedoch nur, soweit er die Angeklagte Andrea F***** betrifft, und demzufolge auch in den die Angeklagten Wilhelm K***** und Andrea F***** betreffenden Strafaussprüchen einschließlich des Probezeitverlängerungsbeschlusses und in seinem Privatbeteiligtenzuspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an den nunmehr zuständigen Einzelrichter des Landesgerichtes Steyr verwiesen.

Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte Andrea F***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, welches auch rechtskräftige Schuld- und Freisprüche der Mitangeklagten Hannelore K***** und Wilhelm K***** sowie einen Privatbeteiligtenzuspruch und einen Probezeitverlängerungsbeschluss betreffend den Angeklagten Wilhelm K***** enthält, wurde Andrea F***** des Vergehens der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1 und Abs 5 Z 1 StGB (Punkt II des Urteilssatzes) sowie des Vergehens nach § 114 Abs 1 und Abs 2 ASVG (III) schuldig erkannt. Nach dem Inhalt des Schuldspruches haben

I. Wilhelm K***** einen Bestandteil seines Vermögens verheimlicht und dadurch die Befriedigung seiner Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder geschmälert, und zwar im Zeitraum von 1999 bis 2001 in Neustadtl/Donau und Steyr durch Verschweigen von erzielten Einnahmen aus seiner Tätigkeit für die Firma P*****, wobei insgesamt ein Schaden in nicht näher feststellbarer, 2.000 EUR übersteigender Höhe entstand;

II. Andrea F*****, Hannelore K***** und Wilhelm K***** als Beteiligte (§ 12 StGB) von 1997 bis 1999 in Garsten grob fahrlässig die Zahlungsunfähigkeit der Firma Herbert F***** GmbH dadurch herbeigeführt, dass sie einen bedeutenden Bestandteil des Gesellschaftsvermögens verschleuderten, indem sie aus dem Kapital der Herbert F***** GmbH unverzinst 68.506,47 EUR entnahmen, obwohl sie es nicht zurückzahlen konnten;

III. Andrea F***** und Wilhelm K***** als Beteiligte (§ 12 StGB) in der Zeit von Februar 2001 bis 25. Juli 2002 in Garsten die Beiträge der Dienstnehmer zur Sozialversicherung in Höhe von 3.178,13 EUR einbehalten und dem berechtigten Versicherungsträger vorenthalten;

IV. Wilhelm K***** am 2. Mai 2001 und am 29. April 2002 in Steyr in den gegen ihn anhängigen Exekutionsverfahren zu den AZ 12 E 1559/01 und 12 E 704/02, jeweils des BG Steyr, indem er die unter I. erzielten Einkünfte nicht angab, ein falsches oder unvollständiges Vermögensverzeichnis (§ 47 Abs 2 EO) unterfertigt und dadurch die Befriedigung eines Gläubigers gefährdet.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft die Angeklagte Andrea F***** mit einer nominell auf die Z 5a (inhaltlich Z 5) und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung zukommt. Mit der nur das Schuldspruchfaktum II betreffenden Tatsachenrüge (Z 5a) werden der Sache nach Begründungsmängel (Z 5) geltend gemacht. Voranzustellen ist, dass die Beschwerdeführerin während des Deliktszeitraumes weder handelsrechtliche noch faktische Geschäftsführerin der F***** GmbH war und daher als unmittelbare Täterin des Vergehens nach § 159 Abs 1 StGB nicht in Betracht kommt. Das Erstgericht erblickt die Tathandlung darin, dass sie die die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens herbeiführenden Privatentnahmen von (damals) 942.669,62 S, welche sich auf Wilhelm K***** mit 742.669,62 S und sie selbst mit 200.000 S verteilten, gemeinsam mit den beiden anderen Angeklagten "beschlossen und auch durchgeführt" hat (US 9).

In der diesbezüglichen Beweiswürdigung wies das Erstgericht darauf hin, dass nach der Lebenserfahrung davon auszugehen sei, dass diese Entnahmen im Familienverband abgesprochen wurden, was auch aus den Angaben der Mitangeklagten Hannelore K***** abzuleiten sei (US 11 f). Mit ihren diesbezüglichen Ausführungen macht die Beschwerde zutreffend offenbar unzureichende Gründe (Z 5 vierter Fall) geltend, zumal den Angaben der Angeklagten Hannelore K***** auch nicht der geringste Anhaltspunkt für eine derartige Argumentation zu entnehmen ist.

Auch das der Sache nach Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) monierende Vorbringen ist berechtigt. Das Schöffengericht hat nämlich im Rahmen seiner Beweiswürdigung die entlastenden und von den Mitangeklagten bestätigten zeugenschaftlichen Angaben des Steuerberaters Harald S*****, wonach der der Beschwerdeführerin zugeordnete Betrag von 200.000 S den ehemaligen Gesellschafter Herbert F***** betrifft und seines Wissens niemals Privatentnahmen durch Andrea F***** erfolgten, der Genannten aber auch keine Darlehen gewährt wurden, völlig unerörtert gelassen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Tatrichter bei entsprechender Berücksichtigung auch dieser Aussage zu einer für die Beschwerdeführerin günstigeren Lösung der Schuldfrage gelangt wären. Eine Neudurchführung des Verfahrens erweist sich daher insoweit als unumgänglich.

Auch die gegen den Schuldspruch III gerichtete Rechtsrüge (Z 9 lit a) erweist sich als berechtigt, sind doch dem Urteil dazu keinerlei Feststellungen zur subjektiven Tatseite zu entnehmen. Es liegen daher mangelhafte Feststellungen im Sinne des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes vor, die sich auch zum Nachteil des Mitangeklagten Wilhelm K***** auswirken, der eine Nichtigkeitsbeschwerde nicht erhoben hat.

Im Hinblick darauf, dass spätestens Ende 1999 die Zahlungsunfähigkeit der F***** GmbH eingetreten ist und mit Beschluss vom 15. Februar 2002 ein Konkurs mangels kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet wurde, wird im neudurchzuführenden Verfahren auch zu prüfen sein, ob und in welchem Umfang den Angeklagten als Geschäftsführern des Dienstgeberunternehmens im Tatzeitraum überhaupt die die jeweiligen Nettolöhne übersteigenden Mittel zur Verfügung standen, weil sie sich nur durch den Einsatz entsprechender Mittelüberschüsse für andere Zwecke als für Beitragszahlungen an den Sozialversicherungsträger nach § 114 ASVG strafbar machen konnten (11 Os 11/87). Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde war weiters festzustellen, dass auch der Schuldspruch I mit einem Rechtsfehler mangels Feststellungen behaftet ist, der sich zum Nachteil des Angeklagten Wilhelm K***** auswirkt. Dem Genannten wird hier zur Last gelegt, einen Bestandteil seines Vermögens dadurch verheimlicht zu haben, dass er seine Einnahmen aus der Tätigkeit für die Firma Peresztegi verschwieg. Das Erstgericht hat jedoch dabei übersehen, dass Verschweigen nur dann ein tatbestandsmäßiges Verheimlichen sein kann, wenn eine Rechtspflicht zur Offenbarung besteht (SSt 47/47;

Kirchbacher/Presslauer in WK² § 156 Rz 14).

Konstatierungen, auf Grund welcher Umstände vorliegendenfalls eine Bekanntmachungspflicht bestanden haben sollte, enthält das Urteil jedoch ebensowenig wie Feststellungen zur subjektiven Tatseite. Schließlich lässt das Urteil auch Konstatierungen darüber vermissen, ob die vom unvollständigen Vermögensverzeichnis (IV) betroffenen Gläubiger mit den durch die Vermögensverheimlichung (I) geschädigten Gläubigern ident sind, sodass nicht beurteilt werden kann, ob das Vergehen nach (richtig:) § 292a StGB bei Annahme des Verbrechens der betrügerischen Krida diesem gegenüber (materiell) subsidiär wäre (vgl 13 Os 90/94; Leukauf/Steininger, StGB³, § 292a Rz 12). Auch bezüglich dieser beiden Schuldspruchfakten (I, IV) war das Urteil daher aufzuheben.

Im zweiten Rechtsgang wird zu berücksichtigen sein, dass das Verschweigen von Vermögensbestandteilen im Vermögensverzeichnis (entgegen der Offenbarungspflicht) des § 47 Abs 2 EO mit dem Ziel, diese dem Zugriff der andrängenden Gläubiger zu entziehen, bereits tatbestandsmäßiges Verheimlichen iSd § 156 StGB sein kann (vgl EO-Nov 1991 JAB 261 BlgNR XVIII. GP 8).

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde sowie aus deren Anlass (§ 290 Abs 1 StPO) war daher das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hat, in seinem schuldigsprechenden Teil, zu Punkt II jedoch nur, soweit er die Angeklagte Andrea F***** betrifft, und demzufolge auch in den die Angeklagten Wilhelm K***** und Andrea F***** betreffenden Strafaussprüchen einschließlich des Probezeitverlängerungsbeschlusses (§ 494a Abs 1 Z 2, Abs 6 StPO) und in seinem Privatbeteiligtenzuspruch aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an den nunmehr zuständigen Einzelrichter des Landesgerichtes Steyr zu verweisen.

Mit ihrer Berufung war die Angeklagte Andrea F***** auf diese Entscheidung zu verweisen.