JudikaturJustiz11Os131/19b

11Os131/19b – OGH Entscheidung

Entscheidung
10. Dezember 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Dezember 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Jukic als Schriftführerin in der Strafsache gegen P***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1, Abs 3 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Schöffengericht vom 12. Juni 2019, GZ 15 Hv 41/19p 75, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde P***** des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1, Abs 3 erster Fall StGB schuldig erkannt, zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Danach hat er am 27. März 2018 in ***** eine wehrlose Person, nämlich den infolge Substitolkonsums willenlosen und tief schlafenden T*****, unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er mit ihm eine dem Beischlaf gleichzusetzende Handlung, nämlich Analverkehr, vornahm, indem er mit seinem Penis in den After des Genannten eindrang und diesen penetrierte, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) des Opfers, nämlich eine depressive Verstimmung in Form einer depressiven Anpassungsstörung zur Folge hatte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, „9a“ und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung des Antrags auf Vernehmung der Zeuginnen Dr. G***** und Margit K***** zum Beweis dafür, „dass nicht, wie dies der Zeuge R***** behauptet hat, die Unterstützung der Frau Dr. G***** sowie der Frau K***** nach dem 27. März 2018 endete, sondern bereits geraume Zeit vorher, nachdem der Zeuge R***** lange Zeit großzügig durch die beiden genannten Zeuginnen unterstützt wurde, wobei diese Beendigung der Unterstützung des Zeugen R***** durch die beiden Zeuginnen zeitlich eben genau mit der belastenden Haltung des Zeugen R***** gegenüber dem Angeklagten zusammenfällt“, und „der Zeuge R***** ein Motiv hatte, ihn zu Unrecht zu belasten“ (ON 74 S 57 f), Verteidigungsrechte nicht verletzt.

Zwar ist eine Beweisführung zur Beweiskraft von schulderheblichen Beweismitteln, etwa wie hier zur Glaubwürdigkeit des Zeugen R***** ihrerseits für die Schuldfrage von Bedeutung (RIS-Justiz RS0028345). Jedoch war dem (auf den Zeitpunkt der Beendigung der Unterstützung durch Personen aus dem Umkreis des Angeklagten bezogenen) Vorbringen (das dazu recht besehen „A“ und „Non A“ unter Beweis zu stellen sucht) nicht zu entnehmen, dass durch die begehrten Vernehmungen Rückschlüsse auf die inhaltliche (Un-)Richtigkeit der Angaben des genannten Zeugen in Ansehung von entscheidenden Tatsachen gezogen werden hätten können (RIS-Justiz RS0120109 [T3]; zum Motiv RS0088761). Schließlich versäumte der Antrag eine Auseinandersetzung mit der – eine Zahlungseinstellung lange vor dem Tatzeitpunkt gerade nicht indizierende – Urkundenlage (vgl US 13).

In der Beschwerde nachgetragene Argumente zur Fundierung der Antragstellung sind prozessual verspätet und somit unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099117).

Ebenso zu Recht wurde dem Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit nicht gefolgt (ON 74 S 2). Dieser beschränkte sich auf den – in Strafverfahren wegen Angriffen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung stets zutreffenden – allgemeinen Hinweis, dass der höchstpersönliche Lebensbereich des Angeklagten erörtert wird, und enthielt solcherart kein Vorbringen, weshalb der Ausnahmetatbestand des § 229 Abs 1 Z 2 StPO konkret indiziert sei (RIS-Justiz RS0053667 [T3]).

Im Übrigen hat sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung leugnend verantwortet, sodass nicht erkennbar ist, an welchem für ihn günstigeren Aussageverhalten er durch den unterlassenen Ausschluss der Öffentlichkeit gehindert wurde, womit ein nachteiliger Einfluss auf die Entscheidung im Sinn des § 281 Abs 3 StPO auszuschließen ist (RIS-Justiz RS0053667 [T5], RS0087062).

Die Mängelrüge moniert eine offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) der Konstatierung zum Vollzug des Analverkehrs (US 3), weil sich das Erstgericht die „unstatthaften Vermutungen“ des Opfers zu eigen gemacht habe. Sie missachtet, dass die Tatrichter in dessen Schilderung, wonach es „im Unterbewusstsein einen Schmerz gespürt“ habe (US 7), erkennbar keine notwendige Bedingung für die (aus einer vernetzten Betrachtung einer Vielzahl von Verfahrensergebnissen [unter anderem dem Gutachten des Sachverständigen, wonach die vom Opfer beschriebenen Zustände, Wahrnehmungen und „unter“bewussten Empfindungen aus medizinischer Sicht plausibel und nachvollziehbar sind] abgeleiteten – US 7 ff) entscheidenden Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen erblickten, und stellt solcherart bloß – aus Z 5 unzulässig – die Beweiswürdigung in Frage (RIS-Justiz RS0116737).

Da T***** nach den (aus dessen Angaben sowie jenen der Zeugen R***** und T***** mängelfrei abgeleiteten – US 7 ff) Feststellungen Analverkehr gegenüber dem Angeklagten ausdrücklich und für diesen deutlich wahrnehmbar (wie schon in der Vergangenheit auch konkret vor dem aktuellen Einschlafen) abgelehnt hatte (US 3 – vgl Philipp in WK 2 StGB § 205 Rz 11), ist es unerheblich, wofür das Opfer Kondome vorgesehen hatte, womit der auf die Behauptung einer unrichtigen Wiedergabe einer Passage der Aussage des Opfers im Rahmen der kontradiktorischen Vernehmung (US 7 f) bezogene Vorwurf der Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) von vornherein scheitert (vgl RIS-Justiz RS0099431, RS0099408). Im Übrigen haben die Tatrichter ohnedies erörtert, dass sich der genaue Wortlaut des Aussagedetails (ON 28 S 55) trotz mehrmaligen Vorführens der Aufnahme in der Hauptverhandlung (ON 74 S 58) nicht klären ließ (US 7 f; siehe Ratz , WK-StPO § 281 Rz 466 ff). Dass das Opfer einem während seines Schlafes vollzogenen Analverkehr zugestimmt hätte, behauptet nicht einmal der Beschwerdeführer.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) kritisiert unsubstantiiert eine „unrichtige rechtliche Beurteilung hinsichtlich der grundsätzlichen gerichtlichen Strafbarkeit“ und vermisst „aus der Sicht des Angeklagten zur Subsumtion erforderliche Feststellungen“. Solcherart verfehlt sie den im gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt gelegenen Bezugspunkt materiell-rechtlicher Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810) und leitet ihre Behauptung überdies nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS-Justiz RS0116565).

Der Einwand (nominell „Z 9a“), die Gefährlichkeitsprognose sei „unrichtig“, erschöpft sich in einem Berufungsvorbringen (RIS-Justiz RS0113980).

Die gegen die Annahme der Qualifikation nach § 205 Abs 3 erster Fall StGB gerichtete Behauptung (Z 10, nominell auch Z 5 zweiter und vierter Fall), die vom Erstgericht konstatierte – länger als 24 Tage andauernde – depressive Verstimmung in Form einer depressiven Anpassungsstörung (US 4) stelle keine schwere Körperverletzung im Sinn des § 84 Abs 1 StGB dar, orientiert sich erneut nicht an der Gesamtheit der tatrichterlichen Konstatierungen (RIS-Justiz RS0099810).

Danach wurde nämlich der Gesundheitszustand des Opfers durch den sexuellen Übergriff „deutlich und anhaltend negativ beeinflusst“, sind die als Folge der heftigen Spannungszustände anzusehenden Selbstverletzungen Ausdruck seiner „schweren seelischen Störung“ (US 4, 16) und stellen die psychischen Folgen der Tat eine „schwere, länger als 24 Tage andauernde Gesundheitsschädigung“ dar (US 15 f), womit eine ausreichende Sachverhaltsgrundlage (nämlich der Eintritt einer länger als 24 Tage dauernden depressiven Anpassungsstörung mit Krankheitswert – vgl RIS Justiz RS0092798) für die vorgenommene Subsumtion festgestellt wurde.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung (§ 24 StPO) – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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