JudikaturJustiz11Os120/06s

11Os120/06s – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. Dezember 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Dezember 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Hinterleitner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Helmut H***** wegen des Verbrechens des schweren, durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 und Z 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 8. August 2006, GZ 114 Hv 1/06m-103, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte des Verbrechens des schweren, durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 und Z 2 StGB schuldig erkannt und hiefür unter Bedachtnahme (§§ 31, 40 StGB) auf die Urteile des Bezirksgerichtes Bruck an der Leitha vom 3. Februar 2005, AZ 2 U 293/04t, sowie des Landesgerichtes Korneuburg vom 27. Juni 2005, AZ 504 Hv 45/05p, zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von sechs Jahren und acht Monaten verurteilt.

Danach hat er im einverständlichen Zusammenwirken mit zwei Mittätern anderen fremde bewegliche Sachen in einem 50.000 Euro übersteigenden Gesamtwert durch Einbruch mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, nämlich

(1) in der Zeit vom 29. Juni 2002 bis zum 1. Juli 2002 Verfügungsberechtigten einer A***** durch Aufbrechen eines Rolltores und zweier Türen einen Tresor im Wert von 1.359 Euro und den darin verwahrten Bargeldbetrag in der Höhe von 67.912,80 Euro sowie

(2) in der Zeit vom 14. Dezember 2002 bis zum 16. Dezember 2002 Verfügungsberechtigten einer R***** durch Einschlagen eines Bürofensters und Aufschneiden eines Standtresors 7.234,69 Euro Bargeld sowie Werkzeug, Armbanduhren und Bekleidung im Wert von 1.501,64 Euro.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 4 und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung (S 269 f/III) des Antrags auf zeugenschaftliche Vernehmung Peter W*****s zum Beweis dafür, dass „Herr Horst H***** sen den Angeklagten mit der Begehung der ihm vorgeworfenen Straftat zu Unrecht belastet hat, dass der Angeklagte die ihm vorgeworfene Straftat auf sich nehmen solle, obwohl er diese nicht begangen hat" (S 269/III), Verteidigungsrechte nicht verletzt. Vom weiteren Antragsvorbringen, wonach Horst H***** sen dies dem Markus B***** im Zuge eines von Peter W***** wahrgenommenen Gesprächs mitgeteilt habe (S 269/III), ausgehend hätte es mit Blick auf die sinngemäße Aussage des Zeugen B*****, aus diesem Gespräch sei nicht hervorgegangen, ob der Beschwerdeführer an den Verbrechen beteiligt gewesen ist (S 267/III), zur prozessordnungskonformen Antragstellung nämlich Darlegungen darüber bedurft, aus welchem Grund die begehrte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten lasse (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330). Das ergänzende Beschwerdevorbringen hat auf sich zu beruhen, weil allein der Beweisantrag den Gegenstand der Entscheidung des Gerichtshofes bildete und demnach auch der Oberste Gerichtshof dessen Berechtigung nur auf den Zeitpunkt dieser Entscheidung bezogen zu prüfen vermag (SSt 41/71, zuletzt 11 Os 110/06w).

Der Einwand, die angefochtene Entscheidung setze sich mit der Verantwortung des Beschwerdeführers, Horst H***** sen habe ihn zu Unrecht belastet, nicht hinreichend auseinander (der Sache nach Z 5), ignoriert die diesbezüglichen Urteilsausführungen (US 7). Die Sanktionsrüge (Z 11) weist zutreffend darauf hin, dass die Anwendung des § 31 StGB die materielle Rechtskraft des Vor-Urteils voraussetzt (Ratz in WK² § 31 Rz 3). Hievon ausgehend ist aber der Einwand, das Erstgericht hätte iSd §§ 31, 40 StGB auf ein im Entscheidungszeitpunkt noch nicht rechtskräftiges (Tatzeiträume bis November 2005 betreffendes - ON 105) Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 12. April 2006 Bedacht nehmen müssen, nicht nachvollziehbar.

Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass fallbezogen - trotz mittlerweile eingetretener Rechtskraft - auch im Berufungsverfahren nicht auf das oa Urteil des Landesgerichtes St. Pölten Bedacht zu nehmen sein wird, weil die Tatrichter (insoweit rechtsrichtig) eine Zusatzstrafe zum Urteil des Bezirksgerichtes Bruck an der Leitha vom 3. Februar 2005 aussprachen (US 3). Liegen nämlich zwischen der Tatbegehung und der Aburteilung mehrere bestrafende Urteile, ist nach ständiger Rechtsprechung nur dann auf alle Bedacht zu nehmen, wenn sämtliche Taten vor dem ersten Urteil liegen, somit alle Entscheidungen durch das in § 31 Abs 1 StGB beschriebene Verhältnis verknüpft sind. Im - hier gegebenen - Fall mehrerer nicht gemäß dieser Bestimmung verbundener Vor-Urteile hingegen ist nur auf das tatnächste Bedacht zu nehmen (zuletzt 12 Os 17/06a, 15 Os 82/06g). Wenngleich das Ersturteil die dem Beschwerdeführer angelasteten Taten zu Recht zu einer strafbaren Handlung, nämlich der Subsumtionseinheit des Verbrechens des schweren, durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 und Z 2 StGB zusammenfasst (US 3), ist das Zusammentreffen mit der im Urteil des Bezirksgerichtes Bruck an der Leitha vom 3. Februar 2005 angenommenen strafbaren Handlung (S 107/III) erschwerend zu werten (Ratz in WK² § 40 Rz 2). Der auf das strafbemessende Heranziehen dieses Umstandes neben (ua) der Tatwiederholung (US 11) bezogene Beschwerdehinweis, dass bei Zusammentreffen der in § 33 Z 1 StGB genannten Umstände mit Tatwiederholung nur ein einziger Erschwerungsgrund vorliegt, trifft zwar zu (15 Os 61/96, ÖJZ-LSK 1996/314), der hieraus abgeleitete Schluss, die kumulativ aggravierende Wertung beider Momente verstoße gegen das Doppelverwertungsverbot, ist aber verfehlt, weil das Gewicht dieses Erschwerungsumstandes durch das Zusammentreffen der Varianten entsprechend erhöht wird (11 Os 27/05p).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen. Rechtlich verfehlt ist die Bedachtnahme (nicht nur auf das Urteil des Bezirksgerichtes Bruck an der Leitha vom 3. Februar 2005, sondern auch) auf das - am 29. Mai 2005 begangene Taten betreffende (ON 17 in ON 82) - Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 27. Juni 2005 (US 3). Diesbezüglich wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen zur Sanktionsrüge verwiesen.

Darüber hinaus verkennt das Erstgericht (US 11), dass die Bestimmung des § 39 StGB keine Veränderung der Strafsätze bewirkt, sondern bloß eine fakultativ anzuwendende Strafbemessungsvorschrift darstellt (13 Os 64/75, SSt 46/40 [verst Sen]; zuletzt 11 Os 93/05v, 12 Os 84/05b, 14 Os 128/05p).

Die Annahme eines falschen Strafrahmens zwingt aber zu keiner amtswegigen Maßnahme nach §§ 281 Abs 1 Z 11 erster Fall, 290 Abs 1 zweiter Satz StPO, weil diesem Umstand bei der Berufungsentscheidung Rechnung getragen werden kann (RIS-Justiz RS0119220, va 11 Os 89/04). Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Gerichtshof zweiter Instanz zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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