JudikaturJustiz11Os109/96

11Os109/96 – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. Oktober 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14.Oktober 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ebner, Dr.Schmucker, Dr.Habl und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Rohan als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Maria R***** wegen des Verbrechens des Menschenhandels nach § 217 Abs 1 zweiter Fall StGB über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Schöffengericht vom 14.März 1995, GZ 14 Vr 198/94-21, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Schroll, jedoch in Abwesenheit der Verurteilten und ihres Verteidigers zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Landesgerichtes Wels vom 14.März 1995, GZ 14 Vr 198/94-21, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 217 Abs 1 StGB.

Dieses Urteil wird aufgehoben und es wird gemäß §§ 292, 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Maria Ra***** wird von der Anklage, sie habe in Wels Personen, mögen sie auch bereits der gewerbsmäßigen Unzucht ergeben gewesen sein, nämlich die in der Folge genannten acht Staatsangehörigen der dominikanischen Republik, dieser Unzucht in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen oder in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, nämlich in Österreich, dadurch, daß sie als Geschäftsführerin und Pächterin des Nachtlokals "F*****" in Wels den acht Frauen im genannten Objekt Unterkunft gegen Bezahlung eines Betrages von 150 S pro Tag und Person, sonntags 50 S gewährte, Räumlichkeiten zur Ausübung der gewerbsmäßigen Prostitution gegen Entrichtung eines Pauschalbetrages von 3.000 S pro Monat und Person zur Verfügung stellte sowie für die acht Frauen die Meldezettel, Aufenthaltsbescheinigungen und Gesundheitsbücher beschaffte, die diesbezüglichen Anträge ausfüllte und sämtliche Behördengänge erledigte, zu nachgenannten Zeiten zugeführt, und zwar

Maria Margarita V***** vom 27.September 1991 bis Februar 1992; Maritza B***** vom 2.November bis 23.August 1994, Maria Joselin P***** vom 11.November 1992 bis 31.März 1994, Clara Elena S***** vom 2. Dezember 1992 bis 23.August 1994, Maria Dolores B***** von Anfang 1989 bis 23.August 1994, Ana del Carmen V***** vom 22.Dezember 1992 bis 26.April 1994, Felipa A***** vom 5.März 1993 bis 26.April 1994 und Angele Re***** vom 10.November 1993 bis 31.März 1994, wobei sie die Taten gewerbsmäßig begangen habe; sie habe hiedurch das Verbrechen des Menschenhandels nach § 217 Abs 1 zweiter Fall StGB begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Text

Gründe:

Maria Ra***** wurde mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichtes Wels als Schöffengericht vom 14.März 1995, Gz 14 Vr 198/94-21, des Verbrechens des Menschenhandels nach § 217 Abs 1 zweiter Fall StGB schuldig erkannt, weil sie in Wels gewerbsmäßig die im Spruch genannten acht Staatsangehörigen der Dominikanischen Republik, mögen diese Personen auch bereits der gewerbsmäßigen Unzucht ergeben gewesen sein, dieser Unzucht in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen oder in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, dadurch zugeführt habe, daß sie als Geschäftsführerin und Pächterin des Nachtlokales "F*****" den eingangs genannten acht Frauen in diesem Objekt in den ebenfalls im Spruch dargelegten Zeiten Unterkunft gegen Bezahlung eines Betrages von 150 S pro Tag und Person, sonntags 50 S gewährte, Räumlichkeiten zur Ausübung der gewerbsmäßigen Prostitution gegen Entrichtung eines Pauschalbetrages von 3.000 S pro Monat und Person zur Verfügung stellte, sowie für die acht Frauen Meldezettel, Aufenthaltsbescheinigungen und Gesundheitsbücher beschaffte, die diesbezüglichen Anträge ausfüllte und sämtliche Behördengänge erledigte.

Den Urteilsfeststellungen zufolge gliederte die Angeklagte die Ausländerinnen in den Betrieb des Bordells ein. Die acht Frauen waren lediglich zu dem Zweck nach Österreich gekommen, um mit dem hier durch Prostitution verdienten Geld ihre in Santo Domingo verbliebenen Familien zu ernähren. Sie entschieden sich unter dem Druck der ärmlichen Verhältnisse in ihrem Heimatland zur Prostitutionsausübung in Österreich. Die meisten wußten schon vor der Abreise aus ihrem Heimatland, daß sie die Prostitution auszuüben hätten. Der Monatsverdienst im Betrieb der Angeklagten lag pro Person zwischen 8.000 S bis 15.000 S. Von diesem Geld hatten die Frauen die Zahlungen für die Separeebenützung und die Unterkunft zu leisten. Sie konnten die verbleibenden Summen für sich behalten und überwiesen - je nach Verdienst - einen Betrag zwischen 200 US-Dollar und 400 US-Dollar monatlich nach Santo Domingo. Die meisten Frauen hatten außerhalb des Betriebes der Angeklagten keine sozialen Kontakte. Einige hätten lieber eine andere Arbeit ausgeübt, jedoch war ihnen dies mangels Sprachkenntnissen, Ausbildung und Bewilligung nicht möglich.

Zumindest am Beginn der Tätigkeit im Bordell erledigte die Angeklagte die erforderlichen Behördenwege für die Prostituierten. Sie waren ordnungsgemäß polizeilich angemeldet, verfügten über die erforderlichen Aufenthalts- bewilligungen, Sozialversicherungsnachweise und Nachweise über die vorgeschriebenen Kontrolluntersuchungen. Im übrigen waren sie auch im Besitz ihrer Reisepässe, einige von ihnen verbrachten Kurzurlaube in ihrer Heimat. Zum Teil hatten sich die Frauen schon vor der Tätigkeit in dem von der Angeklagten geführten Bordell kürzere oder längere Zeit in Österreich aufgehalten, zwei von ihnen bereits als Tänzerinnen gearbeitet. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes machten sie allerdings Österreich nur zum Mittelpunkt ihrer wirtschaftlichen Existenz (was der Angeklagten auch bekannt war).

Diesen Sachverhalt beurteilte das Schöffengericht als das Verbrechen des gewerbsmäßigen Menschenhandels nach § 217 Abs 1 letzter Halbsatz StGB, weil Maria Ra***** die aus der Dominikanischen Republik stammenden Frauen durch Gewährung von Unterkunft und Bereitstellung von Räumlichkeiten zur Ausübung der Prostitution sowie Beschaffung von erforderlichen Dokumenten und Erledigung anderer Behördengänge der gewerbsmäßigen Unzucht zugeführt hatte. Unter Zuführen sei nämlich jede Tätigkeit zu verstehen, die darauf abzielt, eine andere Person zur Ausübung der gewerbsmäßigen Prostitution im Ausland zu veranlassen, das Opfer also dazu zu bringen, die Prostitution in einem anderen als im Heimatstaat auszuüben. Die Gewährung von Unterkunft und Bereitstellen von Räumlichkeiten zur Ausübung der Prostitution sowie die Beschaffung von Meldezetteln und andere Behördengänge, somit die Eingliederung der Mädchen in einem bestehenden Bordellbetrieb entsprächen diesem Begriff des Zuführens (US 9).

In seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde wendet sich der Generalprokurator gegen die rechtliche Beurteilung des Maria R***** zur Last liegenden Sachverhaltes als Verbrechen des Menschenhandels, indem er ausführt:

Gemäß § 217 Abs 1 StGB begeht einen Menschenhandel, wer eine Person, mag sie auch bereits der gewerbsmäßigen Unzucht ergeben sein, dieser Unzucht in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt oder in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, zuführt oder sie hiefür anwirbt. Die Rechtsfrage, welche Bedingungen über die tatbestandsmäßigen persönlichen und örtlichen Voraussetzungen hinaus vorliegen müssen, um die Eingliederung einer Prostituierten in einen Bordellbetrieb als Verübung dieses Deliktes zu beurteilen, wurde in jüngster Zeit von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (und auch in Stellungnahmen der Generalprokuratur) nicht einheitlich beantwortet:

(1) Eine Ansicht (11 Os 5/95) ging dahin, daß unter einem tatbestandsmäßigen Zuführen zur gewerbsmäßigen Unzucht jede Tätigkeit zu verstehen sei, die darauf abzielt, eine Person zur Ausübung der Prostitution im Ausland zu veranlassen, das Opfer also dazu zu bringen, die Prostitution, der es allenfalls ergeben ist, in einem anderen als im Heimatstaat auszuüben. Die Gewährung von Unterkunft und Verpflegung und das kontinuierliche Beistellen von Räumlichkeiten zur Ausübung der Prostitution, sohin die totale Eingliederung in einen bestehenden Bordellbetrieb, entspreche einem Zuführen im Sinne des § 217 Abs 1 StGB. Die Strafdrohung solle schon vor der in jeder Prostitutionsausübung in einem fremden Staat gelegenen abstrakten Gefährdung des Opfers schützen, sodaß es insoweit nicht darauf ankomme, ob die Prostituierte sich in einem Abhängigkeitsverhältnis befindet oder daran gehindert ist, mit den Behörden Kontakt aufzunehmen oder in ihr Herkunftsland zurückzukehren.

(2) Im Gegensatz dazu wurde die Meinung entwickelt (13 Os 17, 21/95), daß der Begriff des Zuführens nach § 217 Abs 1 StGB nur als massive und gezielte Einflußnahme auf das Schutzobjekt zur Ausrichtung seiner gesamten Lebensführung als Prostituierte in einem fremden Staat zu verstehen sei, wogegen die Aufnahme und bloße Eingliederung einer Ausländerin in ein Bordell in Österreich oder der Betrieb eines solchen mit ausländischen Prostituierten nicht erfaßt werde. Die umsichtige Begründung der Entscheidung 13 Os 17, 21/95 des Obersten Gerichtshofes versuchte den Nachweis, daß alle in Betracht kommenden Interpretationsmethoden ohne notwendige Wertungsent- scheidung zur gefundenen Lösung führen. Dabei konnten nicht sämtliche Ausgangspositionen für ein kontroverses Verständnis des Gesetzes widerspruchsfrei harmoniert werden, wie sich daraus ergibt, daß einerseits der Tatbestand als abstraktes Gefährdungsdelikt charakterisiert ist (S 10) und andererseits der Normzweck nicht in der Hintanhaltung eines ohne Rücksicht auf ungefährliche Einzelfallgestaltungen wegen regelmäßiger Gefährlichkeit generell untersagten Verhaltens, sondern im Schutz vor einer konkreten Rechtsgutbeeinträchtigung - nämlich der Schaffung eines spezifischen Abhängigkeitsverhältnisses - erblickt wird (S 18).

(3) Weitere Ansichten betonen ebenfalls, daß "Zuführen" eine gezielte Einflußnahme auf das Schutzobjekt mit Rat und Tat darstellen müssen, wobei die Eingliederung einer Person in einen Bordellbetrieb nur nach Maßgabe von Zusatzerfordernissen als Tathandlung in Betracht komme:

Ein erfaßbares Zuführen liege vor, wenn sich aus den Umständen die Ausnützung eines drückenden Abhängigkeitsverhältnisses ergibt (14 Os 79/95), wenn das Schutzobjekt in der Frei- zügigkeit eingeengt wird (11 Os 31/96) oder - nach anderer Meinung - das Täterverhalten die Gefahr umfassender Abhängigkeit bis hin zum Verlust der sexuellen Dispositionsfreiheit aktualisiert hat (12 Os 13/96).

Die Generalprokuratur ist bestrebt, mit dieser kurzen Aufzählung die für das Anlaßproblem (Bordellbetrieb mit ausländischen Prostituierten) bestehenden Judikaturstandpunkte ihren Reichweiten und ihren Kernaussagen nach anschaulich wiederzugeben. Es handelt sich dabei um typische Beispielsfälle, die in den Jahren 1995 oder 1996 entschieden wurden. Damit ist weder die gesamte einschlägige Judikatur aus dieser Zeit erfaßt, noch jede Nuance oder jede Standpunktkombination (etwa in 14 Os 79/95 und 11 Os 31/96) dieser Rechtsprechung berücksichtigt. Aus der Sicht der Generalprokuratur reicht der exemplifizierte Meinungs- stand aus, um dem Obersten Gerichtshof die Überprüfung zu empfehlen, ob ein Vorgehen nach § 8 Abs 1 Z 2 OGHG angebracht ist. Dabei weiß sich die der Rechtseinheit verpflichtete Generalprokuratur in der Bewertung der Wichtigkeit einer einheitlichen Rechtsprechung ebenso in Übereinstimmung mit dem Obersten Gerichtshof wie mit der Auffassung, daß auch ein unbefriedigender Gesetzestext nur im Rahmen der Auslegung seine Anwendungsgrenzen finden kann und die darüber hinausgehende Korrektur allein dem Gesetzgeber zukommt. Anschließende Bemühungen um eine zeitangepaßte Rechtsfindung im Auslegungswege sollen keineswegs die für den Gesetzgeber - dessen Aufgeschlossenheit gegenüber Novellierungen des Strafgesetzbuches durch mehrere Gesetzesänderungen dokumentiert ist - wegen der divergierenden Judikaturentwicklung naheliegende Überprüfung eines Änderungsbedarfes hintanhalten.

Ursprung der Auslegungsschwierigkeiten beim Grundtatbestand des § 217 Abs 1 StGB ist, daß das Gesetz unter der an sich einen schweren kriminellen Angriff auf die Freiheit ausdrückenden Überschrift "Menschenhandel" ein Verbot umschreibt, welches dem (alleinigen) Normwortlaut nach nicht einmal die allgemeine Verursachung der Prostitution einer Person betrifft, sondern (bloß) eine Einflußnahme auf einen örtlichen Umstand der Prostitutionsausübung, die außerhalb des Heimatstaates oder Aufenthaltstaates der Person stattfinden soll. Dieses der Wortbedeutung nach auf eine grenzüberschreitende Verlagerung von Prostitution konzentrierte und mit der Deliktsbezeichnung nicht übereinstimmende Verbot ist zudem mit einer Sanktion (Grundstrafdrohung: sechs Monate bis fünf Jahre Freiheitsstrafe) verknüpft, die strenger ist als die Strafe für (einfache) Freiheitsentziehung (§ 99 Abs 1 StGB) und beispielsweise der Strafdrohung für die Entführung einer willenlosen oder wehrlosen Frau (§ 110 StGB) oder die Entführung einer unmündigen Person (§ 101 StGB) gleichkommt. Die in der Strafdrohung enthaltene und auf ein erhöhtes Gewicht des geschützten Rechtsgutes hinweisende Bewertung des Tatunrechts durch den Gesetzgeber spricht dafür, daß das Delikt nicht auf eine generelle Abwehr von Betätigungen zugeschnitten ist, die eine freiwillige grenzüberschreitende Ortsveränderung zwecks freiwilliger Prostitutionsausübung bewirken, sondern daß der gesetzliche Wertungsgesichtspunkt von einem gravierenderen Täterverhalten bestimmt sein muß.

Akzeptiert man die Höhe der Strafdrohung als Interpretationsansatz (Jeschek5 158; Schönke/Schröder24 § 1 RN 49), dann bietet sich als naheliegendes Mittel einer dem Normzweck verbundenen Grenzziehung die Deliktsbe- zeichnung an ("Menschenhandel"), welche vom Gesetzgeber stammt und demgemäß zur Auslegung herangezogen werden kann (Leukauf/Steininger Komm3 § 1 RN 15). Da es bei Gesetzesauslegung um das Verständnis des rechtlichen Sinns eines Textes geht, darf hier nicht die Bedeutung eines "Menschenhandels" im allgemeinen Sprachgebrauch unterstellt werden, sondern der in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage des StGB (30 BlgNR 12.GP 363 ff) diesem juristischen Ausdruck zugeschriebene Begriffsinhalt. Die dort ersichtliche Terminologieentwicklung weist den "Menschen- handel" als geschlechtsneutral formulierten Überbegriff aus, der "Mädchenhandel", "Frauenhandel" sowie "Kinderhandel" umfaßt und der ein "besonders gefährliches und schamloses Verbrechen" betrifft, mit dem sich "dunkle Existenzen" abgeben, denen "bei ihren raffinierten Machenschaften und den asozialen Helfershelfern, deren sie sich bedienen, eine gewerbsmäßige Begehung nur schwer nachgewiesen werden könnte". Sinn und Zweck des Tatbestandes nach § 217 Abs 1 StGB läßt sich ohne Wertungswiderspruch dadurch erfassen und umsetzen, daß in die Handlungsbeschreibung der Verbotsnorm zusätzlich das Merkmal eines Menschenhandels - in der dem Willen des Gesetzes entsprechenden Bedeutung - einbezogen wird. Eine solche Einbindung der Deliktsbezeichnung zur Ermittlung der Reichweite eines Gesetzestextes hat übrigens in der Judikatur auch in Ansehung des Tatbestands der Neutralitätsgefährdung (§ 320 StGB) stattgefunden (siehe hiezu JBl 1992 372 ff, insbes 379).

Aus dieser teleologisch determinierten Sicht begeht das Verbrechen nach § 217 Abs 1 StGB, wer eine Person der Prostitutionsausübung in einem anderen als ihrem Heimatstaat oder Aufenthaltsstaat zuführt oder sie hiefür anwirbt, wenn diese Person hiedurch tätergewollt in ein Abhängigkeitsverhältnis gerät (bei Anwerbung: geraten soll), das die Gewinnung behördlichen Schutzes erschwert und die Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt, ob das unzüchtige Gewerbe tatsächlich begonnen oder fortgesetzt werden soll. In der Diktion der genannten Materialien zielt das strafgesetzliche Verbot auf Verhaltensweisen ab, durch die für "verhandelte Personen" im Zusammenhang mit der Prostitutionsausübung in einem fremden Staat eine Situation geschaffen wird, in der es in der Regel keine Rückkehr in die Heimat und zu einer anständigen Lebensweise gibt. Dieses Tatbestandsverhältnis wird auch durch einen deutlichen Auslandsbezug in den Erläuterungen gestützt, wonach dabei an "die allgemeinen Verhältnisse" gedacht worden sei, die in Staaten herrschen, nach deren Gebiet der Mädchenhandel typischerweise erfolgt.

Die Generalprokuratur gibt dem beschriebenen Auslegungsweg und auch dem Auslegungsergebnis den Vorzug vor den Versuchen, dem Tatbestand allein durch verschiedene die Gesetzesintentionen berücksichtigende, aber den Begriffsinhalt stark modifizierende Anforderungen an die Deliktshandlung des "Zuführens" (zur gewerbsmäßigen Unzucht) die der Lebensrealität und der Wertordnung entsprechenden Konturen zu verschaffen.

Dem Verständnis des Zuführens als gezielte und massive Einflußnahme auf die tatbetroffene Person (durch mannigfaltige Aktivitäten: zB mit Rat und Tat) sind nämlich in mehrfacher Hinsicht enge Grenzen gezogen: Zunächst stellt das Gesetz dieses "Zuführen" dem einer derart erweiterten Sinnunterlegung weniger zugänglichen "Anwerben" - welches wohl nur durch Äußerungen gesetzt werden kann - gleich, weshalb eine den logischen Bedeutungskonnex beachtende Interpretation der Norm insoweit keine übergroßen Gewichtungsunterschiede unterstellen darf. Nach allgemeiner Auffassung wird nämlich dieses Anwerben durch schlichte Verpflichtung jemandes zur Prostitutionsausübung verwirk- licht. Weiters ergibt sich als zentrale Auslegungsposition aus der strengeren Pönalisierung bestimmter Tatbegehungsmittel (Täuschung, Gewalt, gefährliche Drohung, Ausnützung eines Irrtums) im § 217 Abs 2 StGB, daß das "Zuführen" nach § 217 Abs 1 StGB weder durch strafgesetzwidrige Begleitumstände, noch durch rechtswidrige Beeinflussungsmethoden gekennzeichnet sein muß. Damit wird fraglich, inwieweit die von einem Teil der Judikatur mit besonderer Betonung geforderte, aber bisher nicht fallbezogen erläuterte Massivität und Zielgerichtetheit der Willensbeeinflussung des Schutzobjekts bezüglich einer Lebensführung als Prostituierte in einem fremden Land überhaupt noch einen ausreichenden Anwendungsbereich zur Verfügung hat. Im Zusammenhang damit angestellte Überlegungen, wonach "Zuführen" ein intensiveres Täterverhalten umschreibt als "Herbeiführen", vermögen zwar die Annahme einer solcherart umschriebenen Mittlertätigkeit zu tragen, nicht jedoch die Auffassung, wonach eine besondere Einflußnahme des Täters gerade auf die Willenssphäre des Schutzobjekts vorausgesetzt wird. Immerhin ist unter den (in 13 Os 17, 21/95 und 13 Os 22/95) als Beispiele für die gesetzliche Anforderung nach einem intensiveren Täterverhalten angeführten gesetzlichen Bestimmungen auch ein Tatbestand mit einem willenlosen Opfer (§ 100 StGB), woraus jedenfalls geschlossen werden kann, das ein mit "Zuführen" umschriebenes Täterverhalten sich nicht unbedingt auf die Willensbeeinflussung des Schutzobjekts beziehen braucht. Schließlich kann das Verständnis des "Zuführens" als gezielte und massive Einflußnahme auf die betroffene Person mit dieser abstrakt gehaltenen Umschreibung nicht immer einem Rechts- schutzerfordernis dienen, weil etwa auch die massive Verbesserung der Lebensbedingungen einer Person als Beeinflussungsmittel in Betracht kommt und insoweit mit zunehmender Intensität des Täterverhaltens nicht das Tatunrecht steigen, sondern das angenommene Strafbedürfnis zurückgehen würde.

Bei der letztgenannten Überlegung verkennt die Generalprokuratur nicht, daß ein Teil der Judikatur (siehe 3) als "Zuführen" ohnehin nur solche Einflußnahmen gelten lassen will, die auf eine freizügigkeitsbeschränkende Abhängigkeit der betroffenen Person ausgerichtet sind. Diese Standpunkte decken sich weitgehend mit dem Ergebnis der durch Berücksichtigung der Deliktsbezeichnung gewonnenen Gesetzesauslegung, wobei letztere Methode die Gefahr einer die Wortbedeutung sprengenden Überfrachtung des Begriffes "Zuführen" ebenso vermeidet wie die Schaffung eines logisch kaum überbrückbaren Gefälles zwischen den gesetzlich als gleichwertig angesehenen Begehungsweisen des Zuführens und des Anwerbens. Nach dem Sprachverständnis der Generalprokuratur kommt nämlich im "Zuführen zur gewerbsmäßigen Unzucht" auch in der weitestgehenden Wortlautbedeutung weder ein Ausbeutungsverhalten noch die Herstellung eines umfassenden Abhängigkeitsverhältnisses zum Ausdruck.

Für den Anlaßfall ergibt die dargelegte rechtliche Sicht auf die Urteilsfeststellungen, daß die Angeklagte die betreffenden Ausländerinnen sehr wohl der Prostitutionsausübung zugeführt hat, weil die mit umfassenden Vorkehrungen verbundene Eingliederung in einen Bordellbetrieb eine maßgebliche Mittlertätigkeit zwischen den Prostituierten einerseits und der Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht andererseits bedeutet, sodaß es mit dem Gesetzeswortlaut nicht vereinbar wäre, für die Erfüllung der Verhaltensumschreibung noch weitere Täterhandlungen zu fordern (SSt 50/59). Das Verhalten der Angeklagten war jedoch nicht zusätzlich mit der vom Gesetz vorausgesetzten spezifischen Gestaltung der Daseinsbedingungen für die betroffenen Personen verbunden, die hiedurch in ihrer Entscheidungsfreiheit über Beginn oder Fortsetzung der Prostitutionsausübung beeinträchtigt sein müssen. Aus den Urteilsannahmen über die Dispositionsmöglichkeiten der Ausländerinnen bezüglich ihres Aufenthalts und ihrer Tätigkeit läßt sich ableiten, daß keine tatbestandsmäßigen Abhängigkeitsverhältnisse vorlagen und die Angeklagte demgemäß das Delikt des Menschenhandels nicht verwirklicht hat.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Ausführungen ist weitgehend und - auf den vorliegenden Sachverhalt bezogen - auch im Ergebnis beizupflichten.

Nicht anzuschließen vermag sich der Oberste Gerichtshof dem in der Beschwerde unternommenen Versuch, den Anwendungsbereich des § 217 Abs 1 StGB dadurch einzuschränken, daß dem Tatbestand durch Einbeziehung der (teleologisch interpretierten) Deliktsbezeichnung "Menschenhandel" ein zusätzliches Merkmal, nämlich jenes der Begründung eines Abhängigkeitsverhältnisses, hinzugefügt wird.

Damit nähert sich die Generalprokuratur der Lehre von den "offenen" Tatbeständen, die davon ausgeht, daß es im Strafrecht Tatbestände gebe, aus denen sich die Unrechtsmerkmale der betreffenden Deliktsart nicht vollständig, sondern nur teilweise entnehmen ließen, weshalb das Fehlende durch Merkmale zu ergänzen sei, die außerhalb des Tatbestandes stehen.

Diese Auffassung ist mit dem Aufbau des Strafrechtes als Typenstrafrecht nicht vereinbar; denn der Tatbestand muß, wird er als Unrechtstypus verstanden, sämtliche den Unrechtsgehalt einer Deliktsart mitbestimmende Merkmale ohne Ausnahme enthalten und kann mithin nur "geschlossen" gedacht werden (vgl Leukauf/Steininger Komm3 Vorb zu § 1 RN 52; Jescheck AT5 245, 247; Triffterer AT2 200).

Ausgehend von der teleologischen Auslegungsmethode, die bei neuen Gesetzen mit Bezugnahme auf das Zeitmoment tunlichst - bei Bedacht auf die Materialien - anzuwenden ist (Jeschek aaO 157), ist die Beurteilung, ob ein Verhalten nach § 217 StGB strafbar ist, durch Ermittlung des - innerhalb der Grenzen des äußersten Wortsinnes liegenden - Aussageinhaltes, somit des Regelungszweckes dieser Norm, vorzugehen.

Maßgebliches Kriterium für die richtige Auslegung innerhalb des Bereichs mehrerer methodisch zulässiger und denkbarer Varianten ist zunächst die Frage nach dem hinter dem Delikt stehenden ideellen Wert, also dem Rechtsgut (als welches von der Gesamtheit oder der relevanten Mehrheit der staatlichen Gemeinschaft anerkannte Interessen gelten: vgl Maurach/Zipf AT I8 § 19 RN 8, Roxin AT I § 2 RN 38), dessen Schutz die Verbotsnorm bezweckt, und nach den Gefahren für dieses Rechtsgut, welchen die Strafdrohung des § 217 (Abs 1) StGB gezielt entgegenwirken will, maW nach deren Schutzzweck.

Nach den Gesetzesmaterialien (30 BlgNR XIII GP 363 ff) verfolgt der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 217 StGB das Ziel, den Frauen- und Kinderhandel in einem eigenen Tatbild zu pönalisieren. Durch die selbständige und erschöpfende Behandlung dieses "besonders gefährlichen und schamlosen Verbrechens", das damit aus dem Zusammenhang mit der - minder streng bedrohten - Kuppelei gelöst wurde, sollte die Erfüllung zwischenstaatlicher Verpflichtungen, die Österreich durch den Beitritt zu diversen internationalen Übereinkommen, zur Bekämpfung des Frauen-, Mädchen- und Kinderhandels (s hiezu 13 Os 17,21/95) übernommen hat, deutlich in Erscheinung treten.

Bei Normierung der Strafbestimmung des § 217 Abs 1 StGB, (dessen Handlungsobjekt auch eine Person sein kann, die weiß, daß sie im fremden Staat gewerbsmäßig Unzucht ausüben soll) ließ sich der Gesetzgeber von der Überlegung leiten, daß die verhandelten Personen im Fremdstaat regelmäßig in Abhängigkeitsverhältnissen (zB in Bordellen) leben, die es ihnen schwer oder unmöglich machen, mit den Behörden Kontakt aufzunehmen und von ihnen Schutz zu gewinnen. Sie könnten daher nicht mehr frei darüber entscheiden, ob sie das unzüchtige Gewerbe tatsächlich beginnen oder fortsetzen sollen, mit anderen Worten, es gebe für sie in der Regel keine Rückkehr in die Heimat und zu einem anständigen Lebenswandel. Die Erfahrung lehre, daß sich die verkuppelten Personen dieser Gefahren überhaupt nicht bewußt sind oder sie doch zumindest unterschätzen.

Aus den erwähnten Materialien ergibt sich daher, daß das durch § 217 Abs 1 StGB geschützte Rechtsgut die Freiheit der sexuellen Selbstbestimmung einer ins Ausland "verhandelten" Person ist.

Die für den angestrebten Schutz dieses Rechtsgutes bestimmenden Parameter wie insbesondere das nur schwer lösbare Abhängigkeitsverhältnis des (vom Rechtsgut zu unterscheidenden) Handlungsobjektes haben nun aber, sieht man von der grenzüberschreitenden Ortsveränderung ab, im typisierten Tatbestand keine Aufnahme gefunden. Ebensowenig ist der Eintritt einer Verletzung oder Gefährdung des geschützten Rechtsgutes Tatbestandserfordernis.

Weil das geschützte Rechtsgut im Tatbestand des § 217 Abs 1 StGB nicht genannt ist, sondern nur das Motiv für die Schaffung dieser Strafvorschrift bildet, gelangte ein Teil des Schrifttums (vgl Pallin in WK § 217 Rz 1) zur Überzeugung, daß § 217 StGB ein abstraktes Gefährdungsdelikt sei, was allerdings nach Lage des Falls wegen mangelnder Relevanz dahingestellt bleiben kann.

Tatbestandsvoraussetzung ist im Falle des § 217 Abs 1 StGB vielmehr das Anwerben oder Zuführen einer insofern geschützten Person zur Ausübung der Prostitution in einem für sie fremden Staat. Bereits dadurch wird das Delikt verwirklicht. Daß es in der Folge zu einem Abhängigkeitsverhältnis mit den befürchteten Konsequenzen tatsächlich kommt oder auch nur kommen soll, ist demnach nicht erforderlich.

Aus der - gegenüber dem Vergehen der Förderung gewerbsmäßiger Unzucht nach § 215 StGB, welches ebenfalls durch "Zuführen" begangen wird - wesentlich höheren Strafdrohung des § 217 Abs 1 StGB, ist zu erkennen, daß diesem Delikt, worauf auch die Beschwerde hinweist, vom Gesetzgeber ein gravierender Unrechtsgehalt unterstellt wurde. Dies erweist sich deshalb als gerechtfertigt, weil das hier gegenüber § 215 StGB zusätzliche Tatbildmerkmal der grenzüberschreitenden Ortsveränderung entsprechend akzen- tuiert wird: zum ersten wird dadurch dem spezifischen Schutzzweck dieses Deliktes Rechnung getragen, kommt es doch beim Menschenhandel, anders als bei der Förderung gewerbsmäßiger Unzucht, nicht darauf an, daß das Opfer dazu bewogen wird, seinen Lebenswandel in den einer Prostituierten zu ändern, sondern darauf, daß es dazu gebracht wird, ihren (durch Staatsangehörigkeit oder Aufenthalt bestimmten) Heimatstaat zur Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht im Fremdstaat zu verlassen; zum anderen ist angesichts des sprachlich auch eine ausdehnende Auslegung zulassenden normativen Begriffes des "Zuführens" eine einschränkende Interpretation geboten. Daß auch der Gesetzgeber nicht schlechthin jedes Bewirken einer grenz- überschreitenden Ortsveränderung zur Ausübung der Prostitution erfassen wollte, zeigt sich ua darin, daß der Ministerialentwurf 1964 als Tathandlung neben dem Anwerben auch das Befördern in einen anderen Staat (in dem die verhandelte Person die gewerbsmäßige Unzucht ausüben soll) angeführt hat, die Regierungsvorlage des StGB jedoch an stelle des "Befördern" den Begriff des Zuführens verwendete, weil sie jenen des Beförderns als viel zu weitgehend ansah, sodaß eine solche Gestaltung des Tatbildes zur Pönalisierung nicht strafwürdiger Fälle führen würde (30 BlgNR XIII GP 365). Daraus folgt, daß unter "Zuführen" jedenfalls mehr als "Befördern", nämlich zumindest eine qualifizierte Vermittlertätigkeit verstanden werden muß.

Auch der Umstand, daß die ursprünglich vorgesehene Beschränkung der Strafbarkeit des Menschenhandels auf Fälle gewerbsmäßiger Tatbegehung mit der Begründung fallengelassen wurde, daß den "dunklen Existenzen, die sich mit Kinder- und Frauenhandel abgeben, bei ihren raffinierten Machenschaften und den asozialen Helfershelfern, deren sie sich bedienen, eine gewerbsmäßige Begehung nur schwer nachgewiesen werden könnte" (30 BlgNR XIII GP 365), beweist, daß der Gesetzgeber unter "Zuführen" auch dann, wenn damit keine gesetzwidrigen Begleitumstände verbunden sind (bei deren Vorliegen die strengere Strafdrohung des § 217 Abs 2 eingreift), nur ein intensives Täterverhalten bestrafen wollte.

Gleiches erhellt aus den erwähnten Gesetzesmaterialien, die beim ersten Deliktsfall des § 217 Abs 1 StGB von einem qualifizierten Fall der Förderung gewerbsmäßiger Unzucht sprechen.

Zusammenfassend läßt sich daher der Begriff des "Zuführens" im Kontext seiner Verwendung in § 217 Abs 1 StGB plausibel nur als aktive und gezielte Einflußnahme auf das Schutzobjekt zur Verlagerung der gesamten Lebensführung als Prostituierte in einem fremden Staat interpretieren.

Diese Auffassung, daß es nämlich beim Zuführen iSd § 217 Abs 1 StGB auf eine intensive Einflußnahme auf das Tatobjekt, und zwar auch und gerade dann, wenn es sich um eine Prostituierte handelt, darauf ankommt, die Tätigkeit als Prostituierte ins Ausland zu verlagern, wird auch überwiegend in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vertreten. Das Täterverhalten muß darnach mehr sein als bloßes Raten oder in untergeordneter Weise behilflich sein (SSt 50/59), sondern muß zumindest mit Rat und Tat geschehen (vgl 9 Os 89/79, 13 Os 75/81, 14 Os 149/87, 12 Os 165/91, 11 Os 71/92, 15 Os 83/92, 14 Os 62/93, 13 Os 17,21/95, 13 Os 22/95; Pallin in WK § 217 Rz 5 und 5 a sowie Ergänzung S 25 f und die dort angeführte Judikatur; Leukauf/Steininger aaO § 217 RN 5).

Die Aufnahme und Eingliederung einer solchen Person in ein Bordell ohne eine derartige Einflußnahme kommt somit als "Zuführen" nicht in Betracht.

Die in der Beschwerde gegen diesen bereits in der Entscheidung 13 Os 17,21/95 vorgezeichneten Auslegungsweg geäußerten Bedenken vermag der Oberste Gerichtshof nicht zu teilen. So ist ein "kaum überbrückbares Gefälle" zwischen den alternativen Begehungsweisen des Zuführens und des Anwerbens schon deshalb nicht zu besorgen, weil unter Anwerben nach den auch hier zur Auslegung heranzuziehenden Gesetzesmaterialien und dem als Interpretationskriterium zu beachtenden Rechtsgut das über intensives Betreiben des Täters bewirkte Herbeiführen eines Vertragsabschlusses oder einer Vereinbarung mit einer - wenngleich nicht notwendigerweise zivilrechtlich bindenden - Verpflichtung des Handlungsobjektes zu verstehen ist, durch das es sich gebunden betrachtet, sohin eine dem Zuführen in ihrer Gewichtung durchaus vergleichbare Einflußnahme (in diesem Sinne bereits 12 Os 165/91). Im übrigen erscheint im Hinblick auf obige Erwägungen die Einbeziehung der Deliktsbezeichnung mit Heranziehung einer - den äußersten Wortsinn des Tatbestandes überschreitenden - Interpretation nicht erforderlich.

Im vorliegenden Fall lassen die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen eine aktive und gezielte Einflußnahme der Angeklagten auf die zur Prostitutionsausübung entschlossenen Ausländerinnen zur Verlagerung ihrer Tätigkeit als Prostituierte nach Österreich nicht erkennen.

Der Nichtigkeitsbeschwerde war daher Folge zu geben und, weil Konstatierungen in Richtung eines Zuführens im dargelegten Sinn nach der Aktenlage auch nicht getroffen werden können, in der Sache selbst sogleich mit Freispruch vorzugehen.

Die von der Generalprokuratur angeregte Befassung eines verstärkten Senates des Obersten Gerichtshofs ist nach Lage des Falles nicht geboten. Die hier dargelegte Auffassung orientiert sich an der bereits in 13 Os 17,21/95 entwickelten Rechtsansicht, die auch in 14 Os 79/95 übernommen wurde. Soweit in der letztgenannten Entscheidung zugleich (arg "sei es ... sei es") auch die dolose Ausnützung eines drohenden Abhängigkeitsverhältnisses als tatbestandsmäßiges Zuführen angesehen wird, wird eine Argumentation aufgegriffen, die in Abkehr von der bis dahin einhelligen Rechtsprechung, die im Zuführen iSd § 217 Abs 1 StGB eine über bloß untergeordnete Unterstützungshandlungen hinausgehende, mit Rat und Tat um- schriebene Einwirkung auf die Verlagerung der Tätigkeit als Prostituierte zielende Verhaltensweise verstand, erstmals in 11 Os 134/93 Verwendung fand. Dieser Standpunkt wurde in den folgenden Entscheidungen dieses Senates (11 Os 5/95 und 11 Os 31/96) unter Bedachtnahme auf 13 Os 17,21/95 in nur mehr abgeschwächter Form aufrechterhalten. In 12 Os 13/96 (unter Bezugnahme auf 12 Os 165/91) und 15 Os 54/96 wurde Zuführen als gezielte und massive Einflußnahme, die die Gefahr umfassender Abhängigkeit bis hin zum Verlust der sexuellen Dispositionsfreiheit aktualisiert bzw als gezielte Beeinflussung des Opfers zur Verlagerung seiner Tätigkeit als Prostituierte ins Ausland definiert. Dem entsprachen auch bereits die Entscheidungsbegründungen zu 15 Os 83/92 und 14 Os 62/93, in denen das Schwergericht auf die besondere, die Verlagerung der Prostitutionsausübung ins Ausland bezweckende Vermittlertätigkeit gelegt wurde.

Daraus ist zu ersehen, daß die in 11 Os 134/93 vertretene Auffassung, die - bei Anerkennung des Deliktes des Menschenhandels nach § 217 Abs 1 StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt gleichwohl auch - die dolose Ausnützung eines drückenden Abhängigkeitsverhältnisses und das Ausbeuteverhalten von Bordellbetreibern in den Tatbestand miteinbezog, vereinzelt geblieben ist, zumal auch jene Entscheidungen, die diese Ansicht - in wenngleich abge- schwächter Form - übernommen haben, sich tendenziell der in 13 Os 17,21/95 entwickelten Meinung angenähert haben.

Mit der vorliegenden Entscheidung hält der 11.Senat seine in früheren Erkenntnissen, insbesondere in 11 Os 134/93 eingenommene Position nicht länger aufrecht und räumt der in 13 Os 17,21/95 begonnenen Auslegungslinie den Vorzug ein. Angesichts dessen und im Hinblick auf die aufgezeigte Judikaturentwicklung erschien die Befassung eines verstärkten Senates des Obersten Gerichtshofes daher nicht erforderlich.

Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtssätze
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