JudikaturJustiz11Os108/94

11Os108/94 – OGH Entscheidung

Entscheidung
04. August 1994

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 4.August 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hager und Dr. Mayrhofer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kriz als Schriftführer, in der beim Landesgericht Feldkirch zum AZ 28 Vr 1889/93 anhängigen Strafsache gegen Günther P* und andere wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 und 2, 130 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Grundrechtsbeschwerde des Günther G* gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 28. Juni 1994, AZ 8 Bs 328/94, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Durch den angefochtenen Beschluß wurde Günther G* im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Aufgrund der Note der Regierung des Fürstentums Liechtenstein vom 23. Februar 1994 (III/169 ff) wurde der österreichische Staatsbürger Günther G* am 25. Februar 1994 von Liechtenstein nach Österreich ausgeliefert (III/165). Der Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Feldkirch verhängte am 27. Februar 1994 über ihn im Verfahren zum AZ 28 Vr 1889/93 (gegen Günther P* und andere wegen §§ 127 ff StGB und anderer strafbarer Handlungen) gemäß § 180 Abs 2 Z 1, 2 und 3 lit a StPO die Untersuchungshaft wegen des dringenden Verdachtes des Verbrechens des schweren, gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 und 2, 130 StGB (III/153 ff).

Mit Beschluß vom 7. Juni 1994, GZ 28 Vr 1889/93 72 (III/363 ff), verfügte der Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Feldkirch die Fortsetzung der Untersuchungshaft gemäß § 180 Abs 2 Z 1 und 3 lit a StPO, wobei er den Tatverdacht hinsichtlich eines am 18. Dezember 1993 in Vorarlberg verübten Einbruchsdiebstahls und in Ansehung weiterer 43 in Vorarlberg, 9 in der Schweiz und 10 in Liechtenstein begangener Einbruchsdiebstähle mit einem Gesamtwert der weggenommenen Sachen (einschließlich des Sachschadens) von mehr als 1.700.000 Schilling als dringend beurteilte.

Der gegen diesen Beschluß erhobenen Beschwerde des Beschuldigten G* gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit Beschluß vom 28. Juni 1994, AZ 8 Bs 328/94 (= ON 80 des Vr Aktes), nicht Folge.

Gegen den letztgenannten Beschluß richtet sich die fristgerecht erhobene Grundrechtsbeschwerde des Günther G*, der keine Berechtigung zukommt.

Der Beschwerdeführer behauptet zunächst die Rechtswidrigkeit seiner Anhaltung in Untersuchungshaft in Österreich, weil er seiner Meinung nach aus Liechtenstein ohne rechtskräftige Auslieferungsentscheidung ausgeliefert worden sei. Entgegen der Beschwerdeauffassung vermag selbst eine Fehlerhaftigkeit des ausländischen Auslieferungsverfahrens die Verfolgbarkeit durch österreichische Gerichte nicht zu beeinträchtigen. Diese sind in ihrer Jurisdiktion lediglich durch die Spezialität der Auslieferung eingeschränkt (Art 14 des auch im Verhältnis zu Liechtenstein anwendbaren Europäischen Auslieferungsübereinkommens; § 70 ARHG). Im Übrigen hat die Regierung des Fürstentums Liechtenstein mit Note vom 10. Juni 1994 ausdrücklich erklärt, daß in der Auslieferungssache Günther G* weder gegen die Entscheidung des Fürstlich Liechtensteinischen Obergerichtes noch gegen die Entscheidung der Regierung des Fürstentums Liechtenstein über die Auslieferung und die Nachtragsauslieferung Rechtsmittel ergriffen worden seien, deren Erledigung noch ausstehe oder die der Rechtskraft entgegenstünden; insbesondere sei die Entscheidung der Regierung des Fürstentums Liechtenstein vom 23. Februar 1994 infolge Nichterhebung einer Beschwerde durch die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers in Rechtskraft erwachsen (III/387). Weiters hat die Regierung des Fürstentums Liechtenstein in ihren beiden Noten vom 23. Februar 1994 (III/169 ff) und vom 5. Mai 1994 (III/343 ff) zum Ausdruck gebracht, daß allfälligen Beschwerden betreffend die Zulässigkeit der Auslieferung bzw der Nachtragsauslieferung "die aufschiebende Wirkung entzogen" wird.

Mit der auf einen in Ablichtung vorgelegten Beschwerdeschriftsatz seiner liechtensteinischen Rechtsvertreterin an den Liechtensteinischen Obersten Gerichtshof gestützten Behauptung, er sei "aufgrund nicht existierender rechtskräftiger Entscheidungen" nach Österreich ausgeliefert worden, vermag der Beschwerdeführer daher eine Rechtswidrigkeit der in Österreich über ihn verhängten Untersuchungshaft nicht darzutun.

Von einer ebenfalls auf die "Rechtswidrigkeit seiner Auslieferung" gestützten unverhältnismäßigen Dauer der Untersuchungshaft iSd §§ 180 Abs 1, 193 Abs 2 StPO kann angesichts des Gewichtes der Straftaten, deren der Beschwerdeführer dringend verdächtigt wird, und der daraus resultierenden Strafdrohung (§§ 128 Abs 2, 130 höherer Strafsatz StGB) keine Rede sein.

Wenn sich der Beschwerdeführer schließlich gegen die Verweigerung von Aktenkopien bzw gegen die Öffnung der Verteidigerpost wendet, macht er Umstände geltend, die nicht in den Schutzbereich des Grundrechtes auf persönliche Freiheit fallen (siehe dazu 13 Os 61/94, 14 Os 73/93, 13 Os 51/93 ua).

Da somit Günther G* durch die angefochtene Entscheidung in seinem Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt ist, war seine Beschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.