JudikaturJustiz10Os138/78

10Os138/78 – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. September 1978

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13.September 1978

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Neutzler und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, Dr. Bernardini, Dr. Schneider und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hammer als Schriftführers in der Strafsache gegen Margarete A wegen des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und 2 StGB.

über die von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 19.Februar 1976, GZ. 6 a E Vr 8662/75-7, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 19. Februar 1976, GZ. 6 a E Vr 8662/75-7, verletzt das Gesetz in den Bestimmungen des § 133 Abs. 1 StGB.

(in Verbindung mit § 166 Abs. 1 und 3 StGB.).

Dieses Urteil und alle darauf beruhenden Beschlüsse und Verfügungen werden aufgehoben und es wird gemäß den § 288 Abs. 2 Z. 3, 292 StPO. in der Sache selbst erkannt:

Margarete A wird von der Anklage, sie habe im Jänner und Mai 1975 (in Wien) ein ihr anvertrautes Gut in einem 5.000 S übersteigenden Wert, nämlich ihr als Kuratorin für die vollentmündigte Agnes B - ihre leibliche Mutter - anvertraute Mündelgelder im Gesamtbetrag von 9.000 S sich mit dem Vorsatz zugeeignet, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, und habe hiedurch das Vergehen der Veruntreuung nach dem § 133 Abs. 2 StGB. begangen, gemäß dem § 259 Z. 1 StPO. freigesprochen.

Text

Gründe:

Mit dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 19. Februar 1976, GZ. 6 a E Vr 8662/75-7, wurde die am 26.Jänner 1924 geborene, im Haushalt tätige Margarete A des Vergehens der Veruntreuung nach dem § 133 Abs. 2 StGB. schuldig erkannt und zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten verurteilt, weil sie im Jänner und Mai 1975 in Wien als mit Beschluß des Bezirksgerichts Liesing vom 14.Juni 1973, 4 P 60/73-4, bestellte Kuratorin ihrer vollentmündigten leiblichen Mutter Agnes B anvertraute Mündelgelder im Gesamtbetrag von 9.000 S sich mit dem Vorsatz zueignete, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern. Dieses Urteil sowie der gleichzeitig ergangene Beschluß des Gerichts, womit der Verurteilten gemäß dem § 53 (richtig: § 51) StGB. die Weisung erteilt wurde, den Schadensbetrag von 9.000 S in monatlichen Raten zu je 500 S ab 1.März 1976 für Agnes B (an Rechtsanwalt Dr. Ingrid C als nunmehrige Kuratorin) zu bezahlen, erwuchsen in Rechtskraft.

Mit Beschluß des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 4.Mai 1977, GZ. 6 a E Vr 8662/75-30, wurde die bedingte Nachsicht der über die Verurteilte verhängten Freiheitsstrafe gemäß dem § 53 Abs. 3 StGB. widerrufen, weil diese die Weisung des Gerichts zur Schadensgutmachung trotz förmlicher Mahnung aus bösem Willen nicht (zur Gänze) befolgte;

ein Strafantritt unterblieb bisher.

Rechtliche Beurteilung

Das zitierte Urteil steht mit dem Gesetz nicht im Einklang. Nach dem § 166 StGB. werden bestimmte Vermögensdelikte, darunter auch Veruntreuung, die jemand zum Nachteil seines Ehegatten, eines Verwandten in gerader Linie, seines Bruders oder seiner Schwester oder zum Nachteil eines anderen Angehörigen (§ 72 StGB.) begeht, mit dem er in Hausgemeinschaft lebt, insofern begünstigt, als der Täter unter eine mildere Strafdrohung fällt (Abs. 1) und nur über Verlangen des Verletzten zu verfolgen ist (Abs. 3). Von dieser Begünstigung wird jedoch der Vormund, der zum Nachteil seines Mündels handelt, ausgenommen (§ 166 Abs. 1, letzter Satz, StGB.).

Wie der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 20.Juni 1978, GZ. 9 Os 66/78-8, u.a. ausgesprochen hat, stellt die letztgenannte Bestimmung ausdrücklich nur auf den Vormund (im Rechtssinn) ab und es kommt daher eine Ausdehnung der in dieser Gesetzesstelle bestimmten Ausnahme von der Privilegierung auch auf den Kurator einer im Bereich des materiellen (Straf )Rechts unzulässigen Analogie (§ 1 Abs. 1 StGB.) gleich. Wer als Kurator zum Nachteil eines Pflegebefohlenen, der sein naher Angehöriger im Sinn des § 166 Abs. 1 StGB. ist, eines der dort angeführten Vermögensdelikte begeht, kann sohin nur über dessen Verlangen verfolgt werden. Daraus folgt für den vorliegenden Fall, daß es zur Verfolgung der Margarete A einer Privatanklage bedurft hätte. Da eine solche nicht erhoben wurde, fehlt es an der nach dem Gesetz erforderlichen Anklage. Verletzt wurde die zu Unrecht angewendete Bestimmung des § 133 Abs. 1

StGB. (der verfehlterweise herangezogene Tatbestand). Der von der Generalprokuratur gemäß dem § 33 Abs. 2 StPO. erhobenen Beschwerde war daher stattzugeben und gemäß dem § 292 StPO. wie eingangs zu erkennen.