JudikaturJustiz10ObS71/02t

10ObS71/02t – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. April 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Hübner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Ernst Boran (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mag. Josef H*****, AHS-Lehrer, ***** vertreten durch Dr. Hans Schwarz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, 1081 Wien, Josefstädterstraße 80, vertreten durch Dr. Hans Houska, Rechtsanwalt in Wien, wegen Versehrtenrente, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. November 2001, GZ 7 Rs 301/01p-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 16. Mai 2001, GZ 15 Cgs 167/00h-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie insgesamt zu lauten haben:

"Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger für die Folgen des Dienstunfalles vom 30. 3. 2000 binnen 14 Tagen für die Zeit vom 1. 7. 2000 bis 30. 6. 2001 eine vorläufige Versehrtenrente im Ausmaß von 30 vH der Vollrente im Betrag von monatlich S 6.959 (505,73 EUR) mit allfälligen gesetzlichen Anpassungen unter Anrechnung der erhaltenen Beträge zu bezahlen.

Das Mehrbegehren auf Zahlung einer höheren Versehrtenrente auf Basis einer höheren Bemessungsgrundlage als S 34.795 (2.528,65 EUR) im gesetzlichen Ausmaß ab 1. 7. 2000 wird abgewiesen."

Der Kläger hat die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der als AHS-Lehrer tätige und bei der beklagten Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter unter anderem in der Unfallversicherung nach dem B-KUVG versicherte Kläger erlitt am 30. 3. 2000 im Rahmen eines Schulschikurses einen Unfall. Der Kläger hat beginnend mit dem Schuljahr 1999/2000 in einer Rahmenzeit von fünf Jahren eine Herabsetzung seiner Lehrverpflichtung mit geblockter Dienstzeit gemäß § 213a BDG in Anspruch genommen. Dies hat zur Folge, dass der Kläger während vier Schuljahren im Ausmaß einer vollen Lehrverpflichtung beschäftigt ist und im weiteren Schuljahr von der Dienstleistung zur Gänze freigestellt ist. Dem Kläger gebührt gemäß § 13 Abs 12 GehG 1956 über die gesamte Dauer dieser Rahmenzeit der Monatsbezug in dem Ausmaß, das dem Ausmaß seiner Lehrverpflichtung im jeweiligen Schuljahr und dem Anteil der Dienstleistungszeit an der gesamten Rahmenzeit entspricht, somit im Ausmaß von 80 vH des dem Kläger auf Grund seiner besoldungsrechtlichen Stellung gebührenden Monatsentgeltes. Zum Zeitpunkt des Eintrittes des Versicherungsfalles war der Kläger vollbeschäftigt, wobei der Bruttobezug bei einer Vollbeschäftigung S 43.494 betragen würde. Tatsächlich betrug das Bruttomonatsgehalt des Klägers zum Zeitpunkt des Unfalls auf Grund der herabgesetzten Lehrverpflichtung mit geblockter Dienstzeit S 34.795,20 (= 80 vH).

Mit Bescheid der beklagten Partei vom 13. 10. 2000 wurde der Unfall des Klägers zum 30. 3. 2000 nach § 90 B-KUVG als Dienstunfall anerkannt und es wurde dem Kläger hiefür gemäß §§ 93, 101 ff B-KUVG ab 1. 7. 2000 eine vorläufige Versehrtenrente im Ausmaß von 30 vH der Vollrente bis 30. 6. 2001 gewährt. Als Bemessungsgrundlage zum 30. 3. 2000 wurde gemäß § 93 Abs 1 bis 4 B-KUVG der Betrag von S 34.795 (= 2.528,65 EUR) festgestellt und die vorläufige Versehrtenrente mit monatlich S 6.959 (= 505,73 EUR) errechnet.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Klage mit dem Begehren, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihm auf Grund des Dienstunfalles vom 30. 3. 2000 eine Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß ab Unfallstag zu gewähren. Gleichzeitig beantragte der Kläger die Feststellung, dass als Bemessungsgrundlage für die auf Grund des Unfalles des Klägers vom 30. 3. 2000 gebührende Versehrtenrente ein Betrag von S 43.494 gelte. Der Kläger machte insbesondere geltend, dass im angefochtenen Bescheid nicht nur die Bemessungsgrundlage, sondern auch die Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu gering festgesetzt worden sei. Nach Vorliegen eines unfallchirurgischen Gutachtens, in welchem die Minderung der Erwerbsfähigkeit für den Zeitraum vom 1. 7. 2000 bis 30. 6. 2001 ebenfalls mit 30 vH angegeben worden war, ließ der Kläger in der Tagsatzung vom 16. 5. 2001 sein Leistungsbegehren fallen und hielt nur noch sein Feststellungsbegehren aufrecht.

Das Erstgericht wies dieses Feststellungsbegehren mit Urteil vom 16. 5. 2001 ab. Es stellte über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus noch fest, dass der Dienstgeber des Klägers Sozialversicherungsbeiträge entsprechend einem monatlichen Bruttobezug von S 34.795 geleistet hat.

In rechtlicher Hinsicht gelangte das Erstgericht zu dem Ergebnis, dass es sich bei der Beschäftigung des Klägers um eine Form der Teilbeschäftigung mit geblockter Dienstzeit und um keine "Kürzung des Gehalts im Einzelfall auf Grund dienstrechtlicher Vorschriften" im Sinn des § 93 Abs 1 letzter Satz B-KUVG handle. Beim Kläger liege lediglich eine ungleichmäßige Verteilung der erbrachten Dienstleistung im zeitlichen Rahmen von fünf Jahren vor. Verteile man die vom Kläger erbrachte Dienstleistung auf die gesamte Rahmenzeit, sei er für die Dauer der Rahmenzeit auch nur im Ausmaß von 80 vH beschäftigt gewesen. Der Kläger sei daher nicht anders zu behandeln, als wäre er über den gesamten Zeitraum der Rahmenzeit gleichmäßig verteilt jeweils zu 80 vH beschäftigt gewesen. Dies entspreche dem auch für die Geldleistungen der Unfallversicherung geltenden Prinzip der Äquivalenz zwischen Beiträgen und Geldleistungen. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und stellte in Abänderung des Ersturteiles fest, dass die Bemessungsgrundlage für die Versehrtenrente des Klägers auf Grund des Dienstunfalles vom 30. 3. 2000 zu diesem Zeitpunkt S 43.494 (= 3.160,83 EUR) betrage. Es ging bei seiner rechtlichen Beurteilung davon aus, dass die Regelungen über die Altersteilzeit analog zur Anwendung kommen sollten. So sei der Arbeitgeber bei der Altersteilzeitbeschäftigung, um Nachteile für die Dienstnehmer zu verhindern, nach § 27 AlVG verpflichtet, die Sozialversicherungsbeiträge weiterhin entsprechend der Beitragsgrundlage vor Herabsetzung der Normalarbeitszeit zu entrichten. Die entsprechende Regelung im Bereich der Sozialversicherung finde sich im § 44 Abs 1 Z 10 ASVG. Es existiere zwar keine vergleichbare Regelung bei der Herabsetzung der Lehrverpflichtung mit geblockter Dienstzeit gemäß § 213a BDG, doch sei im Hinblick auf den sozialen Aspekt des Versicherungsgedankens im Sozialversicherungsrecht, insbesondere im Unfallversicherungsrecht, eine analoge Anwendung der Regelungen über die Altersteilzeit im vorliegenden Fall geboten. Dabei sei insbesondere auch zu berücksichtigen, dass ein Unfallversicherungsschutz in der Freizeitphase von vornherein nur in seltenen Fällen (Arztweg, dienstlich angeordnete Wege zu einer vorgesetzten Dienststelle usw) in Betracht komme und daher keine Schlechterstellung des Versicherten bei Eintritt eines Dienstunfalles während der Vollzeitphase erfolgen dürfe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Nach § 93 Abs 1 B-KUVG ist Bemessungsgrundlage bei im Falle eines Dienstunfalles oder einer Berufskrankheit von der Unfallversicherung zu gewährenden Leistungen das Gehalt (der sonstige monatliche Bezug) ... im Zeitpunkt des Eintrittes des Versicherungsfalles einschließlich der ruhegenussfähigen (pensionsfähigen) Zulagen ... Kürzungen des Gehaltes (des sonstigen monatlichen Bezuges) im Einzelfall auf Grund dienstrechtlicher Vorschriften bleiben außer Betracht.

In der Regierungsvorlage zur Stammfassung (463 BlgNR 11. GP 51) wird hiezu näher ausgeführt, dass vom Gesetzgeber - anders als im Bereich der Unfallversicherung nach dem ASVG - als Bemessungsgrundlage nicht der jährliche Verdienst, sondern das Gehalt, der sonstige monatliche Bezug bzw die Entschädigung im Zeitpunkt des Eintrittes des Versicherungsfalles zuzüglich der im § 93 angeführten Zulagen herangezogen wird, da sich die Höhe des Gehaltes der (nach dem B-KUVG) Versicherten nach den jeweils in Frage kommenden gesetzlichen Besoldungsvorschriften bestimmt und somit nicht plötzlichen Schwankungen unterworfen ist. Bemessungsgrundlage ist somit in allen Fällen das volle Gehalt, allfällige disziplinäre Kürzungen des Gehaltes bleiben - nach dem seit der Stammfassung BGBl 1967/200 unverändert gebliebenen letzten Satz des § 93 Abs 1 B-KUVG - außer Betracht. Diese Bemessungsgrundlage nach § 93 Abs 1 B-KUVG entspricht auch dem der Regelung der allgemeinen Bemessungsgrundlage für die Geldleistungen in der Unfallversicherung im § 179 ASVG zu Grunde liegenden Prinzip der Äquivalenz zwischen Beiträgen und (Geld )Leistungen, also dem auch für die Geldleistungen der Unfallversicherung geltenden Versicherungsprinzip (vgl SSV-NF 10/35, 8/88).

Mit der Bestimmung des § 213a BDG 1979 idF BGBl I 1997/138 wurde eine neue Form der Teilbeschäftigung mit geblockter Dienstzeit für Lehrer in das Beamten-Dienstrecht eingeführt. Nach Abs 1 dieser Bestimmung kann dem Lehrer, der zumindest 10 Jahre ununterbrochen im Dienst einer inländischen Gebietskörperschaft gestanden ist, auf Antrag eine Herabsetzung der Lehrverpflichtung mit Freistellung gewährt werden, wenn

1. wegen der Arbeitsmarktsituation ein öffentliches Interesse gegeben ist, verstärkt Bewerber im Schuldienst zu beschäftigen, und

2. kein wichtiger dienstlicher Grund entgegensteht. Eine solche Freistellung kann in einer Rahmenzeit von zwei, drei, vier oder fünf Schuljahren in der Dauer eines Schuljahres gewährt werden. Während der übrigen Rahmenzeit (Dienstleistungszeit) hat der Lehrer den regelmäßigen Dienst zu leisten. Die Freistellung darf im Fall der zwei-, drei- oder vierjährigen Rahmenzeit erst nach Zurücklegung einer einjährigen und im Fall der fünfjährigen Rahmenzeit erst nach Zurücklegung einer zweijährigen Dienstleistungszeit angetreten werden (Abs 2).

In der Regierungsvorlage (885 BlgNR 20. GP 45 f) wird hiezu näher ausgeführt, dass bei dieser neuen Form der Teilbeschäftigung mit geblockter Dienstzeit in der Arbeitsphase ("Dienstleistungszeit") der normale Dienst geleistet, also entweder voll- oder - auf der Basis des neuen § 50a BDG 1979 oder einer anderen Teilzeitregelung - teilbeschäftigt gearbeitet wird. In der Freistellungsphase ist der Beamte gänzlich vom Dienst freigestellt. Während des Gesamtzeitraums ("Rahmenzeit") werden somit die Wochendienstzeit und damit auch die Bezüge herabgesetzt. Die begleitenden gehalts- und pensionsrechtlichen Regelungen enthalten die §§ 13 Abs 12 bis 15 GehG 1956 und 5 Abs 3 bis 5 Pensionsgesetz 1965.

Nach § 13 Abs 12 GehG 1956 gebührt dem Lehrer für die Dauer der Dienstleistungszeit nach § 213a Abs 2 BDG 1979 der Monatsbezug in dem Ausmaß, das

34.795 (= 2.528,65 EUR) festgestellt. Die Höhe der Bemessungsgrundlage bildet allerdings nur eine Vorfrage für die Rentenhöhe und ist somit allein nicht feststellungsfähig (vgl jüngst 10 ObS 314/01a). Die Einschränkung des Klagebegehrens in der Tagsatzung vom 16. 5. 2001 ist allerdings dahin zu verstehen, dass der Kläger nach Vorliegen des unfallchirurgischen Gutachtens sein auf Gewährung einer höheren Rentenleistung aufgrund eines höheren Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit gerichtetes Klagebegehren fallengelassen hat und seine Klage somit nur noch die Höhe der Bemessungsgrundlage für die von der beklagten Partei gewährte vorläufige Versehrtenrente zum Gegenstand hatte. Da der bekämpfte Bescheid gemäß § 71 Abs 2 ASGG durch die Einbringung der Klage nicht nur im Umfang der nur eine Vorfrage für die Rentenhöhe bildenden Höhe der Bemessungsgrundlage, sondern auch im Umfang der auf der Grundlage dieser festgestellten Bemessungsgrundlage zugesprochenen Leistung außer Kraft getreten ist, wäre dem Klagebegehren insoweit stattzugeben gewesen, als der Rentenanspruch des Klägers nach dem Inhalt des Bescheides zu Recht besteht (Fink, Die sukzessive Zuständigkeit im Verfahren in Sozialrechtssachen 392, 493 mwN; stRspr seit SSV-NF 1/18). In diesem Sinne waren die Urteile der Vorinstanzen abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Der Kläger hat nur für die Revisionsbeantwortung Kosten verzeichnet. Da der urteilsmäßige Zuspruch der bereits im Bescheid der beklagten Partei zuerkannten Leistung im Revisionsverfahren aufgrund eines Rechtsmittels der beklagten Partei erfolgte, kommt ein Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung des Klägers nur nach Billigkeit in Betracht. Gründe, die einen Kostenzuspruch nach Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden weder geltend gemacht noch ergeben sich Hinweise auf solche Gründe (besonders berücksichtigungswürdige Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers) aus dem Akteninhalt.

Rechtssätze
6