JudikaturJustiz10ObS47/12b

10ObS47/12b – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. April 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wolfgang Höfle (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Susanne Jonak (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Mag. Mario Kapp, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich Hillegeist Straße 1, 1021 Wien, wegen Invaliditätspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. Jänner 2012, GZ 6 Rs 1/12g 21, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats, dass der Grundsatz „Rehabilitation vor Pension“ auch für Versicherte gilt, denen ein Berufsschutz zukommt (RIS-Justiz RS0113672), und dass den gesetzlichen Bestimmungen eine Einschränkung dahingehend, dass dem Versicherten im Rahmen der beruflichen Rehabilitation nur eine Berufsausübung im Rahmen des (bisherigen) Verweisungsfeldes ermöglicht werden soll, nicht zu entnehmen ist. Die Rehabilitation knüpft somit nicht notwendigerweise am bisherigen Beruf an (RIS-Justiz RS0113672; RS0113173 [T2]), sondern ermöglicht dem Versicherten auch die Ausbildung für eine neue berufliche Tätigkeit. Es kann demnach grundsätzlich auch zu einer Umschulung eines überwiegend in erlernten Berufen tätig gewesenen Versicherten auf einen anderen vergleichbar qualifizierten Beruf mit anderer Ausbildung und anderen zur Ausübung erforderlichen Kenntnissen und Fähigkeiten kommen (jüngst: 10 ObS 124/11z mwN). § 255 Abs 6 ASVG ist also dahin zu verstehen, dass sich der Gesetzgeber entschlossen hat, den Berufsschutz eines erfolgreich Rehabilitierten auf jenen Beruf zu übertragen, zu dem ihn die Rehabilitation befähigt hat (RIS-Justiz RS0127571).

2. Kommt der Versicherungsträger zu dem Ergebnis, dass er Rehabilitationsmaßnahmen gewährt, hat er über das Vorliegen der Invalidität zu entscheiden und gleichzeitig auszusprechen, dass die Invaliditätspension wegen Gewährung von Maßnahmen der Rehabilitation vorläufig nicht anfällt (RIS-Justiz RS0113173 [T2]). Werden dem Versicherten Maßnahmen der Rehabilitation gewährt und sind ihm diese Maßnahmen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie der von ihm bisher ausgeübten Tätigkeit zumutbar, so fällt die Pension aus den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit gemäß § 86 Abs 3 Z 2 ASVG erst dann an, wenn durch die Rehabilitationsmaßnahmen die Wiedereingliederung des Versicherten in das Berufsleben nicht bewirkt werden kann (RIS-Justiz RS0113174 [T1]).

3. Dies gilt unabhängig davon, ob aufgrund eines „gewöhnlichen“ Pensionsantrags oder - wie hier - eines Antrags auf Weitergewährung der befristeten Pension (§ 256 ASVG) festgestellt wird, dass Invalidität beziehungsweise Berufsunfähigkeit zwar (nach wie vor) vorliegt, dem Versicherten aber Maßnahmen der Rehabilitation zu gewähren sind (RIS-Justiz RS0113173 [T3]; RS0113174 [T2]).

4. Wird solcher vom Pensionsversicherungsträger erlassener Bescheid durch Klage bei Gericht angefochten, ist - ausgehend vom Vorliegen des Versicherungsfalls der geminderten Arbeitsfähigkeit - im gerichtlichen Verfahren nur mehr zu prüfen, ob die im Anstaltsverfahren angebotene Maßnahme der Rehabilitation zumutbar ist oder nicht (RIS Justiz RS0113174 [T3]).

5. In diesem Fall fällt die Pension dem Versicherten gemäß § 86 Abs 3 Z 2 letzter Satz ASVG erst dann an, wenn durch die Rehabilitationsmaßnahmen und nicht durch ihre Vereitelung die Wiedereingliederung nicht bewirkt werden kann (RIS-Justiz RS0113174 [T5]; vgl auch RS0113671 und RS0113173 [T2]).

6. Eine solche Vereitelung liegt hier nach den im Revisionsverfahren nicht mehr angreifbaren Feststellungen der Tatsacheninstanzen vor: Der Kläger beruft sich in der Zulassungsbeschwerde seiner außerordentlichen Revision weiterhin zu Unrecht darauf, es seien ihm (als gelerntem Fliesenleger) keine konkreten („zielführenden“) Rehabilitationsmaßnahmen vorgeschlagen worden, weil „anscheinend“ eine Umschulung bzw Anlernung in einen anderen Berufsbereich geplant gewesen sei. Es fehle daher am Anbot einer zumutbaren Rehabilitation.

6.1. Auszugehen ist von den Feststellungen der Vorinstanzen, dass der Kläger bei dem (offenbar) einzigen, von ihm als „Erstgespräch“ bezeichneten Beratungsgespräch „ jede Beteiligung an [möglichen] Maßnahmen seiner beruflichen Rehabilitation kategorisch abgelehnt “ hat, obwohl es bei ihm im neurologisch-psychiatrischen Bereich zu einer „Besserung unter Therapie“ gekommen und der Kläger nunmehr eindeutig „schulbar, anlernbar und anweisbar“ und in der Lage ist, Rehabilitationsmaßnahmen mitzutragen bzw Ladungen zur Pensionsversicherungsanstalt Folge zu leisten.

6.2. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Kläger erhebe den Vorwurf, die beklagte Partei hätte ihm keine konkrete und zumutbare Rehabilitationsmaßnahme vorgeschlagen, zu Unrecht, weil hiezu gerade der von ihm unbesucht gelassene Termin hätte dienen sollen, ist jedenfalls vertretbar. Sie liegt im Rahmen der dargestellten Rechtsprechung, von der die Vorinstanzen nicht abgegangen sind.

6.3. Da der Revisionswerber somit keine für die Entscheidung des Verfahrens relevante Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen vermag, ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

Rechtssätze
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