JudikaturJustiz10ObS45/18t

10ObS45/18t – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Mai 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Univ. Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Fichtenau und den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter (Senat gemäß § 11a Abs 3 ASGG) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch Posch, Schausberger Lutz Rechtsanwälte GmbH in Wels, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert Stifter-Straße 65–67, wegen Wiederaufnahme, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 19. März 2018, GZ 11 Rs 24/18f 11, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Bestätigung eines – hier gemäß § 543 ZPO gefassten – Beschlusses auf Zurückweisung einer Wiederaufnahmsklage unterliegt nicht dem Rechtsmittelausschluss nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO, weil es sich nicht um eine Sachentscheidung über das Rechtsmittelklagebegehren handelt (1 Ob 12/18y). Der Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof ist daher bei Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung gemäß § 528 Abs 1 ZPO zulässig (RIS Justiz RS0023342 [T2]). Eine solche vermag der Kläger aber nicht aufzuzeigen.

2.1 Nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO kann ein Verfahren, das durch eine die Sache erledigende Entscheidung abgeschlossen worden ist, auf Antrag einer Partei wieder aufgenommen werden, wenn die Partei in Kenntnis von neuen Tatsachen gelangt oder Beweismittel auffindet oder zu benützen in den Stand gesetzt wird, deren Vorbringen und Benützung im früheren Verfahren eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde.

2.2 Die vierwöchige Notfrist für die Erhebung einer Wiederaufnahmsklage (§ 534 Abs 1 und Abs 2 Z 4 ZPO) ist im Fall des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO von dem Tag zu berechnen, an dem die Partei imstande war, die ihr bekannt gewordenen Tatsachen und Beweismittel bei Gericht vorzubringen. Die Frage, ab wann eine Partei imstande ist, die ihr bekannt gewordenen Tatsachen oder Beweismittel bei Gericht vorzubringen, hängt stets von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab und begründet damit regelmäßig keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (vgl RIS Justiz RS0044790 [T4]).

2.3 Der Wiederaufnahmskläger muss die Beweismittel zunächst so weit kennen, dass er ihre Eignung für ein allfälliges Verfahren auch prüfen kann. Andererseits beginnt die Frist nicht erst mit Erlangen der Gewissheit, dass sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer günstigeren Entscheidung führen werden (RIS Justiz RS0044635 [T6]).

3.1 Entscheidend für den Beginn der Klagefrist nach § 534 Abs 2 Z 4 ZPO war daher jener Tag, an dem der Kläger Kenntnis von neuen Tatsachen und Beweismitteln mit einem Wahrscheinlichkeitsgrad, der objektiv gesehen die Wiederaufnahme rechtfertigte, erlangt hat (3 Ob 148/14g mwH; RIS Justiz RS0044790; RS0044635 [T10]).

3.2 Bereits in seiner Wiederaufnahmsklage führte der Kläger aus, dass sich „aus dem Gutachten [des im Verfahren des Erstgerichts AZ 17 Cgs 261/16k als Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Psychiatrie und Neurologie bestellten Sachverständigen Univ. Doz. Dr. C*****] und den darin zitierten Belegstellen ohne Zweifel [ergebe], dass eine unfallskausale psychiatrische Störung verbunden mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit jedenfalls in so großem Ausmaße vorgelegen ist, dass auch das angefochtene Urteil bereits eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 % hätte feststellen müssen“. Es begründet daher keine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung, wenn das Rekursgericht den Zeitpunkt des Zugangs dieses Gutachtens an den Rechtsvertreter des Klägers („Ende Mai 2017“) als fristauslösend erkannte und nicht, wie vom Revisionswerber angestrebt, den Zeitpunkt der Zustellung des Urteils des Erstgerichts im Verfahren AZ 17 Cgs 261/16k am 15. 9. 2017, weil ihm dieses erst Gewissheit verschafft hätte. Mit der Zustellung dieses Gutachtens war der Kläger, wie er auch selbst vorbringt, in Kenntnis der Tatsache, dass bei ihm psychiatrische Störungen vorliegen, die (zumindest zu 50 %, vgl ON 13, S 22 in AZ 17 Cgs 261/16k des Erstgerichts) auf den Arbeitsunfall vom 22. 4. 2008 bzw dessen Folgen zurückzuführen sind. Er war daher mit Vorliegen des Gutachtens in der Lage, diese Tatsache bei Gericht vorzubringen ( E. Kodek in Rechberger , ZPO 4 § 534 Rz 5) und einen form und inhaltsgerechten Beweisantrag zu stellen (RIS Justiz RS0044635 [T1]), ohne die bereits in den Vorprozessen erfolglos aufgestellte Behauptung der Unfallkausalität seiner psychiatrischen Leidenszustände entgegen § 178 Abs 1 ZPO ohne ausreichende Anhaltspunkte und deshalb „ins Blaue“ zu wiederholen (3 Ob 148/14g; 8 Ob 74/14m). Eine Unvertretbarkeit der Rechtsansicht des Rekursgerichts, dass der Kläger vor diesem Hintergrund im konkreten Fall mit der Einbringung einer Wiederaufnahmsklage nicht bis zur Zustellung eines Urteils zuwarten durfte, wenn er die Klagefrist nicht versäumen wollte (10 ObS 371/01h, SSV NF 15/143), zeigt der Revisionsrekurswerber nicht auf.