JudikaturJustiz10ObS398/98x

10ObS398/98x – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Januar 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Manfred Dafert und Dr. Peter Krüger (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Eugen L*****, vertreten durch Dr. Dieter Zaponig, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert Stifter-Straße 65, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Leistung der Versehrtenrente, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17. September 1998, GZ 8 Rs 120/98y-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 4. Februar 1998, GZ 31 Cgs 224/97s-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird aufgehoben und diesem die neuerliche Entscheidung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Prozeßkosten.

Text

Begründung:

Der am 3. 6. 1930 geborene Kläger erlitt am 6. 10. 1995 - damals noch selbständiger Schausteller, nunmehr ist er Empfänger einer Pensionsleistung nach dem GSVG - einen Arbeitsunfall im Vergnügungspark der Grazer Messe, bei welchem er schwer verletzt wurde. Entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 vH vom 7. 12. 1995 bis 31. 12. 1995 und von 20 vH vom 1. 1. 1996 bis 30. 4. 1997 wurden ihm von der beklagten Partei laut deren rechtskräftigen Bescheiden vom 19. 3. 1996 bzw 25. 2. 1997 jeweils vorläufige Versehrtenrenten in Form von Gesamtvergütungen nach § 209 Abs 2 ASVG gewährt.

Mit weiterem Bescheid vom 12. 8. 1997 wurde sein neuerlicher Antrag vom 9. 6. 1997 auf Zuerkennung einer Rente nach Gesamtvergütung wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 6. 10. 1995 gemäß § 203 ASVG von der beklagten Partei mit der Begründung abgelehnt, daß seine MdE seit dem letzten Gewährungszeitraum nicht mehr mindestens 20 vH betrage.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger fristgerecht Klage im Sinne seines gestellten Begehrens.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren, dem Kläger für die Folgen des genannten Arbeitsunfalles ab 1. 5. 1997 eine Versehrtenrente in der gesetzlichen Höhe zu bezahlen, ab. Es stellte hiezu (nach Einholung eines medizinisch-orthopädischen Sachverständigengutachtens - fest, daß beim Kläger seit 1. 5. 1997 nur mehr eine unfallkausale MdE von 10 vH bestehe.

Das Berufungsgericht gab der vom Kläger hiegegen erhobenen Berufung nicht Folge. Es verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln, die darin erblickt wurden, daß das Erstgericht seiner Anleitungs- bzw Belehrungspflicht gegenüber dem unvertretenen Kläger nicht ausreichend nachgekommen sei, weshalb dieser weder seine Parteieneinvernahme noch Anträge im Zusammenhang mit der Beziehung weiterer Sachverständiger (zwecks Feststellung einer unfallkausalen MdE von zumindest 20 vH) stellen habe können. Nach Auffassung des Berufungsgerichtes sei dieser Berufungsgrund "ungesetzlich ausgeführt und daher unbeachtlich". Eine gesetzlich ausgeführte Rüge eines solchen Mangels habe zu enthalten, welche konkreten Sachverhaltsvorbringen und welche Beweisanbote bei vorgenommener Anleitung erstattet worden wären; ohne ein solches Vorbringen sei das Berufungsgericht nicht in der Lage, die Erheblichkeit eines geltend gemachten Verfahrensmangels zu beurteilen. Im übrigen übernahm das Berufungsgericht die Feststellung zum Vorliegen einer bloß 10 %igen MdE und verneinte unter Hinweis auf die Entscheidung SSV-NF 9/81 auch das Vorliegen eines Härtefalles, das ein Abweichen von der ärztlichen Einschätzung der MdE rechtfertigen könnte.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision des Klägers mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer vollinhaltlichen Klagestattgebung abzuändern; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist gemäß § 46 Abs 3 ASGG auch ohne Vorliegen der besonderen Voraussetzungen des Abs 1 leg cit zulässig und im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Nach § 39 Abs 2 Z 1 ASGG sind bei Parteien, die nicht Versicherungsträger sind und auch nicht durch eine qualifizierte Person im Sinne des § 40 Abs 1 ASGG vertreten werden, die Bestimmungen über die richterliche Anleitungs- und Belehrungspflicht (§§ 432, 435 ZPO) besonders zu beachten; danach hat der Vorsitzende solche Parteien über die bei derartigen Arbeits- und Sozialrechtssachen in Betracht kommenden besonderen Vorbringen und Beweisanbietungen zu belehren, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung (Rechtsverteidigung) dienen können, und sie zur Vornahme der sich anbietenden derartigen Prozeßhandlungen anzuleiten. Unterläßt das Gericht die erforderlichen Belehrungen bzw Anleitungen, so kann dies einen erheblichen Verfahrensmangel im Sinne des § 496 Abs 1 Z 2 ZPO darstellen, der zur Aufhebung des Urteils führt (Feitzinger/Tades, ASGG**2 Anm 6a zu § 39; Delle-Karth, Die Mangelhaftigkeit des Verfahrens im Berufungssystem des österreichischen Zivilprozeßrechts, ÖJZ 1993, 10 [22 f]). Entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichtes ist den einen solchen Verfahrensmangel relevierenden Berufungsausführungen eindeutig zu entnehmen, welches Ergebnis die Beachtung der Bestimmung des § 39 ASGG hätte zeitigen sollen, nämlich die Stellung gezielter Beweisanträge dahingehend, daß seine Minderung der Erwerbsfähigkeit auch über den 30. 4. 1997 hinaus nicht unter 20 vH liege. Die Relevanz (Erheblichkeit) des behaupteten und geltend gemachten Verfahrensmangel wurde sohin in der Berufung klar aufgezeigt. Dies hat das Berufungsgericht nicht beachtet. Eine durch die Aktenlage nicht gedeckte Ablehnung der Prüfung eines geltend gemachten erstinstanzlichen Verfahrensmangels durch das Berufungsgericht bildet jedoch den - hier in der Revision auch ausdrücklich relevierten - Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit nach § 503 Z 2 ZPO (RIS-Justiz RS0043166).

Da das Gericht zweiter Instanz den geltend gemachten Verfahrensmangel des erstgerichtlichen Verfahrens ungeprüft ließ, liegt ein erheblicher Mangel des Berufungsverfahrens vor, was in Stattgebung der Revision zur Aufhebung des Urteils des Berufungsgerichtes und Zurückverweisung der Sozialrechtssache an dieses zur neuerlichen Entscheidung führen mußte (1 Ob 30/95).

Auf den in der Revision weiter geltend gemachten Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung (§ 503 Z 4 ZPO) ist damit seitens des Obersten Gerichtshofes derzeit nicht weiter einzugehen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG.