JudikaturJustiz10ObS174/21t

10ObS174/21t – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. April 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ. Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, den Hofrat Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin Dr. Faber sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Markus Schrottmeyer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Sylvia Zechmeister (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. (FH) E*, vertreten durch Mag. German Storch und Mag. Rainer Storch, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Österreichische Gesundheitskasse, 1030 Wien, Haidingergasse 1, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Rückforderung von Kinderbetreuungsgeld, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22. September 2021, GZ 12 Rs 82/21x 17, mit dem das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 30. April 2021, GZ 36 Cgs 140/19f 12, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung lautet:

„Das Klagebegehren, es werde festgestellt, dass die klagende Partei nicht zur Rückzahlung des für den Zeitraum von 14. 5. 2017 bis 13. 8. 2017 bezogenen Kinderbetreuungsgeldes im Umfang von 16,50 EUR täglich, insgesamt von 1.518 EUR, verpflichtet ist, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen 1.518 EUR an für den Zeitraum 14. 5. 2017 bis 13. 8. 2017 zu viel ausgezahltem Kinderbetreuungsgeld zurückzuzahlen.“

Die klagende Partei hat ihre Kosten der Rechtsmittelverfahren selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1] Gegenstand des Verfahrens ist die Rückforderung des Kinderbetreuungsgeldes als Ersatz des Erwerbseinkommens im Umfang von 16,50 EUR täglich wegen des nicht rechtzeitigen Nachweises der fünften Mutter-Kind-Pass-Untersuchung des Kindes (= 10. Mutter Kind-Pass Untersuchung).

[2] Die Klägerin ist die Mutter des am 14. 8. 2016 geborenen Kindes M*. Sie bezog von 12. 10. 2016 bis 13. 8. 2017 Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens in Höhe von 66 EUR täglich.

[3] Mit Bescheid vom 19. 11. 2019 sprach die Wiener Gebietskrankenkasse, die Rechtsvorgängerin der nun beklagten Österreichischen Gesundheitskasse, die Kürzung des Kinderbetreuungsgeldes um 16,50 EUR täglich ab dem 14. 5. 2017 und den Widerruf der Leistung in diesem Umfang aus und verpflichtete die Klägerin zur Rückzahlung des Kinderbetreuungsgeldes im Ausmaß von 1.518 EUR wegen des nicht vollständigen Nachweises der vorgeschriebenen Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen.

[4] Dagegen richtet sich die Klage, in der die Klägerin vorbringt, die fünfte Untersuchung des Kindes zeitgerecht durchgeführt und der Beklagten per Post eine Kopie des Nachweises übermittelt zu haben.

[5] Die Beklagte bestreitet das Klagebegehren und bringt vor, die Klägerin habe bis zum letztmöglichen Termin am 13. 8. 2019 keinen Nachweis erbracht.

Das Erstgericht stellte folgenden Sachverhalt fest:

[6] Die Klägerin ließ die fünfte Mutter-Kind-Pass-Untersuchung des Kindes am 13. 6. 2017 – unstrittig innerhalb des dafür vorgesehenen Zeitraums – durchführen. Die Wiener Gebietskrankenkasse (Rechtsvorgängerin der Beklagten) machte die Klägerin mit Schreiben vom 21. 2. 2018 und vom 25. 5. 2018 darauf aufmerksam, dass der Nachweis dieser Untersuchung noch ausständig sei und bei Nicht-Vorlage eines Nachweises nach Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes 1.518 EUR zurückgefordert würden. Die Klägerin hat zumindest eines dieser Schreiben erhalten. Sie kopierte daraufhin den Mutter-Kind-Pass und übersandte die Kopie noch im Jahr 2018 per Post, allerdings nicht eingeschrieben. Es kann nicht festgestellt werden, ob die Sendung bei der Wiener Gebietskrankenkasse nicht angekommen oder dort in Verstoß geraten ist.

[7] Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren statt.

[8] Das Berufungsgericht ließ die Revision nicht zu, weil es die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auf den Einzelfall angewendet habe.

[9] Rechtlich erörterte es, grundsätzlich komme die Rückforderung eines nach § 24a Abs 4 KBGG zu Unrecht ausgezahlten Betrags nach § 31 Abs 2 Satz 1 KBGG in Betracht.

[10] Nach dem anzuwendenden § 24a Abs 4 KBGG idF vor der Novelle BGBl I 2016/53 bestehe Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens in voller Höhe nur, wenn (unter anderem) die fünf Untersuchungen des Kindes bis zum 14. Lebensmonat vorgenommen und die fünfte Untersuchung des Kindes (die insgesamt 10. Mutter-Kind-Pass-Untersuchung) bis zur Vollendung des 18. Lebensmonats nachgewiesen würden. Gemäß § 24c Abs 2 KBGG bestehe dessen ungeachtet ein Anspruch in voller Höhe, wenn die Vornahme oder der Nachweis aus Gründen, die nicht vom beziehenden Elternteil zu vertreten seien, unterbleibe (Z 1) oder die Nachweise bis spätestens zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes nachgebracht würden (Z 2).

[11] Die Klägerin habe den Nachweis für die fünfte Untersuchung des Kindes nicht bis zum Ende des 18. Lebensmonats des Kindes erbracht; der Nachweis sei auch nicht bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes bei der Beklagten eingelangt. Allerdings sei in der Entscheidung 10 ObS 88/16p (SSV NF 30/53) der Nachsicht-Tatbestand des § 24c Abs 2 Z 1 KBGG auch auf die Nachfrist des § 24c Abs 2 Z 2 KBGG angewendet worden. Der Klägerin, die die Nachweise zur Post gegeben habe, komme daher § 24c Abs 2 Z 1 KBGG zugute.

[12] Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten, mit der sie die Abänderung und Klageabweisung anstrebt; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

[13] Sie macht im Wesentlichen geltend, nach der Entscheidung 10 ObS 58/21h seien § 24c Abs 2 Z 1 und Z 2 KBGG alternative Tatbestände. § 24c Abs 2 Z 1 KBGG sei auf die Nachfrist des § 24c Abs 2 Z 2 KBGG nicht anzuwenden.

[14] In der ihr vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt die Klägerin, der außerordentlichen Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[15] Die Revision der Beklagten ist zulässig , weil die Beweislast für das Vorliegen der Ausnahmetatbestände des § 24c Abs 2 KBGG einer höchstgerichtlichen Klarstellung bedarf und weil das Berufungsgericht die (erst wenige Tage vor Schöpfung des Berufungsurteils im RIS Justiz veröffentlichte) Entscheidung 10 ObS 58/21h nicht berücksichtigte. Sie ist auch berechtigt.

[16] 1.1. Aufgrund der Geburt des Kindes am 14. 8. 2016 kommen hier § 24a Abs 4 und § 24c KBGG idF vor der Novelle BGBl I 2016/53 zur Anwendung (§ 50 Abs 14 KBGG).

[17] 1.2. Gemäß § 24c Abs 1 KBGG idF vor der Novelle BGBl I 2016/53 besteht der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld gemäß § 24a Abs 1 KBGG – also in ungekürzter Höhe – ab dem 10. Lebensmonat, sofern fünf Untersuchungen während der Schwangerschaft und weitere fünf Untersuchungen des Kindes bis zum 14. Lebensmonat nach der Mutter-Kind-Pass-Verordnung 2002 (MuKiPassV, BGBl II 2001/470 idF BGBl II 2013/420) vorgenommen werden. Die ersten neun Untersuchungen müssen spätestens bis zum Ende des 10. Lebensmonats des Kindes und die 10. Untersuchung muss spätestens bis zum Ende des 18. Lebensmonats des Kindes durch Vorlage der entsprechenden Untersuchungsbestätigungen nachgewiesen werden.

[18] Werden die im § 24c KBGG vorgesehenen Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen nicht nachgewiesen, wird der Tagesbetrag ab dem 10. Lebensmonat des Kindes um 16,50 EUR reduziert (§ 24a Abs 4 KBGG idF vor der Novelle BGBl I 2016/53).

[19] 1.3. § 24c Abs 2 KBGG idF vor der Novelle BGBl I 2016/53 sieht Ausnahmen von dieser Kürzungsregel vor: Nach dieser Bestimmung besteht ungeachtet des § 24c Abs 1 KBGG der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld gemäß § 24a Abs 1 KBGG (also in ungekürzter Höhe), wenn (Z 1:) die Vornahme oder der Nachweis der Untersuchungen aus Gründen, die nicht vom beziehenden Elternteil zu vertreten sind, unterbleibt oder (Z 2:) der Nachweis bis spätestens zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes nachgebracht wird.

[20] 2.1. Nach § 31 Abs 2 erster Fall KBGG besteht die Verpflichtung zum Ersatz der empfangenen Leistung unter anderem dann, wenn hervorkommt, dass eine oder mehrere Anspruchsvoraussetzungen bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht vorgelegen oder nachträglich weggefallen sind. Der Rückforderungstatbestand normiert eine objektive Rückzahlungsverpflichtung, die nur davon abhängig ist, dass sich nachträglich eine (ursprünglich nicht bekannte) Tatsache herausstellt, bei deren Vorliegen kein Anspruch auf die Leistung besteht (10 ObS 88/16p SSV NF 30/53; 10 ObS 106/13f SSV NF 27/63). Dementsprechend ordnet § 30 Abs 2 KBGG an, dass die Zuerkennung zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen ist, wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung einer Leistung nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstellt (10 ObS 88/16p SSV NF 30/53; 10 ObS 91/11x SSV-NF 25/102). Der Rückforderungstatbestand bezieht sich auch auf Umstände, die erst nach der Gewährung des Anspruchs entstehen und den Sozialversicherungsträger zu einem Widerruf oder einer rückwirkenden Berichtigung der Bemessung berechtigen (10 ObS 88/16p SSV-NF 30/53).

[21] 2.2. Im Fall der Nichtdurchführung einer Mutter-Kind-Pass-Untersuchung oder des nicht rechtzeitigen Nachweises einer solchen Untersuchung ist daher eine Rückforderung des im Hinblick auf die Kürzung des Kinderbetreuungsgeldes nach § 24a Abs 4 KBGG zu Unrecht ausgezahlten Betrags nach § 31 Abs 2 erster Satz KBGG zulässig (RS0130214). Da dieser Rückforderungstatbestand unabhängig vom Verschulden besteht, kommt es – wie die Revisionswerberin aufzeigt – für die Erfüllung des Rückforderungstatbestands nicht darauf an, ob dem Elternteil hinsichtlich der Nichterbringung des Nachweises ein Vorwurf zu machen ist oder nicht (10 ObS 88/16p SSV NF 30/53).

[22] 3.1. Wird der Nachweis nicht rechtzeitig erbracht und fordert die Österreichische Gesundheitskasse den zu Unrecht erhaltenen Anteil des Kinderbetreuungsgeldes mit Bescheid zurück, hat der/die Rückersatzpflichtige im Prozess vor dem Sozialgericht formell als Kläger aufzutreten und ein negatives Feststellungsbegehren zu stellen, dass die behauptete Rückersatzpflicht nicht zu Recht bestehe. Die Parteien treten in diesem Fall mit „vertauschten Rollen“ auf. Dennoch kommt in einem solchen Verfahren die materielle Klägerrolle der beklagten Österreichischen Gesundheitskasse zu, die bereits erbrachte Versicherungsleistungen zurückfordert (vgl RS0086067 [T1]).

[23] 3.2. Es entspricht einem allgemeinen Grundsatz, dass sich die objektive Beweislast für das Bestehen des materiellen Anspruchs nicht nach der Verteilung der Parteienrollen im Prozess richtet, sondern der beklagte Versicherungsträger die Beweislast für jene Tatsachen trägt, die für seinen – in der Klage geleugneten – materiellen (Rückforderungs )Anspruch rechtsbegründend sind (10 ObS 19/17t).

[24] 3.3. Diesem Grundsatz hat der Gesetzgeber in § 87 Abs 4 ASGG Rechnung getragen, nach dem in Rechtsstreitigkeiten nach § 65 Abs 1 Z 2 ASGG und über die Kostenersatzpflicht des Versicherten nach § 65 Abs 1 Z 5 ASGG eine Klage wegen des Bestehens einer Rückersatz- oder Kostenpflicht des Klägers nur abgewiesen werden kann, wenn der Beklagte das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Pflicht beweist. Es trifft daher die beklagte Partei die subjektive Beweislast für den Bestand ihres gegenüber dem Versicherten behaupteten Ersatzanspruchs und nicht etwa den Kläger für den Bestand seines negativen Feststellungsanspruchs (10 ObS 19/17t; 10 ObS 68/99v SSV NF 13/46; Kuderna , Behauptungs- und Beweislast im Verfahren in Sozialrechtssachen, in FS Walter Schwarz [1991] 599 [602 f]).

[25] 3.4. § 87 Abs 4 ASGG kann aber nicht entnommen werden, dass die beklagte Partei für alle rechtserheblichen Tatsachen in Zusammenhang mit dem Bestehen des materiellen Anspruchs beweisbelastet ist. Stützt der Kläger seine Bestreitung zum Beispiel auf rechtshemmende oder rechtsvernichtende Tatsachen, so trifft ihn die objektive Beweislast für deren Vorliegen (10 ObS 19/17t; 10 ObS 28/99m DRdA 2000/18, 166 [ Enzlberger ] = SSV-NF 13/21; Neumayr in ZellKomm² § 87 ASGG Rz 11 mwN). So trifft etwa im Fall des – von der Beklagten zu beweisenden – Überschreitens der gesetzlichen Freigrenze den Kläger die Beweislast für den rechtsvernichtenden Einwand, die Freigrenze sei wegen der Erbringung wesentlicher Unterhaltsleistungen an weitere Personen im Sinn des § 12 KBGG (idF BGBl I 2007/76) erhöht (vgl 10 ObS 19/17t).

[26] 3.5. Demnach kann auch im vorliegenden Fall gemäß § 87 Abs 4 ASGG eine klageabweisende Entscheidung nur gefällt werden, wenn die Österreichische Gesundheitskasse den von ihr herangezogenen Rückforderungstatbestand nach § 31 Abs 2 KBGG behauptet und beweist. Dieser Rückforderungstatbestand setzt voraus, dass die im § 24c KBGG vorgesehenen Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen nicht – und zwar nicht innerhalb der Frist des § 24c Abs 1 KBGG (dazu sogleich) – nachgewiesen wurden (§ 24a Abs 4 iVm § 24c Abs 1 KBGG idF vor der Novelle BGBl I 2016/53).

[27] 3.6. § 24a Abs 4 KBGG idF vor der Novelle BGBl I 2016/53 stellte seinem Wortlaut nach zwar nur darauf ab, dass „die im § 24c vorgesehenen Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen nicht nachgewiesen“ wurden. Erst mit der Novelle BGBl I 2016/53 wurde die Bestimmung dahin novelliert, dass die Reduktion zu erfolgen hat, wenn die Untersuchungen „nicht bis zu den vorgesehenen Zeitpunkten nachgewiesen“ werden. Allerdings ergibt sich aus der Gesetzessystematik, dass für die Kürzungsbestimmung des § 24a Abs 4 KBGG bereits in der hier anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl I 2016/53 der Nachweis innerhalb der Frist des § 24c Abs 1 KBGG – für die 10. Untersuchung daher bis zur Vollendung des 18. Lebensmonats des Kindes – zu erbringen war. Das ergibt sich aus der Formulierung des Ausnahmetatbestands des § 24c Abs 2 KBGG (idF vor der Novelle BGBl I 2016/53), wonach „ungeachtet des [§ 24c] Abs 1“ – sohin ungeachtet des Einhaltens der Untersuchungs- und Nachweisfristen – bei Vorliegen eines Ausnahmetatbestands Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld in ungekürzter Höhe bestand. Daraus ergibt sich, dass das Nicht Einhalten der Untersuchungs- oder Nachweisfristen grundsätzlich die Anspruchskürzung nach sich zieht, sofern nicht ein Ausnahmetatbestand vorliegt.

[28] 4.1. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte den Beweis des behaupteten Rückforderungsgrundes erbracht, weil feststeht, dass die Klägerin den Nachweis für die 10. Mutter-Kind-Pass-Untersuchung nicht innerhalb der dafür vorgeschriebenen Frist, nämlich bis zum Ende des 18. Lebensmonats des Kindes, erbrachte.

[29] 4.2. Die Klägerin stützt sich auf eine Ausnahme von der Kürzungsregel, sohin auf einen den Rückforderungsanspruch der Beklagten vernichtenden Umstand. Für dessen Vorliegen trägt sie daher die Beweislast.

[30] Die Negativfeststellung, wonach nicht festgestellt werden konnte, ob der von der Klägerin nach Vollendung des 18. Lebensmonats des Kindes, aber vor Vollendung von dessen dritten Lebensjahr zur Post gegebene Untersuchungsnachweis bei der (Rechtsvorgängerin der) Beklagten einlangte (§ 24c Abs 2 Z 2 KBGG idF vor der Novelle BGBl I 2016/53), geht daher zu ihren Lasten.

[31] 4.3. Das Berufungsgericht legte § 24c Abs 2 KBGG (idF vor der Novelle BGBl I 2016/53) dahin aus, dass sich die Klägerin kumulativ auf dessen Z 1 und 2 stützen könne. Sie habe das Nicht-Einlangen der Nachweise bei der Beklagten innerhalb der Nachfrist des § 24c Abs 2 Z 2 KBGG im Sinn des § 24c Abs 2 Z 1 KBGG (idF vor der Novelle BGBl I 2016/53) nicht zu vertreten.

[32] 4.4. Diese Auslegung steht mit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 10 ObS 58/21h nicht im Einklang.

[33] In dieser Entscheidung wurde – zur Rechtslage nach der Novelle BGBl I 2016/53 und zum pauschalen Kinderbetreuungsgeld, sodass nicht § 24c KBGG zur Anwendung kam, sondern die entsprechenden Regelungen für das pauschale Kinderbetreuungsgeld (§ 7 Abs 2, 3 KBGG) – klargestellt, dass die beiden Ausnahmen von der Kürzungsregel (dort: § 7 Abs 3 Z 1 und 2 KBGG) alternative Tatbestände sind.

[34] Aus systematischen Erwägungen wurde abgeleitet, dass die außerhalb der Zurechnungssphäre der Eltern liegenden Hinderungsgründe gemäß § 7 Abs 3 Z 1 KBGG (§ 24c Abs 2 Z 1 KBGG) innerhalb der in § 7 Abs 2 KBGG (§ 24c Abs 1 KBGG) angeführten Nachweisfrist zum Tragen kommen müssen (10 ObS 58/21h; RS0133739).

[35] 4.5. Dies gilt auch für die hier zu beurteilende Rechtslage vor der Novelle BGBl I 2016/53, weil die Novellierung lediglich eine Änderung der Nachweisfristen in § 24c Abs 1 Z 2 KBGG bewirkte. In § 24c Abs 2 KBGG kam es hingegen bloß zu geringfügigen Änderungen in der Formulierung, wobei sich weder aus dem Wortlaut noch aus den Materialien (vgl ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 11) ein Hinweis darauf ergibt, dass eine Änderung des Verhältnisses der Ausnahmetatbestände (§ 24c Abs 2 Z 1 und 2 KBGG) zueinander bzw zur allgemeinen Nachweisfrist bewirkt werden sollte. Die in der Entscheidung 10 ObS 58/21h angestellten Erwägungen gelten daher auch für die hier anzuwendende Rechtslage vor der Novelle BGBl I 2016/53.

[36] 4.6. Von der in der Entscheidung 10 ObS 88/16p vorgenommenen Beurteilung, bei der Prüfung der Gründe für das Unterbleiben des Nachweises schade es nicht, dass die Nachweisfrist des § 24c Abs 1 Z 2 KBGG bereits abgelaufen sei, ist der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 10 ObS 58/21h nach ausführlicher Auseinandersetzung mit der Gesetzessystematik abgegangen. Bei den Entscheidungen 10 ObS 140/20s und 10 ObS 32/21k, auf die das Berufungsgericht verweist, handelt es sich um Zurückweisungen außerordentlicher Revisionen, in denen jeweils ausschließlich die Frage releviert wurde, ob das Nichteinlangen der Nachweise bei einer Übermittlung per E Mail aufgrund der Wahl einer „unsicheren Übermittlungsart“ von den Eltern zu vertreten sei. Diesen Entscheidungen kann daher keine Aussage zum Verhältnis der Bestimmungen des § 24c Abs 2 Z 1 und 2 KBGG zueinander entnommen werden.

[37] 4.7. Da von der Klägerin keine Gründe behauptet wurden, aus denen sie am Nachweis der fünften Untersuchung des Kindes (der 10. Mutter-Kind-Pass-Untersuchung) bis zur Vollendung des 18. Lebensmonats des Kindes gehindert war, kann sie ihren Anspruch auf ungekürztes Kinderbetreuungsgeld nicht aus § 24c Abs 2 Z 1 KBGG (idF vor der Novelle BGBl I 2016/53) ableiten.

[38] Die außerordentliche Revision der Beklagten erweist sich daher als berechtigt.

[39] 5. Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelverfahren beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

[40] 6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit wurden nicht geltend gemacht und ergeben sich auch nicht aus der Aktenlage.

Rechtssätze
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