JudikaturJustiz10ObS136/95

10ObS136/95 – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. August 1995

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer und Dr.Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Karlheinz Kux (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Norbert Kunc (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Rechtssache der klagenden Partei Doris S*****, vertreten durch Dr.Josef Klaunzer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Roßauer-Lände 3, 1092 Wien, vertreten durch Dr.Gottfried Zandl und Dr.Andreas Grundei, Rechtsanwälte in Wien, wegen Weitergewährung der Invaliditätspension, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16.Mai 1995, GZ 5 Rs 35/95-39, womit infolge Rekurses der beklagten Partei der Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 21.März 1995, GZ 45 Cgs 12/94t-36, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Aus Anlaß des Rekurses wird der angefochtene Beschluß als nichtig behoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung in einem mit drei Berufsrichtern und zwei fachkundigen Laienrichtern besetzten Senat aufgetragen.

Text

Begründung:

Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 6.2.1995, 45 Cgs 12/94t-33 wurde die Berufung der beklagten Partei gegen das erstgerichtliche Urteil vom 18.10.1994, GZ 45 Cgs 12/94t-20 wegen Verspätung zurückgewiesen.

Am 22.2.1995 langte beim Erstgericht ein Antrag der beklagten Partei auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist ein.

Mit Beschluß vom 21.3.1995, GZ 45 Cgs 12/94t-36 wies das Erstgericht diesen Antrag ab. Die Entscheidung erging in einem Senat, der aus einem Berufsrichter als Vorsizenden und je einem fachkundigen Laienrichter aus dem Kreis der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer zusammengesetzt war.

Das Rekursgericht gab dem von der beklagten Partei gegen diese Entscheidung erhobenen Rekurs nicht Folge. Es traf seine Entscheidung in einem aus drei Berufsrichtern zusammengesetzten Senat. Gemäß § 11 a Abs 2 Z 1 iVm Abs 1 Z 3 ASGG seien der Entscheidung fachkundige Laienrichter nicht beizuziehen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt werde.

Rechtliche Beurteilung

Grundsätzlich haben sich in Arbeits- und Sozialrechtssachen die Senate der Landesgerichte aus einem Richter und zwei fachkundigen Laienrichtern, die Senate der Oberlandesgerichte und die einfachen Senate des Obersten Gerichtshofes aus drei Richtern und zwei fachkundigen Laienrichtern zusammenzusetzen (§ 11 Abs 1 ASGG). Durch die ASGGNov 1994 wurde die Bestimmung des § 11 a in das Gesetz eingefügt, die weitere Befugnisse des Vorsitzenden des Gerichtes erster Instanz und die Aufgaben der Dreiersenate des Oberlandesgerichtes und des Obersten Gerichtshofes regelt. Nach § 11 a Abs 1 Z 4 lit f ASGG ist der Vorsitzende im Verfahren erster Instanz ua auch befugt, über Anträge auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand außerhalb einer Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung zu entscheiden. Fink (ASGG 42) führt dazu aus, daß über die in § 11 a Abs 2 genannten Agenden ohne Beiziehung fachkundiger Laienrichter zu entscheiden ist und nimmt damit eine gesetzliche Anordnung an, die die Beiziehung fachkundiger Laienrichter ausschließt. Gegen dieses Verständnis spricht allerdings die Fassung dieser Gesetzesstelle; dies tritt insbesondere zu Tage, wenn man die einleitenden Worte der Abs 2 und 3 des § 11 a gegenüberstellt. Heißt es zu Beginn des Abs 1 "In Verfahren erster Instanz ist der Vorsitzende auch befugt.....", findet sich in Abs 2 die Wendung "Die Oberlandesgerichte haben...."; dies wird in Abs 3 auch für den Obersten Gerichtshof bestimmt. Während also die Abs 2 und 3 als imperative Anordnung gefaßt sind, wird im Abs 1 dem Vorsitzenden nur eine Befugnis eingeräumt. Dies spricht für den Schluß, daß im Verfahren erster Instanz dem Vorsitzenden die Möglichkeit eingeräumt wird, von der Beiziehung fachkundiger Laienrichter abzusehen, daß es ihm aber freisteht, die Entscheidung im Senat zu treffen. Dafür spricht auch § 11 a Abs 4 ASGG, der bestimmt, daß eine Nichtigkeit (§ 477 Abs 1 Z 2 ZPO) auch dann nicht vorliegt, wenn anstelle der Dreiersenate (Abs 2 und 3) Senate nach § 11 Abs 1 ASGG entscheiden. Diese Norm zitiert damit nur die Stellen, an denen die Entscheidung ohne Beiziehung fachkundiger Laienrichter ausdrücklich angeordnet wird. Da die Teleologie dieser Bestimmung aber in gleicher Weise auf den Fall des § 11 a Abs 1 zutrifft, der Gesetzgeber aber eine dem Abs 4 entsprechende Bestimmung hierfür nicht vorgesehen hat, kann der Schluß gezogen werden, daß er dies deshalb für entbehrlich erachtete, weil Abs 1 die Entscheidung durch den Vorsitzenden und den Senat alternativ zuläßt.

Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht durch einen Senat (unter Beiziehung fachkundiger Laienrichter) entschieden. Diese Besetzung ist daher durch § 11 a Abs 1 ASGG gedeckt.

Gemäß § 11 a Abs 2 ASGG haben die Oberlandesgerichte durch Senate, die sich nur aus drei Richtern zusammensetzen, zu entscheiden über

1. Angelegenheiten nach dem Abs 1 Z 2 bis 4 sowie 2.Rekurse, die gegen Beschlüsse erhoben werden, die a) nur der Vorsitzende allein gefaßt hat; b) über den Kostenpunkt. Die Besetzung des Senates des Oberlandesgerichtes im Rechtsmittelverfahren ist daher, abgesehen von Kostenentscheidungen, gemäß Abs 2 Z 2 lit a von der Besetzung des Erstgerichtes bei Fällung der angefochtenen Entscheidung abhängig. Hat der Vorsitzende die Entscheidung allein gefällt, hat der Dreiersenat zu entscheiden, haben hingegen in erster Instanz auch fachkundige Laienrichter an der Entscheidung mitgewirkt, kommt diese Bestimmung nicht zur Anwendung und die Entscheidung über den Rekurs ist in einem gemäß § 11 Abs 1 ASGG zusammengesetzten Senat zu fällen. Aus § 11 a Abs 2 Z 1 ASGG kann hiezu nichts abgeleitet werden, weil diese Bestimmung nur Fälle regelt, in denen das Oberlandesgericht nicht als Rekursgericht entscheidet. Hat der Dreiersenat entschieden, obwohl die Voraussetzungen des § 11 a ASGG nicht gegeben sind, liegt eine unrichtige Besetzung vor (Fink aaO 43).

Dies ist hier der Fall. Da das Erstgericht in einem Senat nach § 11 Abs 1 ASGG entschieden hat, waren die Voraussetzungen, die § 11 a Abs 2 ASGG für die Entscheidung durch den Dreiersenat des Oberlandesgerichtes normiert, nicht erfüllt. Da die Entscheidung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen wurde, konnte die unrichtige Gerichtsbesetzung auch nicht gemäß § 37 Abs 1 ASGG geheilt werden. Auch aus § 11 a Abs 4 ASGG kann hiefür nichts abgeleitet werden, weil danach eine Nichtigkeit nur dann ausgeschlossen ist, wenn die Entscheidung in einem Senat gemäß § 11 Abs 1, anstelle des Dreiersenates getroffen wird; für den umgekehrten Fall findet sich in dieser Bestimmung keine Regelung. Die angefochtene Entscheidung ist daher gemäß § 477 Abs 1 Z 2 ASGG nichtig und war aus diesem Grund zu beheben.

Rechtssätze
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