GZ: 2025-0.757.118 vom 24. September 2025 (Verfahrenszahl: DSB-D124.0080/25)
[Anmerkung Bearbeiter/in: Namen und Firmen, Rechtsformen und Produktbezeichnungen, Adressen (inkl. URLs, IP- und E-Mail-Adressen), Aktenzahlen (und dergleichen), statistische Angaben etc., sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Pseudonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.
Bei den als D***Link und C***Video pseudonymisierten Diensten handelt es sich jeweils um eine sehr große Online-Plattform (very large online platform - VLOP) gemäß Art. 33 der Verordnung (EU) 2022/2065 (Digital Services Act - DSA).]
BESCHEID
SPRUCH
Die Datenschutzbehörde entscheidet über die gemäß § 39 Abs. 2 AVG zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Datenschutzbeschwerden von Carola A*** (Erstbeschwerdeführerin) vom 23. Dezember 2024 (ursprünglich protokolliert zur GZ: D124.2858/24) und Wilma A*** (Zweitbeschwerdeführerin) vom 13. Januar 2025 (GZ: D124.0080/25) gegen Christian N*** (Erstbeschwerdegegner), vertreten durch Mag. Karl B***, und Ludwig N*** (Zweitbeschwerdegegner) wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung wie folgt:
1. Der Beschwerde wird stattgegeben und es wird festgestellt , dass die Beschwerdegegner die Beschwerdeführerinnen dadurch in ihrem Recht auf Geheimhaltung verletzt haben, indem diese unter Verwendung einer Videotürklingel, dessen Aufnahmebereich die Hauseingangstür, Hausstiege und die Wohnungstür der Erstbeschwerdeführerin erfasst, unrechtmäßig personenbezogene Daten der Beschwerdeführerinnen verarbeitet hat.
2. Der Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin wird stattgegeben und es wird festgestellt , dass der Zweitbeschwerdegegner die Erstbeschwerdeführerin in ihrem Recht auf Geheimhaltung verletzt hat, indem er eine Videoaufnahme vom 17. Februar 2025, auf der die Erstbeschwerdeführerin zu sehen ist, sowie ihren Vor- und Nachnamen auf seinem D***Link- und C***Video-Kanal veröffentlicht hat.
3. Den Beschwerdegegnern wird gemäß Art. 58 Abs. 2 lit. d DSGVO aufgetragen , innerhalb einer Frist von vier Wochen die Datenverarbeitung durch die beschwerdegegenständliche Videotürklingel in Einklang mit der genannten Verordnung zu bringen.
4. Den Beschwerdegegnern wird aufgetragen , innerhalb einer Frist von zwei Wochen bei sonstiger Exekution alle personenbezogenen Daten, die aufgrund der Videotürklingel aufgenommen wurden, aus sonstigen Dateisystemen der Beschwerdegegner zu entfernen.
Rechtsgrundlagen: Art. 4 Z 1, Z 2 und Z 7, Art. 6 Abs. 1 lit. f, Art. 51 Abs. 1, Art. 57 Abs. 1 lit. f, Art. 58 Abs. 1 sowie Art. 58 Abs. 2 lit. b, lit. d und lit. g sowie Art. 77 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung, im Folgenden: DSGVO), ABl. Nr. L 119 vom 4.5.2016 S. 1; §§ 18 Abs. 1 sowie 24 Abs. 1 und Abs. 5 des Datenschutzgesetzes (DSG), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF; § 39 Abs. 2 des Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) BGBl. Nr. 51/1991 idgF
BEGRÜNDUNG
A. Verfahrensgang
Die angeführten Verfahren wurden aufgrund jeweils einer Datenschutzbeschwerde der Erst- und Zweitbeschwerdeführerin gegen den Erst- bzw. Zweitbeschwerdegegner eingeleitet. Die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin datiert vom 23. Dezember 2024 (ursprünglich protokolliert zur GZ: D124.2858/24), die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin vom 13. Januar 2025 (GZ: D124.0080/25) wurden daher gemäß § 39 Abs. 2 AVG verbunden.
Den Verfahrensparteien wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
B. Sachverhaltsfeststellungen
Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens wird nachfolgender Sachverhalt festgestellt:
1. Die Erstbeschwerdeführerin ist wohnhaft E***straße *23/1, **** J***stadt. Die Zweitbeschwerdeführerin ist wohnhaft E***straße *23/6, **** J***stadt. Der Erstbeschwerdegegner ist wohnhaft E***straße *23/2, **** J***stadt. Der Zweitbeschwerdegegner ist nicht E***straße *23 wohnhaft.
Beweiswürdigung : Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus den unstrittigen Vorbringen der Verfahrensparteien.
2. Der Zweitbeschwerdegegner (Vater des Erstbeschwerdegegners) war zwischenzeitlich als Erwachsenenvertreter für den Erstbeschwerdegegner eingesetzt. Mit Beschluss des Bezirksgerichts G***berg vom 14. Juli 2025 wurde für den Erstbeschwerdegegner ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter gemäß § 271 ABGB bestellt.
Beweiswürdigung : Die getroffenen Feststellungen ergeben sich einerseits aus dem unstrittigen Akteninhalt zu D124.0080/25und andererseits aus der gemäß § 126 AußStrG erfolgten Verständigung des Bezirksgerichts G***berg an die Datenschutzbehörde.
3. Am 13. Januar 2025 wurde eine Videotürklingel vom Zweitbeschwerdegegner bestellt. Sie wurde an die Adresse des Erstbeschwerdegegners geliefert und anschließend gemeinsam mit dem Zweitbeschwerdegegner an dessen Wohnungstür angebracht. Diese Videotürklingel verfügt über eine Aufnahme- und Speicherfunktion.
Beweiswürdigung : Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem Vorbringen des Erst- und Zweitbeschwerdegegners vom 22. April 2025, der in Kopie beigefügten Rechnung für die Videotürklingel in der GZ D124.2858/24 und einer amtswegigen Recherche zu dem Modell „o**el Video Türklingel mit Kamera R*7“.
4. Der Aufnahmebereich der am 13. Januar 2025 bestellten Videotürklingel ist wie folgt gestaltet (Formatierung nicht 1:1 übernommen):
[Anmerkung Bearbeiter/in: das an dieser Stelle im Original wiedergegebene digitale Lichtbild in einem grafischen Format wurde aus Pseudonymisierungsgründen entfernt. Es zeigt ein Stiegenhaus mit Blick zur Eingangstür eines Mehrparteienwohnhauses. Links ist eine geschlossene Wohnungstüre erkennbar, rechts sieht man einen Ausschnitt einer geöffneten Wohnungstüre mit der erkennbaren Silhouette einer nicht identifizierbaren Person. Die Perspektive ist durch die Brennweite bzw. die Einstellung des Objektivs deutlich verzerrt.]
Abbildung 1
Der Aufnahmebereich umfasst die Hauseingangstür, die Hausstiege, die Wohnungstür der Erstbeschwerdeführerin und die Wohnungstür einer weiteren Nachbarin.
Beweiswürdigung : Die getroffene Feststellung ergibt sich aus den von der Polizeiinspektion J***stadt in Kopie übermittelten Videoaufnahmen (GZ D124.2858/24).
5. Am 18. Februar 2025 wurde der Erstbeschwerdegegner von einer Mitarbeiterin der Polizeiinspektion J***stadt als Zeuge einvernommen. Gegenstand der Einvernahme war der Vorwurf der Sachbeschädigung am Personenkraftwagen der Erstbeschwerdeführerin. Darin gibt der Erstbeschwerdegegner an, dass es zu mehreren Vorfällen mit der Erstbeschwerdeführerin gekommen ist und daher zu seinem Schutz eine Videoüberwachung eingerichtet worden ist.
Beweiswürdigung : Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem Protokoll der Zeugeneinvernahme des Erstbeschwerdegegners bei der Polizeiinspektion J***stadt vom 18. Februar 2025, welches in Kopie der Datenschutzbehörde vorgelegt wurde (in der GZ D124.2858/24).
6. Die Erstbeschwerdeführerin wurde am 17. Februar 2025 beim Betreten des Hauseingangs von der Videotürklingel erfasst. Auf der Aufnahme ist zu sehen, wie sie dem Erstbeschwerdegegner zum Eingang seiner Wohnung folgt und ihm einen Stoß gegen die Schulter sowie augenscheinlich einen Tritt gegen das Bein versetzt.
Diese Aufnahme veröffentlichte der Zweitbeschwerdegegner auf seinem D***Link Profil „****in Freundschaft“ mit dem Vor- und Zunamen der Erstbeschwerdeführerin sowie auf dessen C***Video-Kanal „**** do things“ mit dem Untertitel „Unsere **** Nachbarn“.
Eine weitere Aufnahme zeigt die Erstbeschwerdeführerin bei der Verursachung einer Flüssigkeitsverunreinigung der Türklinke des Erstbeschwerdegegners.
Beweiswürdigung: Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus den Bildern und Videos, die der Datenschutzbehörde aufgrund eines Amtshilfersuchens gemäß Artikel 22 B-VG übermittelt wurden und die durch den Erst- und Zweitbeschwerdegegner der Polizeiinspektion J***stadt übergeben wurden.
C. Beschwerdegegenstand
Ausgehend vom Vorbringen der Beschwerdeführerinnen ist Beschwerdegegenstand die Frage, ob die Beschwerdegegner die Beschwerdegegnerinnen in ihrem Recht auf Geheimhaltung verletzt haben, indem sie die personenbezogenen Daten der Beschwerdeführerinnen durch eine Videotürklingel verarbeitet haben und der Zweitbeschwerdegegner eine am 17. Februar 2025 durch diese Videotürklingelkamera von der Erstbeschwerdeführerin angefertigte Aufnahme auf seinem D***Link- und C***Video-Kanal veröffentlicht hat.
D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
D.1. Allgemeines
Sowohl die Datenschutzbehörde als auch das BVwG vertreten in ständiger Judikatur die Ansicht, dass bei antragsgebunden Fällen - wie insbesondere dem Beschwerdeverfahren gemäß Art. 77 DSGVO iVm. § 24 Abs. 1 DSG - der Inhalt des Antrags (vorliegend: der Beschwerde) den Prozessgegenstand des Verwaltungsverfahrens (vorliegend: den Beschwerdegegenstand) konstituiert und begrenzt(vgl. etwa BVwG Erkenntnis vom 17. Mai 2022, W214 2233132-1).
Die Datenschutzbehörde ist gemäß § 39 Abs. 2 AVG aus Gründen der Verfahrensökonomie, Zweckmäßigkeit, Raschheit, Kostenersparnis und Einfachheit berechtigt, von Amts wegen mehrere Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden.
Aufgrund der Verfahrensparteien- und (weitgehenden) Sachverhaltsidentität wurden die Verfahren zur GZ: D124.2858/24 und zur GZ: D124.0080/25 vor diesem Hintergrund gemäß § 39 Abs. 2 AVG zur GZ: D124.0080/25 verbunden.
D.2. In der Sache
Die Festlegung der datenschutzrechtlichen Rollenverteilung ist für das Beschwerdeverfahren nach § 24 DSG bzw. Art. 77 Abs. 1 DSGVO von entscheidender Bedeutung, da sie bestimmt, wer für die Einhaltung der jeweiligen Datenschutzbestimmungen verantwortlich ist, wie die betroffene Person ihre Rechte wahrnehmen kann und letztlich auch, gegen wen (also welchen Verantwortlichen) die Datenschutzbeschwerde zu richten ist.
Verantwortlich für die Verarbeitung ist gemäß Art. 4 Z 7 DSGVO die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet. Wesentliches Kriterium ist dabei die Entscheidungskomponente. Die Rolle des Verantwortlichen ergibt sich also in erster Linie daraus, dass eine bestimmte Stelle entschieden hat, personenbezogene Daten für eigene Zwecke zu verarbeiten . Der „Zweck“ beschreibt dabei ein erwartetes Ergebnis, während die „Mittel“ die Art und Weise festlegen, wie das erwartete Ergebnis erreicht werden soll, bspw. wie welche Daten verarbeitet werden, an wen sie übermittelt werden oder wann sie gelöscht werden (vgl. Europäischer Datenschutzausschuss , Guidelines 07/2020 on the concepts of controller and processor in the GDPR, Version 2.0., S. 14 ff).
Es ist daher festzuhalten, dass der Erst- und der Zweitbeschwerdegegner gemeinsam entschieden haben, die verfahrensgegenständliche Videotürklingel zu bestellen und an der Wohnungstür des Erstbeschwerdegegners anzubringen. Somit sind beide als Verantwortlicher für die Datenverarbeitung durch die Videotürklingel zu qualifizieren.
D.2. Zur Verletzung im Recht auf Geheimhaltung durch die Videotürklingel
Nach § 1 Abs. 1 DSG hat jedermann Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.
Die DSGVO und insbesondere auch die darin verankerten Grundsätze sind zur Auslegung des Rechts auf Geheimhaltung heranzuziehen (vgl. dazu den Bescheid vom 24. Februar 2025, 2025-0.045.624, RIS).
Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung sind gemäß § 1 Abs. 2 DSG dann zulässig, wenn personenbezogene Daten im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen verwendet werden, der Betroffene seine Zustimmung (bzw. in der Terminologie der DSGVO: Einwilligung) erteilt hat, wenn eine qualifizierte gesetzliche Grundlage für die Verwendung besteht, oder wenn die Verwendung durch überwiegende berechtigte Interessen eines Dritten gerechtfertigt ist.
Die Verarbeitung personenbezogener Daten mittels Bildverarbeitungsanlagen (Videoüberwachung) zum Schutz des Eigentums im privaten Bereich kann grundsätzlich auf die Bestimmung des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO gestützt werden (vgl. dazu das Urteil des EuGH vom 11. Dezember 2019, C-708/18, noch zur Richtlinie 95/46/EG). Entsprechend den Grundsätzen für die Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß Art. 5 DSGVO, insbesondere dem Grundsatz der Datenminimierung gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. c DSGVO, muss die Verarbeitung jedoch dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein.
Das Betreiben einer Videoüberwachung fällt, soweit Personen erfasst werden, unter den Begriff der Verarbeitung im Sinne des Art. 4 Z 2 DSGVO.
Wie unter B.4. festgestellt, ist die verfahrensgegenständliche Videotürklingel auf die Hauseingangstür gerichtet. Der Aufnahmebereich erfasst auch die Wohnungstür der Erstbeschwerdeführerin, die Wohnungstür einer Nachbarin sowie die Hausstiege. Somit ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerinnen beim Betreten und Verlassen des Wohnhauses, der Wohnungstür der Erstbeschwerdeführerin und der Nachbarwohnung aufgezeichnet werden.
Hinsichtlich der Datenverarbeitung durch die verfahrensgegenständliche Videotürklingel liegen weder lebenswichtige Interessen der Beschwerdeführerinnen noch deren Zustimmung vor. Es ist daher zu prüfen, ob überwiegende berechtigte Interessen eines anderen vorliegen, die deren Anspruch auf Geheimhaltung beschränken vermögen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH (siehe zuletzt das Urteil vom 17. Juni 2021, C-597/19, Rz 106) sind für eine Berufung auf Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO drei Voraussetzungen erforderlich:
a) vom Verantwortlichen oder Dritten muss ein berechtigtes Interesse wahrgenommen werden,
b) die Verarbeitung der personenbezogenen Daten muss zur Verwirklichung des berechtigten Interesses erforderlich sein und
c) die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der Person, deren Daten geschützt werden sollen, dürfen nicht überwiegen .
Gegenständlich berufen sich die Beschwerdegegner auf ihr berechtigtes Interesse, das Leben und die Gesundheit des unter Erwachsenenschutz gestellten Erstbeschwerdegegners zu schützen. Es sei bereits zu verbalen und körperlichen Auseinandersetzungen mit den Beschwerdeführerinnen sowie zu Sachbeschädigungen an der Wohnungstür des Erstbeschwerdegegners gekommen.
Die Beschwerdeführerinnen haben ein berechtigtes Interesse daran, bei Betreten ihres höchstpersönlichen Lebensraums, also ihres Wohnbereichs, nicht aufgezeichnet zu werden.
Grundsätzlich kann der Schutz des Eigentums, der Gesundheit und des Lebens als „berechtigtes Interesse“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO gewertet werden.
Allerdings ist die Datenverarbeitung nicht in diesem Ausmaß erforderlich, sodass der Zugangsbereich zum Haus und somit sämtlicher Nachbarn sowie die Wohnungstür der Erstbeschwerdeführerin mitaufgezeichnet werden.
Dem Beschwerdegegner wäre es auch möglich gewesen, einen sogenannten „digitalen Türspion“ anzubringen. Mit der Zulässigkeit dieser hat sich das Bundesverwaltungsgericht bereits auseinandergesetzt und entschieden, dass die Installation eines mechanischen bzw. digitalen Türspions grundsätzlich ein geeignetes Mittel darstellt, um potenzielle Gefahren vor dem Öffnen der Tür zu erkennen. Zwar handelt es sich beim Einsatz eines digitalen Türspions um eine Echtzeitüberwachung, jedoch ist die Gefährdung schutzwürdiger Geheimhaltungsinteressen bei derartigen Systemen - d. h. ohne Speicherung und Aufnahme von Bilddateien - deutlich herabgesetzt. Im Regelfall überwiegt somit das Interesse der Verantwortlichen am mit der Verarbeitung verfolgten Schutzzweck(vgl. das Erkenntnis des BVwG vom 18. Dezember 2019, GZ: W211 2209492-1).
Wie festgestellt, verfügt die verfahrensgegenständliche Videotürklingel allerdings über eine Aufnahme- und Speicherfunktion. Wie unter B.6. dargelegt, hat der Zweitbeschwerdegegner auch Aufnahmen der besagten Videotürklingel auf seinem D***Link-Profil „****in Freundschaft“ sowie auf seinem C***Video-Kanal „**** do things“ veröffentlicht.
Die Beschwerdeführerinnen, die das Wohnhaus regelmäßig betreten und verlassen, haben ein überwiegendes berechtigtes Interesse daran, den Zugangsbereich ihrer Wohnungen so zu nutzen, dass ihr Privat- und Familienleben geschützt wird und sie keiner Kameraüberwachung unterliegen.
Im Ergebnis war daher eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung durch die Datenverarbeitung der verfahrensgegenständlichen Videotürklingel festzustellen .
D.3. Zur Verletzung des Rechts auf Geheimhaltung durch die Veröffentlichung der Videoaufnahme durch den Zweitbeschwerdegegner
Im Fall von Bilddaten ist zu beachten, dass die abgebildete Person zumindest erkennbar sein muss;dafür reicht es auch aus, dass die Betroffenen im Nachhinein bestimmbar sind. Außerdem ist eine Identifikation einer Person möglich, wenn zwar die Information für sich genommen nicht ausreicht, um sie einer Person zuzuordnen, jedoch dies möglich ist, sobald man diese Information mit anderen Informationen verknüpft (OGH 27. November 2020, 6 Ob 150/19f).
Der Begriff der „Verarbeitung“ wird definiert in Art. 4 Z 2 DSGVO als jeder „mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführte Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung‘‘.
Im vorliegenden Fall hat der Zweitbeschwerdegegner als datenschutzrechtlich Verantwortlicher gemäß Art. 4 Z 7 DSGVO unstrittig die personenbezogenen Daten der Erstbeschwerdeführerin gemäß Art. 4 Z 1 DSGVO verarbeitet, indem er die Videoaufnahme vom 17. Februar 2025 auf seinem D***Link- und C***Video-Kanal veröffentlicht hat.
Festzuhalten ist zudem, dass nach der gefestigten Rechtsprechung des EuGHs eine Datenverarbeitung, um rechtmäßig iSd DSGVO zu sein, allen in Art. 5 Abs. 1 DSGVO genannten Grundsätzen entsprechen und darüber hinaus zumindest auf einen Tatbestand nach Art. 6 Abs. 1 DSGVO gestützt werden können muss (siehe bspw. das Urteil vom 4. Mai 2023, C-60/22, Rz 56 und 57). Den Verantwortlichen trifft dafür die Beweislast (ebd. Rz 53 und 54).
Die verfahrensgegenständliche Datenverarbeitung (die Veröffentlichung bzw. Offenlegung der Videoaufnahme vom 17. Februar 2025 mit Vor- und Nachnamen der Erstbeschwerdeführerin) liegt weder im lebenswichtigen Interesse der Erstbeschwerdeführerin, ebenso wenig liegt von dieser eine Zustimmung vor. Es kommt allerdings der Erlaubnistatbestand „berechtigte Interessen Dritter“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO in Betracht, weshalb in Folge eine Bewertung der berechtigten Interessen der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdegegners zu erfolgen hat.
In Bezug auf die Wahrung des „ berechtigten Interesses “ ist anzumerken, dass dieser Begriff in der Datenschutzgrundverordnung nicht definiert ist, jedoch hat der EuGH bereits entschieden, dass ein breites Spektrum von Interessen grundsätzlich als berechtigt gilt (vgl. zuletzt EuGH in C-621/22 vom 4. Oktober 2024 oder auch Entscheidung des EuGHs vom 7. Dezember 2023, SCHUFA Holding [Restschuldbefreiung], C-26/22 und C-64/22, EU:C:2023:958, Rn. 76). Wie sich auch aus dem 47. Erwägungsgrund der DSGVO ergibt, der den Begriff „ berechtigtes Interesse “ betrifft, hat der Unionsgesetzgeber nicht verlangt, dass das Interesse eines Verantwortlichen gesetzlich geregelt sein muss, damit die von diesem Verantwortlichen vorgenommene Verarbeitung personenbezogener Daten rechtmäßig im Sinne von Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO ist. Der Begriff „ berechtigtes Interesse “ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO verlangt, auch wenn er nicht auf gesetzlich verankerte und bestimmte Interessen beschränkt ist, dass das geltend gemachte berechtigte Interesse rechtmäßig ist (vgl. EuGH C-621/22 vom 4. Oktober 2024 Rz 39 und Rz 40).
Das Interesse der Erstbeschwerdeführerin liegt in der Nichtverarbeitung ihrer personenbezogenen Daten bzw. der Nichtveröffentlichung der Videoaufnahme, auf der zu sehen ist, wie sie dem Erstbeschwerdegegner beim Betreten seiner Wohnung folgt und ihm einen Stoß gegen die Schulter sowie augenscheinlich einen Tritt gegen das Bein versetzt.
Der Zweitbeschwerdegegner hat zu den verfolgten Interessen der Veröffentlichung der Videoaufnahme vom 17. Februar 2025 keine Angaben gemacht und erschließt sich für die Datenschutzbehörde auch nicht, welches rechtlich anerkannte Interesse der Zweitbeschwerdegegner mit der Veröffentlichung verfolgt.
Offenkundig hat der Zweitbeschwerdegegner durch die Veröffentlichung der Videoaufnahme vom 17. Februar 2025 auf seinen D***Link- und C***Video-Kanal seinen Unmut über die Erstbeschwerdeführerin vor einer breiten Öffentlichkeit geäußert. Zum Zeitpunkt des Verfahrens vor der Datenschutzbehörde verfügte der C***Video-Account des Zweitbeschwerdegegners über mehr als 452 Follower:innen, der D***Link-Account über 3.151. Beide Accounts waren öffentlich zugänglich.
Die Videoaufnahme erweckt jedenfalls den Eindruck, dass sie geeignet ist, einen negativen Gesamteindruck über die Erstbeschwerdeführerin zu generieren. Es kann als zutreffend angenommen werden, dass sie an einer verbalen und körperlichen Auseinandersetzung sowie an vorsätzlicher Sachbeschädigung beteiligt war. Gleichwohl besteht ihrerseits das legitime Interesse, dass diese Informationen nicht der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Bei der Erstbeschwerdeführerin handelt es sich auch nicht um eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens. Gegenständlich besteht das Interesse des Zweitbeschwerdegegners primär darin, die Erstbeschwerdeführerin durch die Veröffentlichung der Videoaufnahme vom 17. Februar 2025 in der Außenwahrnehmung negativ erscheinen zu lassen. Im vorliegenden Einzelfall überwiegen unter Berücksichtigung der einzelnen Faktoren die Geheimhaltsinteressen der Erstbeschwerdeführerin an der Nicht-Veröffentlichung der Videoaufnahme vom 17. Februar 2025.
Im Ergebnis erwies sich daher auch diese verfahrensgegenständliche Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Erstbeschwerdeführerin durch den Zweitbeschwerdegegner als rechtswidrig und war somit der Beschwerde gemäß § 24 Abs. 5 DSG stattzugeben .
D.4. Zum Spruchpunkt 3
Die Datenschutzbehörde verfügt gemäß Art. 58 Abs. 2 DSGVO über Abhilfebefugnisse, die es ihr gestatten, einen Verantwortlichen anzuweisen, Verarbeitungsvorgänge auf eine bestimmte Weise und innerhalb eines bestimmten Zeitraumes zu ändern bzw. durchzuführen. Die gegenständliche Datenverarbeitung ist derart zu gestalten, dass diese gemäß Spruchpunkt 2 in Einklang mit der genannten Verordnung steht.
Bei diesem Spruchpunkt handelt es sich um ein amtswegiges Vorgehen der Datenschutzbehörde gemäß Art. 58 Abs. 1 lit. b iVm Abs. 2 lit. d DSGVO.
Vom Aufnahmebereich der Videotürklingel sind aktuell die Hauseingangstür, Hausstiege und die Wohnungstür der Erstbeschwerdeführerin und einer weiteren Nachbarin erfasst. Es ist davon auszugehen, dass das Geheimhaltungsinteresse der betroffenen Personen - konkret der Nachbarn - nicht regelmäßig bei Betreten des Wohnhauses und derer Wohnungen erfasst zu werden.
Die Art und Weise, wie die Beschwerdegegner den Spruchpunkt 2 umsetzen, bleibt diesen überlassen.
Eine Frist von vier Wochen scheint angemessen, um die Änderungen, die keinen großen technischen Aufwand darstellen, umzusetzen und um der Datenschutzbehörde entsprechende Belege dafür zu übermitteln.
D.5. Zum Spruchpunkt 4
Nach Art. 58 Abs. 2 lit. g DSGVO verfügt jede Aufsichtsbehörde über sämtliche Abhilfebefugnisse, die es ihr gestatten, die Löschung von personenbezogenen Daten anzuordnen. Gemäß Art. 17 Abs. 1 lit. d DSGVO hat ein Verantwortlicher personenbezogene Daten einer betroffenen Person unverzüglich zu löschen, wenn die personenbezogenen Daten unrechtmäßig verarbeitet wurden.
Da keine Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Beschwerdeführerinnen vorliegt, war die Verarbeitung unrechtmäßig, sodass diese von dem Beschwerdegegner nicht nur von den sozialen Plattformen des Zweitbeschwerdegegners, sondern auch gänzlich aus deren Dateisystemen zu löschen sind.
Eine Frist von zwei Wochen erscheint angemessen, um dem Leistungsauftrag nachzukommen, zumal keine Anhaltspunkte vorliegen, dass die Löschung einen unverhältnismäßig hohen Aufwand für die Beschwerdegegner darstellt.
Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.
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