2025-0.045.624 – Datenschutzbehörde Entscheidung
Text
GZ: 2025-0.045.624 vom 24. Februar 2025 (Verfahrenszahl: DSB-D124.1905/24)
[Anmerkung Bearbeiter/in: Namen und Firmen, Rechtsformen und Produktbezeichnungen, Adressen (inkl. URLs, IP- und E-Mail-Adressen), Aktenzahlen (und dergleichen), statistische Angaben etc., sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Pseudonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
BESCHEID
SPRUCH
Die Datenschutzbehörde entscheidet über die Datenschutzbeschwerde von Azize A***, Bsc (Beschwerdeführerin) vom 15. August 2024 gegen Walter N*** (Beschwerdegegner) wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung sowie im Recht auf Löschung wie folgt:
1. Die Beschwerde wegen einer Verletzung im Recht auf Geheimhaltung wird abgewiesen .
2. Die Beschwerde wegen einer Verletzung im Recht auf Löschung wird abgewiesen.
Rechtsgrundlagen: Art. 17, Art. 51 Abs. 1, Art. 57 Abs. 1 lit. f sowie Art. 77 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung, im Folgenden: DSGVO), ABl. Nr. L 119 vom 4.5.2016 S. 1; §§ 1, 9 Abs. 1a, 18 Abs. 1 sowie 24 Abs. 1 und Abs. 5 des Datenschutzgesetzes (DSG), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF., § 1 Abs. 1 des Mediengesetzes (MedienG), BGBl. Nr. 314/1981 idgF.
BEGRÜNDUNG
A. Vorbringen der Parteien und Verfahrensgang
A.1. Mit verfahrenseinleitender Eingabe vom 15. August 2024 erhob die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) Beschwerde wegen einer behaupteten Verletzung im Recht auf Geheimhaltung sowie im Recht auf Löschung und brachte dazu - soweit verfahrensrelevant - wie folgt vor: Auf der Webseite www.socialcom***.net würden ihre personenbezogenen Daten ohne ihre Einwilligung verarbeitet. Auf der Webseite sei neben einem persönlichen Profil mit Datenfeldern, die über die Abbildung ihrer beruflichen Tätigkeit hinausgingen auch eine Bewertung ihrer Person gespeichert, die nicht im öffentlichen Interesse liege. Angeführt seien beispielsweise Gehalt, Status und auch der Standort ihres Arbeitsplatzes, was einerseits ihrem Sicherheitsbedürfnis widerspreche, andererseits aber auch für die Öffentlichkeit keinerlei Informationswert habe. Das Profil würde außerdem auf Grund der Aufmachung suggerieren, dass es von der BF persönlich angelegt worden wäre, was aber nicht den Tatsachen entspräche.
Darüber hinaus seien in dem Profil Bewertungen der Person der BF hinterlegt, wobei diese aber in keinerlei Beziehung zu den Bewertenden stünde und die Wertungen somit bloß fiktiv wären (z.B. eine Bewertung mit „fast durchgefallen“ [Anmerkung Bearbeiter/in: Wortlaut der Bewertung aus Pseudonymisierungsgründen geändert] betreffend die Leistung als Personalchefin).
Weiters befürchte die BF, unbegründet in die Nähe von politischen Parteien bzw. Politiker:innen gebracht zu werden, da ihr Name in Zusammenhang mit politischen Äußerungen auf der Webseite auftauche.
Die BF habe am 1. Juli 2024 ein Löschbegehren an den Betreiber der Webseite gestellt, welches aber bis zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung nicht beantwortet worden wäre.
Die BF gab außerdem an, dass wohl ein kleiner Teil der auf der Webseite verarbeiteten personenbezogenen Daten aus öffentlich zugänglichen Quellen stamme.
Der Beschwerde beigelegt waren Screenshots der Webseite, auf denen die BF aufscheint sowie der Antrag auf Löschung vom 1. Juli 2024.
A.2. Die Datenschutzbehörde (DSB) forderte mit Schreiben vom 20. September 2024 den Beschwerdegegner (im Folgenden: BG) zur Stellungnahme auf.
A.3. Der BG nahm mit Schreiben vom 5. Oktober 2024 zu den Vorwürfen wie folgt Stellung: Das Profil der BF sei mittlerweile gelöscht worden. Die BF sei aber sehr wohl eine Person des öffentlichen Interesses, da sie bei ihrem Arbeitgeber (Anm. DSB: dem E***fonds – E*F) ein Budget von [Anmerkung Bearbeiter/in: Zahl (dreistellig) aus Pseudonymisierungsgründen entfernt] Millionen Euro verwalte und derzeit für etwa [Anmerkung Bearbeiter/in: Zahl (dreistellig) aus Pseudonymisierungsgründen entfernt] Mitarbeiter:innen zuständig sei. In den verschiedenen Bereichen der Webseite würden Informationen zur BF verarbeitet, die aus öffentlich zugänglichen Quellen stammten, darunter auch Presseaussendungen u.Ä.
Die BF habe außerdem in einer E-Mail der Plattform unterstellt (Anm. DSB: wie auch der Geschäftsführer und weitere Mitarbeiter:innen des E*F), falsche oder negative Bewertungen zu verbreiten. Diese Anschuldigungen habe man veröffentlicht und dabei klargestellt, dass die Bewertungen teilweise von Google stammten und auf der Webseite bloß zitiert worden wären.
Die von der BF angesprochene Bewertung von „fast durchgefallen“ [Anmerkung Bearbeiter/in: Wortlaut der Bewertung aus Pseudonymisierungsgründen geändert] stamme vom ehemaligen Personalchef eines multinationalen Konzerns, dessen Ansicht nach die Leistungen der BF als Personalverantwortliche diese Bewertung verdienen.
Zum Vorwurf, dass die BF ungewollt in einen politischen Kontext gerückt würde, gab der BG an, nicht zu wissen, was gemeint sei, da die vorgelegten Screenshots der BF diese Behauptung nicht untermauern könnten.
A.4. Zum Zwecke der genaueren Feststellung des Sachverhalts forderte die DSB den BG am 8. Oktober 2024 zu einer ergänzenden Stellungnahme auf.
A.5. Der BG replizierte am 24. Oktober 2024 und übermittelte einige Screenshots, auf denen die zum Zeitpunkt des Auftrags der ergänzenden Stellungnahme verarbeiteten personenbezogenen Daten der BF aufschienen (darunter auch Beiträge im nicht-öffentlichen Bereich der Webseite).
A.6. Die DSB legte der BF mit Schreiben vom 7. November 2024 die bis dato ermittelten Ergebnisse zum Parteiengehör vor.
A.7. Mit Schreiben vom 12. November 2024 lud die DSB den BG zu einer mündlichen Einvernahme am 2. Dezember 2024.
A.8. Die BF nahm am 21. November 2024 im Rahmen des Parteiengehörs Stellung und führte dazu wie folgt aus: Ihr Profil sei zwar nicht mehr öffentlich einsehbar, sie habe aber nach wie vor keine schriftliche Bestätigung über die Löschung erhalten.
Ihre E-Mail Nachricht inklusive ihrer (dienstlichen) Kontaktdaten werde außerdem weiter veröffentlicht. Aus der allgemeinen Lebenserfahrung sei nicht zu erwarten, dass eine E-Mail veröffentlicht werde, sondern vielmehr, dass eine Antwort auf demselben Weg erfolge. Die BF wünsche nicht, dass ihre Daten weiter auf der Webseite verarbeitet würden, dies habe mangels datenschutzrechtlicher Rechtsgrundlage zu unterbleiben.
Ansonsten verweise die BF auf die näheren Ausführungen in ihrer Beschwerde vom 16. August 2024.
A.9. Die DSB führte am 2. Dezember 2024 eine mündliche Einvernahme des BG durch. Dabei gab dieser an, dass er gemeinsam mit anderen der Betreiber der Webseite www.socialcom***.net sei und auch über die veröffentlichten Inhalte entscheide. Die Webseite diene als Informations- und Kommunikationsplattform für Armutsgefährdete bzw. Menschen, die mit dem AMS oder mit Anbietern von diversen Kursen in diesem Kontext in Verbindung stünden. Es gebe auch einen Bereich für registrierte User, die Inhalte dort seien öffentlich nicht einsehbar. Die Webseite habe ca. 500 registrierte User und weise in etwa 30.000 Zugriffe im Monat auf.
Das Profil der BF würde seit Juli 2024 nicht mehr angezeigt. Laut dem BG sei die BF aber sehr wohl eine Person des öffentlichen Interesses, da sie beim E***fonds ein Budget von [Anmerkung Bearbeiter/in: Zahl (dreistellig) aus Pseudonymisierungsgründen entfernt] Millionen EUR verwalte und für ca. [Anmerkung Bearbeiter/in: Zahl (dreistellig) aus Pseudonymisierungsgründen entfernt] Mitarbeiter:innen verantwortlich sei.
Zum Zeitpunkt der Einvernahme würde auf der Webseite nur mehr die E-Mail der BF an die Plattformbetreiber mit der Aufforderung zur Löschung gespeichert. Zusätzlich würden auch die Schriftstücke des laufenden Verfahrens gespeichert. Der Name würde auch im Zusammenhang mit dem sogenannten „S***preis“ verarbeitet. Es handelt sich dabei um einen Preis, der von den Mitgliedern der Plattform im nicht-öffentlichen Bereich für aus Sicht der Mitglieder „nicht-intelligente“ Aktionen vergeben würde.
Zur Veröffentlichung der E-Mail der BF merkte der BG an, dass in dieser der Webseite Dinge unterstellt würden, die nicht korrekt seien. Die Veröffentlichung diene daher der Möglichkeit, diese Vorwürfe zu dokumentieren und sie zu widerlegen. Die personenbezogene Form der Veröffentlichung würde auch Beweiszwecken dienen.
A.10. Die DSB übermittelte der BF das Protokoll der Einvernahme des BG zum Parteiengehör. Die BF gab innerhalb der gesetzten Frist keine Stellungnahme mehr ab.
B. Beschwerdegegenstand
Ausgehend vom Vorbringen der BF besteht der Beschwerdegegenstand in der Frage, ob der BG die BF durch die Verarbeitung von personenbezogenen Daten auf der Webseite www.socialcom***.net bzw. durch die nicht erfolgte Löschung der genannten personenbezogenen Daten in ihrem Recht auf Geheimhaltung sowie im Recht auf Löschung verletzt hat.
C. Sachverhaltsfeststellungen
C.1. Der BG ist einer der Betreiber der Webseite (Plattform) www.socialcom***.net und entscheidet als solcher auch über die dort veröffentlichen Inhalte. Die Webseite weist etwa 30.000 Zugriffe pro Monat auf, was zu einer Zahl von ca. 360.000 Zugriffen pro Jahr führt. Die Webseite dient als Informations- und Austauschplattform rund um den Arbeitsmarkt in Österreich.
Beweiswürdigung : Die Feststellung ergibt sich aus den Angaben des BG im Rahmen der mündlichen Einvernahme vom 2. Dezember 2024.
C.2. Die BF stelle am 1. Juli 2024 einen Antrag auf Löschung, woraufhin das Profil der BF von der Webseite gelöscht wurde.
Auszug aus dem Akt: Screenshot der E-Mail der BF mit der Aufforderung zur Löschung (Formatierung nicht 1:1 wiedergegeben):
[Anmerkung Bearbeiter/in: Die an dieser Stelle im Original als Faksimile (grafische Datei) wiedergegebene Kopie einer E-Mail der Beschwerdeführerin von deren dienstlicher E-Mail-Adresse an die Adresse info@socialcom***.net kann mit zumutbarem Aufwand nicht pseudonymisiert werden und wurde daher entfernt. Diese Nachricht enthält unter anderem den Vorwurf, auf der vom BG betriebenen Website werde ein nicht von der BF erstelltes Benutzerprofil gehostet, das falsche Angaben zu ihrer Person enthalte. Es wurde ausdrücklich die Löschung aller entgegen Art. 6 DSGVO verarbeiteten Daten beantragt.]
Beweiswürdigung : Die Feststellungen ergeben sich aus den übereinstimmenden Vorbringen der Verfahrensparteien und der somit unstrittigen Aktenlage.
C.3. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des gegenständlichen Verfahrens werden noch personenbezogene Daten der BF auf der Webseite verarbeitet.
Dabei handelt es sich im Wesentlichen um den Namen und die beruflichen Kontaktdaten der BF sowie um eine von der BF verfasste (unten wiedergegebene) E-Mail mit der Aufforderung, gewisse Inhalte von der Webseite zu löschen. Darüber hinaus sind im Zusammenhang mit der E-Mail Kommentare der Plattformbetreiber ersichtlich, darunter auch die Bewertung der Leistung der BF mit „fast durchgefallen“ [Anmerkung Bearbeiter/in: Wortlaut der Bewertung aus Pseudonymisierungsgründen geändert].
Hier einige Screenshots der Webseite www.socialcom***.net inklusive der Trefferliste bei Suche nach dem Namen der BF (Formatierung nicht 1:1 wiedergegeben):
[Anmerkung Bearbeiter/in: Die an dieser Stelle im Original als grafische Dateien wiedergegebenen fünf Screenshots von der Website www.socialcom***.net können mit zumutbarem Aufwand nicht pseudonymisiert werden und wurden daher entfernt.]
Beweiswürdigung : Die Feststellung ergibt sich aus einer amtswegigen Recherche der DSB auf der Webseite www.socialcom***.net (abgerufen am 20. Februar 2025).
C.4. Die BF arbeitet als Führungskraft (Bereichsleiterin für Finanzen und Personal) beim E***fonds (E*F) und berichtet in dieser Funktion direkt an die Geschäftsleitung. Der E*F ist ein Fonds der Republik Österreich und fungiert als [Anmerkung Bearbeiter/in: genaue Beschreibung der Aufgaben des Arbeitgebers der BF aus Pseudonymisierungsgründen entfernt]. Dem Jahresbericht für das Jahr 2022 ist zu entnehmen, dass der E*F ein Budget [Anmerkung Bearbeiter/in: genaue Zahl (zweistelliger Millionenbetrag) aus Pseudonymisierungsgründen entfernt] zur Verfügung hatte.
Beweiswürdigung : Die Feststellung ergibt sich aus einer amtswegigen Recherche der Datenschutzbehörde auf der Webseite www.e***fonds.at (abgerufen am 20. Februar 2025).
D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
D.1. Zur Frage des Datenschutzes im Zusammenhang mit der Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit (Medienprivileg)
Der VfGH hat mit seiner Entscheidung vom 14. Dezember 2022 (G 287/2022) § 9 Abs. 1 des DSG idF BGBl. I Nr. 24/2018 als verfassungswidrig aufgehoben, da die Regelung eines vollständigen Ausschlusses einiger Kapitel der DSGVO sowie des DSG als überschießend und damit als verfassungswidrig angesehen wurde. Der nationale Gesetzgeber hat daraufhin zum 1. Juli 2024 das sogenannte Medienprivileg gänzlich neu geregelt (BGBl I Nr. 62/2024).
In den Materialien zur neuen Bestimmung wurde die Rolle der Medien als „Social Watchdogs“ besonders betont und die Regelungslücke, wonach der sogenannte „Bürgerjournalismus“ früher uneingeschränkt der DSGVO unterlag, mit Hilfe des neuen § 9 Abs. 1a DSG, geschlossen ( Knyrim , DAKO 04/2024, S 81). Die neue Bestimmung berechtigt den Verantwortlichen unter anderem zu journalistischen Zwecken sogar besondere Kategorien von personenbezogenen Daten (Art. 9 DSGVO) sowie personenbezogene Daten über strafrechtliche Verurteilungen und Straftaten (Art. 10 DSGVO) zur Wahrung berechtigter Interessen zu verarbeiten, soweit dies zur Ausübung der Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit erforderlich und verhältnismäßig ist.
Darüber hinaus schließt § 9 Abs. 1a DSG das Recht auf Löschung von personenbezogenen Daten nach Art. 17 DSGVO explizit aus, soweit personenbezogene Daten zu journalistischen Zwecken in einem Mediumim Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 MedienG veröffentlicht wurden.
Als MediumiSd. § 1 Abs. 1 Z 1 MedienG gilt jedes Mittel zur Verbreitung von Mitteilungen oder Darbietungen mit gedanklichem Inhalt in Wort, Schrift, Ton oder Bild an einen größeren Personenkreis im Wege der Massenherstellung oder der Massenverbreitung.
Eine Verarbeitung personenbezogener Daten für journalistische Zwecke liegt nach dem Verständnis des EuGH dann vor, wenn die Verarbeitung ausschließlich zum Ziel hat, Informationen, Meinungen oder Ideen in der Öffentlichkeit zu verbreiten (vgl. EuGH 12.02.2007, C-73/07, Rz. 62; vgl. EuGH 01.06.2017, C-345/17, Rz 53). Zwar bezieht sich die gegenständliche Rsp. auf die alte Rechtslage, jedoch ist Art. 9 der Richtlinie 95/46 als Pendantbestimmung zu Art. 85 DSGVO zu verstehen.
„ Um der Bedeutung des Rechts auf freie Meinungsäußerung in einer demokratischen Gesellschaft Rechnung zu tragen, müssen Begriffe wie Journalismus, die sich auf diese Freiheit beziehen, im Ergebnis weit ausgelegt werden “ (ErwGr. 153 letzter Satz DSGVO). Somit werden Daten grundsätzlich immer dann zu journalistischen Zwecken verarbeitet, wenn die Zielsetzung die Veröffentlichung für einen unbestimmten Personenkreis ist (vgl. Buchner/Tinnefeld in Kühling/Buchner [Hrsg], Datenschutz- Grundverordnung [2017] Art. 85, Rz. 17).
Der EuGH hat in seiner oben genannten Entscheidung C-345/17 vom 1. Juni 2017 weiters festgehalten, dass es Sache des vorlegenden Gerichts sei, zu prüfen, ob eine Datenverarbeitung ausschließlich zum Ziel hat, Informationen, Meinungen oder Ideen in der Öffentlichkeit zu verbreiten und damit unter den Begriff journalistische Tätigkeit fällt (EuGH, C-345/17, Rz. 59).
D.2. Zu Spruchpunkt 1
Nach § 1 Abs. 1 DSG hat jedermann Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.
Die DSGVO und insbesondere auch die darin verankerten Grundsätze sind zur Auslegung des Rechts auf Geheimhaltung heranzuziehen (vgl. den Bescheid der DSB vom 31. Oktober 2018, GZ DSBD123.076/0003-DSB/2018).
Gemäß § 9 Abs. 1a DSG ist der Verantwortliche berechtigt, personenbezogene Daten, aus denen politische Meinungen oder religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen hervorgehen (Art. 9 Abs. 1 DSGVO), sowie personenbezogene Daten über strafrechtliche Verurteilungen und Straftaten oder damit zusammenhängende Sicherungsmaßregeln (Art. 10 DSGVO) zur Wahrung berechtigter Interessen (Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO) zu verarbeiten , soweit dies zur Ausübung der Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit erforderlich und verhältnismäßig ist.
Wenn somit die Verarbeitung von bestimmten sensiblen Daten („politische Meinungen oder religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen“ gemäß Art. 9 DSGVO) und strafrechtlich relevanten Daten („strafrechtliche Verurteilungen und Straftaten oder damit zusammenhängende Sicherungsmaßregeln“ gemäß Art. 10 DSGVO) gemäß § 9 Abs. 1a DSG erlaubt ist, muss dies im Sinn eines Umkehrschlusses auch für die Verarbeitung nicht-sensibler Daten gelten.
Es kann also festgehalten werden, dass § 9 Abs. 1a DSG die Verarbeitung von personenbezogenen Daten im Rahmen des Bürgerjournalismus aus berechtigten Interessen nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO erlaubt.
Die Verarbeitung auf der Rechtsgrundlage „berechtigter Interessen“ ist unter drei kumulativen Voraussetzungen zulässig: i) Wahrnehmung eines berechtigten Interesses durch den Verantwortlichen oder den bzw. die Dritten, denen die Daten übermittelt werden, ii) Erforderlichkeit der Verarbeitung der personenbezogenen Daten zur Verwirklichung des berechtigten Interesses und iii) kein Überwiegen der Grundrechte und Grundfreiheiten der vom Datenschutz betroffenen Person über das wahrgenommene berechtigte Interesse (vgl. in Bezug auf die Richtlinie 95/46/EG das Urteil des EuGH vom 11. Dezember 2019, C-708/18 [TK] Rz 40 mwN).
i) zu den berechtigten Interessen des Beschwerdegegners
Wie unter Punkt C. festgestellt, betreibt der BG eine Webseite, die sich dem Meinungs- und Informationsaustausch zum Thema Arbeitsmarkt in Österreich widmet. Auf der Webseite werden daher auch Informationen geteilt und Diskussionen geführt, welche den Arbeitgeber der BF (E***fonds - E*F) betreffen, da der Zugang zum Arbeitsmarkt [Anmerkung Bearbeiter/in: Bezugnahme auf die Aufgaben des Arbeitgebers der BF aus Pseudonymisierungsgründen entfernt] einen starken Konnex zum Tätigkeitsbereich des Arbeitsgebers der BF aufweisen.
Im gegenständlichen Fall hat die BF den BG per Mail kontaktiert, um die Löschung einiger Beiträge zu erwirken, die offensichtlich das Missfallen des Arbeitgebers der BF erregt hatten.
Das Interesse des BG an der Veröffentlichung dieser mit „Sehr geehrte Plattformbetreiber, sehr geehrter Herr N***“ eingeleiteten E-Mail (siehe dazu C.3.) besteht demnach in der Dokumentation und Information betreffend die gewählte Vorgehensweise der BF und ihres Arbeitgebers bzw. einer Diskussion darüber und schließlich der öffentlichen Widerlegung der in diesem E-Mail erhobenen Vorwürfe. Der E*F als Arbeitgeber der BF ist ein Fonds der Republik und verwaltet ein Budget von nahezu 100 Millionen Euro. In Anbetracht eines nachvollziehbaren öffentlichen Interesses am Auftreten und an der Tätigkeit des E*F sowie unter Berücksichtigung der unterschiedlichen wirtschaftlichen Kräfteverhältnisse im Vergleich zum BG erkennt die DSB ein legitimes Interesse des BG an der Veröffentlichung der E-Mail der BF.
ii) Zur Erforderlichkeit der Verarbeitung
Die Veröffentlichung stellt sich auch als erforderlich dar, um den angestrebten Zweck zu erreichen, da ein bloßer Hinweis auf die Aufforderung zur Löschung von Beiträgen ohne das Originaldokument niemals dieselbe Überzeugungswirkung bei den Lesern der Webseite entfalten könnte wie eine Veröffentlichung im Original.
iii) Zur Interessenabwägung
Eine Abwägung zwischen dem Grundrecht auf Datenschutz der BF und dem Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit des BG geht in diesem Fall zu Gunsten des BG aus.
Dieser hat lediglich den Inhalt einer Nachricht, die von öffentlichem Interesse ist, sowie die beruflichen Kontaktdaten der BF als Verfasserin der Nachricht (aus der E-Mail Signatur) veröffentlicht und ansonsten keinerlei weitere privaten Informationen zur BF verarbeitet. Die gewählte Vorgehensweise stellt das gelindeste Mittel dar, um den oben angestrebten Verarbeitungszweck zu erreichen. Eine anonymisierte Darstellung ließe keine Möglichkeit für den Leser, einen Konnex zum E*F herzustellen und hätte daher Zweifel an der Richtigkeit der Darstellung zur Folge. Eine erhöhte Schutzwürdigkeit der beruflichen Kontaktdaten, welche durch eine Internetrecherche in kurzer Zeit herauszufinden wären, ist für die DSB in diesem Fall ebenfalls nicht erkennbar.
Eine journalistische Tätigkeit im Sinne der Rechtsprechung des EuGH liegt nach Ansicht der DSB ebenfalls vor, da das einzig erkennbare Motiv der Verarbeitung in der Verbreitung von Informationen (Vorgehensweise des E*F und seiner Führungskräfte) lag.
Alles in allem erweist sich die Verarbeitung daher sowohl als eine journalistische Tätigkeit im Sinne des § 9 Abs. 1a DSG als auch gem. Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO als gerechtfertigt.
Die Beschwerde war daher in diesem Punkt abzuweisen .
D.3. Zu Spruchpunkt 2
Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 9 Abs. 1a DSG ist das Recht auf Löschungvon personenbezogenen Daten, die in einem Medium im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 MedienG zu journalistischen Zwecken veröffentlicht wurden, nicht anwendbar.
Die Webseite des BG, die dem Informationsaustausch und der Diskussion zum Thema Arbeitsmarkt in Österreich dient, ist als Medium iSd § 1 Abs. 1 Z 1 Mediengesetzes zu qualifizieren, da es ihr um die Verbreitung von Informationen an einen größeren Personenkreis im Wege der Massenverbreitung geht (siehe dazu auch die Sachverhaltsfeststellungen unter Punkt C.)
Die Verarbeitung dient auch, wie oben dargelegt, journalistischen Zwecken, da es im ggst. Fall ausschließlich darum geht, Informationen und Meinungen in der Öffentlichkeit zu verbreiten. Andere Beweggründe für die Verarbeitung wurden von der BF weder behauptet, noch konnten diese im Verfahren festgestellt werden.
Das Recht auf Löschung ist daher nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht anzuwenden. Abschließend weist die DSB darauf hin, dass der BF die Rechtsbehelfe des medienrechtlichen Persönlichkeitsschutzes offenstehen, die aber außerhalb der Kognitionsbefugnis der DSB liegen.
Die Beschwerde war somit in diesem Punkt abzuweisen .
D.4. Fazit
Insgesamt war daher spruchgemäß zu entscheiden.