2024-0.028.256 – Datenschutzbehörde Entscheidung
Text
GZ: 2024-0.028.256 vom 27. Juni 2024 (Verfahrenszahl: DSB-D124.1818/23)
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BESCHEID
SPRUCH
Die Datenschutzbehörde entscheidet über die Datenschutzbeschwerde von Ulrich A*** (Beschwerdeführer) vom 7. Juli 2023 gegen die Gemeinde N***berg (Beschwerdegegnerin), vertreten durch die B*** Rechtsanwälte GmbH, wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung wie folgt:
- Der Beschwerde wird stattgegeben und festgestellt, dass die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer dadurch in seinem Recht auf Geheimhaltung verletzt hat, indem sie seine personenbezogenen Daten, nämlich seinen Vor- und Nachnamen, einem Dritten gegenüber im Rahmen einer Akteneinsicht am 22.6.2023 offengelegt hat.
Rechtsgrundlagen: Art. 51 Abs. 1, Art. 57 Abs. 1 lit. f sowie Art. 77 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung, im Folgenden: DSGVO), ABl. Nr. L 119 vom 4.5.2016 S. 1; §§ 1, 18 Abs. 1 sowie 24 Abs. 1 und Abs. 5 des Datenschutzgesetzes (DSG), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF.
BEGRÜNDUNG
A. Vorbringen der Parteien und Verfahrensgang
1. Mit verfahrenseinleitendem Vorbringen wandte sich der Beschwerdeführer am 7. Juli 2023, eingegangen am 25. Juli 2023 und am 7. September 2023 verbessert, an die Behörde und brachte wie folgt vor:
Im Zuge eines Aufenthaltes im Gemeindeamt N***berg am 22. Juni 2023 habe er die Bauabteilung darauf hingewiesen, dass die Brandschutzsicherungsmaßnahmen sowie der Schallschutz eines Wohnbaus eines Hauseigentümers nicht in Ordnung seien und dies bei der anstehenden Bauverhandlung überprüft werden müsse. Diese Meldung habe dazu geführt, dass er vom betroffenen Grundstückseigentümer nur wenige Stunden nach seiner Eingabe telefonisch kontaktiert worden und im Zuge dessen beschimpft und bedroht worden sei.
Am 6. Juli 2023 sei er von einem weiteren Anrainer mit seiner Anzeige konfrontiert worden, wobei dem Beschwerdeführer nicht klar gewesen sei, dass es sich bei seiner Eingabe um eine Anzeige handeln würde.
Da die Gemeinde N***berg seine Daten an den angezeigten Grundstückseigentümer weitergegeben habe, führe er gegen diese Beschwerde wegen Verletzung seines Grundrechts auf Geheimhaltung gemäß § 1 Abs. 1 DSG iVm Art. 5 DSGVO.
2. Mit verbesserter Eingabe vom 7. September 2023 konkretisierte der Beschwerdeführer, dass seine Eingabe beim Gemeindeamt konkret daraus bestanden habe, dass beim D*** Wohnprojekt keine Brandmeldeanlagen vorhanden seien, die Wohnungstüren brandunbeständig und der Schallschutz zwischen den Wohnungen nicht normgemäß gewesen seien. Daraufhin sei er vom Grundstückseigentümer telefonisch konfrontiert und von zwei nicht involvierten Leuten auf die Anzeige angesprochen worden. Dementsprechend gehe er davon aus, dass die Gemeinde die Information noch an weitere Leute weitergegeben habe.
3. Mit Stellungnahme vom 2. Oktober 2023 replizierte die Beschwerdegegnerin wie folgt:
Die Beschwerdegegnerin bestätigte zunächst, am 22. Juni 2023 eine entsprechende Eingabe vom Beschwerdeführer erhalten zu haben und legte zum Beweis einen entsprechenden Aktenvermerk vor. Der Bauwerber, den die Anzeige betreffe, habe daraufhin am 22. Juni 2023 Akteneinsicht gemäß § 17 AVG genommen, im Zuge dessen er von der Anzeige des Beschwerdeführers erfahren habe.
Die Gemeinde könne einzelne Bestandteile nur dann von der Akteneinsicht ausnehmen, soweit die Einsicht eine Schädigung berechtigter Interessen einer Partei oder dritter Personen oder eine Gefährdung der Aufgaben einer Behörde herbeiführen oder den Zweck des Verfahrens beeinträchtigen würde (§ 17 Abs. 3 AVG). Dies sei eine Einzelfallentscheidung und müsse abgewogen werden, wobei es im vorliegenden Fall keinen Anlass gegeben habe, die Akteneinsicht einzuschränken. Weder habe der Beschwerdeführer gebeten, die Eingabe anonym vorzunehmen, noch habe er Befürchtungen hinsichtlich etwaiger Konsequenzen geäußert.
Darüber hinaus merkte die Beschwerdegegnerin an, dass die Eingabe lediglich den Vor- und Nachnamen des Beschwerdeführers, nicht jedoch seine Telefonnummer enthalten habe. Diese sei im Internet frei ersichtlich. Dem gegenüber stehe das Interesse des Bauwerbers an allen relevanten Inhalten, was sich mit dem Sinn des Bauverfahrens decke. Für die Verarbeitung durch Offenlegung sei dementsprechend die Rechtsgrundlage des Art 6 Abs 1 lit c und Abs 3 DSGVO einschlägig.
4. Mit ergänzender Stellungnahme brachte die Beschwerdegegnerin am 2. Oktober 2023 vor, dass sämtliche Eingaben, somit Datum, Einbringer und Anbringen von ihr dokumentiert würden, im Verfahrensakt abgelegt und gegebenenfalls bearbeitet werden müssen. Auf Basis der Anzeige des Beschwerdeführers habe es eine baupolizeiliche Nachschau gegeben, wozu die Beschwerdeführerin auch verpflichtet sei.
Der Grundstückseigentümer habe noch sein Recht ausgeübt und am Tag der Anzeige Akteneinsicht genommen. Es sei die Verpflichtung der Beschwerdegegnerin, dieses Recht auch zu gewähren.
5. Mit Parteiengehör vom 11. Jänner 2024 hielt der Beschwerdeführer fest, dass er bereits im Jahr 2022 eine ähnliche Eingabe gemacht habe, diese aber zu keinem Aktenvermerk geführt habe. Nur im Jahr 2023 sei die Eingabe plötzlich vermerkt worden. Darüber hinaus sei ihm nicht klar, wieso dem Bauwerber Akteneinsicht gewährt worden sei, wo doch bekannt sei, dass es sich bei ihm um einen cholerischen Menschen handle.
B. Beschwerdegegenstand
Beschwerdegegenständlich ist die Frage, ob die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Datenschutz dadurch verletzt hat, indem sie seine personenbezogenen Daten Dritten gegenüber offengelegt hat.
C. Sachverhaltsfeststellungen
Eigentümerin des Grundstücks an der Adresse U***gasse *4, **** N***berg am **** (Katastralgemeinde *4*3*2 C***feld, Einlagezahl 6*6) ist die D*** Projektentwicklungs- und Vermietungs GmbH (FN *6*9*3l). Die genannte GmbH hat ihren Sitz in der politischen Gemeinde R***hausen am ****, L***berg, P***platz *8, Geschäftsführer sind Michael, Krista und Johannes D***.
Am 22. Juni 2023 erstattete der Beschwerdeführer eine Eingabe bei der Beschwerdegegnerin und brachte vor, dass die Brandschutzsicherungsmaßnahmen sowie der Schallschutz der Wohnungstrennwände an der bezeichneten Adresse nicht in Ordnung seien und dies bei der anstehenden Bauverhandlung überprüft werden müsse. Am selben Tag nahm einer der Geschäftsführer der Grundstückseigentümerin Akteneinsicht. Im Zuge dessen wurden ihm seitens der Beschwerdegegnerin der Vor- und Nachname des Beschwerdeführers offengelegt, nicht jedoch die Telefonnummer. Die Eingabe hatte der Beschwerdeführer eingebracht, weder mit der Bitte um Anonymisierung seiner Daten noch unter Vorbringung von Befürchtungen hinsichtlich etwaiger Repressalien. Nichtsdestotrotz hatte der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit seiner Eingabe negative Konsequenzen zu tragen, wie etwa, dass er von einem der Geschäftsführer der Grundstückseigentümerin pressiert wurde oder dass seine Eingabe Dritten zur Kenntnis gelangte und er dadurch einen Reputationsschaden erlitt.
Am 20. Juli 2023 kam es vor dem Hintergrund der Anzeige des Beschwerdeführers zu einer baupolizeilichen Nachschau.
Beweiswürdigung : Die Feststellungen ergaben sich aus den Eingaben des Beschwerdeführers vom 7. Juli 2023, 7. September 2023 und 11. Jänner 2024 sowie aus den Eingaben der Beschwerdegegnerin vom 2. Oktober 2023. Andererseits ergaben sich die Feststellungen aus der vorgelegten, unbedenklichen Unterlage, dem Aktenvermerk der Beschwerdegegnerin vom 22. Juni 2023 hinsichtlich der Anzeige des Beschwerdeführers sowie aus den amtswegigen Ermittlungen hinsichtlich des Grund- sowie des Firmenbuchs. Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer im Zuge seiner Anzeige keine Angaben zu etwaigen Repressalien machte, ergab sich aus dem genannten Aktenvermerk sowie aus den Angaben beider Parteien. Die Tatsache, dass es am 20. Juli 2023 zu einer baupolizeilichen Nachschau kam, basierte auf dem entsprechenden vorgelegten Schreiben an die Grundeigentümerin. Die Behauptung seitens der Beschwerdegegnerin, wonach die Telefonnummer des Beschwerdeführers öffentlich im Internet zugänglich sei, wurde seitens der Behörde verifiziert, weswegen diese annehmen konnte, dass die Nummer von der Behörde tatsächlich nicht offengelegt wurde.
D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
Nach § 1 Abs. 1 DSG hat Jedermann Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.
Im gegenständlichen Fall bezieht sich der offengelegte Vor- und Nachname ohne Zweifel auf den Beschwerdeführer. Im Hinblick auf eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung spielt es keine Rolle, auf welche Weise Daten verarbeitet werden; auch eine mündliche Mitteilung kann eine Verletzung dieser Bestimmung bewirken (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Februar 2018, Ra 2015/04/0087).
Somit ist der dem Geschäftsführer der Grundstückseigentümerin offengelegte Vor- und Nachname des Beschwerdeführers in den sachlichen Schutzbereich des § 1 DSG fallend, weil es diesbezüglich zu einer Verarbeitung personenbezogener Daten des Beschwerdeführers gekommen ist.
Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung sind gemäß § 1 Abs. 2 DSG dann zulässig, wenn personenbezogene Daten im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen verwendet werden, der Betroffene seine Zustimmung (bzw. in der Terminologie der DSGVO: Einwilligung) erteilt hat, wenn eine qualifizierte gesetzliche Grundlage für die Verwendung besteht, oder wenn die Verwendung durch überwiegende berechtigte Interessen eines Dritten gerechtfertigt ist.
Im vorliegenden Fall erfolgte die Offenlegung der gegenständlich relevanten Daten durch die Beschwerdegegnerin auf Basis einer qualifizierten gesetzlichen Grundlage. Die Beschwerdegegnerin brachte vor, durch die Offenlegung der Grundstückseigentümerin das Recht auf Akteneinsicht ermöglicht zu haben.
Für die Zulässigkeit eines Eingriffs in das Grundrecht auf Geheimhaltung auf Basis einer gesetzlichen Grundlage haben drei Voraussetzungen gegeben zu sein:
- Der Eingriff muss zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen erfolgen (Interessenabwägung)
-Der Eingriff darf nur auf Grund von Gesetzen erfolgen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Gründen notwendig sind (materieller Gesetzesvorbehalt)
- Der Eingriff in das Grundrecht darf jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden
Die Grundstückseigentümerin nahm ihr Recht auf Akteneinsicht nach § 17 AVG wahr, als ihr in deren Rahmen der Vor- und Nachname des Beschwerdeführers offengelegt wurden. Das Recht einer Partei auf Akteneinsicht erstreckt sich grundsätzlich auf alle Unterlagen, die sich auf ihre Sache beziehen. Ausgenommen von der Einsicht sind Aktenbestandteile nach § 17 Abs. 3 AVG nur insoweit, als der Einsichtnahme bestimmte legitime Interessen entgegenstehen, wobei die Behörde das Interesse der Partei an der Akteneinsicht im Hinblick auf deren Zweck gegen berechtigte Interessen der anderen Parteien oder Dritter im Einzelfall abzuwägen hat (siehe etwa das Erkenntnis des VwGH vom 22.5.2012, 2009/04/0187 und vom 9.4.2013, 2011/04/0207).
In systematischer Interpretation ist anzunehmen, dass der Begriff „berechtigte Interessen“ einer Partei oder eines Dritten in diesem Kontext jedenfalls weiter ist als jener der „rechtlichen Interessen“ iSd § 8 AVG. Von der Bestimmung nach § 17 Abs. 3 AVG werden unter anderem das Interesse eines Zeugen oder einer Auskunftsperson am Unterbleiben von „Repressalien“ (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 19. Dezember 2000, Zl. 95/12/0007) oder an ihrer körperlichen Integrität (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 18. Oktober 1988, Zl. 88/14/0092 zu § 90 Abs. 2 BAO) geschützt.
In diesem Zusammenhang ist auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs hinzuweisen, wonach die Interessen von Verfahrensparteien auf Zugang zu verfahrensrelevanten Informationen mit den Interessen von Verfahrensparteien auf Schutz vertraulicher Angaben und Geschäftsgeheimnisse in Konkurrenz treten. Demnach begründen weder das grundrechtlich durch Art. 6 EMRK im Rahmen des Prinzips der Waffengleichheit gewährleistete Recht auf Zugang zu Verfahrensakten noch das grundrechtlich insbesondere durch Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Geheimhaltung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen eine absolut geschützte Rechtsposition und ist eine entsprechende Interessenabwägung durchzuführen (vgl. zu „geheimen Beweismitteln“ das Erkenntnis des VfGH vom 10. Oktober 2019, GZ E 1025/2018-21).
Umgelegt auf den gegenständlichen Fall bedeuten diese Ausführungen, dass die Beschwerdegegnerin vor Übermittlung der gegenständlich relevanten Daten des Beschwerdeführers eine Interessenabwägung zwischen dem Recht auf Akteneinsicht nach § 17 AVG und dem Grundrecht auf Geheimhaltung nach § 1 Abs. 1 DSG durchzuführen gehabt hätte (vgl. in diesem Zusammenhang auch den Bescheid vom 18. April 2019, GZ DSB-D122.913/0001-DSB/2019, in welchem es um das Verhältnis zwischen § 17 AVG und Art. 15 DSGVO und die Notwendigkeit einer Interessensabwägung geht).
Wie die Beschwerdegegnerin in ihrem Vorbringen richtig darlegte, besteht in Hinblick auf die Bauverhandlung zwar ein an sich nachvollziehbares Interesse der Grundstückseigentümerin, vollständige Kenntnis über den Akteninhalt zu haben. Das Interesse an vollständiger Information seitens der Grundstückseigentümerin ist jedoch niedriger zu gewichten als das Interesse an Geheimhaltung seitens des Beschwerdeführers, welcher, die – wie sich später herausstellen sollte, berechtigte – Befürchtung hatte, durch seine Eingabe unter Druck zu geraten. Die Bestimmung des § 17 Abs. 3 AVG (und als Ausfluss dessen auch § 1 Abs. 1 DSG) ist jedenfalls auch bei einer nicht-anonymen Anzeige zu beachten und sind berechtigte Interessen, die eine Einschränkung der Akteneinsicht gebieten, in jedem Fall zu berücksichtigen.
Inwiefern es zur Rechtsverfolgung sowie zur Erreichung des Ziels von § 17 AVG, also zur Gewährleistung des Rechts auf Akteneinsicht, notwendig war, die Identität des Beschwerdeführers an die Grundstückseigentümerin offenzulegen, vermochte die Beschwerdegegnerin nicht dazulegen und ist für die Datenschutzbehörde auch nicht ersichtlich. Damit ist es auch offenkundig, dass die Offenlegung nicht das gelindeste Mittel zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Grundeigentümerin darstellte und eine Missachtung des Grundsatzes der Datenminimierung darstellte.
Der Beschwerde war somit spruchgemäß stattzugeben .