JudikaturDSB

DSB-D122.913/0001-DSB/2019 – Datenschutzbehörde Entscheidung

Entscheidung
18. April 2019

Text

GZ: DSB-D122.913/0001-DSB/2019 vom 18.4.2019

[Anmerkung Bearbeiter: Namen und Firmen, Rechtsformen und Produktbezeichnungen, Adressen (inkl. URLs, IP- und E-Mail-Adressen), Aktenzahlen (und dergleichen), etc., sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Pseudonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

BESCHEID

SPRUCH

Die Datenschutzbehörde entscheidet über die Datenschutzbeschwerde des Ing. Dieter A*** (Beschwerdeführer) vom 27. April 2018 gegen die Gemeinde Wien, Magistratsabteilung 36 (Beschwerdegegnerin), wegen Verletzung im Recht auf Auskunft in Folge unvollständiger Auskunftserteilung wie folgt:

- Die Beschwerde wird abgewiesen .

Rechtsgrundlagen : §§ 1, 24 Abs. 5 und Abs. 6, § 69 Abs. 4 des Datenschutzgesetzes (DSG), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF; Art. 15 der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung – DSGVO), ABl. Nr. L 119 S. 1., § 17 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF.

BEGRÜNDUNG

A. Vorbringen der Parteien und Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer brachte in seiner Eingabe vom 27. April 2018 (und der Verbesserung vom 2. Juni 2018) an die Datenschutzbehörde im Wesentlichen vor, die Beschwerdegegnerin habe nicht vollständig auf sein Auskunftsbegehren geantwortet. Der Beschwerde beigefügt, war das Auskunftsbegehren vom 1. Oktober 2017, mit der der Beschwerdeführer eine Auskunft gemäß § 26 DSG 2000 zum Bescheid Zl. MA 36-*4*2*7-2016-N (N stehe für alle Unterlagen) von der Beschwerdegegnerin begehre, insbesondere betreffend die E-Mail des Anzeigers zu diesem Verfahren. Eine Akteneinsicht habe der Beschwerdeführer im Februar 2017 von der Beschwerdegegnerin erhalten.

2. Die Beschwerdegegnerin gab mit Schreiben vom 7. September 2018 an, sie habe eine Anzeige gegen den Beschwerdeführer wegen mangelhafter Elektroinstallationen am Standort R***straße *5, 1*** Wien, im Jahr 2016 erhalten, wobei der Anzeigenleger um vertrauliche Behandlung seines Namens ersucht habe. Nach der Einstellung des Verfahrens habe der Beschwerdeführer um Akteneinsicht ersucht. Die Beschwerdegegnerin habe dem entsprochen und eine Kopie des Aktes zu Zl. MA 36-*4*2*7-2016 im Postweg an den Beschwerdeführer übersandt. Jene Aktenbestandteile, aus denen der Namen des Anzeigenlegers hervorgehe, seien gemäß § 17 Abs. 3 AVG von der Akteneinsicht ausgenommen worden. Weiterführende Schritte seien aus Sicht der Beschwerdegegnerin nicht zu setzen gewesen.

3. Im gewährten Parteiengehör zur Stellungnahme der Beschwerdegegnerin (Schreiben der Datenschutzbehörde vom 25.10.2018) gab der Beschwerdeführer innerhalb der gewährten Frist von zwei Wochen keine Stellungnahme ab.

B. Beschwerdegegenstand

Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob die Anzeige aus dem Jahr 2016 sowie insbesondere dessen Einbringer, vom Recht auf Auskunft erfasst sind, gleichwohl die Akteneinsicht gemäß § 17 Abs. 3 AVG verweigert wurde.

C. Sachverhaltsfeststellungen

1. Die Beschwerdegegnerin ist für Technische Gewerbeangelegenheiten, behördliche Elektro- und Gasangelegenheiten, Feuerpolizei und Veranstaltungswesen in der Stadt Wien zuständig.

Beweiswürdigung: Amtswegige Einsichtnahme in die Webseite der Magistratsabteilung 36 unter https://www.wien.gv.at/kontakte/ma36/aufgaben.html

2. Die Beschwerdegegnerin erhielt am 4. Mai 2016 eine Anzeige gegen den Beschwerdeführer wegen mangelhafter Elektroinstallationen am Standort R***straße *5, 1*** Wien. Die Adresse R***straße *5/1, 1*** Wien, ist in der Beschwerde als Abgabestelle des Beschwerdeführers angegeben. Der Anzeigenleger wünschte die vertrauliche Behandlung seines Namens. Die Beschwerdegegnerin führte unter Zl. MA 36-*4*2*7-2016 ein Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer, das in Folge eingestellt wurde. Nach der Einstellung des Verfahrens verlangte der Beschwerdeführer Akteneinsicht zu Zl. MA 36-*4*2*7-2016. Die Beschwerdegegnerin gewährte diese Akteneinsicht im Februar 2017, indem eine Kopie des Aktes übersandt wurde, wobei jene Aktenbestandteile, aus denen der Anzeigenleger hervorging, von der Akteneinsicht gemäß § 17 Abs. 3 AVG ausgenommen waren. Der Beschwerdeführer bestätigte am 14. Mai 2017 den Erhalt der Aktenkopie.

Beweiswürdigung : Die getroffenen Feststellungen beruhen auf dem insofern unstrittigen, schriftlichen Vorbringen der Parteien, die im Akt aufliegen.

D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

D.1. Allgemeines

Maßgeblich ist die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung der Datenschutzbehörde, außer es handelt sich um die Beurteilung eines Verhaltens zu einem bestimmten Zeitpunkt. Beschwerdegegenständlich wird jedoch nicht auf einen bestimmten Stichtag oder Zeitraum abgestellt. Die behauptete Rechtsverletzung (unvollständige Auskunft) dauert noch an.

Demnach war entsprechend der ab 25. Mai 2018 geltenden Rechtslage das bisher nach dem DSG 2000, BGBl. I Nr. 165/1999 idF BGBl. I Nr. 83/2013, geführte Verfahren als Beschwerdeverfahren nach § 24 DSG, BGBl. I Nr. 165/1999 idgF, fortzuführen und nach neuer Rechtslage zu entscheiden (vgl. dazu § 69 Abs. 4 DSG).

D.2. Anwendbare Rechtsvorschriften:

Art. 15 Abs. 1 und Abs. 4 DSGVO lauten samt Überschrift ( Hervorhebungen durch die Datenschutzbehörde ):

Artikel 15

Auskunftsrecht der betroffenen Person

(1) Die betroffene Person hat das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden; ist dies der Fall, so hat sie ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und auf folgende Informationen:

a) Die Verarbeitungszwecke;

b) die Kategorien personenbezogener Daten, die verarbeitet werden;

c) die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden, insbesondere bei Empfängern in Drittländern oder bei internationalen Organisationen;

d) falls möglich die geplante Dauer, für die die personenbezogenen Daten gespeichert werden, oder, falls dies nicht möglich ist, die Kriterien für die Festlegung dieser Dauer;

e) das Bestehen eines Rechts auf Berichtigung oder Löschung der sie betreffenden personenbezogenen Daten oder auf Einschränkung der Verarbeitung durch den Verantwortlichen oder eines Widerspruchsrechts gegen diese Verarbeitung;

f) das Bestehen eines Beschwerderechts bei einer Aufsichtsbehörde;

g) wenn die personenbezogenen Daten nicht bei der betroffenen Person erhoben werden, alle verfügbaren Informationen über die Herkunft der Daten;

h) das Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung einschließlich Profiling gemäß Artikel 22 Absätze 1 und 4 und — zumindest in diesen Fällen — aussagekräftige Informationen über die involvierte Logik sowie die Tragweite und die angestrebten Auswirkungen einer derartigen Verarbeitung für die betroffene Person.

§ 17 AVG lautet samt Überschrift ( Hervorhebungen durch die Datenschutzbehörde ):

Akteneinsicht

§ 17. (1) Soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können die Parteien bei der Behörde in die ihre Sache betreffenden Akten Einsicht nehmen und sich von Akten oder Aktenteilen an Ort und Stelle Abschriften selbst anfertigen oder auf ihre Kosten Kopien oder Ausdrucke erstellen lassen. Soweit die Behörde die die Sache betreffenden Akten elektronisch führt, kann der Partei auf Verlangen die Akteneinsicht in jeder technisch möglichen Form gewährt werden.

(2) Allen an einem Verfahren beteiligten Parteien muß auf Verlangen die Akteneinsicht in gleichem Umfang gewährt werden.

(3) Von der Akteneinsicht sind Aktenbestandteile ausgenommen, insoweit deren Einsichtnahme eine Schädigung berechtigter Interessen einer Partei oder dritter Personen oder eine Gefährdung der Aufgaben der Behörde herbeiführen oder den Zweck des Verfahrens beeinträchtigen würde .

(4) Die Verweigerung der Akteneinsicht gegenüber der Partei eines anhängigen Verfahrens erfolgt durch Verfahrensanordnung.

D.3. In der Sache selbst:

1. Der Beschwerdeführer machte mit der Verbesserung vom 2. Juni 2018 eine unvollständige Auskunftserteilung geltend. Eine Nichterteilung der Auskunft war daher nicht Gegenstand des Verfahrens.

Der Beschwerdeführer vermeint, zusammengefasst, einen konkreten, inhaltlichen Aktenbestandteil – nämlich eine Kopie der E-Mail-Anzeige des Anzeigenlegers (samt Fotos) –, den er als Partei des Verfahrens Zl. MA 36-*4*2*7-2016 im Rahmen der Geltendmachung des Rechts auf Akteneinsicht nicht erhalten hatte, über die Geltendmachung des Auskunftsrechts erhalten zu können.

2. Zunächst ist festzuhalten, dass die bisherige Judikatur zum Auskunftsrecht gemäß § 26 DSG 2000 einer Auskunft im Sinne einer Kopie konkreter Aktenbestandteile grundsätzlich ablehnend gegenüberstand (vgl. Bescheid der Datenschutzkommission vom 4. Juni 2001 zu GZ K120.810/005 DSK/2001, Bescheide vom 27. Juni 2012, GZ K121.803/0008-DSK/2012, sowie vom 25. April 2008, GZ K121.340/0006-DSK/2008, Bescheide vom 9.3.2015, GZ DSB D122.299/0003 DSB/2015, und vom 27.10.2014, GZ DSB-D122.215/0004-DSB/2014). Zum einen wurde dies damit begründet, dass § 26 Abs. 1 DSG 2000 und die Verfassungsbestimmung des § 1 Abs. 3 Z 1 DSG 2000 auf personenbezogene Daten eines Betroffenen beschränkt sind, die zur automationsunterstützten Verarbeitung oder zur Verarbeitung in manuellen Dateien (etwa Karteisystemen) bestimmt sind. Zum anderen bestand - gestützt auf die zitierte Verfassungsbestimmung und § 26 Abs. 1 DSG 2000 - weder ein Recht auf Auskunft über Daten Dritter, noch ein durchsetzbares Recht auf Erhalt von Urkundenkopien. Und letztlich legte § 26 Abs. 8 DSG 2000 fest, dass in dem Umfang, in dem eine Datenanwendung hinsichtlich der verarbeiteten Daten von Gesetzes wegen für den Betroffenen einsehbar ist (wenn also materielle Gesetzesbestimmungen den Betroffenen Einsichtsrechte gewährten), das datenschutzrechtliche Recht auf Auskunft nach Maßgabe der das Einsichtsrecht vorsehenden materiellen Bestimmungen zu gewähren ist, und dafür die das Verfahren der Einsichtnahme regelnden Gesetzesbestimmungen maßgeblich sind.

3. Das nunmehr geltende DSG sieht zwar in § 4 Abs. 5 und Abs. 6 DSG ebenfalls Ausnahmen vom Auskunftsrecht gemäß Art. 15 DSGVO vor – nämlich im hoheitlichen Bereich gemäß § 4 Abs. 5 DSG dann, wenn die Erteilung der Auskunft die Erfüllung gesetzlich übertragener Aufgaben gefährden würde, bei Privaten oder im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung gemäß § 4 Abs. 6 DSG dann, wenn die Erteilung der Auskunft ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis des Verantwortlichen oder eines Dritten gefährdet würde. Jedoch erscheinen beide Beschränkungen diesfalls nicht anwendbar.

4. Es ist daher für den gegenständlichen Sachverhalt nur Art. 15 DSGVO („Auskunftsrecht der betroffenen Person“) maßgeblich. Die DSGVO selbst erwähnt Akten und Aktensammlungen (noch davon ausgehend, dass es sich um Papierakten handelt) in ErwGr. 15 letzter Satz, wobei diese Papierakten lediglich dann nicht unter die DSGVO fallen sollen, wenn das Kriterium des Dateisystems nicht erfüllt ist, somit eine Ordnung nach bestimmten Kriterien (sohin zumindest zwei Kriterien) nicht vorhanden ist. E contrario ist zu schließen, dass auf elektronische Akten – wie sie unter anderem auch die Beschwerdegegnerin verwendet – jedenfalls die DSGVO anwendbar ist. ErwGr. 63 2. Satz erwähnt dabei, dass auch der Inhalt von Akten grundsätzlich dem Auskunftsrecht unterliegt (arg. „ Dies schließt das Recht betroffener Personen auf Auskunft über ihre eigenen gesundheitsbezogenen Daten ein, etwa Daten in ihren Patientenakten , die Informationen wie beispielsweise Diagnosen, Untersuchungsergebnisse, Befunde der behandelnden Ärzte und Angaben zu Behandlungen oder Eingriffen enthalten “).

Art. 15 Abs. 3 DSGVO normiert, dass der Verantwortliche eine Kopie der personenbezogenen Daten zur Verfügung stellt, wobei Abs. 4 einschränkend festlegt, dass dadurch die Rechte und Freiheiten anderer Personen nicht beeinträchtigt werden dürfen.

Aus alledem ist abzuleiten, dass nunmehr mittels eines Auskunftsbegehrens grundsätzlich auch Auskunft über den Inhalt von Urkunden und Aktenbestandteilen begehrt werden kann.

5. Allerdings ist eine Auskunft gemäß Art. 15 DSGVO - wie schon bisher - auf eigene Daten beschränkt, also auf Daten, die dem Wortlaut des Art. 15 Abs. 1 DSGVO zufolge, „sie [dh. die betroffene Person] betreffende personenbezogene Daten“ sind. Daher besteht grundsätzlich auch weiterhin kein Recht auf Auskunft über die personenbezogenen Daten Dritter , soweit im Einzelfall nicht besondere Gründe dafürsprechen (vgl. dazu bspw. den Bescheid vom 6. Juni 2018, GZ DSB-D122.829/0003-DSB/2018).

Darüber hinaus normiert Art. 15 Abs. 4 DSGVO die weitere Beschränkung, dass der Erhalt einer Kopie der personenbezogenen Daten jedenfalls die Rechte und Freiheiten anderer Personen nicht beeinträchtigen darf.

Wenn daher ein zu beauskunftendes Dokument (eine „Kopie“) Daten Dritter enthält, ist eine Güterabwägung durchzuführen und sind die Daten Dritter nur dann preiszugeben, wenn die Gründe für die Beauskunftung die Gründe für die Geheimhaltung überwiegen.

6. Im vorliegenden Fall bestand der ausdrückliche Wunsch des Anzeigenlegers auf vertrauliche Behandlung seiner Anzeige. Überwiegende Gründe, die einer Beauskunftung gegenüber der Geheimhaltung den Vorrang geben würden, wurden vom Beschwerdeführer nicht vorgebracht.

Folglich steht Art. 15 Abs. 4 DSGVO einer Übermittlung der Kopie der E-Mail-Anzeige entgegen

7. Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

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