JudikaturBVwG

I403 2314389-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
28. Oktober 2025

Spruch

I403 2314389-1/13Z

Teilerkenntnis

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Kamerun, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Dr. Martin ENTHOFER, Promenade 16/II, 4020 Linz, gegen Spruchpunkt I. und II. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Vorarlberg (BFA-V) vom 30.05.2025, Zl. XXXX , nach Durchführung einer Verhandlung am 01.10.2025 zu Recht:

A)

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und II. wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 02.01.2024 wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 30.05.2025 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 Asylgesetz 2005 (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kamerun gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.). Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Absatz 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Kamerun zulässig sei (Spruchpunkt V.) und die Frist für die freiwillige Ausreise mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde erhoben und diese dem Bundesverwaltungsgericht am 16.06.2025 vorgelegt. Am 01.10.2025 wurde eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Am 22.10.2025 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers ein, in welcher darauf verwiesen wurde, dass neben einer bereits eingebrachten zivilrechtlichen Klage auch eine strafrechtliche Anzeige wegen des Verdachts von Menschenhandel geplant sei, wobei der Beschwerdeführer als Opfer geführt werde. Das Bundesverwaltungsgericht richtete an die zuständige LPD das Ersuchen um eine begründete Stellungnahme gemäß § 57 Abs. 2 AsylG, um festzustellen, ob der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich notwendig ist „zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel“. Mit Note vom 27.10.2025 erklärte das BG XXXX , dass derzeit noch nicht abgeschätzt werden könne, ob der Kläger (=Beschwerdeführer) noch benötigt werde; eine weitere Auskunft könne voraussichtlich Jänner 2026 erteilt werden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zum Beschwerdeführer und seinem Vorbringen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Kamerun und 28 Jahre alt. Er ist christlichen Glaubens und gehört der englischsprachigen Volksgruppe in Kamerun an. Sein Vater ist verstorben, seine Mutter lebt in XXXX , ein Bruder in Douala und ein weiterer in Yaounde. Ein Bruder und zwei Schwestern leben in Deutschland, eine Schwester in Italien.

Der Beschwerdeführer besuchte 12 Jahre die Schule und machte eine Ausbildung zum Schweißer. Er ist ledig und hat keine Kinder. Vor seiner Ausreise lebte er mit seinem jüngeren Bruder in Douala zusammen.

Mit Unterstützung von XXXX (im Folgenden: Samuel A.), einem ursprünglich aus Kamerun stammenden Österreicher und Freund der Familie des Beschwerdeführers, erlangte der Beschwerdeführer ein Studentenvisum für Portugal und reiste am 20.12.2023 nach Lissabon. Am nächsten Tag flog er weiter nach München, wo er von Samuel A. abgeholt und nach Österreich gebracht wurde. Am 02.01.2024 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz, allerdings verschleierte er seine Identität und brachte er wahrheitswidrig eine politische Verfolgung vor. Am 16.02.2024 verließ der Beschwerdeführer die Flüchtlingsunterkunft und zog zu XXXX (im Folgenden: Emmanuel E.), einem in Österreich lebenden asylberechtigten Kameruner. Diesen Kontakt hatte Samuel A. vermittelt. In der Wohnung von Emmanuel E. wohnen neben dem Beschwerdeführer und ihm selbst weitere vier Männer.

Der Beschwerdeführer war in der Folge im Reifenhandel des Samuel A. tätig, ohne über eine entsprechende Arbeitsbewilligung zu verfügen oder versichert zu sein und ohne angemessen entlohnt zu werden. Er unterstützte Samuel A. beim Verladen der Reifen.

Zudem arbeitete er im Februar, März, April und Mai 2024 in der Zeitungszustellung; Samuel A. stellte diesbezüglich die Honorarnoten und zahlte den Beschwerdeführer bar aus.

Der Beschwerdeführer bekam im Frühjahr 2024 Schmerzen im Hodenbereich und stellte im Juni 2024 seine Arbeit für Samuel A. aus gesundheitlichen Gründen ein, wodurch es zum Konflikt zwischen ihm und Samuel A. kam.

Im September 2024 wurde die belangte Behörde per E-Mail von einem unbekannten Absender informiert, dass der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz unter einem falschen Namen gestellt worden sei. Damit konfrontiert gab der Beschwerdeführer zu, eine falsche Identität verwendet zu haben und in Kamerun nicht politisch verfolgt zu werden.

Ein gegen Samuel A. angestrengtes Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Urkundenunterdrückung, der Nötigung und des Menschenhandels wurde von der Staatsanwaltschaft XXXX zu XXXX am 18.03.2025 eingestellt. In Bezug auf den Tatvorwurf nach § 228 Abs. 1 StGB gegen den Beschwerdeführer trat die Staatsanwaltschaft XXXX am 20.03.2025 vorläufig für eine Probezeit von zwei Jahren von der Verfolgung zurück ( XXXX ).

Am 15.10.2025 brachte der Beschwerdeführer beim BG XXXX eine Klage gegen Samuel A. auf Herausgabe der Reisedokumente und auf Zahlung des Entgeltes für die Zustellung der Zeitung im Frühjahr 2024 ein. Zudem kündigte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers an, neuerlich eine Strafanzeige wegen Nötigung und Menschenhandel einbringen zu wollen.

Der Beschwerdeführer leidet seit dem Frühjahr 2024 an einer Varikozele im linken Hoden, dabei handelt es sich um eine Krampfader im Hodensack, die durch Blutstauung in den Venen entsteht. Er ist aber erwerbsfähig und nimmt Schmerzmittel im Falle von - insbesondere in den Wintermonaten - auftretenden Schmerzen aufgrund der Varikozele.

Im Falle einer Rückkehr nach Kamerun gerät der Beschwerdeführer in keine Notlage. Er wird dort auch nicht verfolgt oder andersweitig gefährdet.

1.2. Zur Lage in Kamerun:

Politische Lage

Kamerun unterteilt sich in zehn Regionen: Adamaoua (Adamawa), Centre (Zentral), Est (Ost), Extrême-Nord (Hoher Norden), Littoral (Küste), Nord, Nord-Ouest (Nordwest), Ouest (West), Sud (Süd), Sud-Ouest (Südwest) (CIA 16.1.2025). Die Regionen werden jeweils von einem vom Präsidenten ernannten Gouverneur und einem indirekt gewählten Rat regiert. Sie sind in 58 Bezirke unterteilt, die von vom Präsidenten ernannten Bezirksbeamten geleitet werden (BS 19.3.2024).

Präsident: Kamerun ist eine Präsidialrepublik (SFH 15.12.2024; vgl. CIA 16.1.2025), der Präsident wird für eine Amtszeit von sieben Jahren direkt gewählt (CIA 16.1.2025). Dominiert wird das Land von Präsident Paul Biya, der seit 1982 im Amt ist (BS 19.3.2024; vgl. SFH 18.12.2024). Er ernennt den Premierminister und das Kabinett, hat großen Einfluss auf die Justiz und ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Viele politische Maßnahmen werden per Präsidialdekret umgesetzt (SFH 18.12.2024). 2018 gewann Biya mit 71% der Stimmen ein siebtes Mandat gegen Oppositionsführer Maurice Kamto vom der Mouvement pour la Renaissance du Cameroun (MRC), der 14% der Stimmen erhielt (SFH 18.12.2024; vgl. CIA 16.1.2025). Die nächste Präsidentschaftswahl steht im Oktober 2025 an (CIA 16.1.2025; vgl. BAMF 27.1.2025).

Die Verfassung verleiht dem Präsidenten weitreichende Machtbefugnisse, darunter die Möglichkeit, im Alleingang Minister und hohe Beamte zu ernennen. Er ist auch Oberbefehlshaber und ernennt den Großteil der höherrangigen Offiziere. Der Präsident kann Institutionen manipulieren, um Unterstützer zu positionieren und Kritiker zu bestrafen. Angesichts der formellen Machtbefugnisse des Präsidenten und der jahrzehntelangen Dominanz der Regierungspartei über die Institutionen des Landes können weder die Legislative noch die Judikative die Exekutive zur Rechenschaft ziehen. Folglich wird Kamerun als Autokratie bezeichnet (BS 19.3.2024)

Parlament: Weder die Nationalversammlung noch der Senat können als demokratische Institutionen betrachtet werden (BS 19.3.2024). Die für fünf Jahre gewählte Nationalversammlung umfasst 180 direkt gewählte Abgeordnete (CIA 16.1.2025). Die Partei des Präsidenten, Rassemblement Démocratique du Peuple Camerounais (RDPC), gewann bei den Parlamentswahlen 2020 mit 152 Sitzen die absolute Mehrheit (SFH 18.12.2024; vgl. CIA 16.1.2025). Die Oppositionsparteien MRC und SDF hatten die Wahl boykottiert (BS 19.3.2024). Neben der Regierungspartei finden sich in der Nationalversammlung noch Abgeordnete von SDF, NUDP, UPC, UDC und MDR. Davon kann aber nur die SDF als Opposition bezeichnet werden. Sie hat fünf Parlamentssitze (BS 19.3.2024).

Die für 2025 anstehende Parlamentswahl wurde auf 2026 verschoben. Die Opposition hat dies kritisiert, denn bei der Präsidentschaftswahl dürfen nur Mitglieder von Parteien antreten, die im Parlament vertreten sind. Dementsprechend werden mit der Verschiebung der Parlamentswahl potenzielle Kandidaturen verhindert (SFH 18.12.2024; vgl. BAMF 22.7.2024), etwa jene von Maurice Kamto (BAMF 22.7.2024).

Am 12.3.2023 fanden Senatswahlen statt. 70 der 100 Senatoren werden von einem eigenen Wahlgremium gewählt, der Präsident ernennt die weiteren 30. Obwohl zehn Parteien zur Wahl angetreten waren, gewann die Regierungspartei alle 70 Sitze. Unter den von Präsident Biya ernannten Senatoren finden sich fünf Angehörige der Opposition. Letztere hat die Rechtmäßigkeit der Wahlen bezweifelt, drei Parteien haben beim Verfassungsrat Klage eingereicht. Diese wurde aber zurückgewiesen (HRW 2024). Nach Angaben einer Quelle verlaufen landesweite Wahlen im Großen und Ganzen fair und ohne größere Unregelmäßigkeiten (USDOS 23.4.2024).

Politik aktuell: In der Regierung positionieren sich hochrangige Parteimitglieder der RDPC im Wettbewerb für die Wahlen und eine mögliche Transition. Dementsprechend werden dringend benötigte Reformen nicht angegangen. Die Bevölkerung reagiert aufgrund des politischen Stillstands und der anhaltenden Schwächung der Wirtschaft zunehmend frustriert (AA 22.2.2024). Der autoritäre Charakter des Regimes verhindert Debatten und drängt wichtige Akteure der Gesellschaft und Teile der Wählerschaft, den Status quo zu tolerieren. Zudem ist die Mitgliedschaft in der RDPC für den Zugang zu höherer Bildung, Unternehmenskrediten und Staatsdiensten eine informelle Voraussetzung (BS 19.3.2024).

Mehrere verbündete Parteien haben bereits ihre Unterstützung für eine neuerliche Kandidatur des 91jährigen Biya bei den Wahlen 2025 signalisiert. Bislang hat es die zersplitterte Opposition, die von Machtkämpfen geplagt ist, versäumt, eine klare Alternative zu bieten (DW 27.10.2024). Die trotzdem geführte interne Debatte innerhalb der Regierungspartei über die Nachfolge für Präsident Biya hat eine stark ethnische Komponente. Viele Beobachter befürchten, dass es nach dem Tod von Biya zu Gewalt kommen könnte, etwa auch, weil das Militär ebenfalls entlang ethnischer Linien gespalten ist (BS 19.3.2024; vgl. DW 27.10.2024).

Das Parteiensystem ist durch die dominante Regierungspartei gekennzeichnet, die von einer fragmentierten Opposition umgeben ist. Außer der RDPC sind politische Parteien institutionell schwach und wenig verwurzelt. Generell sind Parteien in bestimmten Regionen verwurzelt oder stark ethnisch geprägt (BS 19.3.2024).

Friedliche politische Lösungsansätze für den Konflikt in den Regionen Nordwest und Südwest – haben sich im Berichtszeitraum nicht gezeigt. Innerkamerunische Ansätze für Friedensbemühungen werden von der Regierung toleriert. Externe Mediationsangebote wurden bislang von der Regierung nicht akzeptiert und blieben erfolglos (AA 22.2.2024).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.2.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Kamerun (Stand: November 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2105298/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Kamerun,_22.02.2024.pdf, Zugriff 20.1.2025

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (27.1.2025): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2025/briefingnotes-kw05-2025.pdf?__blob=publicationFile v=3, Zugriff 5.3.2025

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (22.7.2024): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2024/briefingnotes-kw30-2024.pdf?__blob=publicationFile v=6, Zugriff 5.3.2025

- BS - Bertelsmann Stiftung (19.3.2024): BTI 2024 Country Report Cameroon, https://www.ecoi.net/en/file/local/2105824/country_report_2024_CMR.pdf, Zugriff 20.1.2025

- CIA - Central Intelligence Agency [USA] (16.1.2025): The World Factbook – Cameroon, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/cameroon/, Zugriff 22.1.2025

- DW - Deutsche Welle (27.10.2024): Warum ein Kamerun ohne Paul Biya so schwer vorstellbar ist, https://www.dw.com/de/warum-ein-kamerun-ohne-paul-biya-so-schwer-vorstellbar-ist/a-70590158, Zugriff 6.3.2025

- HRW - Human Rights Watch (2024): Cameroon – Events of 2023, https://www.hrw.org/world-report/2024/country-chapters/cameroon, Zugriff 20.1.2025

- SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (18.12.2024): Factsheet Kamerun, https://www.fluechtlingshilfe.ch/fileadmin/user_upload/Publikationen/Factsheets/241218_KAM_Factsheet_DE_web.pdf, Zugriff 20.1.2025

- USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107637.html, Zugriff 20.1.2025

Sicherheitslage

Das österreichische Außenministerium führt für eigene Staatsbürger eine Reisewarnung für die Regionen Extrême-Nord, Nordwest und Südwest. Dort gilt demnach Sicherheitsstufe 5 von 6. Für die Regionen Adamaoua und Nord gilt Sicherheitsstufe 3, im Rest des Landes Sicherheitsstufe 2 (BMEIA 18.2.2025). Das deutsche Auswärtige Amt nennt für eigene Staatsangehörige die selben Reisewarnungen. Zudem wird erwähnt, dass es in Stadtgebieten zu sozial oder politisch motivierten kurzfristigen Protestaktionen und Demonstrationen kommen kann, bei denen gewalttätige Auseinandersetzungen möglich sind. Die Kriminalitätsrate ist hoch. Insbesondere in Großstädten wie Jaunde, Duala, Ngaoundere und Bafoussam besteht ein erhöhtes Risiko bewaffneter Überfälle und Diebstähle (AA 27.1.2025). Laut einer Quelle wurde über Nordwest und Südwest sowie über Teile des Nordens der Ausnahmezustand verhängt (BS 19.3.2024).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (27.1.2025): Kamerun: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/kamerun-node/kamerunsicherheit-208874?isLocal=false isPreview=false, Zugriff 28.2.2025

- BMEIA - Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten (18.2.2025): Reiseinformation – Kamerun, https://www.bmeia.gv.at/reise-services/reiseinformation/land/kamerun, Zugriff 28.2.2025

- BS - Bertelsmann Stiftung (19.3.2024): BTI 2024 Country Report Cameroon, https://www.ecoi.net/en/file/local/2105824/country_report_2024_CMR.pdf, Zugriff 20.1.2025

„Anglophone“ Gebiete (Südwest, Nordwest)

Im Jahr 2016 demonstrierten Lehrer, Studenten und Anwälte für mehr kulturelle und soziale Rechte für die englischsprachige Bevölkerung und gegen die wirtschaftliche Ausgrenzung der englischsprachigen Regionen Nordwest und Südwest (SFH 18.12.2024; vgl. AA 22.2.2024). Eine Minderheit setzt sich – teils mit Gewalt – für die Loslösung der beiden Regionen von Kamerun ein (AA 22.2.2024). Nach anderen Angaben haben die Proteste zu gewaltsamen Repressalien und Massenverhaftungen durch die Regierung geführt, und erst I.d.F. griffen Separatistengruppen zu den Waffen und riefen 2017 den Staat „Ambazonien“ aus. Dadurch wurde der Konflikt verstärkt, Angriffe gegen die Bevölkerung haben sich gemehrt (SFH 18.12.2024; vgl. ACLED 9.2024).

Jedenfalls kommt es seit Oktober 2017 in den beiden anglophonen Regionen zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und separatistischen bzw. kriminellen Gruppen, die nach Angaben vom Feber 2024 bis dorthin 3.000-6.000 (AA 22.2.2024), nach jüngeren Angaben mindestens 6.000 Todesopfer (RSF 1.10.2024; vgl. SFH 18.12.2024) und zahlreiche Verletzte gefordert haben. Hinzu kommen rund 700.000 Vertriebene (intern sowie in das benachbarte Nigeria) sowie die Zerstörung von Infrastruktur (u.a. Straßen, Stromverbindungen, Krankenhäuser und Schulen) (AA 22.2.2024; vgl. SFH 15.12.2024). Der Großteil der Infrastruktur in ländlichen Gebieten – Schulen, Krankenhäuser, Märkte und Häuser, die Wirtschaft und das Bildungssystem – wurde in beiden Regionen weitgehend und absichtlich zerstört (GPC 30.10.2024; vgl. AA 22.2.2024, SFH 15.12.2024).

Die Regierung zielt nach wie vor auf eine militärische Lösung (AA 22.2.2024). Sicherheitskräfte konnten zwar eine Reihe von Anführern der Rebellen töten oder gefangennehmen, doch dadurch hat sich die Intensität des Konflikts nicht verringert. Vielmehr hat dies zu einer Vervielfachung der Fraktionen und zu einem deutlichen Anstieg des Einsatzes von Sprengsätzen und der Ankündigungen von Lockdowns geführt (GPC 30.10.2024). Dementsprechend dauern die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und separatistischen Gruppen an, es gibt Todesopfer und Verletzte (AA 27.1.2025). In beiden Regionen bleibt die Lage angespannt und instabil (GPC 20.1.2025; vgl. UNOCHA 8.1.2025). Zivilisten sind von Bewegungseinschränkungen, Entführungen, Lösegeldforderungen, Erpressungen und illegaler Besteuerung betroffen. Diese Vorfälle ereignen sich sowohl im öffentlichen als auch im privaten Raum. Viele der Opfer sind Pendler, die auf illegale Checkpoints stoßen (UNOCHA 11.2.2025b).

Während des Jahres 2024 kam es sowohl durch Separatistengruppen als auch durch kamerunische Sicherheitskräfte zu Angriffen auf die Zivilbevölkerung. Menschen, die den durch die Separatisten propagierten wirtschaftlichen und politischen Boykott brechen, werden bedroht und getötet (SFH 18.12.2024). Die Lage bleibt von Gewalt geprägt, die aus Konfrontationen zwischen den Konfliktparteien resultiert. Es kommt zum Einsatz von Sprengsätzen an öffentlichen Plätzen und Hauptrouten sowie zu gezielten Angriffen, zu Straßensperren und Einschränkungen des Verkehrs – darunter ein zweimonatiges Fahrverbot auf der Straße Bamenda-Bali-Mamfe in Nordwest (UNOCHA 8.1.2025). Im Oktober 2024 hat eine bewaffnete Gruppe angekündigt, dass die Straße die Ndu über Mbonso mit der Westregion verbindet, bis auf Weiteres geschlossen ist. Zudem wurde die Bewegungsfreiheit entlang der Achse Bamenda – Batibo für die nächsten zwei Monate an Dienstagen und Samstagen eingeschränkt (UNOCHA 20.12.2024a). Mitunter dringen bewaffnete Gruppen auch in Städte vor, etwa nach Bamenda. Zivilisten, die mit Sicherheitskräften kollaborieren oder sich nicht an die wöchentlichen Montags-Ausgangssperren halten, werden bestraft. Mitunter kommt es zu Entführungen und Morden (GPC 30.10.2024).

Es kommt weiterhin zu Angriffen auf Personal und Schüler von Bildungseinrichtungen. Alleine im November 2024 wurden hier bei insgesamt sechs Vorfällen in Nordwest 14 Personen entführt und eine ermordet (UNOCHA 8.1.2025). Im Oktober 2024 gab es zehn Vorfälle, davon neun in Nordwest und einer in Südwest (UNOCHA 20.12.2024a). Im Mai 2024 kam es zu zehn Angriffen, darunter eine Tötung und mehrere Entführungen von Lehrern (SFH 18.12.2024). Neben dem Bildungssektor ist auch der Gesundheitssektor betroffen. Im Jahr 2023 gab es diesbezüglich 24 Gewalttaten, dabei wurden u.a. sechs im Gesundheitswesen Tätige entführt, sechs weitere wurden verhaftet (II 5.9.2024). Viele Schulen, Universitäten und Gesundheitseinrichtungen mussten schließen (SFH 18.12.2024).

Zusätzlich nutzen Separatistengruppen das allgemeine Klima der Unsicherheit aus, um Einkommen zu generieren, indem sie Menschen entführen und Löse- (SFH 18.12.2024; vgl. AA 22.2.2024) und/oder Schutzgeld erpressen (AA 22.2.2024). Gleichzeitig stellen willkürliche Verhaftungen die häufigste Form von Menschenrechtsverletzungen dar. Im Rahmen von Razzien, Durchsuchungen und Absperrungen durch staatliche Sicherheitskräfte werden Zivilisten willkürlich festgenommen und inhaftiert. Einige von ihnen sind während der Haft Folter und anderen körperlichen und psychischen Misshandlungen ausgesetzt (GPC 13.12.2024).

Zudem kommt es in der Region Nordwest sporadisch zu Auseinandersetzungen zwischen Christen und Muslimen, teils unter dem Aspekt von Nomadentum (Muslime) und Sesshaftigkeit (Christen). Mehrere christliche Amts- und Würdenträger sowie Kirchgänger wurden von nicht identifizierten Bewaffneten bzw. vermutlich von Separatisten geschlagen, verstümmelt, entführt oder getötet. Nicht immer ist klar, ob ein Vorfall rein religiös motiviert ist (USDOS 26.6.2024). In manchen Bezirken kommt es auch zu Spannungen und Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen, so etwa in Bui, Donga-Mantung und Mezam, wo im Oktober 2024 mindestens vier Menschen getötet oder verletzt worden sind (UNOCHA 20.12.2024a).

Eine Quelle, an der auch die Vereinten Nationen beteiligt sind, beziffert Menschenrechtsvergehen für die Jahre 2022-2024:

(GPC 20.1.2025)

Diesen Zahlen zufolge gab es im Jahr 2022 monatlich durchschnittlich 383 Vergehen, 2023 stieg die Zahl drastisch auf 834, im Jahr 2024 fiel sie wieder auf 361 (GPC 20.1.2025). Die meisten Opfer gab es in den Monaten Oktober-Dezember 2024 in folgende Kategorien: Willkürliche Verhaftung (451); Verschwindenlassen und Entführung (230); Vernichtung oder Diebstahl von privatem oder öffentlichem Eigentum (132); Schutzgelderpressung (87); Verletzung und Verstümmelung (75); Tötung (60); Folter und inhumane Behandlung (39); physischer Übergriff oder Misshandlung (24) (GPC 20.1.2025; vgl. GPC 13.12.2024). Im Dezember 2024 besonders betroffen waren die Bezirke Meme in Südwest (60) sowie Menchum (38) und Mezam (32) in Nordwest. In diesem Monat gab es zahlreiche willkürliche Festnahmen (109) und Entführungen zur Erpressung von Lösegeld (61) (GPC 20.1.2025). Von Entführungen betroffen waren gegen Ende 2024 insbesondere die Bezirke Menchum und Manyu. Überproportional von Menschenrechtsverletzungen betroffen sind Männer und Buben (GPC 13.12.2024). Im dritten Quartal 2024 stellten sie 73% der Opfer. Die Haupttäter waren im dritten Quartal 2024 staatliche Sicherheitskräfte (41%), bewaffnete Gruppen (39%) (GPC 30.10.2024).

Die interne Struktur bewaffneter Gruppen variiert von hierarchischen Kommandos unter breiter aufgestellten anglophonen „Regierungen“ bis hin zu unabhängigeren, kleineren Gruppen mit Ambitionen im näheren Umkreis. Manche Gruppen streben mehr politische Autonomie sowie bessere wirtschaftliche Möglichkeiten, rechtliche Bestimmungen und kulturelle Akzeptanz an, andere sind separatistisch geprägt. In den Jahren 2020 und 2021 wurden Dutzende separatistischer Kommandeure getötet, verhaftet oder legten ihre Waffen nieder – was oft zu Führungskämpfen um die Nachfolge geführt hat. 2023 waren bereits 50 verschiedene bewaffnete Gruppen aktiv. Durch die Zersplitterung ist die Zahl an Machtkämpfen zwischen einzelnen Fraktionen drastisch gestiegen. Insgesamt haben die großen politischen Gruppen im Verlauf des Konflikts weitgehend die Kontrolle über bewaffnete Gruppen verloren. Viele bewaffnete Gruppen konzentrierten sich auf lokale Macht und Ressourcen (ACLED 9.2024). An Gruppen bekannt sind:

a) Ambazonia Governing Council unter Ayaba Cho Lucas; mit:

i. Ambazonia Defence Forces (ADF): Sind überall in Nordwest und Südwest und am stärksten in den Bezirken Momo, Mezam und Meme aktiv und für viele Entführungen verantwortlich.

ii. Bui Unity Warriors: Sind v.a. im Nordwesten in und um den Bezirk Bui aktiv.

b) African People’s Liberation Movement (APLM) unter Ebenezer Derek Mbongo Akwanga; den militärischen Flügel stellen die Southern Cameroons Defence Forces. Die Gruppe ist Teil des Southern Cameroons Liberation Council und v.a. in Südwest, sowie im Bezirk Meme aktiv.

c) die sogenannten Interim Governments, unter vier verschiedenen Führern:

i. Interim Government (Sako) unter Samuel Ikome Sako mit den Bui Warriors als militärischem Arm. Letztere kämpfen nach einer Spaltung in zwei Fraktionen um die Kontrolle über den Bezirk Bui.

ii. Interim Government (Anu) unter Chris Anu;

iii. Interim Government (Njomia) unter Marianta Njomia

iv. Interim Government (Tabe) unter Sisiku Julius und Ayuk Tabe

Den größten militärischen Arm der Interim Governments stellen die Restoration Forces (auch bekannt als: Ambazonia Self-Defence Council, Ambazonia Military Council und Ambazonia Military Forces). Dabei handelt es sich um die gewalttätigste Separatistenfraktion. Sie ist in der Region Südwest am aktivsten, in den Bezirken Manyu und Meme. Oftmals kann nicht unterschieden werden, welche Fraktion – Sako, Anu, Njomia, Tabe – an einem Vorfall beteiligt war (ACLED 9.2024).

Abgesehen von der Zersplitterung innerhalb der separatistischen Reihen stellt die steigende Zahl bewaffneter Akteure eine zunehmende Herausforderung für die Lösung des Konflikts dar und ist eine zunehmende Bedrohung für die Zivilbevölkerung. Gleichzeitig unterstützt das Militär zunehmend pro-Regierungsmilizen – sowohl wirtschaftlich als auch materiell. Diese lokalen Milizen bestehen oft aus ethnischen Mbororo, Viehzüchtern aus der breiteren ethnischen Gruppe der Fulani, die häufig Opfer gezielter Gewalt durch anglophone Kämpfer werden (ACLED 9.2024).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (27.1.2025): Kamerun: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/kamerun-node/kamerunsicherheit-208874?isLocal=false isPreview=false, Zugriff 28.2.2025

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.2.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Kamerun (Stand: November 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2105298/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Kamerun,_22.02.2024.pdf, Zugriff 20.1.2025

- ACLED - Armed Conflict Location Event Data Project, GI-TOC - Global Initiative against Organized Crime (9.2024): Non-State Armed Groups and Illicit Economies in West Africa: Anglophone separatists, https://www.ecoi.net/en/file/local/2114957/d4248905-7022-462d-a85a-5d2645fc5b22.pdf, Zugriff 20.1.2025

- GPC - Global Protection Cluster (20.1.2025): Protection Cluster NWSW Monthly Update; December 2024, https://globalprotectioncluster.org/sites/default/files/2024-12/monthly_update_octnov2024.pdf, Zugriff 27.2.2025

- GPC - Global Protection Cluster (13.12.2024): Protection Cluster NWSW Monthly Update; October - November 2024, https://globalprotectioncluster.org/sites/default/files/2024-12/monthly_update_octnov2024.pdf, Zugriff 20.1.2025

- GPC - Global Protection Cluster (30.10.2024): Protection Monitoring Update; July - September 2024, https://globalprotectioncluster.org/sites/default/files/2024-10/pm_quarterly_update_jul-sept.pdf, Zugriff 20.1.2025

- II - Insecurity Insight (5.9.2024): Cameroon: Violence Against Health Care in Conflict 2023, https://reliefweb.int/attachments/a1da45d1-ef5a-46c1-873e-1b3ff4f81bac/2023-SHCC-Cameroon.pdf, Zugriff 20.1.2025

- RSF - Reporters Sans Frontières (1.10.2024): Cameroon: RSF condemns absurd 10-year prison sentence for journalist Kingsley Fumunyuy Njoka, https://www.ecoi.net/de/dokument/2119069.html, Zugriff 20.1.2025

- SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (18.12.2024): Factsheet Kamerun, https://www.fluechtlingshilfe.ch/fileadmin/user_upload/Publikationen/Factsheets/241218_KAM_Factsheet_DE_web.pdf, Zugriff 20.1.2025

- UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (11.2.2025b): North-West and South-West - Situation Report No. 72 (December 2024), https://reliefweb.int/attachments/0da0c3c0-8ad2-4d3f-97ab-983cd3f265a6/OCHA_SITREP_NWSW_December%202024-FV.pdf.pdf, Zugriff 6.3.2025

- UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (8.1.2025): North-West and South-West - Situation Report No. 71 (November 2024), https://reliefweb.int/attachments/79d20a59-f3b0-455b-9f01-e115a6f71bed/SITREP_NWSW_November%202024_Final.pdf, Zugriff 20.1.2025

- UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (20.12.2024a): North-West and South-West - Situation Report No. 70 (October 2024), https://reliefweb.int/attachments/0043eb66-dc08-42fa-9394-5cd5a00f6f10/OCHA%20Cameroon%20SITREP%2370%20NWSW%20Oct%202024.pdf, Zugriff 20.1.2025

- USDOS - US Department of State [USA] (26.6.2024): 2023 Report on International Religious Freedom: Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2111838.html, Zugriff 20.1.2025

Rechtsschutz / Justizwesen

Das Justizsystem ist eine Mischung aus englischem common law, französischem Zivilrecht und traditionellem Recht. Es gibt Bezirksgerichte, Gerichte erster Instanz und Berufungsgerichte, an Höchstgerichten den Obersten Gerichtshof und den Verfassungsrat (CIA 16.1.2025). Bei bestimmten Vergehen, wie Menschenrechtsverbrechen und Staatssicherheit, sind obligatorisch verschiedene Militärgerichte zuständig – auch bei Verfahren gegen Zivilisten (AA 22.2.2024). Militärtribunale werden manchmal gegen Zivilisten und politische Gegner eingesetzt, wobei die Verfahrensrechte der Angeklagten in Bezug auf ihre Inhaftierung, Strafverfolgung und Berufung umgangen werden (USDOS 23.4.2024).

Unabhängigkeit und Willkür: Verfassung und Gesetze sehen eine unabhängige Justiz vor, doch die Regierung respektiert dies nicht immer (USDOS 23.4.2024; vgl. BS 19.3.2024). Im Prinzip ernennt der Präsident die gesamte Justiz, da er dem Hohen Justizrat vorsitzt. Er ist für Ernennungen, Beförderungen und Disziplinarstrafen verantwortlich (BS 19.3.2024). Auch die Richter der Höchstgerichte werden vom Präsidenten ernannt (CIA 16.1.2025). In einigen Fällen scheinen die Ergebnisse von Gerichtsverfahren von der Regierung beeinflusst worden zu sein – insbesondere in politisch sensiblen Fällen (USDOS 23.4.2024). Im Allgemeinen ordnet sich die Justiz der Exekutive unter (Nkafu 8.11.2022) bzw. ist sie dieser untergeordnet (BS 19.3.2024).

Es kommt zu willkürlichen Verhaftungen (BS 19.3.2024; vgl. USDOS 23.4.2024). So verhafteten Sicherheitskräfte und Armee z.B. am 2.3.2023 in fünf Dörfern in der Region Südwest 160 Menschen. Ein Militärrichter hat daraufhin 14 dieser Personen wegen Terrorismus’, der Herstellung von Waffen und der Gefährdung der Staatssicherheit angeklagt. Die anderen 146 Häftlinge wurden im Zeitraum von einer Woche bis hin zu einem Monat ohne Anklage freigelassen. Bei politischen Gefangenen bzw. Regierungskritikern beziehen sich die Anklagen i.d.R. auf Delikte der Staatssicherheit. In vielen dieser Fälle gehen die verhängten Gefängnisstrafen über das gesetzlich vorgesehene Strafmaß hinaus (USDOS 23.4.2024).

Prozessrechte: Rechtsstaatliche Verfahren sind nicht durchgängig gewährleistet (AA 22.2.2024). Verfassung und Gesetze sehen das Recht auf ein faires und öffentliches Verfahren ohne unangemessene Verzögerung vor, Angeklagte gelten als unschuldig. Die Behörden respektieren diese Bestimmungen nicht immer und wenden die Unschuldsvermutung selektiv an. Angeklagte haben auch das Recht, einen Anwalt ihrer Wahl zu konsultieren, doch in vielen Fällen respektiert die Regierung dieses Recht nicht und beschränkt den Zugang zu Anwälten. Dies gilt insbesondere für Personen, die der Komplizenschaft mit Separatisten oder politischen Gegnern verdächtigt werden. Wenn Angeklagte ihre Verteidigung nicht selbst bezahlen können, kann das Gericht auf Staatskosten einen Anwalt bestellen, doch eine derartige Bestellung verläuft oft mühsam und langwierig, und die Qualität der Rechtshilfe ist mangelhaft (USDOS 23.4.2024). In Gerichtsverfahren werden rechtsstaatliche Grundsätze nicht immer eingehalten und habeas-corpus-Rechte verletzt. Verhandlungen in Abwesenheit kommen gerade in Strafprozessen mit politischem Hintergrund regelmäßig vor. Anhörungen von Betroffenen unterbleiben. Oftmals wird lediglich die erste Aussage bei einer Polizeistation/Gendarmerie als mündliche Aussage in das Verhandlungsprotokoll aufgenommen, Entlastungszeugen werden häufig nicht vorgeladen (AA 22.2.2024). Da das Justizsystem von grassierender Korruption geplagt wird, ist jede Leistung der Justiz mit der Zahlung von Bestechungsgeldern verbunden. Die Korruption beraubt Opfer und/oder Angeklagte des Grundrechts auf ein faires Verfahren (Nkafu 8.11.2022).

Angeklagte können gegen Urteile beim Obersten Gerichtshof Berufung einlegen, hier kommt es mitunter aber zu erheblichen Verzögerungen. Auch Zivilgerichte schränken in politisch sensiblen Fällen häufig die Rechte der Angeklagten ein (USDOS 23.4.2024).

Gesetzlich ist für die Untersuchungshaft eine maximale Dauer von 18 Monaten vor der Verhandlung vorgesehen. Viele Häftlinge warten jedoch jahrelang, bis sie vor Gericht erscheinen können. Gründe dafür sind eine zu geringe Zahl an Gerichtspersonal, Misswirtschaft bei den Fallakten, Zahlungsunfähigkeit bei den Gerichtsgebühren und die Politisierung mancher Gerichtsverfahren, bei denen es zu einer Lenkung durch die Regierung kommt (USDOS 23.4.2024; vgl. AA 22.2.2024). Zwar wurde 2007 ein Recht auf Entschädigung im Fall unangemessen langer Untersuchungshaft eingeführt, dieses hat bisher jedoch keine Anwendung gefunden (AA 22.2.2024).

Effizienz: Das korrupte, unterfinanzierte und ineffiziente Justizsystem ist eines der Hauptprobleme des Landes. Die gravierenden Schwächen des Rechtssystems betreffen alle Bürger gleichermaßen. Neben Korruption leidet die Justiz unter mangelhafter Aus- und Fortbildung sowie der Überlastung der Richterschaft und der Rechtsanwälte. Der Justizapparat ist schwerfällig, unterbesetzt und zeigt wenig Einsatzbereitschaft. Dies gilt auch bei Ermittlungen zu Menschenrechtsverletzungen. Wenn etwa Angehörige der Sicherheitskräfte ihre Machtposition zum eigenen Vorteil missbrauchen – z.B. bei Straßenkontrollen, dann beschreiten Bürger kaum jemals den Rechtsweg, weil sie in das Gerichtswesen zu wenig Vertrauen haben (AA 22.2.2024).

Traditionelles Recht: Die v.a. in ländlichen Gegenden praktizierte Justiz traditioneller Autoritäten ist weder verfassungsrechtlich legitimiert, noch unterliegen die daraus folgenden Entscheidungen und Handlungen einer staatlichen Kontrolle. Dieses traditionelle Rechtssystem benachteiligt v.a. Frauen und Kinder. Könige (Lamido) sind zudem traditionelle Gerichtsherren, die auch eine körperliche Bestrafung anordnen können (AA 22.2.2024).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.2.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Kamerun (Stand: November 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2105298/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Kamerun,_22.02.2024.pdf, Zugriff 20.1.2025

- BS - Bertelsmann Stiftung (19.3.2024): BTI 2024 Country Report Cameroon, https://www.ecoi.net/en/file/local/2105824/country_report_2024_CMR.pdf, Zugriff 20.1.2025

- CIA - Central Intelligence Agency [USA] (16.1.2025): The World Factbook – Cameroon, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/cameroon/, Zugriff 22.1.2025

- Nkafu - Nkafu Policy Institute / Betga Mbofung O. (8.11.2022): Evaluation des défis de la lutte contre la corruption au Cameroun, https://nkafu.org/assessing-the-challenges-of-the-fight-against-corruption-in-cameroon/, Zugriff 5.3.2025

- USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107637.html, Zugriff 20.1.2025

Sicherheitsbehörden

Neben der Polizei ist auch die den Streitkräften zugeordnete Gendarmerie für die innere Sicherheit zuständig (AA 22.2.2024; vgl. CIA 16.1.2025). Die Gendarmerie umfasst schätzungsweise 10.000 Mann. Auch die Armee, die 40.000-45.000 Mann umfasst (CIA 16.1.2025), wird bei sozialen und politischen Unruhen im Inneren eingesetzt. Dies gilt insbesondere für die Eliteeinheit BIR (Brigade d’Intervention Rapide) (AA 22.2.2024) mit ihren 10.000-12.000 Mann. Sie unterhält ihre eigene Befehls- und Kontrollstruktur und untersteht direkt dem Generalstabschef und dem Präsidentenamt. Die Armee wird im Inneren v.a. gegen Boko Haram und ISWAP in der Region Extrême-Nord aber auch gegen anglophone Separatisten in den Regionen Nordwest und Südwest eingesetzt (CIA 16.1.2025).

Verhaftungen werden von der Gendarmerie und den verschiedenen Untergliederungen der Polizei ausgeführt: Allgemeine Polizei (Sécurité publique), Inlandsnachrichtendienste (Renseignements Généraux, Surveillance du Territoire), Kriminalpolizei (Police Judiciaire), Grenzpolizei (Police des Frontières) sowie die Spezialeinheit GSO (Groupement Spécial d'Opérations). Außerdem ist die Militärpolizei hierzu berechtigt, wenn sie im Rahmen von Unruhen eingesetzt wird. Der Auslandsnachrichtendienst DGRE, der auch im Inland eingesetzt wird, nimmt in Einzelfällen ebenfalls Verhaftungen vor. Insgesamt sind die Sicherheitskräfte zu großen Teilen schlecht ausgebildet, bezahlt und ausgerüstet (AA 22.2.2024).

Das Dorfwächtersystem (Bürgerwehren, groupe de vigilantes) verbreitet sich in den Konfliktregionen als Mittel der Terrorabwehr z.B. gegenüber Boko Haram in der Region Extrême-Nord. Bürgerwehren, die keiner staatlichen Kontrolle unterliegen, gibt es seit wenigen Jahren auch in den Regionen Nordwest und Südwest. Sie gehören meist einer einheitlichen Ethnie an und können Ursache ethnischer Konflikte werden (AA 22.2.2024).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.2.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Kamerun (Stand: November 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2105298/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Kamerun,_22.02.2024.pdf, Zugriff 20.1.2025

- CIA - Central Intelligence Agency [USA] (16.1.2025): The World Factbook – Cameroon, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/cameroon/, Zugriff 22.1.2025

Folter und unmenschliche Behandlung

Folter und Polizeibrutalität: 1997 wurde der Straftatbestand der Folter mit Todes- oder Gesundheitsfolgen in das Strafgesetzbuch eingeführt (Art. 132ff) (AA 22.2.2024). Obwohl Verfassung und Gesetz derartige Praktiken untersagen, gibt es Berichte, wonach Folter und unmenschliche Behandlung von Regierungsbeamten angewendet werden (USDOS 23.4.2024; vgl. AA 22.2.2024, SFH 15.12.2024). Dabei handelt es sich meist um Schikanen durch Gefängniswärter, Polizisten oder Angehörige der Geheimdienste (AA 22.2.2024). Nach anderen Angaben wird Folter in Gefängnissen systematisch angewendet (BS 19.3.2024).

Sicherheitskräfte wenden immer wieder unverhältnismäßig Gewalt an (AA 22.2.2024; vgl. SFH 18.12.2024, USDOS 23.4.2024). Auch Separatisten misshandeln Zivilisten in Gewahrsam (USDOS 23.4.2024). Amnesty wirft Armee und bewaffneten Gruppen in den Konfliktgebieten seit Jahren schwere Menschenrechtsverletzungen, Missbrauch und Folter vor, v.a. im Rahmen der Durchsuchung von Dörfern auf der Suche nach Separatisten und Waffen (AA 22.2.2024).

Tötungen: Es gibt zahlreiche Berichte, wonach Sicherheitskräfte willkürliche und extralegale Tötungen begangen haben. So kommt es etwa im Zusammenhang mit dem Konflikt in den Regionen Nordwest und Südwest zu Tötungen sowohl durch Regierungstruppen als auch durch bewaffnete Separatisten, in der Region Extrême-Nord durch Boko Haram und ISWAP. Nicht immer ist klar, ob es sich bei von Sicherheitskräften getöteten Personen um Zivilisten oder Separatisten handelt (USDOS 23.4.2024). Jedenfalls werden Regierungstruppen für Gewalt verantwortlich gemacht – insbesondere in den englischsprachigen Regionen. Dort haben sie laut einer Quelle über 100 Dörfer zerstört. Zudem gibt es Vorwürfe hinsichtlich außergerichtlicher Hinrichtungen, Folter und Vergewaltigungen (SFH 18.12.2024).

Gleichzeitig gibt es mehrere Berichte über die Tötung von Zivilisten durch bewaffnete Gruppen. Unter den Getöteten finden sich Regierungsmitarbeiter und Zivilisten, denen Separatisten die Unterstützung von Regierungstruppen oder das Nicht-Beachten von Ausgangssperren vorgeworfen haben. Z.B. töteten bewaffnete Separatisten am 10.2.2023 fünf Arbeiter der Cameroon Development Corporation, weil sie während einer von Separatisten verhängten Ausgangssperre gearbeitet haben (USDOS 23.4.2024).

Entführungen und Verschwindenlassen: Im Zusammenhang mit dem Konflikt in den Regionen Nordwest und Südwest kommt es zu Entführungen – auch von Zivilisten – sowohl durch Regierungstruppen als auch durch bewaffnete Separatisten, in der Region Extrême-Nord durch Boko Haram und ISWAP. Berichten zufolge entführen bewaffnete Separatisten mitunter Personen, weil diese zuvor verhängte Ausgangssperren missachtet haben. Z.B. entführten bewaffnete Personen im Mai 2023 in Kedjom Keku in der Region Nordwest 30 Frauen, weil diese die von den Separatisten verhängten Ausgangssperren und Steuern verurteilt haben. Im August 2023 wurden die Leichen von fünf Regierungsbeamten exhumiert, die 2021 von Separatisten entführt worden waren. Die Leichen wurden zusammen mit den Überresten von vier weiteren nicht identifizierten Opfern in einem Massengrab außerhalb von Ekondo-Titi in der Region Südwest entdeckt. Separatisten halten Zivilisten als Geiseln, darunter Beamte, politische Führer, Lehrer, Schulkinder sowie religiöse und traditionelle Führer. Diesbezüglich gibt es Berichte, dass Entführer ihre Opfer körperlich misshandeln (USDOS 23.4.2024). Auch hinsichtlich der Regierungstruppen gibt es laut einer Quelle Vorwürfe des Verschwindenlassens (SFH 18.12.2024), eine andere Quelle berichtete, dass zumindest für das Jahr 2023 keine diesbezüglichen Berichte vorliegen (USDOS 23.4.2024).

Verantwortung: Die Regierung unternimmt nur wenige glaubwürdige Schritte, um Täter in den eigenen Reihen, denen Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden, zu identifizieren und zu bestrafen. Straflosigkeit bleibt v.a. bei den Streitkräften und der Polizei ein ernstes Problem (HRW 2024). Nach anderen Angaben werden Übergriffe der Sicherheitskräfte zwar i.d.R. nicht angemessen verfolgt, doch wurden in den letzten Jahren zumindest Untersuchungen durch die Regierung durchgeführt und niedrige Ränge vor Gericht gestellt (AA 22.2.2024). Hinsichtlich eines mutmaßlich von Sicherheitskräften verübten Massakers in einem Dorf in der Region Nordwest wurde ein Prozess gegen drei Personen eingeleitet, dieser ist aber von Unregelmäßigkeiten und Verzögerungen gekennzeichnet. Dies lässt Zweifel daran aufkommen, ob es der Regierung damit Ernst ist, Sicherheitskräfte bei Verstößen in die Verantwortung zu nehmen (HRW 2024).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.2.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Kamerun (Stand: November 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2105298/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Kamerun,_22.02.2024.pdf, Zugriff 20.1.2025

- BS - Bertelsmann Stiftung (19.3.2024): BTI 2024 Country Report Cameroon, https://www.ecoi.net/en/file/local/2105824/country_report_2024_CMR.pdf, Zugriff 20.1.2025

- HRW - Human Rights Watch (2024): Cameroon – Events of 2023, https://www.hrw.org/world-report/2024/country-chapters/cameroon, Zugriff 20.1.2025

- SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (18.12.2024): Factsheet Kamerun, https://www.fluechtlingshilfe.ch/fileadmin/user_upload/Publikationen/Factsheets/241218_KAM_Factsheet_DE_web.pdf, Zugriff 20.1.2025

- USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107637.html, Zugriff 20.1.2025

NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Während die Zivilgesellschaft beim Übergang zum Mehrparteiensystem zu Beginn der 1990er Jahre eine wichtige Rolle gespielt hat, hat sie seither einen Prozess der Fragmentierung und politischen Demobilisierung durchlaufen (BS 19.3.2024). Es existiert eine Vielzahl von Menschenrechtsorganisationen, die oftmals finanziell von internationalen Gebern unterstützt werden. Viele Einzelpersonen und Organisationen, die sich die Verteidigung der Menschenrechte zum Ziel gesetzt haben, vertreten allerdings Eigen- und Partikularinteressen (AA 22.2.2024). Viele der in jüngster Zeit entstandenen zivilgesellschaftlichen Gruppen sind explizit ethnischer Natur oder werden als Vehikel zur Sicherung staatlicher Unterstützung eingesetzt (BS 19.3.2024). Trotzdem überwachen und untersuchen nationale und internationale Menschenrechtsgruppen Menschenrechtsbedingungen und -fälle und veröffentlichen Ergebnisse. Regierungsvertreter sind diesbezüglich allerdings nur selten kooperativ oder reagieren überhaupt auf derartige Informationen (USDOS 23.4.2024).

Das aus dem Jahr 2014 stammende Antiterrorismusgesetz wird gegen Kritiker und Organisationen der Zivilgesellschaft eingesetzt. Mehrere NGOs sind verboten worden (SFH 18.12.2024). Andere treffen auf Schwierigkeiten, wenn sie ihre Zulassungen erneuern (USDOS 23.4.2024) oder überhaupt zugelassen werden wollen. Internationale Menschenrechtsbeobachter, z.B. das IKRK und Amnesty, konnten zwar in der Vergangenheit weitgehend unabhängig agieren und ermitteln, stehen jedoch seit dem Beginn des Konflikts in den Regionen Nordwest und Südwest zunehmend unter Beobachtung. Ihre Arbeit wird durch eine restriktive Erteilung von Visa sowie durch administrative Hürden erschwert (AA 22.2.2024).

Menschenrechtsaktivisten tragen ein besonderes Risiko, sie werden bedroht, es kommt aber mitunter auch zu Gewalt und Angriffen (SFH 18.12.2024; vgl. AA 22.2.2024). Mitunter werden lokale Menschenrechts-NGOs behindert, ihre Mitglieder schikaniert. Die Behörden unternehmen keine Schritte, um solche Vorfälle zu untersuchen oder zu verhindern (USDOS 23.4.2024).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.2.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Kamerun (Stand: November 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2105298/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Kamerun,_22.02.2024.pdf, Zugriff 20.1.2025

- BS - Bertelsmann Stiftung (19.3.2024): BTI 2024 Country Report Cameroon, https://www.ecoi.net/en/file/local/2105824/country_report_2024_CMR.pdf, Zugriff 20.1.2025

- SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (18.12.2024): Factsheet Kamerun, https://www.fluechtlingshilfe.ch/fileadmin/user_upload/Publikationen/Factsheets/241218_KAM_Factsheet_DE_web.pdf, Zugriff 20.1.2025

- USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107637.html, Zugriff 20.1.2025

Allgemeine Menschenrechtslage

Staatliche Repressionen aufgrund von Nationalität, Religion oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder Ethnie sind nicht bekannt. Diskriminierung aufgrund von Rasse, Sprache, Geschlecht oder sozialem Status ist durch die Verfassung verboten. Die freie sexuelle Orientierung ist allerdings nicht in der Verfassung verankert (AA 22.2.2024).

Obwohl Verfassung und Gesetz derartige Handlungen untersagen, gibt es Berichte, wonach Polizisten, Gendarmen und Soldaten Bürger schikanieren, Durchsuchungen ohne Haftbefehl durchführen und Regierungskritiker willkürlich festnehmen und über längere Zeiträume inhaftieren – ohne Anklage oder Gerichtsverfahren (USDOS 23.4.2024). Laut einer Quelle sind das willkürliche Verhaften und Festhalten über einen längeren Zeitraum generell üblich (BS 19.3.2024).

Seitens der Sicherheitskräfte kommt es u.a. aufgrund von schlechter Ausbildung, Bezahlung und Ausrüstung zu willkürlicher und unverhältnismäßiger Gewaltanwendung. Eine systematische Gewaltanwendung gegen bestimmte gesellschaftliche Gruppen ist nicht feststellbar (AA 22.2.2024). Hinsichtlich Verhafteten, die beschuldigt werden, Separatisten aus den Regionen Südwest und Nordwest zu sein oder diese zu unterstützen, kommt es mitunter zu incommunicado-Haft (USDOS 23.4.2024).

Im Gegensatz zum Jahr 2022 gab es 2023 keine Berichte, dass die Behörden Familienmitglieder für Straftaten bestraft haben, die angeblich von ihren Verwandten begangen worden sind (USDOS 23.4.2024).

Übergriffe der Sicherheitskräfte werden i.d.R. nicht angemessen verfolgt. In den letzten Jahren werden jedoch zumindest Untersuchungen durch die Regierung durchgeführt und niedrigrangige Beteiligte vor Gericht gestellt (AA 22.2.2024).

Das mangelnde Vertrauen der Bevölkerung in das Justizwesen führt zu einer Ausbreitung von Selbst- und Lynchjustiz. Dies reicht von körperlicher Züchtigung von angeblich als Dieben ertappten Personen durch umstehende Passanten bis zu Tötungen (AA 22.2.2024).

Konfliktgebiete: Bewaffnete Separatisten, Boko Haram, der sog. IS, kriminelle Banden und andere Täter begehen erhebliche Menschenrechtsverletzungen. Zu den Vorfällen in Extrême-Nord, Südwest und Nordwest zählen Hinterhalte, willkürliche Tötungen, gezielte Morde, Enthauptungen, Entführungen, Brandstiftung, Überfälle und Plünderungen (USDOS 12.12.2024; vgl. AI 24.4.2024). Aber auch die Armee ist – manchmal in Kollaboration mit lokalen Milizen – für extra-legale Tötungen und Morde verantwortlich. Zudem werden politische Gegner und Anglophone in Nordwest und Südwest mitunter willkürlich verhaftet (AI 24.4.2024). In beiden Regionen tragen manche Zivilisten ein Risiko, von Rebellen als Kollaborateure wahrgenommen zu werden. Dies kann Lehrer, Studenten, Führungskräfte aus Politik und Kirchen, aber auch Gesundheits- und humanitäres Personal betreffen (SFH 18.12.2024).

Sowohl Boko Haram als auch Bürgerwehren und Separatisten rekrutieren Kinder und setzen diese u.a. in Kampfrollen oder zur Informationsbeschaffung ein (USDOS 23.4.2024).

Ombudsmann: Die staatliche Cameroon Human Rights Commission (CHRC) wurde 2019 gegründet, um die Menschenrechte zu fördern und zu schützen und Folter in Haftanstalten zu verhindern. Diese Kommission ist nominell unabhängig, wird aber von der Regierung finanziert. Die CHRC koordiniert ihre Aktivitäten mit NGOs und bietet Behörden Schulungen zum Thema Menschenrechte an. Zudem betreibt sie eine Hotline, über die anonyme Berichte über Menschenrechtsverletzungen, darunter auch Fälle von Folter, eingereicht werden können. Allerdings hat die CHRC keine Befugnis, Gerichtsverfahren einzuleiten oder Täter bei Menschenrechtsvergehen auf andere Weise zur Rechenschaft zu ziehen (USDOS 23.4.2024).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.2.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Kamerun (Stand: November 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2105298/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Kamerun,_22.02.2024.pdf, Zugriff 20.1.2025

- AI - Amnesty International (24.4.2024): The State of the World's Human Rights; Cameroon 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107853.html, Zugriff 20.1.2025

- BS - Bertelsmann Stiftung (19.3.2024): BTI 2024 Country Report Cameroon, https://www.ecoi.net/en/file/local/2105824/country_report_2024_CMR.pdf, Zugriff 20.1.2025

- SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (18.12.2024): Factsheet Kamerun, https://www.fluechtlingshilfe.ch/fileadmin/user_upload/Publikationen/Factsheets/241218_KAM_Factsheet_DE_web.pdf, Zugriff 20.1.2025v

- USDOS - US Department of State [USA] (12.12.2024): Country Report on Terrorism 2023 - Chapter 1 – Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2118945.html, Zugriff 20.1.2025

- USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107637.html, Zugriff 20.1.2025

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

Obwohl das Gesetz die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit vorsieht, werden beide von der Regierung häufig eingeschränkt (USDOS 23.4.2024; vgl. AA 22.2.2024), etwa unter Einsatz des Antiterrorismusgesetzes aus dem Jahr 2014 (SFH 18.12.2024).

Gesetzlich sind die Organisatoren öffentlicher Versammlungen verpflichtet, hinsichtlich geplanter Demonstrationen und Prozessionen die Behörden im Voraus zu benachrichtigen. Eine Genehmigung ist demnach nicht vorgesehen. Dennoch gehen Beamte häufig davon aus, dass öffentliche Versammlungen gestattet oder verweigert werden können. Die Regierung erteilt Genehmigungen für Versammlungen oft selektiv. I.d.R. werden seitens der Behörden Sicherheitsbedenken angeführt, um Versammlungen zu unterbinden (USDOS 23.4.2024). Generell werden Versammlungen oft nicht genehmigt bzw. gewaltsam aufgelöst (AA 22.2.2024; vgl. USDOS 23.4.2024). In diesem Zusammenhang kommt es auch zu vorübergehenden Festnahmen. In den Konfliktregionen des Landes wird das Versammlungsrecht massiv eingeschränkt (AA 22.2.2024).

Mitunter kommt es zu willkürlichen Haftstrafen. So ist etwa eine alleinerziehende Mutter, die sich zuvor nie politisch engagiert hatte, im Dezember 2021 von einem Militärgericht wegen der Teilnahme an einer öffentlichen Demonstrationen in Duala im September 2020 zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Erst im Jänner 2025 wurde die Frau aus der Haft entlassen. Von den damals mehreren Hundert festgenommenen Demonstranten wurden Dutzende später zu Haftstrafen verurteilt, 38 Personen befinden sich weiterhin in Haft (BAMF 27.1.2025).

Gesetzlich können die Aktivitäten eines Vereins auf Empfehlung lokaler Beamter für drei Monate ausgesetzt werden, wenn der Verein die öffentliche Ordnung stört. Ein Verein kann auch aufgelöst werden, wenn er als Bedrohung für die Staatssicherheit erachtet wird. Gleichzeitig ist der Zulassungsvorgang für Menschenrechtsgruppen, NGOs, Vereine und politische Parteien kompliziert, mit langen Verzögerungen verbunden und wird zudem uneinheitlich umgesetzt. Manche Vereine arbeiten folglich in Rechtsunsicherheit, weil ihre Aktivitäten zwar toleriert werden, ihr Vereinsstatus aber nicht formell genehmigt worden ist (USDOS 23.4.2024).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.2.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Kamerun (Stand: November 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2105298/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Kamerun,_22.02.2024.pdf, Zugriff 20.1.2025

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (27.1.2025): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2025/briefingnotes-kw05-2025.pdf?__blob=publicationFile v=3, Zugriff 5.3.2025

- SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (18.12.2024): Factsheet Kamerun, https://www.fluechtlingshilfe.ch/fileadmin/user_upload/Publikationen/Factsheets/241218_KAM_Factsheet_DE_web.pdf, Zugriff 20.1.2025

- USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107637.html, Zugriff 20.1.2025

Opposition

Es gibt aktuell 331 angemeldete Oppositionsparteien. Sie können sich aufgrund der starken Stellung der Regierungspartei nur schwer entfalten (AA 22.2.2024; USDOS 23.4.2024). Nach anderen Angaben werden Oppositionsparteien in ihren Möglichkeiten eingeschränkt, Wahlkreise werden manipuliert, Medien berichten unausgewogen, traditionelle Herrscher werden beeinflusst. So werden etwa traditionelle Herrscher, die sich weigern, mit der Regierung zusammenzuarbeiten, entweder abgesetzt oder mit dem Verlust aller Einkünfte bedroht. Gleichzeitig bringt die Mitgliedschaft in der Regierungspartei erhebliche Vorteile, u.a. bei der Zuteilung von Schlüsselpositionen in staatlichen Unternehmen und im öffentlichen Dienst (USDOS 23.4.2024).

Die oppositionelle Mouvement pour la Renaissance du Cameroun (MRC) hatte jahrelang keine Versammlungen abhalten dürfen (HRW 2024; vgl. AI 24.4.2024, AA 22.2.2024). Manche ihrer Mitglieder, die im Jahr 2020 an friedlichen Demonstrationen teilgenommen haben, befanden sich auch Jahre danach noch in Haft (HRW 2024; vgl. AI 24.4.2024). Im Jahr 2023 genehmigten die Behörden der MRC jedoch das Abhalten öffentlicher Versammlungen (USDOS 23.4.2024). Trotzdem kommt es gegen den politischen Gegner – und das ist insbesondere die MRC – zu Einschüchterungen und zu willkürlichen Verhaftungen bis hin zu Folter. Unter derartigen Maßnahmen leiden auch tatsächliche oder vermutete anglophone Separatisten (SFH 18.12.2024).

Laut einer Quelle findet keine systematische politische Verfolgung statt. Oppositionelle tragen grundsätzlich kein signifikant höheres Risiko, Opfer willkürlicher Staatsgewalt zu werden, als andere Bürger (AA 22.2.2024). Allerdings wurden im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen 2025 von der Regierung zwei Oppositionskoalitionen verboten. Zudem häufen sich Verhaftungen von Regimekritikern (SFH 18.12.2024). Die Behörden gehen verschärft gegen politisch Andersdenkende vor (BAMF 27.1.2025), auf Dissens reagiert die Führung des Landes zunehmend mit Härte. Häufig geht sie gegen die politische Opposition vor und hat Hunderte von friedlichen Demonstranten inhaftiert (DW 27.10.2024). Es gibt keine verlässliche Schätzung hinsichtlich der Zahl an politischen Gefangenen. Üblicherweise beziehen sich Anklagen gegen Regierungskritiker auf Delikte wie Staatssicherheit – darunter Sezession, Terrorismus, Rebellion, Revolution und „Feindseligkeit gegen das Vaterland“. In vielen dieser Fälle gehen die verhängten Gefängnisstrafen über das gesetzlich vorgesehene Strafmaß hinaus (USDOS 23.4.2024).

Auch dutzende Menschen aus den anglophonen Gebieten befinden sich weiterhin willkürlich in Haft (AI 24.4.2024). Die zwei Organisationen, die anfänglich die Proteste in den Regionen Nordwest und Südwest getragen haben – die Cameroon Anglophone Civil Society (CACS) und der separatistische Southern Cameroons National Council (SCNC) – wurden am 17.1.2017 verboten. Mitglieder dieser Organisationen werden strafrechtlich verfolgt (AA 22.2.2024).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.2.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Kamerun (Stand: November 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2105298/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Kamerun,_22.02.2024.pdf, Zugriff 20.1.2025

- AI - Amnesty International (24.4.2024): The State of the World's Human Rights; Cameroon 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107853.html, Zugriff 20.1.2025

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (27.1.2025): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2025/briefingnotes-kw05-2025.pdf?__blob=publicationFile v=3, Zugriff 5.3.2025

- DW - Deutsche Welle (27.10.2024): Warum ein Kamerun ohne Paul Biya so schwer vorstellbar ist, https://www.dw.com/de/warum-ein-kamerun-ohne-paul-biya-so-schwer-vorstellbar-ist/a-70590158, Zugriff 6.3.2025

- HRW - Human Rights Watch (2024): Cameroon – Events of 2023, https://www.hrw.org/world-report/2024/country-chapters/cameroon, Zugriff 20.1.2025

- SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (18.12.2024): Factsheet Kamerun, https://www.fluechtlingshilfe.ch/fileadmin/user_upload/Publikationen/Factsheets/241218_KAM_Factsheet_DE_web.pdf, Zugriff 20.1.2025

- USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107637.html, Zugriff 20.1.2025

Haftbedingungen

Die Haftbedingungen sind aufgrund von Nahrungsmittelknappheit, starker Überbelegung, unzureichenden sanitären Bedingungen, fehlender medizinischer Versorgung und Gewalt unter Gefangenen hart und lebensbedrohlich (SFH 18.12.2024; vgl. USDOS 23.4.2024, AA 22.2.2024). Die Gefängnisse sind chronisch überbelegt (164% Belegung im April 2024) (SFH 18.12.2024; vgl. AA 22.2.2024). Insassen leiden an Unterernährung und sind zahlreichen ansteckenden Krankheiten ausgesetzt (USDOS 23.4.2024). Der Zugang zu Trinkwasser ist unzureichend, für die Versorgung der Gefangenen mit Nahrungsmitteln sind die Familienangehörigen verantwortlich. In kleineren Gefängnissen werden Frauen und Jugendliche oftmals nicht von den übrigen Gefangenen getrennt untergebracht; dies kann auch in großen Gefängnissen vorkommen. Rund 60% der Insassen sind Untersuchungshäftlinge (AA 22.2.2024).

Misshandlungen und Vergewaltigungen – in der Mehrzahl der Fälle durch Mithäftlinge, jedoch auch durch das Gefängnispersonal – kommen vor (AA 22.2.2024). Justizwachepersonal setzt in großem Umfang das Fesseln als Disziplinarmaßnahme ein. Auf glaubhafte Vorwürfe von Misshandlungen wird seitens der Behörden nicht eingegangen (USDOS 23.4.2024).

Die Regierung gestattet es unabhängigen Menschenrechtsgruppen nicht ohne weiteres, die Bedingungen in Gefängnissen zu überprüfen. Organisationen, die von der Regierung genehmigte Projekte in Gefängnissen umsetzen, erhalten hingegen leichter Zugang (USDOS 23.4.2024).

Im Norden des Landes unterhalten einige Könige (Lamido) Privatgefängnisse, in denen mutmaßliche Kriminelle bis zum Abtransport in staatliche Gefängnisse in Haft genommen und dabei mitunter misshandelt werden (AA 22.2.2024).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.2.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Kamerun (Stand: November 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2105298/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Kamerun,_22.02.2024.pdf, Zugriff 20.1.2025

- SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (18.12.2024): Factsheet Kamerun, https://www.fluechtlingshilfe.ch/fileadmin/user_upload/Publikationen/Factsheets/241218_KAM_Factsheet_DE_web.pdf, Zugriff 20.1.2025

- USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107637.html, Zugriff 20.1.2025

Todesstrafe

Die Todesstrafe ist nicht abgeschafft, und es gibt auch keine politischen Bestrebungen in diese Richtung. Mord (Art. 276 des Strafgesetzbuchs) sowie drei Staatssicherheitsdelikte (Artikel 102: Feindseligkeiten gegenüber der Republik; Artikel 103: Spionage, Anstacheln zum Krieg gegen Kamerun; Handlungen, welche die Sicherheit oder den Bestand der Republik gefährden; Verrat militärischer Geheimnisse; Artikel 112: Anstacheln zum Bürgerkrieg) sind mit der Todesstrafe belegt, die auch verhängt wird. Gleiches gilt für bandenmäßige Plünderei in Kriegszeiten (Art. 236), Raub mit Todesfolge (Art. 320 Abs. 2) und Entführung eines Minderjährigen mit Todesfolge (Art. 354 Abs.2). In dem Anti-Terrorismusgesetz vom 23.12.2014 sind Akte des Terrorismus und damit zusammenhängende Handlungen (Finanzierung, Rekrutierung und Ausbildung) obligatorisch mit der Todesstrafe bewehrt. Nach Angaben von Amnesty International wird in Strafverfahren gegen Angehörige der Boko Haram vor Gerichten in der Region Extrême-Nord grundsätzlich die Todesstrafe verhängt (AA 22.2.2024). Allerdings nennt Amnesty International für das Jahr 2023 nur eine bestätigte Verurteilung zum Tode (AI 29.5.2024). Zudem gilt ein Moratorium. Der Präsident spricht regelmäßig am Nationalfeiertag Begnadigungen für alle zum Tode Verurteilten aus, durch die u.a. Todesstrafen in Haftstrafen umgewandelt werden (AA 22.2.2024). Laut Angaben von Amnesty International und Menschenrechtsverteidigern ist die Todesstrafe 1997 das letzte Mal vollstreckt worden (AA 22.2.2024). Das Land wird daher als abolitionist in practice geführt, also als Land, in welchem die Todesstrafe in der Praxis als abgeschafft gilt (AI 29.5.2024).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.2.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Kamerun (Stand: November 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2105298/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Kamerun,_22.02.2024.pdf, Zugriff 20.1.2025

- AI - Amnesty International (29.5.2024): Death Sentences and Executions 2023, https://www.amnesty.org/en/documents/act50/7952/2024/en/, Zugriff 28.2.2025

Minderheiten

Zusammensetzung: In Kamerun gibt es über 200 ethnische Gruppen und 250 Sprachen (SFH 18.12.2024), nach anderen Angaben sind es über 250 ethnische Gruppen mit unterschiedlichen Traditionen (AA 22.2.2024). Die größten Gruppen sind: Bamiléké-Bamu (22,2%), Biu-Mandara (16,4%), Arab-Choa/Hausa/Kanuri (13,5%), Beti/Bassa, Mbam (13,1%), Grassfields (9,9%), Adamaoua-Ubangi (9,8%), Cotier/Ngoe/Oroko (4,6%), südwestliche Bantu (4,3%) und Kako/Meka (2,3%) (CIA 16.1.2025). Gleichzeitig besteht Kamerun aus einem anglophonen und einem frankophonen Teil. Die Frankophonen machen 80% der Bevölkerung aus und dominieren in der Regierung (AA 22.2.2024), während die Anglophonen sich durch die Zentralregierung benachteiligt fühlen und nach mehr Autonomie streben (AA 12.4.2024).

Staat: Laut Verfassung ist die Regierung dazu angehalten, Minderheiten zu schützen und die Rechte der indigenen Bevölkerung zu wahren. Allerdings nennt die Verfassung keine spezifischen Gruppen, die als Minderheiten oder als indigene Bevölkerung gelten. Gesetze und Vorschriften zur Dezentralisierung und zu Wahlen schützen ebenfalls die Rechte der Minderheiten. Darin wird vorgeschrieben, dass die Kandidatenlisten die Bevölkerung der Wahlkreise widerspiegeln sollen. Zudem muss das Amt des Präsidenten eines Regionalrats oder eines Bürgermeisters von einem Einheimischen des Wahlkreises besetzt werden. Die Regierung bemüht sich, diese Bestimmungen auch durchzusetzen. Dem US-Außenministerium liegen keine verlässlichen Berichte über staatliche Gewalt oder Diskriminierung aufgrund von Rasse oder Ethnie vor (USDOS 23.4.2024).

Gesellschaft: Zwischen ethnischen Gruppen kommt es gelegentlich zu Spannungen bis hin zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, die bisher lokal begrenzt bleiben (AA 22.2.2024; vgl. USDOS 23.4.2024), aber gleichwohl zu Todesopfern und starken Fluchtbewegungen führen können, wie z.B. bei mehrfach aufflammende Auseinandersetzungen zwischen Viehzüchtern, Binnenfischern und sesshaften Bauern im Gebiet von Kousseri (Extrême-Nord) (AA 22.2.2024). Nicht immer ist klar, ob die ethnische Zugehörigkeit der Hauptgrund für Gewalt ist. Weiterhin kommt es zu Diskriminierung am Arbeitsplatz aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit (USDOS 23.4.2024).

Betroffene Ethnien: Den wirtschaftlich überdurchschnittlich erfolgreichen Bamiléké wird mit Sozialneid begegnet, der sich i.d.R. auf verbale Angriffe beschränkt (AA 22.2.2024). Gegen die Bamoun kam es im Feber 2023 durch Angehörige der Tikar zu Vandalismus; im Mai 2023 durch Angehörige der Bulu (USDOS 23.4.2024).

Die indigenen Baka [Anm.: „Pygmäen“], darunter die Bakola und Bagyeli, leben hauptsächlich in den Waldgebieten der Regionen Süd und Ost. Sie gelten als erste bekannte Bewohner dieser Gebiete. Ihre bürgerlichen oder politischen Rechte werden nicht wirksam geschützt. Holzunternehmen zerstören weiterhin ihre Waldflächen ohne Entschädigung. Andere ethnische Gruppen erachten und behandeln die Baka oftmals als minderwertig und setzen sie manchmal unfairen und ausbeuterischen Arbeitspraktiken aus (USDOS 23.4.2024). Aufgrund ihrer einfachen Lebensweise werden sie mitunter sozial ausgegrenzt, erhalten für die gleiche Arbeit häufig einen niedrigeren Lohn. Ein Grund für die Benachteiligung liegt auch darin, dass Baka oft keine Geburtsurkunden haben (AA 22.2.2024). Die Regierung bemüht sich darum, den Baka Geburtsurkunden und Personalausweise auszustellen (USDOS 23.4.2024; vgl. AA 22.2.2024).

Gemäß Angaben von NGOs kommt es mitunter auch gegen die indigenen Mbororo, nomadische Viehzüchter v.a. in den Regionen Nord, Ost, Adamaoua und Nordwest, zu Schikanen (USDOS 23.4.2024). Sie werden von den Sesshaften ausgegrenzt und zunehmend ihrer Weidegründe beraubt (AA 22.2.2024). Dabei schürt der Konflikt in der Region Nordwest die schon zuvor bestehenden Spannungen. Viele Mbororo sind Muslime und geraten mit der vorherrschenden christlichen Bevölkerung aneinander. Der Konflikt hat sich insofern verschärft, als bewaffnete Separatisten die Mbororo verdächtigen, mit der Regierung zusammenzuarbeiten. Infolgedessen haben sich einige Mbororo bewaffneten Bürgerwehren angeschlossen (USDOS 23.4.2024). Nach anderen Angaben handelt es sich hierbei um pro-Regierungsmilizen (ACLED 9.2024).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (12.4.2024): Kamerun - Politisches Porträt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/kamerun-node/innenpolitik-208914, Zugriff 28.2.2025

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.2.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Kamerun (Stand: November 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2105298/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Kamerun,_22.02.2024.pdf, Zugriff 20.1.2025

- ACLED - Armed Conflict Location Event Data Project, GI-TOC - Global Initiative against Organized Crime (9.2024): Non-State Armed Groups and Illicit Economies in West Africa: Anglophone separatists, https://www.ecoi.net/en/file/local/2114957/d4248905-7022-462d-a85a-5d2645fc5b22.pdf, Zugriff 20.1.2025

- CIA - Central Intelligence Agency [USA] (16.1.2025): The World Factbook – Cameroon, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/cameroon/, Zugriff 22.1.2025

- SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (18.12.2024): Factsheet Kamerun, https://www.fluechtlingshilfe.ch/fileadmin/user_upload/Publikationen/Factsheets/241218_KAM_Factsheet_DE_web.pdf, Zugriff 20.1.2025

- USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107637.html, Zugriff 20.1.2025

Bewegungsfreiheit

Obwohl Verfassung und Gesetze die Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes, die Freiheit von Auslandsreisen, Auswanderung und Rückkehr vorsehen, schränken Regierung und nichtstaatliche bewaffnete Gruppen diese Freiheiten zeitweise ein. Die Polizei hält Reisende häufig an, um Dokumente zu überprüfen. Unter dem Vorwand kleinerer Verstöße erpressen Polizisten, Gendarmen und Zollbeamte Bestechungsgelder und schikanieren Reisende an Straßensperren und bei Kontrollen in Städten und auf Straßen. Gewaltverbrechen, darunter Entführungen durch Terroristen, Entführungen zum Erpressen von Lösegeld, bewaffneter Raubüberfall, Körperverletzung und Autodiebstahl, stellen in den drei nördlichen Regionen sowie in Teilen der Region Ost große Hindernisse für die Bewegungsfreiheit dar (USDOS 23.4.2024).

Nordwest und Südwest: Auf allen Straßen innerhalb dieser Regionen besteht erhöhte Gefahr durch Sprengsätze, Überfälle an Straßensperren und Entführungen (AA 27.1.2025). ACLED zeigt auf einer Karte, dass es in beiden Regionen alleine in den Jahren 2017-2023 über hundert von Separatisten errichtete Checkpoints gegeben hat (ACLED 9.2024). Auch darüber hinaus kommt es zu Einschränkungen des Personen- und Güterverkehrs (UNOCHA 8.1.2025; vgl. USDOS 23.4.2024). Beispiele dafür sind etwa ein zweimonatiges Fahrverbot auf der Straße Bamenda-Bali-Mamfe in Nordwest oder aber die Ankündigung einer bewaffneten Gruppe im Oktober 2024, dass die Straße, die Ndu über Mbonso mit der Westregion verbindet, bis auf Weiteres geschlossen ist. Zudem wurde die Bewegungsfreiheit entlang der Achse Bamenda – Batibo für zwei Monate an Dienstagen und Samstagen eingeschränkt (UNOCHA 20.12.2024a).

Mit solchen Maßnahmen wird die lokale Bevölkerung manchmal gezielt schikaniert und eingeschüchtert. Separatisten verfügen häufig sogenannte „Geisterstädte“ [ghost towns], das sind angeordnete Lockdowns mit Bewegungsbeschränkungen. Dabei fordern sie, dass alle Geschäfte, Schulen und Kirchen geschlossen und die Bewohner zu Hause bleiben. Die Separatisten setzen an Montagen sowie an zahlreichen Feiertagen und Tagen mit öffentlichen Veranstaltungen eine Abriegelung der Regionen Nordwest und Südwest durch. Während der Abriegelungszeiten ist dort allen Fahrzeugen das Befahren der Straßen verboten. Die Separatisten drohen, jede Person oder Personengruppe, die gegen das Verbot verstößt, zu bestrafen (USDOS 23.4.2024).

Meldewesen, Haftbefehle, Staatsbürgerschaft: Ein Meldewesen oder ein zentrales Personenstandsregister existieren nicht. Laut Behörden ist Letzteres aber im Aufbau. Wer in Wohnungen wohnt, ist nicht registriert. Hinzu kommen in den urbanen Zentren die zahlreichen IDPs, die bei Verwandten untergekommen sind, ohne angemeldet zu sein. Angemeldet ist man bei Wasser- und Stromlieferanten, dort werden aber bei einem Umzug die Namen der Bewohner nicht angepasst. Es gibt auch kein zentrales Fahndungs- und Strafregister. Daher können Personen, die auf Veranlassung lokaler Behörden hin verfolgt werden, dem durch Umzug nach Jaunde oder in einen entfernten Landesteil entgehen. Zwar können Sicherheitsbehörden theoretisch landesweit nach Personen fahnden, dies geschieht aber i.d.R. nicht (AA 22.2.2024).

Die Staatsangehörigkeit wird in erster Linie nach dem Prinzip des ius sanguinis verliehen, d.h. durch Abstammung von Eltern mit kamerunischer Staatsangehörigkeit (GPC 24.10.2024). Mindestens ein Elternteil muss kamerunischer Staatsbürger sein, damit ein Kind die Staatsbürgerschaft erhält. Doppelstaatsbürgerschaft wird nicht anerkannt (CIA 16.1.2025). Dabei gilt eine Geburtsurkunde als Beweis der Abstammung von kamerunischen Eltern (AA 22.2.2024).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (27.1.2025): Kamerun: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/kamerun-node/kamerunsicherheit-208874?isLocal=false isPreview=false, Zugriff 28.2.2025

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.2.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Kamerun (Stand: November 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2105298/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Kamerun,_22.02.2024.pdf, Zugriff 20.1.2025

- ACLED - Armed Conflict Location Event Data Project, GI-TOC - Global Initiative against Organized Crime (9.2024): Non-State Armed Groups and Illicit Economies in West Africa: Anglophone separatists, https://www.ecoi.net/en/file/local/2114957/d4248905-7022-462d-a85a-5d2645fc5b22.pdf, Zugriff 20.1.2025

- CIA - Central Intelligence Agency [USA] (16.1.2025): The World Factbook – Cameroon, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/cameroon/, Zugriff 22.1.2025

- GPC - Global Protection Cluster (24.10.2024): Protection Response to Civil Documentation and Birth Registration needs in NWSW Cameroon (Jan – Sept 2024), https://globalprotectioncluster.org/sites/default/files/2024-10/civil_documentation_factsheet_final.pdf, Zugriff 20.1.2025

- UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (8.1.2025): North-West and South-West - Situation Report No. 71 (November 2024), https://reliefweb.int/attachments/79d20a59-f3b0-455b-9f01-e115a6f71bed/SITREP_NWSW_November%202024_Final.pdf, Zugriff 20.1.2025

- UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (20.12.2024a): North-West and South-West - Situation Report No. 70 (October 2024), https://reliefweb.int/attachments/0043eb66-dc08-42fa-9394-5cd5a00f6f10/OCHA%20Cameroon%20SITREP%2370%20NWSW%20Oct%202024.pdf, Zugriff 20.1.2025

- USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107637.html, Zugriff 20.1.2025

Grundversorgung und Wirtschaft

Kamerun war 2024 von folgenden Krisen maßgeblich betroffen: Den bewaffneten Konflikten in den Regionen Extrême-Nord sowie Nordwest und Südwest, von Überschwemmungen in Extrême-Nord und vom Eintreffen von Flüchtlingen aus der Zentralafrikanischen Republik in den Regionen Adamaoua, Ost und Nord (WFP 24.12.2024).

Die Landwirtschaft trug im Jahr 2023 17,3% zum BIP bei, die Industrie 25,5% und der Dienstleistungssektor 50,2%. Die Inflation lag 2023 bei 7,4%, im Jahr 2022 bei 6,3%. Die Gesamtarbeitslosigkeit betrug im Jahr 2023 geschätzte 3,65%, die Jugendarbeitslosigkeit 6,4% (CIA 16.1.2025). Fast 90% der Bevölkerung sind im informellen Sektor beschäftigt (BS 19.3.2024).

Die Wirtschaft hat unter der COVID-19-Pandemie und den dadurch entstandenen Handelseinschränkungen gelitten. Hinzu kommen die Auswirkungen aus dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, die sich in deutlich gestiegenen Lebensmittelpreisen niederschlagen. Die Regierung subventioniert u.a. Brot und Energieträger, was den öffentlichen Haushalt erheblich belastet (AA 22.2.2024). Trotz des Wirtschaftswachstums in einigen Regionen nimmt die Armut zu und ist vor allem in ländlichen Gebieten verbreitet. Diese leiden besonders an einem Mangel an Arbeitsplätzen, sinkenden Einkommen, schlechter Schul- und Gesundheitsinfrastruktur sowie einem Mangel an sauberem Wasser und sanitären Einrichtungen. Fehlende Investitionen in soziale Sicherheitsnetze und ineffektives öffentliches Finanzmanagement tragen ebenfalls zur hohen Armutsrate im Land bei (CIA 16.1.2025).

Eine verbesserte Trinkwasserversorgung können in städtischen Gebieten mehr als 95% der Bevölkerung in Anspruch nehmen, in ländlichen Gebieten nur ca. 56%. Auch beim Zugang zu Strom gibt es Unterschiede: In städtischen Gebieten haben 94% Zugang, auf dem Lande sind es hingegen nur 25% (CIA 16.1.2025). Nach anderen Angaben haben 60% der Bevölkerung Zugang zu sauberem Trinkwasser, 39% Zugang zu einfachsten sanitären Anlagen (AA 22.2.2024). Nach wieder anderen Angaben hatten im Jahr 2020 44,6% der Bevölkerung Zugang zu sanitären Einrichtungen, 65,7% zu Trinkwasser und 64,7% zu Elektrizität (BS 19.3.2024).

Nahrung, Armut: Laut einer Quelle ist die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln grundsätzlich durch eigene landwirtschaftliche Produktion und Lebensmittelimporte gesichert (AA 22.2.2024). Nach anderen Angaben geben Haushalte ca. 45,2% des Einkommens für Nahrungsmittel aus (CIA 16.1.2025). Steigende Preise bei Lebensmitteln und Energieträgern lassen viele Haushalte in Armut abrutschen; die Zahl der Personen, die auf humanitäre Hilfe angewiesen sind, steigt deutlich (AA 22.2.2024). Aufgrund der Zerstörungen in den ländlichen Gebieten der Regionen Nordwest und Südwest sah sich ein Teil der Zivilbevölkerung gezwungen, in städtische Gebiete zu ziehen. Dies hat dort zu einem Bevölkerungswachstum geführt, wodurch die Lebensmittelpreise und Mieten gestiegen sind (GPC 30.10.2024).

Im Zeitraum Juli-August 2024 waren 2,5 Millionen Menschen von Ernährungsunsicherheit betroffen. Insgesamt waren im Jahr 2024 3,4 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen (WFP 24.12.2024). Die FAO hat in einer Studie im Oktober 2024 festgestellt, dass Ernährungsunsicherheit weiterhin ein Problem darstellt und große Teile der Bevölkerung davon – in unterschiedlichem Ausmaß – betroffen sind. 45% der Haushalte waren zu diesem Zeitpunkt moderat von Ernährungsunsicherheit betroffen, 17% Prozent schwer. Dabei gab es auch regionale Unterschiede: Die Regionen Nordwest (81%), Südwest (74%), Extrême-Nord (70%), Ost (64%) und Nord (61%) wiesen ein alarmierendes Ausmaß an moderater oder schwerer Ernährungsunsicherheit auf (FAO 31.10.2024). Mehrere Quellen bestätigen, dass insbesondere die Konfliktregionen Nordwest, Südwest und Extrême-Nord von Ernährungsunsicherheit betroffen sind (CIA 16.1.2025; vgl. SFH 18.12.2024). Auch die IPC-Prognosen für 2025 zeigen dies:

(FEWS 2.11.2024)

Hilfe: Wer in soziale Not gerät, kann in Kamerun nicht mit staatlicher Unterstützung rechnen (AA 22.2.2024). Die öffentliche Sozialversicherung (Caisse Nationale de Prévoyance Sociale, CNPS) deckt nur den kleinen formellen Sektor ab und ist zudem überlastet und wird schlecht verwaltet. Notlagen werden i.d.R. von funktionierenden, informellen sozialen Netzen aufgefangen, wie etwa der (Groß-)Familie, anderen Solidaritätsnetzwerken oder religiösen Institutionen (BS 19.3.2024). In ganz Kamerun gibt es karitative Einrichtungen, insbesondere Missionsstationen, die in besonderen Notlagen helfen. Eine längere Abwesenheit kann soziale Netze gefährden (AA 22.2.2024).

Im Oktober 2024 wurden vom WFP mehr als 262.000 Menschen mit Nahrungsmittel- oder Geldhilfe unterstützt, darunter mehr als 117.000 IDPs und Opfer der Überschwemmungen in Extrême-Nord (WFP 24.12.2024). Im November 2024 wurden in allen Bezirken der Regionen Nordwest und Südwest insgesamt 188.000 vulnerable Menschen versorgt (UNOCHA 8.1.2025). Im Dezember 2024 unterstützte das WFP 320.810 IDPs, Flüchtlinge und gefährdete einheimische Menschen mit Nahrungsmittelhilfe und Wertgutscheinen. Dazu gehören 131.000 Menschen, denen im Rahmen der Hochwasserhilfe geholfen wurde. Zudem hat das WFP in diesem Monat von den Überschwemmungen in Extrême-Nord betroffene Personen unterstützt (WFP 25.2.2025). Der laufenden Mission der Vereinten Nationen mangelt es insgesamt aber an Finanzierung (UNOCHA 8.1.2025; vgl. UNOCHA 11.2.2025a). Zudem kommt es in den Regionen Nordwest und Südwest zu Verkehrsbeschränkungen und Straßensperren. Dies schränkt den Zugang für humanitäre Hilfe erheblich ein und beeinträchtigt die rechtzeitige Bereitstellung von Hilfe (UNOCHA 8.1.2025).

Überschwemmungen: Beginnend mit August 2024 wurden Teile des Landes von schweren Überschwemmungen heimgesucht. Besonders betroffen war die Region Extrême-Nord (IFRC 10.12.2024). In den Bezirken Mayo Danay und Logone-et-Chari haben sie erhebliche Schäden verursacht. Bis Ende Oktober waren rund 459.000 Menschen (65.945 Haushalte) von sintflutartigen Regenfällen und über die Ufer tretenden Flüssen betroffen, fast 56.000 Häuser wurden zerstört, Zehntausende Hektar Ackerland überflutet. Tausende Tiere wurden getötet (UNOCHA 20.12.2024b; vgl. IFRC 10.12.2024, SFH 18.12.2024, WFP 24.12.2024). Auch der Gesundheitssektor ist stark betroffen, weil Gesundheitszentren beschädigt oder unzugänglich gemacht wurden (IFRC 10.12.2024).

Im November, als es keine starken Regenfälle mehr gab, waren 448.000 Menschen in der Region weiterhin von Überschwemmungen betroffen, weil eben Häuser, Infrastruktur und landwirtschaftliche Flächen erheblich beschädigt worden sind. Dies hat zu Fluchtbewegungen, Nahrungsmittelknappheit und erhöhten Gesundheitsrisiken für gefährdete Bevölkerungsgruppen geführt (UNFPA 23.12.2024). Mit dem Ende der Regenzeit war eine allmähliche Normalisierung der Lage zu beobachten (UNOCHA 20.12.2024b).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.2.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Kamerun (Stand: November 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2105298/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Kamerun,_22.02.2024.pdf, Zugriff 20.1.2025

- BS - Bertelsmann Stiftung (19.3.2024): BTI 2024 Country Report Cameroon, https://www.ecoi.net/en/file/local/2105824/country_report_2024_CMR.pdf, Zugriff 20.1.2025

- CIA - Central Intelligence Agency [USA] (16.1.2025): The World Factbook – Cameroon, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/cameroon/, Zugriff 22.1.2025

- FAO - Food and Agriculture Organization of the United Nations (31.10.2024): Cameroon: Data in Emergencies Monitoring (DIEM-Monitoring) brief - round 6 - Results and recommendations, https://reliefweb.int/attachments/46c7a0e6-8377-4979-9399-4dc3ba285fa0/cd3763en.pdf, Zugriff 20.1.2025

- FEWS NET - Famine Early Warning System Network (2.11.2024): Cameroon - Food Security Outlook: October harvests bring temporary relief to conflict-affected households, October 2024 - May 2025, https://reliefweb.int/attachments/0be68872-f204-47ec-8c45-10831f0118df/cm-fso-2024-10-1730587635.pdf, Zugriff 20.1.2025

- GPC - Global Protection Cluster (30.10.2024): Protection Monitoring Update; July - September 2024, https://globalprotectioncluster.org/sites/default/files/2024-10/pm_quarterly_update_jul-sept.pdf, Zugriff 20.1.2025

- IFRC - International Federation of Red Cross and Red Crescent Societies (10.12.2024): Floods 2024 Emergency Appeal, Operational Strategy: MDRCM039, https://reliefweb.int/attachments/52ebe1b4-695f-4f01-8179-9d82cc3e1cb1/MDRCM039%20OS%20%281%29.pdf, Zugriff 20.1.2025

- SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (18.12.2024): Factsheet Kamerun, https://www.fluechtlingshilfe.ch/fileadmin/user_upload/Publikationen/Factsheets/241218_KAM_Factsheet_DE_web.pdf, Zugriff 20.1.2025

- UNFPA - United Nations Population Fund (23.12.2024): Cameroon Situation Report #26 - December 2024: The humanitarian crisis remains a critical concern, https://reliefweb.int/attachments/59f4abe2-c661-423f-ab47-be0899f143d0/UNFPA%20Cameroon%20SitRep%20%2326%20-%20November%202024.pdf, Zugriff 20.1.2025

- UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (11.2.2025a): Extrême-Nord, Rapport de situation No.51 - decembre 2024, https://reliefweb.int/attachments/9f547f3e-ebf2-48d9-abf4-af0ff0961893/OCHA_SITREP_Extr%C3%Aame%20Nord_D%C3%A9cembre%202024-FV.pdf.pdf, Zugriff 6.3.2025

- UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (8.1.2025): North-West and South-West - Situation Report No. 71 (November 2024), https://reliefweb.int/attachments/79d20a59-f3b0-455b-9f01-e115a6f71bed/SITREP_NWSW_November%202024_Final.pdf, Zugriff 20.1.2025

- UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (20.12.2024b): Extrême-Nord, Rapport de situation No.49 - octobre 2024, https://reliefweb.int/attachments/e2f55030-5447-42e2-b748-e16dd72776d9/OCHA%20Cameroon%20Extr%C3%Aame%20Nord%20SitRep%2349%20Oct%202024.pdf, Zugriff 20.1.2025

- WFP - World Food Programme (25.2.2025): WFP Cameroon Country Brief, December 2024, https://reliefweb.int/attachments/4e4588be-6da9-402d-b191-e3d2fb370eb1/WFP_Cameroon_CountryBrief_Dec2024.pdf, Zugriff 6.3.2025

- WFP - World Food Programme (24.12.2024): WFP Cameroon Country Brief, October 2024, https://reliefweb.int/attachments/3cdd905d-7834-4610-a2e0-6c9a39af2668/WFP_Cameroon_CountryBrief_Oct2024.pdf, Zugriff 20.1.2025

Medizinische Versorgung

Aufgrund der hohen Verbreitung von HIV und AIDS und einer seit 1990 hohen Müttersterblichkeitsrate ist die Lebenserwartung mit etwa 55 Jahren weiterhin niedrig, wobei sie derzeit bei der Geburt bei 64,2 Jahren liegt (CIA 16.1.2025). Nach anderen Angaben beträgt sie für Männer rund 60 Jahre, für Frauen 63 Jahre (AA 22.2.2024). Im Jahr 2017 gab die WHO die Müttersterblichkeit bei Geburten mit einer Rate von 529/100.000 an. Mit ein Grund dafür sind auch Armut und Sicherheitskrisen sowie die großen Entfernungen, welche Schwangere in ländlichen Gebieten bis zur nächsten medizinischen Einrichtung zurücklegen müssen (USDOS 23.4.2024).

Verfügbarkeit und Qualität: Die medizinische Versorgung ist in Jaunde und Duala besser, als im Landesinneren (AA 27.1.2025), entspricht aber bei weitem nicht dem europäischen Standard (AA 27.1.2025; vgl. BMEIA 18.2.2025). Insgesamt ist das Gesundheitssystem in Kamerun unterfinanziert (AA 22.2.2024). Das Land gibt nur 5% des BIP für sein Gesundheitssystem aus (BS 19.3.2024). Das Gesundheitspersonal im öffentlichen Dienst erhält oftmals über Monate kein Gehalt, wobei Ärztegehälter deutlich unter jenem in Europa liegen (AA 22.2.2024).

Auf dem Land ist die Situation prekär. Dorfbewohner müssen häufig mehrere Kilometer auf unbefestigten Straßen zurücklegen, um zu einer einfachen Krankenstation zu gelangen, die oftmals von kirchlichen Einrichtungen oder internationalen NGOs betrieben werden. Nur die Behandlung einfacher Verletzungen oder Krankheiten ist dort möglich. Schwer erkrankte oder verletzte Personen müssen in die Städte transportiert werden. Krankenwagen sind kaum vorhanden. In den Städten gibt es hingegen Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen, in denen überlebensnotwendige Maßnahmen durchgeführt werden können, allerdings auf einfachem Niveau und für die hohe Zahl an Einwohnern nicht ausreichend (AA 22.2.2024). Mit Stand 2019 kamen im Land nur 0,13 Ärzte und 1,3 Krankenhausbetten auf 1.000 Einwohner (CIA 16.1.2025). Die Behandlung chronischer Krankheiten, insbesondere in den Bereichen Innere Medizin und Psychiatrie, wird in den öffentlichen Krankenhäusern der größeren Städte vorgenommen (AA 22.2.2024). In den Regionen Nordwest, Südwest (UNOCHA 8.1.2025) und Extrême-Nord kommen seitens der Vereinten Nationen auch mobile Kliniken zum Einsatz (UNFPA 23.12.2024). Für HIV-Infizierte gibt es seit 1997 ein von ausländischen Gebern unterstütztes kostenloses Programm. Für komplexere Behandlungen und Chirurgie reisen diejenigen, die es sich leisten können, ins Ausland (AA 22.2.2024).

Immer wieder kommt es durch Angehörige der Sicherheitskräfte und bewaffnete Separatisten zu Gewalt gegen Gesundheitspersonal und Gesundheitseinrichtungen (USDOS 23.4.2024). In den Regionen Nordwest und Südwest sind Krankenhäuser mitunter absichtlich zerstört worden (GPC 30.10.2024), viele Gesundheitseinrichtungen mussten schließen (SFH 18.12.2024).

Kosten, Medikamente: Gesundheitsversorgung ist in Kamerun kostenpflichtig (AA 22.2.2024; vgl. BS 19.3.2024). Bei Aufnahme in ein Krankenhaus wird ausnahmslos Barzahlung im Voraus verlangt (BMEIA 18.2.2025; vgl. AA 27.1.2025). Der Zugang zu Gesundheitsleistungen ist für die meisten Menschen unerschwinglich, insbesondere für jene ohne Versicherung (BS 19.3.2024). Für bestimmte Berufsgruppen (z.B. Militär) gibt es staatliche oder halbstaatliche Versorgungseinrichtungen mit geringem Kostenbeitrag. Der Abschluss einer privaten Krankenversicherung ist möglich, aber nicht verbreitet. Generell übernimmt die Familie medizinische Behandlungskosten (AA 22.2.2024).

In den größeren Städten gibt es ausreichend Apotheken, die im Regelfall alle wichtigen Medikamente meist aus französischer Produktion führen (AA 27.1.2025). Generika stammen aus Indien, Nigeria, aus dem arabischen Raum und China; grundsätzlich wird hierdurch ein weites Spektrum abgedeckt (AA 22.2.2024). In Krankenhäusern kommt es immer wieder zu Engpässen bei der Versorgung mit Medikamenten, Verbands- und medizinischen Verbrauchsmaterialien, die generell vom Patienten selbst beschafft werden müssen (AA 27.1.2025).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (27.1.2025): Kamerun: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/kamerun-node/kamerunsicherheit-208874?isLocal=false isPreview=false, Zugriff 28.2.2025

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.2.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Kamerun (Stand: November 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2105298/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Kamerun,_22.02.2024.pdf, Zugriff 20.1.2025

- BS - Bertelsmann Stiftung (19.3.2024): BTI 2024 Country Report Cameroon, https://www.ecoi.net/en/file/local/2105824/country_report_2024_CMR.pdf, Zugriff 20.1.2025

- BMEIA - Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten (18.2.2025): Reiseinformation – Kamerun, https://www.bmeia.gv.at/reise-services/reiseinformation/land/kamerun, Zugriff 28.2.2025

- CIA - Central Intelligence Agency [USA] (16.1.2025): The World Factbook – Cameroon, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/cameroon/, Zugriff 22.1.2025

- GPC - Global Protection Cluster (30.10.2024): Protection Monitoring Update; July - September 2024, https://globalprotectioncluster.org/sites/default/files/2024-10/pm_quarterly_update_jul-sept.pdf, Zugriff 20.1.2025

- SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (18.12.2024): Factsheet Kamerun, https://www.fluechtlingshilfe.ch/fileadmin/user_upload/Publikationen/Factsheets/241218_KAM_Factsheet_DE_web.pdf, Zugriff 20.1.2025

- UNFPA - United Nations Population Fund (23.12.2024): Cameroon Situation Report #26 - December 2024: The humanitarian crisis remains a critical concern, https://reliefweb.int/attachments/59f4abe2-c661-423f-ab47-be0899f143d0/UNFPA%20Cameroon%20SitRep%20%2326%20-%20November%202024.pdf, Zugriff 20.1.2025

- UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (8.1.2025): North-West and South-West - Situation Report No. 71 (November 2024), https://reliefweb.int/attachments/79d20a59-f3b0-455b-9f01-e115a6f71bed/SITREP_NWSW_November%202024_Final.pdf, Zugriff 20.1.2025

- USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107637.html, Zugriff 20.1.2025

Rückkehr

Es sind keine Fälle bekannt, in denen kamerunische Staatsangehörige nach ihrer Rückkehr festgenommen oder misshandelt worden sind oder in denen eine politische Betätigung im Ausland zu einer Strafverfolgung in Kamerun geführt hätte. Eine staatliche Verfolgung allein wegen der Stellung eines Asylantrags im Ausland erfolgt nicht (AA 22.2.2024)

Die Einreise nach Kamerun ohne Pass ist für kamerunische Staatsangehörige unproblematisch, wenn ein von der kamerunischen Botschaft ausgestelltes laissez-passer vorliegt; andernfalls wird die Einreise i.d.R. nicht gestattet (AA 22.2.2024).

Rückkehrer können durch gemeinsame Projekte der EU und von IOM unterstützt werden. IOM hat mit Unterstützung der EU 2021 ein Aufnahmeheim für freiwillig zurückkehrende Familien eröffnet, das als erste Anlaufstelle genutzt werden kann und die Familien bei der Suche nach permanenter Unterkunft und Reintegration unterstützt (AA 22.2.2024). Für kamerunische Staatsbürger, die aus Österreich zurückkehren wollen, gibt es entsprechende Unterstützungsangebote (BBU 2025).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.2.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Kamerun (Stand: November 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2105298/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Kamerun,_22.02.2024.pdf, Zugriff 20.1.2025

- BBU - Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (2025): Return from Austria – Kamerun, https://www.returnfromaustria.at/kamerun/kamerun_deutsch.html, Zugriff 6.3.2025

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz.

Ergänzend wurden Auszüge aus dem zentralen Melderegister, dem Strafregister, dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung und der Sozialversicherungsdatenbank eingeholt. Am 01.10.2025 fand überdies vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt, in welcher die Rechtssache erörtert wurde und sowohl Samuel A. wie auch Emmanuel E. als Zeugen befragt wurden.

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Angaben zu seiner Person ergeben sich aus seinen Angaben im Verfahren (nach Klarstellung seiner Identität im Rahmen der Einvernahme am 28.01.2025) und im Beschwerdeschriftsatz.

Die Einreise des Beschwerdeführers in Lissabon und das Visum ergeben sich aus der im Akt einliegenden Passkopie (AS 35); dessen Übermittlung an das BFA durch einen unbekannten Absender aus der ebenfalls im Akt einliegenden E-Mail (AS 34). Dass der Beschwerdeführer von Samuel A. in München abgeholt wurde, gaben beide in der mündlichen Verhandlung an.

Dass der Beschwerdeführer in Österreich im Reifenhandel des Samuel A. tätig war, ergibt sich aus seinen Angaben, die diesbezüglich glaubhafter erscheinen als jene des Samuel A. (siehe dazu Punkt 2.2.2.). Dass der Beschwerdeführer über keine entsprechende Arbeitsbewilligung verfügte, ergibt sich aus dem Umstand, dass kein entsprechender AMS-Bescheid vorgelegt wurde; dass er nicht als Dienstnehmer sozialversichert war, ergibt sich aus einem Auszug aus dem AJ-Web. Dass es zum Konflikt zwischen dem Beschwerdeführer und Samuel A. kam, nachdem dieser aus gesundheitlichen Gründen seine Tätigkeit für Samuel A. eingestellt hatte, ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers vor dem BFA am 28.01.2025 und in der mündlichen Verhandlung am 01.10.2025. Dieser Konflikt wurde im Wesentlichen auch von Samuel A. bestätigt.

Dass der Beschwerdeführer auch in der Zeitungszustellung tätig war, wurde sowohl von Samuel A. wie auch vom Beschwerdeführer angegeben, strittig war nur die Frage der Bezahlung (siehe dazu Punkt 2.2.2.).

Die Erkrankung an einer Varikozele ergibt sich aus den im Akt einliegenden Ambulanzberichten des XXXX Universitätsklinikums vom 19.03.2024 und vom 17.06.2024.

Dass die Geschwister des Beschwerdeführers in Deutschland und Italien leben, ergibt sich aus den Aussagen von Samuel A. in der Beschuldigtenvernehmung am 11.02.2025 (siehe dazu das im Akt einliegende Protokoll zu XXXX ).

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ist durch eine Abfrage im Strafregister der Republik belegt.

2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

2.2.1. In der Erstbefragung am 02.01.2024 hatte der Beschwerdeführer eine gefälschte Geburtsurkunde in Kopie vorgelegt, eine falsche Identität ( XXXX ) genannt und behauptet, dass er aufgrund seiner Mitgliedschaft in der anglophonen Unabhängigkeitsbewegung in Kamerun von der Polizei gesucht werde. In der niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA am 28.01.2025 blieb er zunächst bei diesen Angaben. Er wiederholte die falschen Identitätsangaben und erklärte wiederum wahrheitswidrig, dass er aufgrund seiner Mitgliedschaft im SCNC (Southern Cameroons National Council, eine Organisation, die die Unabhängigkeit des anglophonen Südkameruns anstrebt) in Kamerun verfolgt werde. Erst als der Beschwerdeführer mit der anonym an das BFA übermittelten Reisepasskopie konfrontiert wurde, gab er an, dass das ganze Vorbringen rund um die politische Verfolgung nicht der Wahrheit entsprechen würde. Danach befragt bestätigte er in der mündlichen Verhandlung, dass sein entsprechendes Vorbringen konstruiert war. Eine Verfolgung aus politischen Gründen, etwa wegen einer Mitgliedschaft im SCNC, liegt daher gegenständlich nicht vor.

2.2.2. In der Einvernahme am 28.01.2025 erklärte der Beschwerdeführer schließlich, dass er für Samuel A. bereits in Kamerun tätig gewesen sei, dieser dann seine Reise nach Österreich organisiert habe, wo der Beschwerdeführer dann im Reifenhandel gegen geringe und unregelmäßige Bezahlung tätig gewesen sei. Dies wurde von Samuel A. in der Verhandlung bestritten; dieser gab vielmehr an, dass der Beschwerdeführer weder in Kamerun noch in Österreich in seinem Reifenhandel gearbeitet habe und er ihn vielmehr dabei unterstützen wollte, in Portugal zu studieren. Er habe den Beschwerdeführer Ende 2023 in München im Glauben abgeholt, dass dieser den Weihnachtsurlaub bei ihm verbringen wollte und sei er dagegen gewesen, dass der Beschwerdeführer in Österreich verblieb und hier einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Das erkennende Gericht geht davon aus, dass diesbezüglich den Ausführungen des Beschwerdeführers zu folgen ist, da sich Samuel A. in Widersprüche verwickelte. Er hatte sowohl vor der LPD XXXX wie auch in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht erklärt, dass der Beschwerdeführer auch in Kamerun nie für ihn gearbeitet habe. Der Beschwerdeführer legte aber in der Verhandlung Fotos vor, die ihn in einem Reifenhandel zeigen. Samuel A. behauptete daraufhin, dass der Beschwerdeführer seinen Vater nach Abuja gebracht habe, wo er sich mit Samuel A. auf einem Reifenmarkt getroffen habe. Allerdings hat ein auf dem Foto zu erkennendes Auto ein kamerunisches Kennzeichen und zeigen die Fotos den Beschwerdeführer bei Tätigkeiten mit den Reifen, so dass durchaus davon auszugehen ist, dass bereits in Kamerun eine berufliche Beziehung bestand.

Samuel A. widersprach sich auch bezüglich der Einreise des Beschwerdeführers nach Europa: vor der LPD meinte er, dass der Beschwerdeführer ihn im November 2023 darüber informiert habe, dass er ein Visum für Studierende in Portugal erhalten habe und in Lissabon studieren werde. Am 19.02.2025 erklärte er in der Einvernahme durch die LPD XXXX , dass der Beschwerdeführer die Reise selbst organisiert und seine in Deutschland lebenden Brüder dafür bezahlt hätten. Dagegen sagte er in der Verhandlung, dass er und seine Familie auch einen Beitrag für die Reise nach Europa geleistet hätten und er den Beschwerdeführer auch bei der Organisation des Visums unterstützt habe. Zudem hatte sich Samuel A. vom Beschwerdeführer eine Kopie des Visums per WhatsApp schicken lassen, wofür es auch keine Begründung gibt, wenn Samuel A. nicht mehr als ein Freund der Familie war.

Auch ist es wenig plausibel, dass Samuel A. dem Beschwerdeführer für die Weihnachtsferien gleich eine mehrwöchige Unterkunft in Österreich anbietet, obwohl der Beschwerdeführer erst drei Tage zuvor an seinem angeblichen Studienort Lissabon angekommen war.

Die vom Beschwerdeführer behauptete Tätigkeit für Samuel A. in dessen österreichischen Reifenhandel wurde von Samuel A. verneint. Vor der LPD XXXX sprach er am 11.02.2025 davon, dass der Beschwerdeführer nie für ihn gearbeitet habe, dass ihm aber langweilig gewesen sei und er deswegen ein paar Mal mitgefahren sei. In der Verhandlung meinte er dann, dass der Beschwerdeführer lernen wollte, wie ein Reifenhandel ablaufe und etwa drei- bis sechsmal bei ihm gewesen sei. Dass erscheint in dieser Form nicht plausibel, zumal die Tätigkeit des Beschwerdeführers im Reifenhandel von Samuel A. auch durch die Zeugenaussage des Emmanuel T vor der LPD XXXX am 27.02.2025 und in der Verhandlung am 01.10.2025 bestätigt wurde. Emmanuel T. spielte in der Verhandlung auch eine Sprachnachricht von Samuel A. an ihn vom Juli 2024 vor, in welcher Samuel A. zusammengefasst erklärte, dass er den Beschwerdeführer nach Europa gebracht habe und daher über ihn bestimmen könne und die Sache Emmanuel T. nichts angehe.

Das Gericht geht daher zusammengefasst davon aus, dass Samuel A. die Reise des Beschwerdeführers nach Österreich arrangiert hatte und ihn als Hilfskraft ohne angemessene Entlohnung in seinem Reifenhandel arbeiten ließ.

Soweit der Beschwerdeführer in der Verhandlung angab, für seine Tätigkeit in der Zeitungszustellung kein Entgelt erhalten zu haben, ist dies allerdings nicht glaubhaft. Samuel A. schilderte sowohl in der Einvernahme durch die LPD XXXX am 19.02.2025 wie auch in der Verhandlung am 01.10.2025 plausibel, dass er einen Vertrag mit dem XXXX Zustellservice hatte und die Rechnung stellte. Der Beschwerdeführer habe die Tätigkeit einige Monate im ersten Halbjahr 2024 für ihn ausgeführt und habe er ihm dann monatlich etwa 600 Euro bar ausbezahlt. Dies erscheint insbesondere glaubhaft, weil Samuel A. am 09.07.2024 dem Beschwerdeführer per WhatsApp eine Überweisung des XXXX Zustellservice in Höhe von 577,88 Euro für Juni 2024 übermittelte. Der Beschwerdeführer versuchte in der Verhandlung zwar zu erklären, dass Samuel A. ihn über den Geldeingang informieren wollte, er selbst aber davon nichts bekommen habe, doch erscheint dies nicht plausibel. Anzunehmen ist vielmehr, dass der Beschwerdeführer für die Tätigkeit als Zeitungszusteller ein Entgelt bekam und Samuel A. ihn mit dieser Nachricht über den entsprechenden Eingang des Geldes informierte – diese Nachricht würde keinen Sinn ergeben, wenn der Beschwerdeführer kein Geld bekommen hätte. In der (mit der Stellungnahme vom 22.10.2025 übermittelten) Klage des Beschwerdeführers gegen Samuel A. auf Zahlung der Gutschriften der XXXX Zustellservice GmbH (Klage an das BG XXXX vom 15.10.2025, XXXX ) ist dann plötzlich die Rede davon, dass der Beschwerdeführer den Betrag für den Monat Juni erhalten habe, nicht aber für die Monate März, April und Mai 2024. Dies steht aber in klarem Widerspruch dazu, dass der Beschwerdeführer in der Verhandlung – mit der Überweisung für Juni 2024 konfrontiert – erklärt hatte, er habe nichts bekommen. Zusammengefasst ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer ein Entgelt für das Austragen der Zeitung erhalten hat.

2.2.3. Der Beschwerdeführer behauptete zudem in der Einvernahme am 28.01.2025 und in der mündlichen Verhandlung am 01.10.2025, dass Samuel A. seinen Reisepass und seine Identitätskarte in Besitz habe und diese nicht herausgebe. Der Umstand, dass im September 2024 – und damit kurz nach dem Konflikt zwischen dem Beschwerdeführer und Samuel A. - anonym Kopien dieser Dokumente an das BFA geschickt wurden, stützt dieses Vorbringen, auch wenn Samuel A. in der Verhandlung bestritt, Dokumente des Beschwerdeführers zu besitzen. Diesbezüglich wurde vom Beschwerdeführer Klage gegen Samuel A. auf Herausgabe des kamerunischen Reisepasses und der ID-Karte eingebracht (Klage an das BG XXXX vom 15.10.2025, XXXX ). Letztlich ist dies für die Frage einer etwaigen Verfolgung in Kamerun aber nicht relevant. Soweit in der Stellungnahme vom 22.10.2025 behauptet wird, dass der Beschwerdeführer „in Österreich gestrandet sei“, ohne seine Identität nachzuweisen, ist dem entgegenzuhalten, dass sich der Beschwerdeführer mit der Kopie seines Reisepasses an die kamerunische Botschaft in Wien wenden könnte.

2.2.4. Auch die Behauptung des Beschwerdeführers, dass Samuel A. ihn aufgefordert habe, einen Antrag auf internationalen Schutz unter Angabe eines falschen Namens zu stellen, ist gegenständlich nicht entscheidungsrelevant. Diesbezüglich ist hervorzuheben, dass der Beschwerdeführer auch noch im Jänner 2025, als er bereits ein halbes Jahr keinen Kontakt mehr zu Samuel A. hatte, bei diesen falschen Angaben geblieben war. Im Fall des Beschwerdeführers kann auch nicht von einer erhöhten Vulnerabilität ausgegangen werden, ist er doch in die kamerunische Community durchaus eingebunden, hat Geschwister in Deutschland und Italien und wohnte er zu diesem Zeitpunkt bereits seit über einem Jahr bei einem Freund.

2.2.4. Die belangte Behörde hatte am 29.01.2025 wegen des Verdachts des Menschenhandels bzw. der Schlepperei die Sicherheitsbehörden informiert und um Erhebungen ersucht. Es wurde ein Strafverfahren gegen Samuel A. wegen des Verdachts auf Urkundenunterdrückung eingeleitet und der Beschwerdeführer am 30.01.2025 von der LPD XXXX einvernommen, ebenso auch Samuel A. am 11.02.2025 (siehe dazu die im Akt einliegenden Protokolle zu XXXX ). Am 09.03.2025 wurde ein Abschlussbericht an die Staatsanwaltschaft XXXX übermittelt (siehe im Akt einliegender Abschlussbericht zu XXXX ). Ebenso wurde ein Verfahren gegen Samuel A. wegen des Verdachts auf Menschenhandel eingeleitet und der Beschwerdeführer am 07.02.2025 von der LPD XXXX einvernommen, ebenso auch Samuel A. am 19.02.2025 und Emmanuel T. am 27.02.2025 (siehe dazu die im Akt einliegenden Protokolle zu XXXX ).

Das Ermittlungsverfahren gegen Samuel A. wurde von der Staatsanwaltschaft XXXX zu XXXX am 18.03.2025 eingestellt, teilweise aus rechtlichen Gründen (Nichtvorliegen des objektiven Tatbestandes betreffend Menschenhandel und Nötigung), teilweise aus Beweisgründen (mangels Nachweisbarkeit strafbaren Handelns betreffend Urkundendelikte) (siehe dazu die im Akt einliegende Benachrichtigung der Staatsanwaltschaft).

Dass der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers plant, erneut eine Strafanzeige wegen des Verdachts des Menschenhandels gegen Samuel A. einzubringen, ergibt sich aus der Stellungnahme vom 22.10.2025. Die Einbringung einer Klage beim BG XXXX ergibt sich aus der mit der Stellungnahme vorgelegten Klage.

2.2.5. Der Beschwerdeführer brachte in der Einvernahme am 28.01.2025, in der Einvernahme durch die LPD XXXX am 30.01.2025 und in der mündlichen Verhandlung am 01.10.2025 vor, dass Samuel A. im Zuge des Konflikts im Juli 2024 gemeint habe, der Beschwerdeführer solle freiwillig nach Kamerun zurückkehren, wobei er ihm auch das Flugticket bezahlen würde. Ansonsten würde er dafür sorgen, dass die österreichischen Behörden den Beschwerdeführer abschieben würden. Auch Emmanuel E. bestätigte diese Aussage von Samuel A. in der mündlichen Verhandlung und meinte, dass Samuel A. zornig auf den Beschwerdeführer gewesen sei und ihn nicht mehr täglich sehen wollte; er wollte nichts mehr mit dem Beschwerdeführer zu tun habe und wollte deswegen, dass der Beschwerdeführer nach Kamerun zurückkehrt.

Aus diesem Vorbringen ergibt keinerlei Bedrohung oder Verfolgung in Kamerun. Der Beschwerdeführer ignorierte die Aufforderung von Samuel A., woraufhin im September 2024 Kopien seiner Dokumente beim BFA einlangten. Weitere Drohungen brachte der Beschwerdeführer im Rahmen der Einvernahme am 28.01.2025 nicht vor; er habe seit Juli 2024 keinen Kontakt mehr mit Samuel A. gehabt.

2.2.6. Eine Bedrohung in Kamerun brachte der Beschwerdeführer erstmals in der Einvernahme durch die LPD XXXX am 30.01.2025 vor, als er meinte, dass er Angst habe, dass ihm in Kamerun Bekannte von Samuel A. etwas antun könnten, weil sich ihre Familien kennen würden und er in der gleichen Straße wohne wie die Familie von Samuel A. Eine konkrete Bedrohung wird dadurch aber nicht dargetan. Die belangte Behörde kam daher nachvollziehbar im angefochtenen Bescheid zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer in Kamerun nicht bedroht oder gefährdet ist. In der mündlichen Verhandlung steigerte der Beschwerdeführer sein Vorbringen dann weiter, indem er erklärte: “Am 13. Juli 2024. Da hat er mir eine SMS geschickt. Da hat er mir gedroht, aber die Nachricht dann gelöscht. Er meinte, wenn Österreich mich abschieben würde, würde ich in Kamerun eingesperrt werden und meine Familie müsste 10 Millionen zahlen. Die 10 Millionen wären für die Auslagen bzw. für den ihm entstandenen Schaden dafür gewesen, dass er mich nach Europa gebracht hatte. Er meinte auch, dass er Killer auf mich ansetzen würde.” Diese Drohungen sind nicht glaubhaft; der Beschwerdeführer hatte seit dem 13.07.2024 zahlreiche Befragungen durch das BFA und die Sicherheitsbehörden und hatte das dennoch nie erwähnt, sondern immer nur darauf verwiesen, dass Samuel A. ihn aufgefordert hätte, nach Kamerun zurückzukehren. Auch widersprach er sich dann, als er von der Richterin nochmals gefragt wurde, in welcher Form er die Drohung erhalten habe, indem er dann nicht mehr von einer SMS, sondern von einer Sprachnachricht auf WhatsApp redete. Auf seinem Mobiltelefon findet sich am 13.07.2024 eine gelöschte WhatsApp Nachricht von Samuel A., doch kann deren Inhalt nicht rekonstruiert werden.

Zusammengefasst geht die erkennende Richterin davon aus, dass diese erstmals in der Verhandlung vorgebrachte Drohung nicht der Wahrheit entspricht, sondern nur behauptet wurde, um eine von Samuel A. ausgehende Gefährdung zu konstruieren. Zudem lebt Samuel A. in Österreich und ist daher nicht erkennbar, warum der Beschwerdeführer ausgerechnet bei einer Rückkehr nach Kamerun in besonderer Gefahr sein sollte; auch war es ja gerade der Wunsch von Samuel A., dass der Beschwerdeführer nach Kamerun zurückkehren sollte.

2.2.7. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Kamerun nicht in eine existenzbedrohende Notlage geraten wird, ergibt sich aus den folgenden Erwägungen: Das Bundesverwaltungsgericht verkennt gegenständlich nicht die allgemeine Ernährungsunsicherheit in Teilen Kameruns, doch ist der Beschwerdeführer – abgesehen von seinen Schmerzen an den Hoden, die seiner Angabe in der Verhandlung nach aber ohnehin nur während der kalten Wintermonate in Österreich gegeben seien – gesund, jung und erwerbsfähig. Zudem kann er von seinen in Europa lebenden Verwandten finanziell unterstützt werden und auch wieder bei seinem Bruder in Douala oder seiner Mutter in XXXX Unterkunft nehmen. Daher wird es ihm, auch wenn es in Kamerun laut Länderfeststellungen keine staatliche Unterstützung für Notleidende gibt, möglich sein, sich ein Grundeinkommen zu sichern.

Soweit der Beschwerdeführer in der Verhandlung versuchte, sich in erster Linie als vulnerables Opfer krimineller Machenschaften von Samuel A. darzustellen, kann dem nicht völlig gefolgt werden: Das Gericht geht davon aus, dass der Beschwerdeführer für die Zeitungsausstellung bezahlt wurde, doch leugnet er dies. Selbst wenn er von Samuel A. angeleitet worden sein sollte, einen Antrag auf internationalen Schutz unter Verwendung einer falschen Identität und eines erfundenen Fluchtgrundes zu stellen, wäre es ihm möglich gewesen, dies der Behörde offenzulegen – stattdessen wiederholte er in der Befragung vor der belangten Behörde die falschen Angaben. Erst als er mit der dem BFA übermittelten Passkopie konfrontiert wurde, war er bereit, seine wahre Identität preiszugeben. Der Beschwerdeführer erwähnte im Verfahren auch nicht, dass er Geschwister in Deutschland und Italien hat. Insgesamt entstand der Eindruck, dass es sich beim Beschwerdeführer, auch wenn er von Samuel A. unangemessen behandelt worden sein mag, um keine vulnerable Person handelt, so dass auch nicht davon auszugehen ist, dass er bei einer Rückkehr nach Kamerun besonderen Schwierigkeiten begegnen sollte.

2.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zu Kamerun basieren auf dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 07.03.2025. Der Beschwerdeführer und seiner Rechtsvertretung traten den Feststellungen des Länderinformationsblattes auch in der mündlichen Verhandlung nicht entgegen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Zum Status des Asylberechtigten):

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abs. A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Im Sinne des Art. 1 Abs. A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

In der Beschwerde wurde vorgebracht, dass der Beschwerdeführer Opfer von Menschenhandel sei und ihm “aus dem Asylgrund human trafficking” der Flüchtlingsstatus zu gewähren sei. Dabei wird aber verkannt, dass gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten nur dann zuzuerkennen ist, wenn glaubhaft ist, dass einem Fremden im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht. Eine Verfolgung ist jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 Statusrichtlinie (§ 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005). Artikel 9 der Statusrichtlinie definiert Verfolgungshandlungen im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A der Genfer Flüchtlingskonvention. Entscheidend für das Vorliegen einer Verfolgung ist die Schwere der Handlung, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sein muss, dass sie eine schwerwiegende Menschenrechtsverletzung darstellt. Alternativ kann die geforderte Schwere durch eine Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen erreicht werden. Verfolgungshandlungen sind etwa die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, sowie unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung.

Eine Verfolgungsgefahr ist zudem nur dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0413, mwN).

Der Beschwerdeführer konnte im gegenständlichen Verfahren keine Verfolgung glaubhaft machen. Es war im Sommer 2024 zu einem Konflikt zwischen Samuel A. und dem Beschwerdeführer gekommen, nachdem dieser aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr für Samuel A. arbeiten wollte. Dieser Konflikt wurde auch in die kamerunische Gemeinschaft in Linz hineingetragen und führte auch zu einer Entfremdung zwischen Samuel A. und Emmanuel T., die vorher befreundet waren. Soweit Samuel A. zum Beschwerdeführer meinte, er solle nach Kamerun zurückkehren (wobei Samuel A. diesbezüglich auch bereit war, den Flug zu zahlen), anderenfalls er sich an die Behörden wenden werde, mag dies vom Beschwerdeführer als Drohung empfunden worden sein. Allerdings kann darin, dass Samuel A. gegenüber dem BFA die wahre Identität des Beschwerdeführers offenlegte, keine Verfolgungshandlung erblickt werden. Soweit der Beschwerdeführer im Laufe des Verfahrens sein Vorbringen dahingehend steigerte, dass er in der Verhandlung davon sprach, Samuel A. habe ihm mit “Killern” gedroht, ist es nicht glaubhaft. Eine konkrete Verfolgungsgefahr ist daher nicht gegeben.

Sonstige Fluchtgründe wurden nicht vorgebracht. Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat Kamerun keine Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht und war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

3.2. Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Zum Status des subsidiär Schutzberechtigten):

Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf Leben geschützt. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention betreffen die Abschaffung der Todesstrafe.

Es ist im Rahmen einer Einzelfallprüfung die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - "real risk" einer Verletzung von Art. 3 EMRK droht, weil der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl. VwGH 21.05.2019, Ro 2019/19/0006, mwN), welche im gegenständlichen Fall nicht gegeben ist. Es ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer als im Wesentlichen gesunder und erwerbsfähiger Mann mit Berufserfahrung durchaus in der Lage sein wird, sich erneut eine Lebensgrundlage zu schaffen. Auch verfügt er über familiäre Anknüpfungspunkte in seinem Herkunftsstaat. Der Umstand, dass der Lebensunterhalt des Beschwerdeführers in Kamerun möglicherweise bescheidener ausfallen mag als er in Österreich sein könnte, rechtfertigt nicht die Annahme, ihm wäre im Falle der Rückkehr die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten (vgl. VfGH 24.02.2020, E 3683/2019; zur "Schwelle" des Art. 3 EMRK vgl. VwGH 16.07.2003, 2003/01/0059).

Ganz allgemein besteht in Kamerun derzeit auch keine solche Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK ausgesetzt wäre. Die nach den einschlägigen Länderberichten vorgekommenen sicherheitsrelevanten Vorfälle erreichen nicht ein derart hohes Niveau, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen würden, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Kamerun alleine durch seine Anwesenheit im Staatsgebiet tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. Punkt II.1.3.).

Insgesamt konnte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen, dass er aufgrund seiner persönlichen Situation in Kamerun und den hiermit verbundenen Umständen spezifisch von willkürlicher Gewalt betroffen wäre. Eine Bedrohung durch Samuel A. oder dessen Familie in Kamerun ist nicht glaubhaft.

Aus den dargestellten Umständen ergibt sich somit, dass eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach Kamerun nicht automatisch dazu führt, dass er in eine unmenschliche Lage bzw. eine existenzielle Notlage geraten und in seinen durch Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechten verletzt würde.

Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.

3.3. Zu den sonstigen Spruchpunkten:

Dem Beschwerdeführer wurde mit dem angefochtenen Bescheid keine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Kamerun zulässig sei; die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

Eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 57 AsylG ist unter anderem zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel, zu erteilen. Hinsichtlich des Vorliegens dieser Voraussetzungen ist vor der Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Eine entsprechende Stellungnahme wurde vom Bundesverwaltungsgericht angefragt, war zum Entscheidungszeitpunkt jedoch nicht eingelangt und ist diese auch nicht zeitnah absehbar, so dass nicht beurteilt werden kann, ob die Voraussetzungen zur Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 57 AsylG im gegenständlichen Fall vorliegen.

Aufgrund des Umstandes, dass der Sachverhalt in Bezug auf die Frage des internationalen Schutzes feststeht und die Sache diesbezüglich entscheidungsreif ist, wird das gegenständliche Teilerkenntnis erlassen und die Entscheidung über die sonstigen Spruchpunkte zu einem späteren Zeitpunkt getroffen. Dass kein “Recht auf eine einheitliche Entscheidung” besteht, wurde vom VwGH wiederholt festgehalten (vgl. VwGH 28.8.2019, Ra 2018/14/0241 bis 0247; VwGH 28.01.2020, Ra 2019/20/0404).

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.