Spruch
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Johann Habersack über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch RA Ing. Mag. Hamza OVACIN gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.04.2025, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Am 21.01.2025 brachte die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Türkei, vertreten durch den Rechtsanwalt Ing. Mag. Ovacin, bei der zuständigen Niederlassungsbehörde, dem Amt der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-weiß-rot-Karte plus“ ein.
Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, Referat 1.1, vom 27.03.2025, XXXX , abgewiesen.
Dieser Bescheid wurde dem rechtsstaatlichen Vertreter der Beschwerdeführerin am 01.04.2095 zugestellt.
Ferner wurde vom Amt der Wiener Landesregierung verfügt, dass eine Abschrift dieses Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Hernalser Gürtel 6-12, 1080 Wien, übermittelt wird.
2. Die Beschwerdeführerin stellte am 29.01.2025 beim BFA einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 2 AsylG.
Mit Schreiben des BFA vom 04.02.2025 wurde der Beschwerdeführerin die Verbesserung des gegenständlichen Antrages aufgetragen. Sie wurde diesbezüglich aufgefordert mehrere Urkunden und Nachweise im Rahmen eines persönlichen Termins am 26.02.2025 vorzulegen. Dieser Aufforderung ist die Beschwerdeführerin nachgekommen.
Am 12.02.2025 übermittelte die Beschwerdeführerin im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertretung eine Vollmachtsbekanntgabe sowie eine Stellungnahme. Mit der Stellungnahme wurde der Antrag gemäß § 55 Abs. 2 AsylG damit begründet, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem Sohn XXXX und dessen Familie in Wien wohnhaft sei. Ihr Sohn verfüge über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“. Der Ehegatte der Beschwerdeführerin sei im Jahr 2024 verstorben, weshalb der Beschwerdeführerin lediglich ihr Sohn und ihre Schwiegertochter als familiäre Unterstützung verbleiben würden. Ansonsten habe die Beschwerdeführerin keine Angehörigen, welche gewillt und in der Lage seien, für die Unterstützung und Pflege der Beschwerdeführerin zu sorgen. Weiters leide die Beschwerdeführerin unter mehreren Erkrankungen (Herzerkrankungen, Hypertonie, Diabetes mellitus vertigo, Gefäßerkrankungen) und sei wegen Knieproblemen auf einen Rollstuhl angewiesen. Eine Ausreise sei wegen der gesundheitlichen Probleme weder möglich noch zumutbar. Der Sohn der Beschwerdeführerin habe sich zudem bereit erklärt, für die finanziellen Aufwendungen seiner Mutter aufzukommen.
3. Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 29.04.2025, Zl. XXXX , wurde der der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK vom 29.01.2025 gemäß § 58 Abs. 9 Z 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen.
Das BFA stützte die Zurückweisungsentscheidung auf § 58 Abs. 9 Z 1 AsylG, weil es davon ausging, dass das Verfahren der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nach wie vor bei der Niederlassungsbehörde anhängig gewesen sei.
4. Gegen diesen Bescheid wurde am 16.06.2025 fristgerecht Beschwerde erhoben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin ist türkische Staatsangehörige und damit Drittstaatsangehörige. Ihre Identität steht fest.
Die Beschwerdeführerin ist zuletzt am 04.11.2024 über den Luftweg von der Türkei nach Österreich eingereist. Sie hat ihr gesamtes Leben in der Türkei verbracht. Der Ehepartner der Beschwerdeführerin ist im August 2024 verstorben. In Österreich leben ein Sohn und die Schwiegertochter der Beschwerdeführerin.
Am 21.01.2025 brachte die Beschwerdeführerin bei der zuständigen Niederlassungsbehörde einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-weiß-rot-Karte plus“ ein.
Mit Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, Referat 1.1, vom 27.03.2025, XXXX , wurde dieser Antrag abgewiesen.
Infolge der Zustellung dieses Bescheides an den rechtsfreundlichen Vertreter der Beschwerdeführerin am 01.04.2025 und mangels Einbringung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid hat sich die Beschwerdeführerin am 29.04.2025 – dem Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides des BFA –nicht in einem Verfahren nach dem NAG befunden.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des BFA.
Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich ebenso aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA.
Die Feststellungen zur Abweisung des Antrages der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ durch das Amt der Wiener Landesregierung ergeben sich aus dem vom rechtsfreundlichen Vertreter der Beschwerdeführerin in Vorlage gebrachten Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, Referat 1.1, vom 27.03.2025, XXXX , sowie aus der Einsicht in das Informationsverbundsystem zentrales Fremdenregister vom 10.10.2025.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
3.1. Wenn die belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen hat, ist Sache des Beschwerdeverfahrens lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung (VwGH 18.12.2014, Ra 2014/07/0002, 0003; VwGH 23.6.2015, Ra 2015/22/0040; VwGH 16.9.2015, Ra 2015/22/0082 bis 0084). Eine erstmalige inhaltliche Entscheidung über den zugrundeliegenden Antrag würde demgegenüber den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschreiten (VwGH 12.10.2015, Ra 2015/22/0115). Gegenstand des nunmehrigen Beschwerdeverfahrens war daher auf Grund der zurückweisenden Entscheidung in dem im Spruch bezeichneten Bescheid nur, ob diese Zurückweisung nach § 58 Abs. 9 AsylG zu Recht erfolgte. Bei einer inhaltlichen Entscheidung würde das Bundesverwaltungsgericht den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschreiten.
3.2. § 55 AsylG lautet:
„§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn
1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.
(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.“
§ 58 Abs. 9 lautet:
„(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige
1. sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,
2. bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder
3. gemäß § 5 des Amtssitzgesetzes – ASG, BGBl. I Nr. 54/2021, über einen Lichtbildausweis verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist
soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.“
Aus den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage 1803, XXIV. GP zum Bundesgesetz, mit dem ein BFA-Einrichtungsgesetz und ein BFA-Verfahrensgesetz erlassen sowie das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005 und das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008 geändert wurden, ergibt sich zu § 58 AsylG: In § 58 sind die Verfahrensbestimmungen für die Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen abgebildet und orientieren sich diese an der bewährten Systematik des NAG, insbesondere an den Bestimmungen der §§ 19, 44a und 44b NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011. (…) Gemäß Abs. 9 Z 1 ist ein Antrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn sich der Fremde in einem Verfahren nach dem NAG befindet. Damit soll klargestellt werden, dass das Stellen weiterer Anträge auch während eines anhängigen Verfahrens im NAG – somit sowohl in 1. als auch in 2. Instanz – unzulässig ist und der Antrag ohne weitere Prüfung zurückgewiesen werden kann.
3.3. Die Beschwerdeführerin ist türkische Staatsangehörige und damit Drittstaatsangehörige.
Zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides des BFA – am 29.04.2025 – hat sich die Beschwerdeführerin nicht in einem Verfahren nach dem NAG befunden, zumal der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ bereits mit Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, Referat 1.1, vom 27.03.2025, XXXX abgewiesen worden war.
Da im gegenständlichen Verfahren die Voraussetzungen des § 58 Abs. 9 Z 1 AsylG nicht vorgelegen sind, war der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben.
Zu Spruchteil B):
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.