Spruch
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marion STEINER-KOPSCHAR als Vorsitzende und die Richterin Mag. Benedikta TAURER sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , bevollmächtigt vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland (KOBV), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 05.03.2025, OB: XXXX , betreffend die Neufestsetzung des Grades der Behinderung, beschlossen:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.
Dem Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass vom 27.12.2023 wird stattgegeben.
Der Grad der Behinderung beträgt weiterhin 50 (fünfzig) vom Hundert.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der über einen unbefristeten Behindertenpass mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 50 v.H. verfügende Beschwerdeführer stellte am 27.12.2023 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice, im Folgenden: belangte Behörde) unter Vorlage medizinischer Beweismittel einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass.
2. Zur Überprüfung dieses Antrages wurde seitens der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 25.03.2024, mit dem Ergebnis eingeholt, dass beim Beschwerdeführer unter Anführung von fünf konkreten Funktionseinschränkungen (Koronare Herzkrankheit und Zustand nach Stenting, rezidivierende depressive Störung, Diabetes mellitus, Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom - leichte Form, Degenerative Wirbelsäulenveränderungen) samt Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. vorliege.
3. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde mit Schreiben vom 09.04.2024 gemäß § 45 Abs. 3 AVG erteilten Parteiengehörs zum Ergebnis der Beweisaufnahme erhob der Beschwerdeführer – unter Vorlage medizinischer Befunde – dahingehend Einwendungen, als er vorbrachte, definitiv weder arbeits- noch aufgrund der enormen körperlichen und insbesondere der psychischen Belastung gesellschaftsfähig zu sein. Es gehe ihm aufgrund der körperlichen und auch der psychischen Belastung sowie Einschränkung jeden Tag schlechter und sein Zustand verschlechtere sich immer mehr. Er leide unter Angstzuständen und Schlafstörungen, mit denen er täglich zu kämpfen habe.
4. Zur Beurteilung dieser Einwendungen wurde erneut der Arzt für Allgemeinmedizin beigezogen, welcher in seiner am 06.05.2024 erstellten Stellungnahme am bisherigen Begutachtungsergebnis festhielt.
5. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 07.05.2024 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass abgewiesen.
6. Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer – unter neuerlicher Vorlage medizinischer Befunde – fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben. Darin wurde vom Beschwerdeführer im Wesentlichen vorgebracht, dass sich sein Gesundheitszustand mittlerweile verschlechtert habe und er unter erheblichen psychischen Druck leide.
7. Die gegenständliche Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden mit Schreiben der belangten Behörde dem Bundesverwaltungsgericht am 18.06.2024 zur Entscheidung vorgelegt.
8. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.07.2024, XXXX , wurde in Erledigung der Beschwerde der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen zurückverwiesen.
9. Im fortgesetzten Verfahren wurde seitens der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 10.10.2024, und ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 15.01.2025, sowie eine Gesamtbeurteilung (Zusammenfassung der Sachverständigengutachten) durch die Ärztin für Allgemeinmedizin, mit dem Ergebnis eingeholt, dass beim Beschwerdeführer unter Anführung von vier konkreten Funktionseinschränkungen (Herzinsuffizienz, ischämische Kardiomyopathie, Diabetes mellitus, Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom - leichte Form, Degenerative Wirbelsäulenveränderungen) samt Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. vorliege.
10. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde mit Schreiben vom 20.01.2025 gemäß § 45 Abs. 3 AVG erteilten Parteiengehörs zum Ergebnis der Beweisaufnahme erhob der Beschwerdeführer – unter Vorlage medizinischer Befunde – Einwendungen.
11. Zur Beurteilung dieser Einwendungen wurden erneut die Ärztin für Allgemeinmedizin sowie der Facharzt für Psychiatrie beigezogen, welche in ihren am 04.02.2025 sowie am 03.03.2025 erstellten Stellungnahmen am bisherigen Begutachtungsergebnis festhielten.
12. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde von der belangten Behörde der Grad der Behinderung gemäß §§ 41, 43 und 45 BB mit 40 v.H. neu festgesetzt. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden.
13. Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer – unter Vorlage eines medizinischen Befundes – fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben. Darin wurde vom Beschwerdeführer im Wesentlichen vorgebracht, dass er auch an Depressionen leide, wobei es sich um eine therapieresistente Form dieser Erkrankung handle sowie an Steatosis hepatitis, Atemnot, Albträume, sozialer Rückzug, Inkontinenz und einer schweren affektiven Störung. Aufgrund der Vielzahl der im Zusammenhang stehenden Gesundheitsschädigungen und der sich ergebenden Leidenspotenzierung, könne nach Ansicht des Beschwerdeführers von einer Behinderung von zumindest 50 v.H. ausgegangen werden.
14. Im Rahmen des Beschwerdevorprüfungsverfahrens ersuchte die belangte Behörde erneut den Facharzt für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin um Erstattung eines Sachverständigengutachtens aufgrund der Aktenlage und kam dieser zu dem Ergebnis, dass beim Beschwerdeführer unter Anführung von fünf konkreten Funktionseinschränkungen (Herzinsuffizienz, ischämische Kardiomyopathie, koronare Herzkrankheit (1-VD), Depressive Episode, Diabetes mellitus, Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom - leichte Form, Degenerative Wirbelsäulenveränderungen) samt Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. vorliege.
15. Da die Frist zur Erstellung einer Beschwerdevorentscheidung abgelaufen war, wurde die gegenständliche Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt mit Schreiben der belangten Behörde dem Bundesverwaltungsgericht am 12.06.2025 zur Entscheidung vorgelegt.
16. Mit Schreiben vom 13.06.2025 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesverwaltungsgericht über das Ergebnis der Beweisaufnahme informiert und ihm die Gelegenheit eingeräumt, zu dem übermittelten medizinischen Sachverständigengutachten innerhalb einer Frist von zwei Wochen Stellung zu nehmen.
Der Beschwerdeführer erstattete keine Stellungnahme.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Da sich der Beschwerdeführer mit dem im angefochtenen Bescheid festgestellten Grad der Behinderung nicht einverstanden erklärt hat, war dieser zu überprüfen.
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland.
Der verfahrensgegenständliche Antrag ist am 27.12.2023 bei der belangten Behörde eingelangt.
1.2. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 50 v.H.
1.2.1. Beurteilung der Funktionseinschränkungen:
Das führende Leiden wird durch Leiden 2 um 1 Stufe erhöht, da eine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt. Die weiteren Leiden erhöhen nicht weiter.
Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt weiterhin 50 v.H.
Eine Stabilisierung ist möglich, weswegen eine Nachuntersuchung für 05/2027 indiziert ist.
Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß und medizinischer Einschätzung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten eines Facharztes für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin zu Grunde gelegt.
Der beigezogene fachärztliche Sachverständige kommt zu dem Ergebnis, dass der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers mit 50 v.H. festzustellen sei, sodass sich eine entscheidungsmaßgebliche Anhebung des Gesamtgrades der Behinderung ergibt; vgl. dazu die nachfolgenden beweiswürdigenden Ausführungen. Der Gutachter begründet diese Beurteilung im Gutachten vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei. Dieses aktuelle Gutachten wurde von beiden Parteien nicht bestritten.
2. Beweiswürdigung:
Zu 1.1.) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen sowie der Einbringung des Antrages ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.
Zu 1.2.) Die Feststellungen zu Art und Ausmaß der Funktionseinschränkung gründen sich – in freier Beweiswürdigung – in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die eingeholten und vorgelegten Beweismittel:
Das von der belangten Behörde im Rahmen des Beschwerdevorentscheidungsverfahrens eingeholte fachärztliche Sachverständigengutachten eines Facharztes für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin weicht im Ergebnis von den der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegten Gutachten ab und begründet schlüssig die nunmehr höhere Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung. Das eingeholte Gutachten ist hinsichtlich der beschriebenen Leidenszustände nachvollziehbar und frei von Widersprüchen. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf der Aktenlage erhobenen klinischen Befund, entsprechen unter Berücksichtigung der vorgelegten Beweismittel den festgestellten Funktionseinschränkungen. Die vorliegenden Beweismittel sind in die Beurteilung eingeflossen, der Sachverständige hat sich damit auch ausreichend auseinandergesetzt. Die Zuordnung der einzelnen Gesundheitsschädigungen zu den Positionen der Anlage der Einschätzungsverordnung und deren Einstufung innerhalb des jeweiligen Rahmensatzes erfolgte korrekt und ist weder der Beschwerdeführer noch die belangte Behörde im Rahmen des ihnen hierzu seitens des Bundesverwaltungsgerichts eingeräumten Parteiengehörs entgegengetreten.
Die belangte Behörde hatte die Feststellung des Grades der Behinderung mit 40 v.H. auf Sachverständigengutachten des auch zuletzt beigezogenen Facharztes für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin sowie einer Ärztin für Allgemeinmedizin gestützt. Die belangte Behörde hatte aufgrund des Beschwerdevorbringens den Auftrag zur Erstellung eines weiteren Sachverständigengutachtens – basierend auf der Aktenlage – erteilt. Der erneut herangezogene Facharzt für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin führt in seinem Sachverständigengutachten zur Änderung des Gesamtgrades der Behinderung im Vergleich zu den zuvor eingeholten bzw. von ihm selbst erstatteten Gutachten nachvollziehbar und schlüssig aus, dass die Nachreichung eines fachärztlichen Befundes und die Aufnahme der depressiven Störung in die Leiden eine Anhebung des Gesamtgrades der Behinderung um eine Stufe auf 50 vH. bedinge.
Dies erscheint aus Sicht des erkennenden Senates plausibel und nachvollziehbar und steht dies auch im Einklang mit dem Beschwerdevorbringen. Die belangte Behörde trat den getroffenen Feststellungen ebenfalls nicht entgegen, weshalb das Gericht die in dem Gutachten getroffenen Feststellungen ohne weitere Ermittlungen als Sachverhalt feststellt.
Das Gericht hat ein Gutachten auf seine Vollständigkeit und Schlüssigkeit zu überprüfen. Weitere Gutachten hat die Behörde nur dann einzuholen, wenn sich die vorliegenden Gutachten als nicht vollständig oder nicht schlüssig und damit als nicht ausreichend erweisen; will eine Partei außer dem vorliegenden schlüssigen und vollständigen Gutachten noch ein weiteres in das Verfahren einbezogen wissen, steht es ihr frei, selbst ein Gutachten eines privaten Sachverständigen zu beschaffen und vorzulegen. Im vorliegenden Fall wird das von der belangten Behörde im Beschwerdevorentscheidungsverfahren beauftragte Gutachten eines Facharztes für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin als schlüssig und vollständig betrachtet. Es ist nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Das Bundesverwaltungsgericht legt daher dieses Sachverständigengutachten seiner Entscheidung zugrunde. Die belangte Behörde und der Beschwerdeführer sind den getroffenen Feststellungen nicht entgegengetreten, weshalb das Gericht die im Gutachten getroffenen Feststellungen ohne weitere Ermittlungen dem Sachverhalt zugrunde legt.
Die Angaben des Beschwerdeführers waren sohin geeignet, die der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegten Sachverständigengutachten zu entkräften und eine geänderte Beurteilung herbeizuführen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung eines fachkundigen Laienrichters ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 45 Abs. 3 und 4 BBG.
Zu A) Stattgabe der Beschwerde:
3.2. Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:
„BEHINDERTENPASS
§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.“
„§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.
(…)“
„§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
(…)“
„§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
(…)“
3.3. §§ 2 und 3 der Einschätzungsverordnung, BGBl. II 261/2010 idF BGBl. II 251/2012, sehen Folgendes vor:
„Grad der Behinderung
§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.
(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.
(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.“
„Gesamtgrad der Behinderung
§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.
(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.
(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn
- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,
- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.
(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.“
3.4. Festzuhalten ist, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall – wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm – nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war. Bei ihrer Beurteilung hat sich die Behörde eines oder mehrerer Sachverständiger zu bedienen, wobei es dem Antragsteller freisteht, zu versuchen, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. VwGH 30.04.2014, 2011/11/0098; 21.08.2014, Ro 2014/11/0023; 20.05.2015, 2013/11/0200).
Gegenständlich wurde im Rahmen des Beschwerdeverfahrens seitens der belangten Behörde zwecks Beurteilung des Beschwerdevorbringens und der vorgelegten medizinischen Beweismittel ein weiteres Sachverständigengutachten aus den Fachgebieten Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin eingeholt, welches auf Basis der Aktenlage erstattet wurde und – sowohl hinsichtlich der Einschätzung der Funktionseinschränkungen als auch hinsichtlich der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung – den von der Judikatur (sowie von der Einschätzungsverordnung) aufgestellten Anforderungen entspricht.
3.5. Wie unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das schlüssige Sachverständigengutachten zugrunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers – entgegen der Feststellung im angefochtenen Bescheid – 50 v.H. beträgt. Wie ebenfalls bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt, wurde das vorliegende Gutachten von den Verfahrensparteien nicht bestritten.
Mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, weiterhin erfüllt.
Der Beschwerde war daher stattzugeben und der angefochtene Bescheid zu beheben.
3.6. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung
Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und dem seitens dieser zur Überprüfung des Beschwerdevorbringens eingeholten – vom erkennenden Gericht als schlüssig erachteten – Sachverständigengutachten, das von den Verfahrensparteien unwidersprochen zur Kenntnis genommen wurde. Die strittigen Tatsachenfragen gehören dem Bereich an, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die angewendeten Teile des Bundesbehindertengesetzes sind – soweit im Beschwerdefall relevant – eindeutig. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.