JudikaturBVwG

G312 2319192-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
EU-Recht
15. September 2025

Spruch

G312 2319192-1/2Z

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Manuela WILD über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , StA: Portugal, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung, zu Recht:

A)Die Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides) wird als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerde wird die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht zuerkannt.

B)Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer (BF), ein portugiesischer Staatsbürger, wurde am XXXX in XXXX , Portugal, geboren und ist somit EU Bürger.

Er verfügt über keine Anmeldebescheinigung in Österreich, über keinen Wohnsitz und trat schließlich mit seinen Straftaten und damit einhergehenden strafrechtlichen Verurteilungen im Bundesgebiet in Erscheinung. Er ist ledig und ohne Sorgepflichten, hat in Österreich keine familiären Bindungen. Er besuchte 8 Jahre die Grundschule in Portugal, hat kein Vermögen und keine Schulden. Seine Familie lebt in Portugal. Er ist laut eigenen Angaben zur Arbeitsuche nach Österreich gekommen.

Er war bis 2024 in Österreich unbescholten, weist jedoch 19 Vorstrafen aus Portugal auf, wovon drei einschlägig sind. Er wurde in Spanien 2016 wegen fortgesetzter Gewaltausübung zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten bedingt verurteilt, 2022 in den Niederlanden wegen einfacher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 13 Tagen, sowie in Frankreich 2022 wegen fortgesetzter Gewaltausübung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten verurteilt.

Er lebte bis zu seiner Festnahme am 24.08.2024 in Österreich laut eigenen Angaben zuvor 7 Jahre in Deutschland, bevor er Anfang Juli 2024 ins Bundesgebiet eingereist ist.

Am XXXX wurde er wegen des Verdachtes gemäß § 83, § 87 und § 127 StGB (Verbrechen bzw. Vergehen wegen Diebstahl sowie absichtlich schwerer Körperverletzung) festgenommen und über ihn die Untersuchungshaft verhängt. Diese wird in der JA XXXX vollzogen.

Mit Schriftsatz vom 27.08.2024 wurde er über die Einleitung eines Verfahren zur Prüfung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme in eventu einer Schubhaft in eventu Erlassung eines Aufenthaltsverbotes informiert und er aufgefordert, dazu bzw. zu gesondert gestellten Fragen binnen Fristsetzung Stellung zu nehmen. Dies wurde dem BF nachweislich am 02.09.2024 zugestellt.

Er übermittelte am 13.09.2024 eine Stellungnahme an das BFA und erklärte, seit Anfang Juli 2024 in Wien zu sein und sich mit XXXX . obdachlos mit der Beratungsstelle XXXX als Kontakt- und Abgabestelle gemeldet zu haben. Er sei Portugiese, somit EU Bürger und sei in Österreich, um zu arbeiten. Er habe davor bezahlt 7 Jahre in Deutschland gearbeitet. Es leben keine Verwandten von ihm in Österreich, seine Verwandten leben in Portugal. Er sei derzeit arbeitsuchend und habe ein Stellenangebot bei dem XXXX . Das Arbeitsverhältnis habe jedoch aufgrund seiner Inhaftierung nicht begonnen. Die Zeiten seiner Beschäftigung in Deutschland müsse er sich bescheinigen lassen, um mögliche Ansprüche geltend machen zu können. Derzeit sei er nicht versichert und verfüge über kein Einkommen. Er finanziere sein Leben vom Ersparten. Er sei wohnungslos und nächtige draußen aber in Hotels, er werde in Portugal weder strafrechtlich noch politisch verfolgt. Er sei hier um zu arbeiten und möchte das auch weiterhin tun.

Am XXXX wurde gegen den BF Anklage wegen vorsätzlich begangener strafbarer Handlungen erhoben.

Mit Urteil des LG für Strafs XXXX , XXXX , vom 24.01.2025, wegen des Verbrechens der absichtlich schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs. 1 StGB, das Verbrechen der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs. 4 StGB sowie das Verbrechen der Verleumdung nach § 2987 Abs. 1 zweiter Fall StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 7 Jahren sowie Kostenersatz verurteilt.

Der Verurteilung liegt zu Grunde, dass der BF im Zuge einer Auseinandersetzung am XXXX die andere Person, nachdem beide gestürzt sind, von dessen Flucht abgehalten hat und ihn zu Boden stieß. Dann packte er das Opfer am Körper und begann ihn zu würgen, Unbekannte Personen haben den BF vom Opfer weggezogen und der BF ergriff anschließend die Flucht. Er konnte jedoch ausgeforscht und ihm die Tat nachgewiesen werden.

Das Gericht wertete mildernd, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, erschwerend seine drei einschlägigen Vorstrafen, das Zusammentreffen von 3 Verbrechen sowie die besonders aggressive Vorgehensweise aus nichtigem Anlass.

Der BF wurde bereits am XXXX wegen Ladendiebstahls festgenommen, dieses Verfahren wurde wegen Geringfügigkeit eingestellt.

Seit XXXX befindet sich der BF in der XXXX , am XXXX hat der BF seine Freiheitsstrafe angetreten, diese wird in der XXXX vollzogen. Errechnetes Strafende ist der XXXX . Am XXXX ist der BF in die JA Stein überstellt worden.

Mit Bescheid vom XXXX erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gegen den BF gemäß § 67 Abs. 1 u. 3 FPG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I.), erteilte ihm gemäß § 70 Abs. 3 FPG keinen Durchsetzungsaufschub (Spruchpunkt II.) und erkannte unter Spruchpunkt III. der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG ab.

Gegen den oben angeführten Bescheid erhob der BF über seine Rechtsvertretung vollinhaltlich Beschwerde. Das BFA legte dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde gegen den oben genannten Bescheid vor.

Das BFA begründete die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung im Wesentlichen mit dem bisherigen Verhalten des BF und damit einhergehenden strafrechtlichen Verurteilung. Sein bisheriges, kontinuierliches und gravierendes strafrechtswidriges Fehlverhalten, insbesondere im Bereich der Gewaltkriminalität über einen langen Zeitraum, zeige seine Gleichgültigkeit gegenüber den in Österreich und anderen Ländern geschützten Werten. Von ihm gehe eine maßgebliche Gefährdung aus und liege – trotz bereits 19 Vorstrafen, davon 3 einschlägige, keine Phase des Wohlverhaltens vor. Er stelle mit seinem Gesamtverhalten eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Seine sofortige Ausreise sei im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und zum Schutz der Bevölkerung erforderlich und dringend geboten. Er neige ganz offensichtlich zu chronischer Kriminalität und konnten auch die bisher verspürten Haftübel ihn nicht von weiteren schwerwiegenden Straftaten abhalten.

In der Beschwerde, die sich gegen sämtliche Spruchpunkte des angefochtenen Bescheids richtet, bringt der BF über seine Rechtsvertretung im Wesentlichen zusammengefasst vor, dass aufgrund einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden sei. Dies obwohl er EU Bürger sei und ein sehr strenger Maßstab bei einer solchen Verhängung anzuwenden sei. Es sei eine mündliche Verhandlung durchzuführen, um sich einen persönlichen Eindruck vom BF machen zu können, darüber hinaus diene eine solche auch zur Erörterung von Rechtsfragen. Es werde daher die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt, sowie die ersatzlose Behebung des Bescheides in eventu die Behebung und Zurückverweisung an das BFA zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung in evenu den Bescheid dahingehend abzuändern, dass die Dauer des Aufenthaltsverbotes mit einer geringeren Dauer bemessen werde und ihm ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt werde.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens und des Gerichtsakts des BVwG.

Rechtliche Beurteilung:

Die Beschwerde richtet sich auch gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids, mit dem die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde.

Gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Betroffenen oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist. Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das BVwG einer Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.

Die Aberkennung bedarf – insbesondere angesichts der weitreichenden damit verbundenen Konsequenzen – einer entsprechend sorgfältigen, einzelfallbezogenen Begründung. Sie darf nicht ausschließlich darauf gestützt werden, dass die Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Aufenthaltsverbot erfüllt sind. Die Behörde muss vielmehr nachvollziehbar darlegen, warum darüber hinaus die sofortige Ausreise der BF geboten sei.

Das BVwG hat über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 BFA-VG (oder gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheids) gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu entscheiden (vgl VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014).

Gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise der BF oder die sofortige Durchsetzung im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.

Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung bedarf – insbesondere angesichts der weitreichenden damit verbundenen Konsequenzen – einer entsprechend sorgfältigen, einzelfallbezogenen Begründung. Sie darf nicht ausschließlich darauf gestützt werden, dass die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots erfüllt sind. Die Behörde muss vielmehr nachvollziehbar darlegen, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort - ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens - zu erfolgen hat (vgl. VwGH 27.08.2020, Ra 2020/21/0172). Es bedarf daher einer über die Erwägungen für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nach § 67 FPG hinausgehenden besonderen Begründung, weshalb die Annahme gerechtfertigt ist, der weitere Aufenthalt des Fremden während der Dauer des Beschwerdeverfahrens gefährde die öffentliche Ordnung oder Sicherheit derart, dass die sofortige Ausreise bzw. Abschiebung schon nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheids erforderlich ist (vgl. VwGH 16.01.2020, Ra 2019/21/0360).

Eine solche Begründung lässt sich dem angefochtenen Bescheid entnehmen. Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde nicht nur mit den bereits für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Gründen, konkret mit dem strafrechtlich geahndeten Fehlverhalten des BF, begründet, sondern auch, dass der BF mit seinem Gesamtverhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit, sowie die Gesellschaft darstellt. Der BF hat insgesamt 19 Vorstrafen, davon 3 einschlägige in der Gewaltkriminalität, und dies über viele Jahre. Trotz verspürter Haftübel habe er nicht von seinem kriminellen Verhalten Abstand genommen und gehe von ihm eine tatsächliche, gegenwärtige und schwerwiegende Gefahr aus. Seine sofortige Ausreise sei dringend geboten, um die öffentliche Ordnung und Sicherheit sowie den Schutz der Bevölkerung zu gewährleisten. Es würden keine Gründe vorliegen, die gegen die sofortige Umsetzung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sprechen würden.

Auch wenn der BF in seiner Beschwerde den Feststellungen im bekämpften Bescheid widerspricht und vorbringt, er sei zur Arbeitsuche nach Österreich gekommen und wolle hier arbeiten, verfügt der BF in Österreich über keine sozialen, beruflichen oder sonstigen Beziehungen sowie über keinen ordentlichen Wohnsitz. Er wird gegenüber Passanten ohne Anlass massiv gewalttätig und zeigte er dieses Verhalten bereits zuvor, was seine einschlägigen Vorstrafen belegen.

Zum Zeitpunkt seiner Festnahme verfügte er in Österreich über kein Privat- und Familienleben, seine Familie lebt im Herkunftsstaat.

Eine Grobprüfung der vorgelegten Akten und der dem BVwG vorliegenden Informationen ergibt (vorerst) keine Verletzung von Art 8 EMRK durch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung.

Die vom BFA vorgenommene Interessenabwägung ist nicht zu beanstanden. Der BF befindet sich derzeit in Strafhaft, wodurch seine Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung (zB über Videoeinvernahme) möglich sein wird.

Der Beschwerde ist im Ergebnis derzeit – vorbehaltlich allfälliger anderer Verfügungen zu einem späteren Zeitpunkt – die aufschiebende Wirkung nicht zuzuerkennen.

Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids ist daher mit Teilerkenntnis zu bestätigen und der Beschwerde gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG keine Folge zu erteilen. Es ist der Beschwerde gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung nicht zuzuerkennen.

Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 21 Abs 6a BFA-VG.

Die Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig, weil eine Einzelfallentscheidung vorliegt und das BVwG keine grundsätzlichen Rechtsfragen im Sinne dieser Gesetzesstelle zu lösen hatte.