JudikaturBVwG

I412 2305867-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
12. September 2025

Spruch

I412 2305867-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER über die Beschwerde von XXXX (alias XXXX ), geb. XXXX , StA. LIBYAN ARAB JAMAHIRIYA, vertreten durch BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des BFA RD Kärnten Außenstelle Klagenfurt (BFA-K-ASt Klagenfurt) vom 16.10.2024, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Libyen, reiste am 02.12.2022 in das Bundesgebiet ein und stellte am 10.12.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Rahmen der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag im Wesentlichen damit begründete, dass die Sicherheitslage in Libyen sehr schlecht sei. Als Arzt sei er während seines Dienstes verletzt worden. Es gäbe viele Milizen, die das Land kontrollieren. Er wolle in Sicherheit arbeiten und leben. Er habe deswegen psychische Probleme.

Am 19.07.2024 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. In dieser Einvernahme gab er zusammengefasst an, angeschossen worden zu sein, weil er Familien geholfen habe. Er habe Angst um sein Leben. Ärzte würden in Libyen immer mehr bedroht und verletzt. Die Kämpfer würden Ärzte immer wieder bedrohen, weil sie verschiedenen Medikamente und Betäubungsmittel haben wollten. Es gäbe dort kein Gesetz und man könne dagegen nichts tun. In der letzten Zeit seien Krankenhäuser oft angegriffen worden. Als Arzt wolle er nur seine Arbeit machen und den Menschen helfen, ohne die Kämpfe. Zudem hätten diese Leute verhindert, dass er eine Stelle in Russland nicht bekommen habe.

Mit verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 16.10.2024 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich Asyl als unbegründet ab (Spruchpunkt I.). Dem Beschwerdeführer wurde mit Spruchpunkt II. der Status eines subsidiär Schutzberechtigen erteilt und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt.

Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers mit Schriftsatz vom 14.11.2024 Beschwerde.

Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 10.01.2025 übermittelt und der Gerichtsabteilung I412 am 15.01.2025 zugeteilt.

Am 11.09.2025 fand eine mündliche Verhandlung statt, bei welcher der Beschwerdeführer und seine Rechtsvertretung anwesend waren.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Libyen. Er gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zum islamischen Glauben. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Sorgepflichten. Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer ist gesund und erwerbsfähig.

Der Beschwerdeführer ist in Tripolis geboren und hat dort bis zu seiner Ausreise gelebt. In Triopolis leben weiterhin Familienangehörige des Beschwerdeführers (Eltern, drei Schwestern), mit denen der Beschwerdeführer in Kontakt steht.

Der Beschwerdeführer arbeitete in seinem Herkunftsland in einem Universitätsklinikum als Frauenarzt.

Er reiste im April 2022 von Libyen legal in die Türkei ein, auf dem Luftweg nach Serbien weiter und spätestens am 02.12.2022 unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein.

Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 16.10.2024 wurde dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

1.2. Zu den Fluchtgründen und Rückkehrbefürchtungen des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer wird in Tripolis nicht von den Behörden oder einer in Libyen agierenden Miliz bzw. Gruppierung, die mit der Regierung verbündet ist, verfolgt.

Er wurde in seinem Herkunftsland weder aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, noch aufgrund seiner politischen Gesinnung verfolgt.

1.3. Zur Lage im Herkunftsland:

Politische Lage:

Der Sturz des langjährigen Staatschefs Muammar Gaddafi im Jahr 2011 führte zu einem Machtvakuum und zu Instabilität. Das Land ist zersplittert und seit 2014 in konkurrierende politische und militärische Fraktionen mit Sitz in Tripolis und im Osten des Landes geteilt (BBC 15.3.2021). Die internationalen Bemühungen, die rivalisierenden Regierungen in einer Einheitsregierung zusammenzuführen, waren Anfang 2021 erfolgreich und schufen einen fragilen Frieden (FH 28.2.2022). Parallele, nicht anerkannte Institutionen im Osten des Landes, insbesondere solche, die mit dem nichtstaatlichen Akteur, der Libyschen Nationalen Armee unter der Führung von General Khalifa Haftar, verbunden sind, stellten allerdings ihre Autorität in Frage (USDOS 12.4.2022). Libyen ist seit 2011 eine parlamentarische Republik, vorher war es unter Gaddafi ein „Volksmassenstaat“. Das Libya Political Dialogue Forum (LPDF) wählte am 5.2.2021 eine neue Übergangs-Einheitsregierung unter einem Premierminister sowie einen Präsidialrat mit drei Mitgliedern. Staatsoberhaupt ist Präsidialrat-Vorsitzender Younes Mnefi, Regierungschef Premierminister Abdul Hamid Mohammed Dbaibah (AA 17.9.2021). Die Fortschritte, die Libyen im Jahr 2021 auf dem Weg zur Stabilität gemacht hat, sind fast verschwunden. Damals führte ein Interimschef zwei konkurrierende Kabinette zusammen und die rivalisierenden Fraktionen einigten sich darauf, Parlaments- und Präsidentschaftswahlen anzusetzen, die schließlich zur Bildung einer neuen gewählten Regierung führen sollten. Die Wahlen wurden jedoch in letzter Minute abgesagt und nun befindet sich das Land erneut in einer Pattsituation zwischen zwei rivalisierenden Exekutiven, von denen die eine in der westlichen Stadt Tripolis und die andere derzeit in der Küstenstadt Sirt in Zentrallibyen operiert, ohne dass ein Konsens über das weitere Vorgehen besteht (ICG 25.5.2022). Die Fehde hat sich nicht zu einem offenen Konflikt ausgeweitet, da beide Lager und ihre jeweiligen ausländischen Sponsoren (von denen einige in letzter Zeit ihre eigenen Annäherungen erreicht haben) offenbar nicht bereit sind, die Kämpfe wieder aufzunehmen. Doch der wieder aufgeflammte Streit um die Führung Libyens untergräbt die Stabilität auf vielen anderen Ebenen. In wirtschaftlicher Hinsicht hat er neue Streitigkeiten über die Öleinnahmen ausgelöst, die fast den gesamten Staatshaushalt ausmachen und vorerst in den Händen der von Abdelhamid Dabaiba geleiteten Übergangsregierung in Tripolis bleiben. Die Krise hat auch Wählergruppen, die Dabaibas Rivalen Fathi Bashagha in Tobruk unterstützen, dazu veranlasst, einen beträchtlichen Teil der libyschen Ölproduktion stillzulegen, um den Fluss der Einnahmen nach Tripolis zu stoppen. Auf politischer Ebene behindern die rivalisierenden Legitimitätsansprüche der Fraktionen und die widersprüchlichen Pläne für einen Ausweg aus der Krise die von den Vereinten Nationen unterstützten Vermittlungsbemühungen (ICG 25.5.2022).

Sicherheitslage:

Seit dem bewaffneten Volksaufstand im Jahr 2011, bei dem der langjährige Diktator Muammar Gaddafi gestürzt wurde, leidet Libyen unter internen Spaltungen und zeitweiligen Bürgerkriegen. Die Verbreitung von Waffen und autonomen Milizen, florierende kriminelle Netzwerke, die Einmischung regionaler Mächte und die Präsenz extremistischer Gruppen haben dazu beigetragen, dass es dem Land nach wie vor an physischer Sicherheit mangelt. Mehr als ein Jahrzehnt der Gewalt hat Hunderttausende von Menschen vertrieben und die Menschenrechtslage stetig verschlechtert (FH 28.2.2022). Die innenpolitische Lage in Libyen ist weiterhin fragil. Eine erneute militärische Eskalation ist vorstellbar. Es kann zu gewaltsamen Auseinandersetzungen kommen, von denen auch Ausländer betroffen sein können. In den vergangenen Monaten kam es zu Kampfhandlungen im Süden Libyens in der Region Sabha. Es besteht vielerorts auch nach Ende von Kampfhandlungen eine Gefahr von Landminen (AA 30.5.2022). Militärisch hat die wieder aufgeflammte Auseinandersetzung zwischen den beiden Machtblöcken die bereits ins Stocken geratenen Bemühungen um eine Einigung der parallelen Sicherheitsstrukturen untergraben und in Tripolis zu gelegentlichen Kämpfen zwischen Loyalisten der rivalisierenden Regierung geführt (ICG 25.5.2022). Die Einsetzung einer neuen rivalisierenden Regierung wird wahrscheinlich lokale Kämpfe auslösen, aber das Risiko groß angelegter Kämpfe zwischen östlichen und westlichen Kräften bleibt gering. Loyale Milizen der GNU und des HoR werden wahrscheinlich in Tripolis mobilisiert werden, um ihre Stärke zu demonstrieren, was die Wahrscheinlichkeit lokaler Kämpfe um wichtige Ministerien, den Flughafen Mitiga und wichtige Zugangsstraßen zur Hauptstadt erhöht (Crisis24 o.D.). Der Islamische Staat hat die durch den anhaltenden Bürgerkrieg geschaffene Gelegenheit genutzt, um in der südlichen Region Fezzan fest und im Norden Tripolitaniens wieder Fuß zu fassen. Die Gruppe wird nun wahrscheinlich ihre Schläferzellen aktivieren, um ihre aufständische Kampagne gegen die GNA-treuen Kräfte wieder aufzunehmen und die laufenden Bemühungen um einen dauerhaften Waffenstillstand zwischen den Kriegsparteien zu stören (Crisis24 o.D.).

Rechtsschutz / Justizwesen:

Die Verfassungserklärung sieht ein unabhängiges Justizwesen vor und legt fest, dass jede Person das Recht hat, sich an das Justizsystem zu wenden. Die Verfassungserklärung sieht die Unschuldsvermutung und das Recht auf einen Rechtsbeistand vor, der dem Beschuldigten auf öffentliche Kosten zur Verfügung gestellt wird. Diese Standards werden weder von der Regierung noch von nichtstaatlichen Akteuren erfüllt (USDOS 12.4.2022). Da alle Versuche, eine neue Verfassung auszuarbeiten und darüber abzustimmen, gescheitert sind, mangelt es der Gewaltenteilung in Libyen nach wie vor an rechtlicher Klarheit. Der Oberste Justizrat organisiert die Justiz nach dem Gesetz 4 von 2011, aber der genaue Aufbau und die Zuständigkeiten der Justiz werden jedoch unklar bleiben, bis eine richtige Verfassung in Kraft getreten ist. Da die politischen Entscheidungsträger zudem auf Milizen zurückgreifen, um ihre Verhandlungsmacht zu stärken, machen Gerichtsurteile heute keinen wirklichen Unterschied (BS 23.2.2022). Das Justizsystem ist im Wesentlichen zusammengebrochen; die Gerichte sind in weiten Teilen des Landes nicht mehr funktionsfähig (FH 28.2.2022; vgl. HRW 13.1.2022). Libyens wichtigste Institutionen sind extrem schwach und der mangelnde Schutz der Justiz hat das Justizsystem sowohl im Osten als auch im Westen des Landes beschädigt (BS 23.2.2022). Richter, Anwälte und Staatsanwälte sehen sich häufigen Bedrohungen und Angriffen ausgesetzt (FH 28.2.2022; vgl. USDOS 12.4.2022, BS 23.2.2022, HRW 13.1.2022). Seit der Revolution von 2011 wird das Recht der Bürger auf einen fairen Prozess und ein ordnungsgemäßes Verfahren durch die anhaltende Einmischung bewaffneter Gruppen und die Unfähigkeit, Zugang zu Anwälten und Gerichtsdokumenten zu erhalten, infrage gestellt (FH 28.2.2022; vgl. USDOS 12.4.2022). In den Fällen, in denen Strafverfolgungen und Gerichtsverfahren stattfinden, gibt es ernsthafte Bedenken hinsichtlich eines ordnungsgemäßen Verfahrens, und die Militärgerichte verurteilen weiterhin Zivilisten (HRW 13.1.2022). Milizen und halboffizielle Sicherheitskräfte führen regelmäßig ungestraft willkürliche Verhaftungen, Inhaftierungen und Einschüchterungen durch (FH 28.2.2022; vgl. USDOS 12.4.2022). Tausende Gefangene haben keinen Zugang zu Anwälten und Informationen über die gegen sie erhobenen Anklagen (USDOS 12.4.2022; vgl. FH 28.2.2022). Die insgesamt mangelnde Sicherheitslage behindert die Rechtsstaatlichkeit weiter. Zivil- und Militärgerichte arbeiteten, je nach örtlicher Sicherheitslage, sporadisch; insbesondere in den von anhaltenden Feindseligkeiten betroffenen Gebieten und im Süden des Landes (USDOS 12.4.2022). 1.3.4. Sicherheitsbehörden

Der von den Vereinten Nationen vermittelte Prozess führte im März 2021 zur Vereidigung der Regierung der Nationalen Einheit (GNU), die mit der Vorbereitung von Präsidentschafts- und Parlamentswahlen beauftragt wurde. Die politischen Spaltungen blieben bestehen und die Libyschen Arabischen Streitkräfte (LAAF), eine bewaffnete Gruppe [Anm.: die Khalifa Haftar untersteht], behielten die Kontrolle über große Teile des Ostens und des Südens Libyens (AI 28.3.2022). Die Regierung hat nur begrenzte Kontrolle über die Sicherheitskräfte, die sich aus einer Mischung aus halbstaatlichen Einheiten, bewaffneten Stammesgruppen und zivilen Freiwilligen zusammensetzen. Die dem Innenministerium unterstellte nationale Polizei ist für die innere Sicherheit zuständig und wird von den Streitkräften des Verteidigungsministeriums unterstützt. Sicherheitsrelevante polizeiliche Aufgaben werden im Allgemeinen von informellen bewaffneten Gruppen übernommen, die zwar von der Regierung bezahlt werden, aber keine formelle Ausbildung, keine Aufsicht und keine konsequente Rechenschaftspflicht besitzen. Es gibt glaubwürdige Berichte, dass Angehörige der Sicherheitskräfte zahlreiche Übergriffe begehen (USDOS 12.4.2022). Die Regierung der Nationalen Einheit und nichtstaatliche Akteure halten sich weitgehend an das Waffenstillstandsabkommen von 2020, obwohl beide Seiten weiterhin Unterstützung von ausländischen Streitkräften, ausländischen Kämpfern und Söldnern erhalten. Informelle nichtstaatliche bewaffnete Gruppen füllen Sicherheitslücken im ganzen Land. ISIS-Libyen versucht, eine begrenzte Präsenz in der südwestlichen Wüste aufrechtzuerhalten (USDOS 12.4.2022). Das Waffenstillstandsabkommen vom Oktober 2020 zwischen der ehemaligen Regierung der Nationalen Eintracht und Haftars LAAF sah den Abzug aller ausländischen Kämpfer aus dem Land vor. Nach Angaben der UN-Mission in Libyen hielten sich im September 2021 Tausende ausländischer Kämpfer aus Syrien, Russland, dem Tschad und dem Sudan, darunter auch Mitglieder privater Militärfirmen, in Libyen auf (HRW 13.1.2022; vgl. AI 29.3.2022). Die staatlichen Sicherheitsorgane können grundsätzlich keinen ausreichenden Schutz garantieren. Bewaffnete Gruppen mit zum Teil unklarer Zugehörigkeit treten häufig als Vertreter der öffentlichen Ordnung auf, sind jedoch nicht ausgebildet und wenig berechenbar (AA 30.5.2022). 1.3.5. Folter und unmenschliche Behandlung

Die Verfassungserklärung und nach-revolutionäre Gesetzgebung verbietet Folter. Folter und andere Misshandlungen sind in Gefängnissen, Haftanstalten und inoffiziellen Haftanstalten jedoch verbreitet (USDOS 12.4.2022) bzw. wird diese systematisch angewendet (AI 29.3.2022). Bewaffnete Gruppen, Milizen und Sicherheitskräfte führen außergerichtliche Hinrichtungen, erzwungenes Verschwindenlassen und Folter sowie sexuelle Gewalt und willkürliche Verhaftungen durch (FH 28.2.2022). Es gibt Berichte über grausame und erniedrigende Behandlung in staatlichen und extralegalen Haftanstalten, darunter Schläge, Verabreichung von Elektroschocks, Verbrennungen und Vergewaltigungen (USDOS 12.4.2022).

Korruption:

Das Gesetz sieht strafrechtliche Sanktionen für Beamte wegen Korruption vor (USDOS 12.4.2022). Der Inlandskonflikt und die Schwäche der öffentlichen Institutionen untergraben die Umsetzung des Gesetzes (USDOS 12.4.2022; vgl. FH 28.2.2022). Korruption ist weit verbreitet (FH 28.2.2022; vgl. USDOS 12.4.2022). Berichten des libyschen Rechnungsprüfungsamtes zufolge verübten Beamte häufig ungestraft korrupte Praktiken wie Bestechung, Schmiergeldzahlungen und Nepotismus. Es gab zahlreiche Berichte über Korruption in der Regierung, einschließlich Fällen angeblicher Geldwäsche, Menschenschmuggels und anderer krimineller Aktivitäten (USDOS 12.4.2022). Im Index der Korruptionswahrnehmung (CPI, Corruptions Perception Index) für das Jahr 2021 liegt Libyen auf Rang 171 von 180 untersuchten Staaten (TI 2022).

Wehrdienst und Rekrutierungen:

Libyen verfügt über kein landesweites Militär und die Übergangsregierung, die Regierung der Nationalen Einheit (GNU), ist für ihre Sicherheit auf die Zusammenarbeit mit verschiedenen Milizen angewiesen, die sie nicht vollständig kontrollieren kann; die GNU hat Zugang zu verschiedenen Boden-, Luft- und Seestreitkräften/Küstenwache, die sich aus einer Mischung aus halb regelmäßigen Militäreinheiten, Milizen, zivilen Freiwilligen sowie ausländischen Truppen und Söldnern zusammensetzen. Die Libysche Nationale Armee (LNA) (seit 2022: Libyan Arab Armed Forces, LAAF) unter dem De-facto-Befehlshaber der LNA, Khalifa Haftar, verfügt ebenfalls über verschiedene Boden-, Luft- und Seestreitkräfte, die sich aus halbregelmäßigen Militärangehörigen, Milizen sowie ausländischen Truppen und Söldnern zusammensetzen; Ende 2021 operierte die LNA weiterhin unabhängig von der GNU und übte ihren Einfluss im gesamten Osten, Zentrum und Süden Libyens aus (CIA 11.5.2022). In Libyen besteht kein verpflichtender Wehrdienst (WPR 2022). Es gibt Berichte über vermehrte Rekrutierung von Kindern durch nichtstaatliche bewaffnete Gruppen (USDOS 12.4.2022).

Allgemeine Menschenrechtslage:

Zu den bedeutenden Menschenrechtsproblemen gehörten glaubwürdige Berichte über: rechtswidrige oder willkürliche Tötungen durch verschiedene bewaffnete Gruppen; gewaltsames Verschwindenlassen durch verschiedene bewaffnete Gruppen; Folter durch bewaffnete Gruppen auf allen Seiten; harte und lebensbedrohliche Bedingungen in Gefängnissen und Haftanstalten; willkürliche Verhaftungen oder Inhaftierungen; politische Gefangene oder Häftlinge; schwerwiegende Probleme mit der Unabhängigkeit der Justiz; willkürliche oder rechtswidrige Eingriffe in die Privatsphäre; schwerwiegende Missbräuche im internen Konflikt, einschließlich der Tötung von Zivilisten und der Rekrutierung oder des Einsatzes von Kindern in Konflikten; schwerwiegende Einschränkungen der freien Meinungsäußerung und der Medienfreiheit, einschließlich Gewalt gegen Journalisten und der Existenz von Verleumdungsgesetzen; erhebliche Eingriffe in die Vereinigungsfreiheit; Zurückweisung von Flüchtlingen und Asylbewerbern; schwerwiegende Korruption in der Regierung; fehlende Rechenschaftspflicht bei geschlechtsspezifischer Gewalt; Menschenhandel; Androhung von Gewalt gegen ethnische Minderheiten und Ausländer; Existenz oder Anwendung von Gesetzen, die gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen kriminalisieren; erhebliche Einschränkungen der Vereinigungsfreiheit von Arbeitnehmern, einschließlich der Einschränkung von Tarifverhandlungen und des Streikrechts; und Zwangsarbeit (USDOS 12.4.2022). Es gibt ein breites Spektrum libyscher Medien mit Sitz innerhalb und außerhalb des Landes. Die meisten sind jedoch sehr parteiisch und produzieren Inhalte, die eine der politischen und militärischen Fraktionen des Landes begünstigen, und in vielen Fällen verbreiten sie Propaganda, Hassreden oder Desinformationen in Abstimmung mit ausländischen Geldgebern. Die Nutzung sozialer Medien ist weit verbreitet, aber die digitalen Plattformen sind voll von Desinformationskampagnen und Propaganda, was zu Verwirrung und geringem Vertrauen bei den Verbrauchern führt. Der Bürgerkrieg und die damit verbundene Gewalt durch kriminelle und extremistische Gruppen haben eine objektive Berichterstattung gefährlich gemacht und Journalisten sind Einschüchterungen, willkürlichen Verhaftungen und körperlichen Misshandlungen durch beide Konfliktparteien ausgesetzt. Trotz dieser Risiken haben sich einige unabhängige Journalisten und Medien um eine faktenbasierte Berichterstattung bemüht (FH 28.2.2022). Eine Reihe von Bestimmungen in den libyschen Gesetzen schränken die Rede- und Meinungsfreiheit unangemessen ein. Das Strafgesetzbuch sieht die Todesstrafe für die "Förderung von Theorien oder Prinzipien" vor, die auf den Umsturz des politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Systems abzielen (HRW 13.1.2022). Gemäß Strafgesetzbuch wird die sexuelle Betätigung zwischen Angehörigen des gleichen Geschlechts mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft. Sexuelle Minderheiten sind mit schwerer Diskriminierung und Belästigung konfrontiert und wurden von militanten Gruppen ins Visier genommen (FH 28.2.2022). Nach Angaben der UNSMIL und verschiedener UN-Organisationen waren Flüchtlinge, Asylbewerber und Migranten regelmäßig Opfer von rechtswidrigen Tötungen, willkürlicher Inhaftierung, Folter, sexueller Ausbeutung und anderen Misshandlungen. Zu den Tätern gehörten Staatsbeamte, bewaffnete Gruppen, Schmuggler, Menschenhändler und kriminelle Banden (USDOS 12.4.2022; vgl. HRW 13.1.2022).

Haftbedingungen:

Überbelegte Gefängnisse, in denen harte und lebensbedrohende Haftbedingungen herrschen (USDOS 12.4.2022; vgl. HRW 13.1.2022), entsprechen nicht internationalen Standards. Viele Gefängnisse befinden sich nicht unter der Kontrolle der Regierung. Berichten zufolge gibt es keine Jugendstrafanstalten im Land und die Behörden halten Jugendliche in Gefängnissen für Erwachsene fest, wenn auch manchmal in getrennten Abschnitten. Oft gibt es getrennte Einrichtungen für Männer und Frauen (USDOS 12.4.2022). Nach Angaben der UN-Unterstützungsmission in Libyen (UNSMIL) hielt das libysche Justizministerium Stand August 2021 12.300 Gefangene, darunter Frauen und Kinder, in 27 von ihm kontrollierten Gefängnissen und anderen von der GNU "anerkannten" Hafteinrichtungen fest (HRW 13.1.2022; vgl. USDOS 12.4.2022). 41% der Gefangenen befanden sich laut UNSMIL in willkürlicher, langfristiger Untersuchungshaft (HRW 13.1.2022). Tausende andere wurden von bewaffneten Gruppen in irregulären Hafteinrichtungen festgehalten (HRW 13.1.2022; vgl. USDOS 12.4.2022).

Todesstrafe:

Im Strafgesetz bestehen 30 Paragraphen, welche die Todesstrafe vorsehen. Seit 2010 wurde kein Todesurteil vollstreckt, obwohl Militär- und Zivilgerichte die Todesstrafe weiter verhängen (HRW 13.1.2022). Im Jahr 2021 wurden mehr als 12 Todesurteile verhängt (AI 5.2022).

Bewegungsfreiheit:

Die Verfassung gewährleistet Bewegungsfreiheit, inklusive Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung. Gesetzlich ist die Regierung dazu befugt, die Bewegungsfreiheit einer Person einzuschränken, wenn diese nach Ansicht der Behörde eine „Bedrohung der öffentlichen Sicherheit und Stabilität“ darstellt, basierend auf „früheren Handlungen oder Verbindungen zum ehemaligen Regime“ der betreffenden Person. Es gibt Berichte, dass bewaffnete Gruppen, die Flughäfen innerhalb des Landes kontrollierten, stichprobenartige Kontrollen von abfliegenden nationalen und internationalen Reisenden durchführen, da das Land kein einheitliches Zoll- und Einwanderungssystem besitzt (USDOS 12.4.2022).

Die Reisefreiheit im Inland ist eingeschränkt (BS 23.2.2022). Die Infrastruktur im Land hat unter den Kriegswirren erheblich gelitten. In den Städten und auf den Hauptverbindungstraßen Libyens wie insbesondere die wichtigste Verbindungsstrecke von West nach Ost entlang der Küste gibt es eine Vielzahl militärischer Kontrollposten der Sicherheitsbehörden und bewaffneter Milizen, die umfassende und häufig willkürliche Kontrollen durchführen. Überlandstraßen und Autobahnen wie auch Grenzübergänge sind zeitweise gesperrt. Reisen im Land ist durch Kampfhandlungen vielerorts weiterhin sehr gefährlich, hinzu kommen eine fehlende Disziplin, schlechte bzw. unbefestigte Straßen und mangelnde Sicherheitsstandards von Fahrzeugen, die zu einer hohen Unfallrate führen (AA 30.5.2022). Die wichtigsten Flughäfen (z.B. der internationale Flughafen von Tripolis, der derzeit wiederaufgebaut wird) wurden in den letzten Jahren durch Kämpfe schwer beschädigt. Es gibt Verbesserungen bei den Inlands- und internationalen Flügen, die jetzt vom internationalen Flughafen Benina in Benghazi aus durchgeführt werden. Der Hauptzugang nach Tripolis erfolgt über Flüge von Tunesien zum Flughafen Mitiga mit begrenzter Kapazität. Die Kämpfe in diesem Gebiet haben jedoch wiederholt zur zeitweiligen Schließung des Flughafens geführt (Crisis 24 o.D.). Der Luftverkehr entspricht nicht europäischen Sicherheitsstandards. Libysche Luftfahrtunternehmen stehen auf der gemeinschaftlichen Liste unsicherer Fluggesellschaften der EU (AA 30.5.2022).

Grundversorgung und Wirtschaft:

Libyen unterscheidet sich von den anderen unruhegeschüttelten arabischen Ländern durch eine geringe Bevölkerung (6,87 Mio. – momentan sollen sich aber bis zu 2 Mio. Libyer ob der Umstände im Ausland befinden), enorme Vermögensreserven (per 2020 ca. USD 73,9 Mrd.) und die größten bestätigten Erdölreserven Afrikas (48 Mio. Barrel). Libyen ist unter den nordafrikanischen Staaten mit Abstand am meisten vom Ölexport abhängig, denn 62 % der staatlichen Einnahmen (lt. Budget 2015), 60 % des Bruttoinlandsprodukts (Stand 2014) und ca. 96% der Exportumsätze werden mit Erdöl und Erdgas erwirtschaftet (Exportstatistik 2021). Außer einem Stahlwerk und mehreren Zementwerken verfügt Libyen kaum über eine eigene Industrie, obwohl einige private Investoren dahingehend langsam Pläne entwickeln (WKO 5.2022). Der zu einem großen Teil staatlich finanzierte Privatsektor (22 % des Budgets 2020 wurden als Gehälter an die Bevölkerung verteilt, weitere 16% des Budgets waren Subventionen (Benzin, Strom etc.)) entwickelte sich bis Mitte 2014 prächtig. Die Gelder flossen vor allem in die Bereiche Bau, Medizin und Konsumgüter. Dieser starke Privatkonsum kommt immer wieder vergleichsweise rasch in Fahrt (WKO 5.2022). Die mangelhafte Ölförderung bringt die libysche Wirtschaft stark unter Druck. Laut libyscher Zentralbank (Central Bank of Libya - CBL) hat das in den Jahren 2014-2017 zu direkten und indirekten Verlusten von USD 160 Mrd. geführt. Insgesamt sanken die Exporte seit 2012 (USD 62 Mrd.) um fast 90 % auf USD 6,8 Mrd. im Jahr 2016. In den Jahren 2017, 2018 und 2019 kam es zwar zu Exportzuwächsen, Exporte von USD 18,8, USD 29,8 Mrd. und USD 28,5 Mrd. sind jedoch für Libyen nicht ausreichend (WKO 5.2022). Die Verschärfung des Konflikts seit April 2019 hat die wirtschaftlichen Aktivitäten erstickt, zum Teil durch die häufigen Angriffe auf wichtige Infrastrukturen wie Ölfelder, Straßen und Flughäfen. Die COVID-19-Pandemie hat die Lage zusätzlich belastet, nachdem der erste Fall am 23.3.2020 registriert wurde. Bei einer Bevölkerung von offiziell 6,78 Millionen Einwohnern meldete die WHO bis zum 30.1.2021 118.631 Infektionen und 1.842 coronavirusbedingte Todesfälle (BS 23.2.2022). 2020 kam der Einbruch auf USD 7,4 Mrd. Im Jahr 2021 gab es aufgrund der vergleichsweise guten Ölförderung Exporte in Höhe von USD 22,5 Mrd. Libyen verlor alleine 2020 durch mangelnde Ölproduktion und -exporte USD 11 Mrd. Die Staatseinnahmen fielen auf LYD 23 Mrd. Das entspricht gerade einmal 40 % von den Einnahmen 2019. Die Devisenreserven sanken um mehr als ein Drittel, von USD 115,4 Mrd. (Ende 2013) auf USD 73,9 Mrd. Ende 2020. Für 2021 wurden noch keine offiziellen Zahlen veröffentlicht (WKO 5.2022). Die libysche Bevölkerung, die seit 2011 vom Bürgerkrieg gezeichnet ist, befindet sich inmitten einer schweren humanitären Krise. Jahre der politischen, sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Unbeständigkeit in Verbindung mit plötzlich auftretenden Schocks wie erneuten Zusammenstößen, der COVID-19-Pandemie und der Abwertung des libyschen Dinar haben die Lage noch schlimmer gemacht. Schätzungsweise 1,3 Millionen Menschen sind jetzt auf humanitäre Hilfe angewiesen. Mehr als die Hälfte von ihnen ist nicht ausreichend mit Nahrungsmitteln versorgt (WFP o.D., vgl. BS 23.3.2022). Seit 2018 hat das Welternährungsprogramm (WFP) seine Präsenz vor Ort in Libyen verstärkt und unterstützt nun jeden Monat rund 100.000 Menschen mit regelmäßigen Nahrungsmittelverteilungen im ganzen Land. Ergänzende Maßnahmen wie Schulspeisung und Nahrungsmittelhilfe für die Ausbildung tragen dazu bei, die Widerstandsfähigkeit von Gemeinschaften zu stärken und Frauen und Jugendliche zu fördern. WFP unterstützt auch die Überprüfung und Wiederherstellung der Sozialschutzsysteme aus der Zeit vor der Krise (WFP o.D.). In den Jahren 2019 und 2020 kam es zu Engpässen bei Lebensmitteln, Treibstoff, Wasser, Strom und Bargeld, und der Zugang selbst zu den grundlegendsten Dienstleistungen hing von politischen und ideologischen Differenzen sowie von der Anwendung von Gewalt und der geografischen Lage ab. Beide Seiten haben die Versorgungslinien der jeweils anderen Seite angegriffen, da die beiden Kriegsparteien versucht haben, Engpässe bei grundlegenden Gütern zu schaffen. Es gab mehrere Initiativen im Zusammenhang mit sozialen Sicherheitsnetzen, darunter eine Initiative des libyschen Expertenforums im Jahr 2017 und eine weitere, die von der Wirtschafts- und Sozialkommission der Vereinten Nationen für Westasien (ESCWA) im Rahmen des sozioökonomischen Dialogs in Libyen gefördert wurde. Aufgrund der politischen Spaltung und des Fehlens einer einheitlichen Regierung wurde jedoch keine dieser Initiativen jemals umgesetzt (BS 23.2.2022).

Medizinische Versorgung:

Die medizinische Versorgung ist insbesondere außerhalb der Hauptstadt vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch. Gewalttätig ausgetragene Konflikte und die Ausreise des häufig ausländischen Pflegepersonals der staatlichen Krankenhäuser und privaten Kliniken stellen eine zusätzliche Belastung für das angeschlagene Gesundheitssystem dar (AA 19.4.2022). Bis zum 15.8.2020 gab es nach Angaben von UNSMIL während der COVID-19-Pandemie über 37 Angriffe auf medizinisches Personal und Einrichtungen. Etwa 19 Krankenhäuser wurden angegriffen und 11 medizinische Mitarbeiter getötet. Haftars LAAF griffen am 7.4.2020 die Entbindungsstation des al-Khadra-Krankenhauses in Tripolis an, das ebenfalls zu den Gesundheitseinrichtungen gehörte, die für einen möglichen Einsatz von COVID-19 vorgesehen waren. Später im selben Monat wurde auch das Tariq al- houq Royal Hospital südlich von Tripolis zerstört. Auch für das medizinische Personal besteht ein Infektionsrisiko, da es nach wie vor an der notwendigen Ausrüstung, Wasser und Betten fehlt, um einen möglichen Zustrom von Patienten zu versorgen (BS 23.2.2022). MedCOI kann zu Libyen keine verlässlichen Informationen zur Verfügbarkeit von Behandlungen und Medikamenten zur Verfügung stellen (MedCOI 10.8.2020a, b). Standardmäßige medizinische Beratung in einer Privatklinik kostet ca. 20 Euro, ein Arztbesuch ca. 23-35 Euro. Preis pro Tag im Krankenhaus: 100-150 Euro exklusive Behandlungen und Medikamenten (MSZ o.D.).

Rückkehr:

Die IOM Displacement Tracking Matrix (DTM), welche die Daten und Ergebnisse zu Binnenvertriebenen (IDPs) und Rückkehrern zwischen Dezember 2021 und Januar 2022 präsentiert, entspricht Runde 40 des DTM Mobility Tracking in Libyen. Im Einklang mit dem im Jahr 2021 beobachteten Trend ging die Zahl der Binnenvertriebenen in dieser Berichtsrunde weiter zurück, während die Zahl der Rückkehrer parallel dazu anstieg. Im Vergleich zu 661.892 Rückkehrern, die in Runde 39 identifiziert wurden, stieg die Zahl der in Runde 40 identifizierten Personen auf 673.554. Dies bedeutet einen leichten Anstieg des prozentualen Anteils der Rückkehrer (2%), was einem Gesamtanstieg von 19% seit dem Waffenstillstand in Libyen im Oktober 2020 entspricht (IOM 11.3.2022). Die Zivilbevölkerung in ganz Libyen, insbesondere Binnenvertriebene und Rückkehrer, steht weiterhin vor großen Herausforderungen in Bezug auf den Schutz. Der Zugang zu medizinischer Versorgung, Medikamenten und lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen, einschließlich Unterkünften, Wasser und sanitären Einrichtungen, ist der dringendste Bedarf. Hunderttausende von Menschen, die in den Großstädten leben, sind durch explosive Kampfmittelrückstände und nicht zur Wirkung gelangte Sprengkörper stark gefährdet. Die am meisten gefährdeten Menschen haben nur wenige oder gar keine Mechanismen, um sich zu schützen und zu unterstützen. Der Zugang zu lebenswichtigen Haushaltsgütern wie Lebensmitteln ist aufgrund von Unsicherheit, Inflation und begrenzter Verfügbarkeit von Bargeld eingeschränkt (UNHCR 31.7.2021).

Aktuellste verfügbare Informationen:

Seit 2020 bildete sich im Zuge des Stabilisierungsprozesses eine „neue Normalität“, die UN-vermittelte Waffenstillstandsvereinbarung hält an, die Sicherheitslage bleibt potentiell volatil, hat sich jedoch „im Großraum Tripolis und mit Abstrichen in gesamt West-Libyen konsolidiert“, die Zahl der Hilfsbedürftigen dürfte bei anhaltender Stabilisierung weiter zurückgehen. Effektive Menschenrechte existieren dennoch kaum (AA 12.5.2023).

Die EuAA verweist auf einige Dokumente vom USDOS, von AI und HRW, wonach sich die menschenrechtliche Lage in Libyen im Berichtszeitraum Juli 2022-Juli 2023 als „dramatisch“ darstellt (EuAA 25.7.2023).Schätzungen zufolge benötigen rd. 300.000 (bis zu 1.300.000, vgl. Punkt II. 1.3.12.) Menschen in Libyen humanitäre Hilfe. Registriert sind außerdem über 700.000 Rückkehrer, 50.000 intern vertriebene hilfsbedürftige Menschen und beinahe ebensoviele Asylwerber und Flüchtlinge, die meisten davon aus dem Sudan, Syrien und Eritrea (UNHCR 9.2023).

Eine vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl koordinierte Untersuchung einer repräsentativen Stichprobe deutet auf ein hohes Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung hin – nur 3 % der 600 Befragten, welche teilweise Dauer- (48 % der Männer), Gelegenheits- (16 % der Männer), Haus- oder gar keiner Arbeit nachgehen, fühlten sich in ihrer Nachbarschaft „ziemlich“ bzw. „sehr unsicher“, in Tripolis beschreiben drei Viertel ihren Zustand als „sehr sicher“. Rund drei Viertel leben gemeinsam mit ihrer Kernfamilie, über 80 % verfügen über Immobilieneigentum, 6-8 % können sich das Wohnen nur schwer leisten. In etwa 9-12 % kämpfen mit den Kosten für Nahrungsmittel. 82 % der Befragten steht immer, 93 % meistens Elektrizität zur Verfügung. 2 % gelangen selten oder gar nicht an sauberes Wasser. 2 % haben keinen Zugang zu notwendigen Hygieneprodukten. 71 % sind medizinisch gut versorgt, 26 % hätten dazu zwar Zugang, jedoch zu geringe finanzielle Mittel. 73-96 % der Familien verfügen über Internetzugang. 38 % der in Tripolis ansässigen Familien können ihren Kindern keine Schulbildung ermöglichen (BFA 3.4.2024).

Der UN-Generalsekretär attestierte der Nation schwere Verletzungen der internationalen Menschenrechte sowie eine schlechte ökonomische Situation, begrüßte zeitgleich das anhaltende Engagement lokaler und Stammesführer zur Deeskalation und wies darauf hin, dass im Berichtszeitraum keine Verletzung der Waffenstillstandsvereinbarung registriert wurde, das Augenmerk läge weiterhin auf mobilisierten Truppen in Ost-Libyen (UN 9.4.2024).

Zusammenstöße zwischen rivalisierenden Milizen finden mehrheitlich in der westlibyschen Stadt Zawiya und nicht in der Hauptstadt Triopolis statt.

BAMF Briefing Notes: Feburar 2024 – Oktober 2024

2011 kam es in Libyen zum Sturz des langjährigen Diktators Muammar al-Gaddafi, wobei seitdem keine Stabilität eingekehrt ist.

Im Mai 2025 brachen in Tripolis heftige Zusammenstöße zwischen rivalisierenden bewaffneten Gruppen aus, wobei zumindest 98 Zivilisten getötet wurden und waren es die schwersten Kämpfe seit Jahren.

Libyen ist in rivalisierende östliche und westliche Fraktionen gespalten, wobei der Osten seit einem Jahrzehnt von Kommandeur Khalifa Haftar und seiner Libyschen Nationalarmee dominiert wird, hingegen die Hauptstadt Tripolis und der Nordwesten des Landes von der international anerkannten Regierung der Nationalen Einheit (GNU) unter Premierminister Abdulhamid Dbeiba mit der Hilfe mächtiger Milizen regiert wird.

Vor kurzem wurde der Milizenanführer Abdulghani Kikli, bekannt als Ghaniwa, getötet, was Eskalationen der Kämpfe in mehreren Vierteln der Hauptstadt zur Folge hatte.

Mehrere Milizen mobilisierten eine Vielzahl von Kämpfern. Die größten Gefechte lieferten sich dabei eine mit Dbeiba verbündete Miliz, die sogenannte Brigade 444, mit Kämpfern der Miliz Rada – eine der letzten großen Gruppen, die nicht unter dem Einfluss Dbeibas steht.

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz.

Ergänzend wurden Auszüge aus dem zentralen Melderegister, dem Strafregister, dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung und der Sozialversicherungsdatenbank eingeholt. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.

Am 11.09.2025 fand überdies vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt, in welcher die Rechtssache erörtert wurde.

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers ergeben sich aus den glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung, in der niederschriftlichen Einvernahme und in der mündlichen Verhandlung.

Dass der Beschwerdeführer gesund und erwerbsfähig ist, ergibt sich aus seinen wiederholt gleichbleibenden und diesbezüglich glaubhaften Angaben im Verfahren, zuletzt in der mündlichen Beschwerdeverhandlung.

Die Feststellungen zu seiner Herkunft, seinen familiären Umständen, sowie seiner beruflichen Tätigkeit konnten ebenfalls aufgrund der gleichbleibenden Angaben im Verfahren getroffen werden.

Die Feststellungen zur Ausreise aus Libyen und zum Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus dem Verwaltungsakt in Zusammenschau mit eingeholten Auskünften aus dem Informationsverbund zentrales Fremdenregister, sowie dem zentralen Melderegister.

Die Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten an den Beschwerdeführer leitet sich aus dem im Verwaltungsakt einliegenden Bescheid vom 16.10.2024 als auch dem Informationsverbund zentrales Fremdenregister ab.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ist durch eine Abfrage im Strafregister der Republik belegt.

2.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer begründete seinen Asylantrag im Rahmen der Erstbefragung damit, er sei bei Ausübung seines Dienstes verletzt worden und berief sich auf die schlechte Sicherheitslage in Libyen.

Auch im Rahmen seiner Einvernahme vor der belangten Behörde gab der Beschwerdeführer keine konkrete, individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung an, sondern führte aus, dass aufgrund eines allgemeinen Aufrufs des Gesundheitsministeriums Ärzte aufgefordert worden wären, in der Region Ainzara verletzte Personen medizinisch zu versorgen, den Ärzten sei es verboten gewesen, die Region zu verlassen. Die die Region kontrollierenden Gruppen hätten immer wieder Schüsse abgegeben, damit die Ärzte ihren Dienst nicht verlassen würden, dabei sei es zu seiner Verletzung gekommen.

Eine konkrete persönliche Bedrohung durch staatliche Organe oder Milizangehörige wurde vom Beschwerdeführer, anders als in der Beschwerde dargestellt, im Administrativverfahren nicht hinreichend konkret und glaubhaft vorgebracht.

In der mündlichen Beschwerdeverhandlung führte der Beschwerdeführer erneut aus, bei einer Rückkehr Probleme mit den Milizen zu befürchten.

Erstmals brachte er bei dieser Gelegenheit vor, Ende Dezember 2022 die Regierung in einem Facebook-Posting kritisiert zu haben, weswegen seine Familie Probleme bekommen habe, die ihn geben habe, nichts mehr zu schreiben. Konkretere Angaben, welche Probleme ihm oder seiner Familie daraus entstanden sind, machte der Beschwerdeführer nicht. Abgesehen davon gab er auch an, seine Familie würde weiterhin in Tripolis leben und führte auch auf die Frage nach dem Wohlergehen seiner Familie keine aus seiner sozialen Medienpräsenz resultierende Probleme an. Neben den diesbezüglich wenig konkreten und aussagekräftigen Angaben des Beschwerdeführers ist auch darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer dieses Posting oder daraus etwaig resultierende Probleme in der Einvernahme vor der belangten Behörde, die im Juli 2024 stattgefunden hat, mit keinem Wort erwähnt hat, was ebenfalls nicht für eine aktuell vorliegende Bedrohung, die aus diesem (vom Beschwerdeführer auch nicht näher beschriebenen) Posting resultieren könnte, spricht.

Insgesamt ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, eine maßgeblich wahrscheinlich erscheinende Verfolgung aus asylrelevanten Gründen aus diesem Grund glaubhaft zu machen.

In der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer weiter an, er befürchte im Falle einer Rückkehr sofort festgenommen zu werden, da er Zeuge bei der Tötung einer – von ihm erstmals namentlich genannten Person durch einen – ebenfalls namentlich genannten – Angehörigen einer Miliz gewesen sei, als er in einem Feldkrankenhaus bei Ainzara gearbeitet habe. Dies sei im April oder Mai 2020 geschehen, genau wisse er das nicht mehr.

Eine nachvollziehbare Erklärung dafür, warum konkret der Beschwerdeführer aufgrund dieses Vorfalls eine Bedrohung befürchte, konnte dieser nicht angeben, sondern führte lediglich unsubstantiiert aus, „alle“ bei diesem Vorfall Anwesenden seien nach dieser Tat von der betreffenden Person bedroht worden; falls etwas bekannt gegeben worden wäre oder es ein Verfahren gegen diesen Mann geben sollte, würde er alle töten. Der Beschwerdeführer gab auch an, es sei nach diesem Vorfall im April/Mai 2020 bis zu seiner Ausreise im April 2022 zu keinen wie immer gearteten Vorfällen oder Bedrohungen durch diese Person gekommen.

Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer dieses Ereignis vor der belangten Behörde zwar auf die Frage, ob er jemals persönlich bedroht wurde, kurz angab, ist anzumerken, dass er den Vorfall nur in wenigen Worten schilderte, ohne Namen zu nennen und auch bei dieser Gelegenheit keine daraus resultierende Verfolgungsgefahr glaubhaft machte.

Der Beschwerdeführer hat Libyen erst zwei Jahre nach diesem Vorfall, im April 2022 und dies auf legalem Wege verlassen, was ebenfalls eindeutig darauf hinweist, dass er aus diesem Vorfall keine unmittelbare und zudem von staatlichen Behörden ausgehende Gefahr befürchtete, bzw. ist nicht zu erkennen, wieso eine solche aktuell noch vorliegen sollte.

Die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Bedrohung durch einen Angehörigen der Miliz wäre zudem als Privatverfolgung anzusehen, und würde diese nicht aus einer Verfolgung aufgrund einer oppositionellen Gesinnung des Beschwerdeführers resultieren, wie in der Beschwerde dargestellt wird.

In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes neben der Verfolgung durch staatliche Akteure auch einer von Privatpersonen und privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zukommt, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Die Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der staatlichen Behörden ist dabei grundsätzlich daran zu messen, ob im Heimatland wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung oder einen ernsthaften Schaden darstellen, vorhanden sind und ob die schutzsuchende Person Zugang zu diesem Schutz hat. Dabei muss auch bei Vorhandensein von Strafnormen und Strafverfolgungsbehörden im Einzelfall geprüft werden, ob der Betreffende unter Berücksichtigung seiner besonderen Umstände in der Lage ist, an diesem staatlichen Schutz wirksam teilzuhaben.

Auch einer auf keinem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung durch Private kann asylrelevanter Charakter zukommen; dies allerdings nur dann, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren. Das hat auch für die nach Art. 7 Abs. 1 lit. b Statusrichtlinie die Eignung zum Schutz vor Verfolgung oder ernsthaftem Schaden aufweisenden Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, zu gelten (vgl. zur Asylrelevanz der Verfolgung durch Private ebenfalls VwGH 14.10. 2024, Ra 2024/20/0491, mwN).Für die Gewährung von Asyl bedarf es mithin stets der Prüfung eines kausalen Zusammenhanges zwischen der Verfolgungshandlung (oder dem Fehlen von Schutz vor Verfolgung) und einem Verfolgungsgrund im Sinn der GFK. Es kommt nicht darauf an, dass „irgendein“ Zusammenhang besteht, sondern dass die Verfolgungshandlung kausal auf einen Verfolgungsgrund im Sinn der GFK - wenn auch nicht notwendigerweise als den alleinigen Grund - zurückzuführen ist. Fehlt ein kausaler Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen, kommt die Asylgewährung nicht in Betracht (vgl. auch dazu VwGH Ra 2024/20/0491, mwN).

Ein kausaler Zusammenhang zu einem Konventionsgrund kann im Vorbringen des Beschwerdeführers, der angibt, dass er und andere Personen den durch einen Milizangehörigen begangenen Mord beobachtet haben und er sich deshalb bedroht fühlt, sollte er oder die Familie des Opfers diesen anzeigen, nicht erkannt werden.

Wie die belangte Behörde zutreffend in der bekämpften Entscheidung ausführte, ist auch dem übrigen Vorbringen des Beschwerdeführers, wie seine Nichtberücksichtigung für eine Stelle in der russischen Botschaft, keine gegen ihn persönlich gerichtete Verfolgung zu erkennen und blieb dieses Vorbringen auf der Behauptungsebene.

Die belangte Behörde führt in der bekämpften Entscheidung aus, dass sich aus der vom Beschwerdeführer geschilderten Situation in Ainzara im Jahr 2019, bei welcher der Beschwerdeführer gezwungen worden sei, Hilfe zu leisten, und verletzt worden sei, keine individuelle Verfolgungshandlung der libyschen Behörden oder der dort agierenden Akteure gegen seine Person ableiten lasse und konnte eine solche auch bei Wahrunterstellung des diesbezüglichen Vorbringens auch nicht aus dem Vorbringen in der mündlichen Beschwerdeverhandlung erkannt werden, in der der Beschwerdeführer seine vor dem BFA getätigten Angaben bestätigte.

Soweit in der Beschwerde – ohne dies näher zu begründen - vorgebracht wird, dem Beschwerdeführer drohe eine Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Ärzte, ist wie folgt auszuführen:

Zum Vorliegen einer sozialen Gruppe (iSd § 2 Abs. 1 Z 12 AsylG iVm Art. 10 Abs. 1 lit. d Statusrichtlinie) bedarf es nach der Rechtsprechung der Erfüllung zweier kumulativer Voraussetzungen: Zum einen müssen die Mitglieder der Gruppe „angeborene Merkmale“ oder einen „Hintergrund, der nicht verändert werden kann“, gemein haben, oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, „die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten“. Zum anderen muss diese Gruppe in dem betreffenden Drittland eine deutlich abgegrenzte Identität haben, da sie von der als sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird. (vgl. etwa VwGH 28.05.2020, Ra 2019/18/0421, Rn. 12 und 15, m.w.N. und insbesondere Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH).

Dass allein die Zugehörigkeit zur Berufsgruppe der Ärzte ein unveränderliches Merkmal darstellt bzw. diese von der Gesellschaft als „andersartig“ angesehen werden, ist weder aus dem Vorbringen in der Beschwerde, noch aus den in der Beschwerde zitierten Berichten zu erkennen. Insofern ist bereits die erste Voraussetzung für die Annahme einer „sozialen Gruppe“ nicht erfüllt.

Eine soziale Gruppe kann zudem nicht ausschließlich dadurch definiert werden, dass sie Zielscheibe von Verfolgung ist (ebenfalls etwa VwGH 28.05.2020, Ra 2019/18/0421, Rn. 12 und 15, m.w.N. und insbesondere Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH).

Von einem Antragsteller ist ein Verfolgungsschicksal glaubhaft darzulegen. Einem Asylwerber obliegt es, bei den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen und Verhältnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen und er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Die Behörde bzw. das Gericht muss somit die Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylwerber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der auf Grund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss, die Verantwortung eines Antragstellers muss jedoch darin bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert.

Der belangten Behörde ist beizupflichten, wenn sie ausführt, dass der Beschwerdeführer keine ihn persönliche betreffenden, konkreten Verfolgungshandlungen aus Gründen der Genfer Flüchtlingskonvention der libyschen Behörden oder mit ihr verbündeter Akteure angegeben hat.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Zum Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Der Beschwerdeführer hat mit seinem Vorbringen keine maßgeblich wahrscheinliche und zudem aktuell bestehende Gefahr einer staatlichen Verfolgung in Libyen oder die Gefahr einer Verfolgung durch Milizen aus Gründen der Genfer Flüchtlingskonvention aufgezeigt.

Dem Beschwerdeführer ist es damit im gesamten Verfahren nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen.

Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat Libyen keine Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht und Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides zu bestätigen ist.

Sofern sich das Vorbringen des Beschwerdeführers auf die allgemeine Lage in Libyen bezieht, ist dem zu entgegnen, dass dem Beschwerdeführer bereits der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zukommt. Dort bestehende sicherheitsrelevante Konflikte betreffen den Beschwerdeführer nicht anders, als die übrige dort lebende Bevölkerung und ist dieses Vorbringen durch den ihm zukommenden Status des subsidiär Schutzberechtigten abgedeckt.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.